Erwartungen und Interaktion

Hallo an alle!

In den unten stehenden Diskussionen sind immer wieder zwei völlig unterschiedliche Haltungen aufeinandergeprallt - die eine vertreten durch die Mehrheit der Anwesenden, die andere durch Martin. :smile: Da die Themen unten alle auf konkrete Personen und konkrete Umstände bezogen waren, würde mich interessieren, wie ihr, liebe Wissenden, die einzelnen Aspekte auf einer allgemeineren Ebene seht.

Erwartungen. Darf man vom Partner etwas erwarten? Falls ja, wieviel? Wo ist die Grenze? Es dürften sich ja alle bei den Eckpunkten einig sein „man darf erwarten, dass der Partner nicht gewalttätig wird“ und „man darf nicht erwarten, dass er seine Freunde aufgibt oder dass er einen glücklich macht“. Aber was ist dazwischen? Darf man erwarten, dass der Partner (in einer nicht-offenen Beziehung) nicht fremdgeht? Darf man erwarten, dass er einen nicht anlügt? Darf man erwarten, dass er einem die gleichen Freiheiten zuerkennt, die er für sich selbst beansprucht?

Interaktion. In einer Beziehung interagieren die Partner ja miteinander. Sie reden miteinander, haben Sex (miteinander :smile:), unternehmen vermutlich auch ab und zu etwas zusammen. Wieviel Freiheit sollte jedem einzelnen zuerkannt werden? Martin hat weiter unten das Beispiel des Paares gebracht, bei dem nach der Paarberatung die Lebenserwartung der Fische gestiegen ist, da sich nun jeder nach eigener Lust und Laune um sie kümmert, statt vom jeweiligen Partner zu erwarten, dass er das tut. Und Martin kommt zu dem Schluss, dass die Partner glücklicher geworden sind, seit sich jeder nur für sich selbst verantwortlich fühlt. Doch was ist die Essenz einer solchen Partnerschaft? Wenn man sich zwei erwachsene Menschen noch nicht einmal darauf einigen können, wie sie im Interesse der Fische das Aquarium pflegen, was unterscheidet sie von studentischen WG-Mitbewohnern (außer Sex, aber selbst der soll ja in WGs vorkommen :wink:)? Und würde man einem solchen Paar zutrauen, gemeinsam ein Kind großzuziehen? Oder würde man ihnen einen Hund anvertrauen?

Vielleicht seh ich das irgendwie im falschen Licht oder vielleicht bin ich zu konservativ, aber meine Weltsicht besagt, dass ich vom Partner erwarten kann, dass er
a) mich nicht vorsätzlich verletzt (physisch oder psychisch) und
b) seine freiwillig gegebenen Versprechen mir gegenüber einhält.
Und selbstverständlich vice versa.
Außerdem besagt eben jene Weltsicht, dass eine Partnerschaft nicht nur gelegentliche Unterhaltungen und Sex, aber ansonsten getrennte Lebensführung (u.U. im gleichen Haus) beinhaltet, sondern gemeinsame Lebensführung, gute Gesprächskultur, Bereitschaft zu Kompromissen und gemeinsame Zeit, die man einvernehmlich gestaltet. Selbstverständlich gehören auch Vertrauen dazu und die Freiheit, eigenen Hobbies nachzugehen, einen eigenen Freundeskreis zu haben usw. Aber wenn es zwischen Partnerschaft und dem „partnerschaftsunabhängigen Eigenleben“ Konflikte gibt, sucht man in einer Beziehung nach Kompromissen, statt die Fronten zu verhärten und auf der grenzenlosen Freiheit zu bestehen (z.B. falls der Partner eifersüchtig ist und gern die Freunde kennenlernen möchte, lädt man sie einmal nach Hause ein oder geht mit Freunden und Partner einmal für einen Drink aus). Diese Freiheit und absolute Unabhängigkeit hat man als Single. Aber kann man sie auch in einer Beziehung zu 100% kompromisslos verlangen, wo man doch sehr eng mit der geliebten Person interagiert? Gilt die kompromisslose Freiheit mehr als das eventuelle Leiden des Partners? Wie gesagt, ich spreche nicht von größeren Einschränkungen (z.B. gar nicht mehr ohne Partner ausgehen) oder größeren Problemen des Parnters (z.B. krankhafte Eifersucht).

Bin auf eure Meinungen gespannt.

Grüße

Green Tea

Wenn man sich zwei erwachsene Menschen noch nicht einmal
darauf einigen können, wie sie im Interesse der Fische das
Aquarium pflegen, was unterscheidet sie von studentischen
WG-Mitbewohnern (außer Sex, aber selbst der soll ja in WGs
vorkommen :wink:)? Und würde man einem solchen Paar zutrauen,
gemeinsam ein Kind großzuziehen? Oder würde man ihnen einen
Hund anvertrauen?

Vielleicht seh ich das irgendwie im falschen Licht oder
vielleicht bin ich zu konservativ, aber meine Weltsicht
besagt, dass ich vom Partner erwarten kann, dass er
a) mich nicht vorsätzlich verletzt (physisch oder psychisch)
und
b) seine freiwillig gegebenen Versprechen mir gegenüber
einhält.

