Es ist mir schwanhaft

Hallo,

das Wort schwanhaft habe ich heute im Rezepte-Brett benutzt und meinte es in der Bedeutung von rätselhaft, schleierhaft, unbegreiflich etc.

Zwischendurch kam ich über das Wort ins Grübeln und wollte wissen, warum es in dieser Bedeutung benutzt wird - aber das Adjektiv ist praktisch inexistent, während man für die verbale Wendung mir schwant (etwas) massenhaft Belege und auch Erklärungen für die Herkunft findet.
Und nun frag ich mich, woher ich das Wort kenne. Auf meinem eigenen Mist ist es wohl nicht gewachsen denn ich bin mir so gut wie sicher, es auch schon aus dem Mund meiner Eltern und aus anderen Mündern gehört zu haben.

Die „bereinigte“ Google-Suche (Um Ihnen nur die treffendsten Ergebnisse anzuzeigen, wurden einige Einträge ausgelassen, die den 14 bereits angezeigten Treffern sehr ähnlich sind; auf der letzten Seite) liefert allerdings nur 3 Ergebnisse, in denen das Wort in der von mir gemeinten Bedeutung benutzt wird.
http://www.google.de/search?q=schwanhaft&hl=de&biw=1…
Der Rest sind

  • Links, die ins Leere führen (Für das Wort schwanhaft wurden in unserer Datenbank noch keine Synonyme hinterlegt)
  • Links, bei denen schwanhaft in der Bedeutung schwanartig benutzt wird (farbige Segel glitten schwanhaft)
  • Fehler bei der Digitalisierung alter Texte (schwatzhaft [mit dem alten tz, das sich am Ende nach links unten krümmt] wird zu schwanhaft)

Bei der Suche im ganzen Trierer Wörterbuchnetz wurde ich bei schwanhaft lediglich auf diese Stelle verwiesen, wo am Ende zumindest eine übertragene Bedeutung genannt wird, aber nicht die von mir gemeinte:

schwanicht, adj.: cygneus, olorinus. dicitur etiam schwanhaft, formâ cygni. ein schwanichter, pro graukopf, cygno prognatus. schwanicht, et schwanhaft singen, sub mortem dulce canere Stieler 1953.
siebenb. schwånjd gewitternd, schreckenerregend
http://urts55.uni-trier.de:8080/Projekte/WBB2009/DWB…

Damit sich niemand auf Pfaden bewegt, die ich bereits abgeklappert habe, hier meine erfolglosen Suchversuche:
http://www.dwds.de/?qu=schwanhaft&view=1 (nicht einmal eine Fundstelle in den Korpora)
http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/s…
http://www.canoo.net/services/Controller?input=schwa…
http://www.duden.de/suchen/dudenonline/schwanhaft
http://wortschatz.uni-leipzig.de/abfrage/
http://www.zeno.org/Zeno/0/Suche?q=schwanhaft&k=Bibl…
http://www.textlog.de/cgi-bin/search/search.cgi?q=sc…

In meinen Print-Medien Druckerzeugnissen ist das Wort ebenfalls nicht zu finden (nur Schwanhild im Duden von 1948).
Nun könnte es sein, dass ich das Wort mit meinen saarländischen Erinnerungen in den Norden geschleppt habe, dass die drei Google-Funde ebenfalls von Saarländern stammen - oder haben wir vier aus mir schwant und es ist mir schleierhaft einen sprachlichen Idiotismus geschaffen, einen Redewendungsverdreher?
Was meint Ihr?

Grüße
Pit

Mir auch…

Und nun frag ich mich, woher ich das Wort kenne.

Vielleicht als bereits genanntes „schwanartig“? Oder kennst du es auch in dieser Bedeutung?

Nun könnte es sein, dass ich das Wort mit meinen
saarländischen Erinnerungen in den Norden geschleppt habe,
dass die drei Google-Funde ebenfalls von Saarländern stammen -
oder haben wir vier aus mir schwant und es ist mir
schleierhaft
einen sprachlichen Idiotismus geschaffen, einen
Redewendungsverdreher?

Letzteres, vermute ich. Solche Verdreher sehe ich recht oft und oft auch mehrfach.
Genaueres kann ich aber auch nicht sagen, und ich vermute, das wird auch kaum möglich sein.

Was meint Ihr?

Als „Morgenstern-Fan“ kann ich ja noch kurz auf das Wort „schwansinnig“ verweisen.

mfg,
Che Netzer

Zwischendurch kam ich über das Wort ins Grübeln und wollte
wissen, warum es in dieser Bedeutung benutzt wird - aber das
Adjektiv ist praktisch inexistent…

Hallo,

jedem, der der deutschen Sprache halbwegs mächtig ist, ist es erlaubt, neue Wörter zu bilden. Mit dem gleichen Recht kannst du auch hühnerhaft, krähenhaft, geierhaft usw. verwenden, es ist bloss die Frage, ob dich dein Gegenüber versteht. Aufgrund der Bildung (der Wortbildung, nicht deiner…) ist es kein Wunder, wenn man unter schwanhaft zunächst mal „wie ein Schwan“ versteht. Schwanhafte Eleganz wäre z.B. allgemein verständlich, allerdings wäre schwanenhaft besserer Stil. Die geistige Krücke, äh Brücke vom schwanen zu schwanhaft ist dagegen nicht selbstverständlich.

