Hallo Rolf,
Merkurs Antwort finde ich sehr passend. Ich sehe in dem Gedicht die Frage nach dem „Leben nach dem Tod“, die Weisheit die man im vergangenen Leben erlangt hat, die Erkenntnis des eigenen Schicksals und dem kommenden Weg nach diesem vergangenen Leben.
Du der du im flutenden Meer noch weilst an der Grenze des
Orcus, Titan, steige empor, fleh’ ich, zum Sternengefild!
Dem Orcus als Bild des Totenreiches (in der Unterwelt) soll hier entflohen werden. Bei dem Titanen tippe ich mal auf Okeanos. Er gilt als Meeresgott und soll somit an der Entstehung von Leben beteiligt sein.
Wandelnde Sterne, o seht den Kreislauf mich auch betreten,
jenem gesellt, wenn ihr frei nur eröffnet die Bahn.
Jenseits des Todes ist das Leben ein immerwährender Kreislauf in den der Erkennende eintreten will.
Gönne mir euere Huld, daß des Schlafes doppelte Pforte
weit aufstehe, wenn ich eile durchs Leere empor.
Der Schlaf als Bruder des Todes ist die erste Pforte. Der Tod die zweite. Auch hier wird nach dem Tod nicht ins Totenreich hinabgestiegen, sondern empor in den Kreislauf eingetreten.
Was missgünstig die Zeit in dichten Schleier verhüllet,
dürft’ ich’s aus dunkler Nacht ziehen ans freudige Licht!
Die Erkenntnis des Schicksals. Was meiner Meinung nur die Suche nach Erkenntnis ist. Deswegen werden in jedem Leben gewisse Aufgaben zu erledigen sein, von denen die Lebenden nicht wissen. Aber nach dem Tod wird Bilanz gezogen und entschieden ob die eine oder andere Lektion wiederholt werden muss oder ob die nächste dran ist.
Zauderst du, schwaches Gemüt, dein hehres Werk zu vollenden,
weil unwürdig die Zeit, der du die Gabe verleihst?
Mit der Zeit wächst die Erkenntnis und der Friede (sie fördert). Gleichzeitig ist die Zeit aber auch ein Gegner, da sie sich gegen die Erkenntnis stellt (sie hemmt). Anders gesagt, es dauert einfach manchmal zu lange, aber ohne Zeit kein Vorwärtskommen. Vertrauen ist nötig und nicht verzagen.
Wie auch der Schatten Schwall die Länder decke,
du hebe, unser Olymp, das Haupt frei zum Äther empor!
Der Tod (ein nicht Offensein für sich und seine Aufgaben) und das Leben (das aufmerksame Leben) sind beide real. Der Tod ist auf der Erde (die Länder,) das Leben ist über uns wohin wir uns erheben sollen.
Soweit meine persönliche Interpretation. Es geht darum danach zu streben dem inneren Tod zu entfliehen und auch nach dem körperlichen Ableben (ungleich Tod) die Seele am Leben zu erhalten.
olli