Hallo,

ich sehe das sehr ähnlich wie du. Wobei ich ganz besonders wichtig den Punkt der Verlässlichkeit der Zusagen sehe. Für mich ist Verlässlichkeit ein sehr wichtiges Gut, gerade auch in der Partnerschaft. Ich sehe im Verlässlichsein auch keinen Widerspruch zur Freiheit, da bin ich sehr strikt, in meinen Augen ist es unreif, hier einen Widerspruch zu sehen. Wenn die Aussage, das Wort meines Partners keinen Wert hat, dann kann ich auch mit dem Blumentopf reden.

Diese Freiheit und
absolute Unabhängigkeit hat man als Single. Aber kann man sie
auch in einer Beziehung zu 100% kompromisslos verlangen, wo
man doch sehr eng mit der geliebten Person interagiert?

Auch hier teile ich deine Meinung. Ich gehe sogar noch ein Stück weiter: Kompromisslose Freiheit und Partnerschaft schließen sich in meinen Augen aus. Ich bin schon nicht kompromisslos frei, wenn ich in einer Gesellschaft lebe. Je enger man aber dann aufeinander lebt (damit ist erst mal nur räumlich gemeint), desto mehr Kompromisse muss man eingehen - und geht sie normalerweise auch zwangsläufig. Genau dies Kompromisslosigkeit, die von vielen Singles als Heilsbringer stolz hochgehalten wird, ist in meinen Augen das, was nicht nur Partnerschaft beinahe unmöglich macht, sondern zunehmend auch das gesellschaftliche Leben schwierig macht. In Berlin jedenfalls, einer Stadt mit - zumindest in einigen Stadtteilen - sehr vielen Singles, kann man hierfür fast täglich Beispiele finden. Dann wird aus kompromissloser Freiheit, die die Freiheit von selbst gemachten Aussagen beinhaltet, Egoismus in Reinform und damit A-Soziales Verhalten.

Hinter die Stichworte Erwartungen und Interaktion würde ich dann auch noch das Stichwort Verantwortung setzen. Ich halte es auch für selbstverständlich, dass man in einer Partnerschaft Verantwortung füreinander übernimmt. Das bedeutet nicht, dass man dem anderen seine Selbstverantwortung abnimmt (es sei denn, es herrscht Ausnahmesituation und er kann sie in dem Moment nicht tragen).

Natürlich gilt für alle drei Bereiche ein vernünftiges Maß. Was vernünftig ist, müssen die Partner durch Interaktion und Kommunikation rausbekommen. Und keiner dieser Bereiche darf (gegen den anderen) instrumentalisiert werden. Das tut aber nicht dem Grundsatz einen Abbruch.

LG Petra

Hi,

Erwartungen. Darf man vom Partner etwas erwarten? Falls
ja, wieviel? Wo ist die Grenze? Es dürften sich ja alle bei
den Eckpunkten einig sein „man darf erwarten, dass der Partner
nicht gewalttätig wird“ und „man darf nicht erwarten, dass er
seine Freunde aufgibt oder dass er einen glücklich macht“.

ich gehe so weit zu behaupten, dass man selbst das nicht erwarten darf. Man kann nur hoffen, dass die Vorstellungen des Partners soweit mit den eigenen Vorstellungen übereinstimmen, dass man eine gute Beziehung führen kann. Tun sie das nicht - im schlimmsten Fall so krass, dass z.B. der Partner gewalttätig ist - muss man für sich selber entscheiden, ob man damit leben möchte oder kann oder eben nicht.

Aber ich würde in keiner Weise abstufen. Erwartungen sind fehl am Platz (auch wenn man davor nicht immer gefeit ist).

Gruß
Cess

Nur: Erwartungen
Hallo Green Tea,

Erwartungen. Darf man vom Partner etwas erwarten?

Nicht dürfen, man muss etwas erwarten, sonst erübrigt sich die Frage „Partner“ von selbst (s. „Pomeranzes Blumentopf“). Ein Partner muss sich in eine Beziehung einbringen. Mit Anregungen, Wünschen, Sehnsüchten. Das erwarte zumindest ich von meinem Partner.

*) Was ich nicht erwarten darf ist all das, zu dem ich nicht selbst bereit bin, all das, was ich selbst nicht einbringen mag oder kann.

Es dürften sich ja alle bei
den Eckpunkten einig sein „man darf erwarten, dass der Partner
nicht gewalttätig wird“ und „man darf nicht erwarten, dass er
seine Freunde aufgibt oder dass er einen glücklich macht“.

siehe oben *)

Darf man erwarten, dass der Partner (in einer nicht-offenen Beziehung) nicht fremdgeht? Darf man erwarten, dass er einen nicht anlügt? Darf man erwarten, dass er einem die gleichen Freiheiten zuerkennt, die er für sich selbst beansprucht?

siehe oben *)

Ohne Erwartungen wäre das Leben nicht einmal fad und unspannend, es wäre eigentlich keines. Meine Erwartungen sind die Herausforderung an den anderen, und umgekehrt.

Der Grad der Erfüllung meiner Erwartungen entscheidet letztendlich, ob es mein Partner wird/ist. Die Interaktion ist eine Folge dieser Erwartungen, sie wird durch diese Erwartungen erst ausgelöst.

Und yep, je größer die Erwartungen, desto reicher die Beziehung und Partnerschaft.

Gruß
Der Franke