Gruss Reinhard

Hallo,

ich bin mir sicher dass das Wort mit dieser Bedeutung existiert und ich es innerhalb meiner Verwandschaft, von denen sehr viele aus dem Rheinland sind, gehört habe. Leider kann ich auch nicht sagen woher das Wort eigentlich kommt.

MfG Tobias

Moin Tobias,

da bin ich nun doch erleichtert dass jemand außer mir das Wort schwanhaft kennt, dass ich keinen Sprung in der Festplatte meines Sprachzentrums habe.
Du kennst es aus dem Rheinland - das ist ja nicht sehr weit von meiner saarländischen Heimat entfernt und es ist sehr gut möglich, dass es im Rhein- und Moselfränkischen ein gängiges Wort ist.
Es liegt vielleicht an der Ferienzeit, dass sich bisher nicht mehr bekennende Kenner des Worts gemeldet haben.

Es ist mir schwanhaft ist bestimmt abgeleitet vom Verb schwanen; zur Herkunft der Wendung es schwant mir/mir schwant Fürchterliches/ etc. gibt es verschiedene Deutungsversuche:

(Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (nach Pfeifer))
schwanen
schwanen Vb. ‘ahnen’,; meist in der unpersönlichen Fügung es schwant mir ‘ich ahne, vermute’ zuerst mnd. ome hedde so etwes geswanet ‘geahnt’ (1514 Braunschweig), aber bereits in der 1. Hälfte des 16. Jhs. ins Hd. übernommen.
Vielleicht entstanden durch Verschiebung der Wortgrenze zwischen Personalpronomen und Verb aus mnd. es (Gen.) wānet mir, im Anlaut dem nhd. Konsonantismus angeglichen.
Oder der Fügung liegt nlat. olet mihi ‘es ahnt mir’ (lat. olēre ‘riechen, sich durch Geruch bemerkbar machen’) zugrunde, in scherzhafter Übersetzung durch Humanisten bzw. Studenten an lat. olor ‘Schwan’ angeschlossen.
Die unpersönliche Konstruktion mag in beiden Fällen von es ahnt mir beeinflußt sein. Häufig auch in Reimbindung mir schwant und ahnt (18. Jh.).
http://www.dwds.de/?qu=schwanen&view=1

Hier findest Du dieselbe Deutung:
http://www.etymologie.info/~e/d_/de-unterg.html#schw…

Im Grimm gibt es eine andere Erklärung:
schwanen , verb.
als ahnung oder vorgefühl vorschweben, ahnen, in unpersönlicher fügung. nach der gewöhnlichen annahme von schwan abgeleitet, wol mit recht; man musz sich dabei erinnern, dasz der schwan der vogel der nornen und walküren ist und dasz weissagende frauen oft in schwanengestalt erscheinen; jedenfalls hat die jüngere sprache schwanen so aufgefaszt, wie die synonyme wendung schwansfedern haben (s. das.) beweist,
http://urts55.uni-trier.de:8080/Projekte/WBB2009/DWB…
Der Artikel ist noch sehr viel länger und führt neben zahlreichen Beispielen auch eine andere Deutung an:
schwanen, geschwant ,
ominari, praesagire, nonnunquam etiam effertur schwanden, atque venit à schwan, quia cygni mortem suam praescire, atque ideo decantare eam dulcibus modulis dicuntur. est itaque schwanen, quaecunque praevidere conjecturâ, mente, et cogitatione prospicere
Trotz meiner äußerst rudimentären Latein-Kenntnisse glaube ich dennoch richtig zu verstehen, dass nach altem Volksglauben Schwäne ihren Tod vorausahnten und dann den wohlklingend süßen Schwanengesang anstimmten.

Zu der Wendung Schwansfedern haben (die kannte ich nicht) kannst Du hier was lesen:
http://urts55.uni-trier.de:8080/Projekte/WBB2009/DWB…

Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!
Zieh durch die weite Flut zurück,
dahin, woher mich trug dein Kahn,
kehr wieder nur zu unsrem Glück!
Drum sei getreu dein Dienst getan!
Leb wohl, leb wohl, mein lieber Schwan!“

Du hast mir den Glauben an meinen Verstand wiedergegeben, den ich zwei Tage lang fast verloren glaubte :wink:

Grüße
Pit

mir ist das schleierhaft owt
Gruss

Hi,

könnte es sein, dass hier „mir schwant was“ mit „schleierhaft“ zusammengefügt wurde? Sprich ein Mix aus Vorahnung und völliger Unklarheit? Ein Vorvorbewußtsein. :smile:

Ciao,
Romana

Moin Romana,

ist der erläuternde Text zu meiner Frage wirklich so lang, oder gar so langweilig, dass Du ihn nicht zu Ende gelesen hast? :wink:
Denn Deine hypothetische Frage zu den eventuellen Umständen der Geburt des Worts schwanhaft

könnte es sein, dass hier „mir schwant was“ mit „schleierhaft“
zusammengefügt wurde? Sprich ein Mix aus Vorahnung und
völliger Unklarheit?

habe ich meinen Lesern und mir - in selbstkritischer Betrachtung meines individuellen Wortschatzes - am Ende meines Sermons ebenfalls gestellt.
Ich zitiere mich selbst:

oder haben wir vier aus mir schwant und es ist mir
schleierhaft
einen sprachlichen Idiotismus geschaffen, einen
Redewendungsverdreher?

Aber mach Dir nix draus - ich mach mir auch nix draus. Es juckt mich nicht, aber es juxt mich.

Schönes Wochenende!
Pit