Erkenntnistheorien
Hi Heidi
…was aber alles Theorien sind, denn es gibt ja Hilfsmittel
zur Überprüfung
Damit scheinst du zu meinen, daß „Theorien“ nichts Sinnvolles seien? ist das richtig verstanden?
So, wie du es schreibst, entspricht es jedenfalls dem, was gemeint war: es sind „erkennistheoretische Standpunkte“ oder anders formuliert: unterschiedliche, bzw. gegensätzliche „Erkenntnistheorien“. Zu allen gehört natürlich (denn darin bestehen sie ja) eine Argumentation, mit der sie sich begründen. Und genau deshalb gibt es zu allen diesen Positionen auch Gegenargumente (wodurch in der Regel auch eine entgegengesetzte erkenntnistheoretische Position aufgebaut wurde - so wie hier der Rationalismus gegen den Empirismus).
Um bei dem Beispiel des umgefallenen Baumes zu bleiben (es stammt übrigens, wenn ich mich recht erinnere, von Bertrand Russel): Diese Positionen (also Empirismus vd. Rationalismus) fragen nicht danach, ob der Baum umgefallen ist oder nicht. Es geht ihnen vielmehr um die Frage: wann ist die Rede von „X existiert“ bzw. „X ist wirklich“ sinnvoll und wann nicht. Sie versuchen also, den Begriffen „Existenz“, „Wirklichkeit“, „Realität“ usw… jeweils einen wohldefinierten Inhalt, eine Art Definition, zuzuordnen. Es liegt dann aber in der Natur menschlicher „Erkenntnis“, daß diese Definitionen niemals endgültig und unwidersprochen gemacht werden können.
Das ist daher seit eh und je (sogar nicht nur in der europäischen Philosophiegeschichte) das Hauptproblem des Gebietes „Erkenntnistheorie“ (das sich eben mit solchen Fragen beschäftigt) gewesen, daß mit der Unterscheidung:
- Subjekt der Erkenntnis
- Objekt/Gegenstand der Erkenntnis
- Prozess des Erkennens
- Resultat des Prozesses des Erkennens
alle möglichen Fragestellungen auftauchen… z.B. eben diese:
- Was genau geschieht, wenn ich sage „ich erkenne, daß X“?
- Unter welchen Bedingungen folgt aus meiner Wahrnehmung, daß X geschieht, auch, daß X ohne meine Wahrnehmung von X geschieht?
- Was sollen wir unter dem Ausdruck „X existiert, bzw. X geschieht“ verstehen? A. daß X wahrgenommen wird (= Sensualismus), oder B. daß X auch ohne meine Wahrnehmung existiert?
- Was wollen wir darunter verstehen, wenn wir sagen „ich habe X erkannt“? Solle es heißen, A. daß ich nun etwas über X weiß, wie es „an sich“ ist, also unabhängig won meiner Erkenntnis? Oder solle es heißen B. daß ich nur über meine Erkenntnis etwas weiß, über X „an sich“ aber nichts wissen kann (so ungefähr Kant)
… und viele andere Fragen mehr.
Wenn alle diese Fragen entschieden sind, dann hat man einen „erkenntnistheoretischen Standpunkt“ oder " eine Erkenntnistheorie"… und von jeder solchen Theorie ist dann auch gefordert, daß sie Kriterien angeben kann, unter denen eine Aussage „X existiert“ (egal, was sie nun darunter versteht) beweisbar ist bzw. bewiesen ist. Diese Kriterien sind natürlich dann bei jeder „Erkenntnistheorie“ verschieden!
(Bsp. Baum ist umgekippt, keiner hats gesehen,
nach der Theorie dürfte es von daher nicht passiert sein, aber
du kannst es überprüfen, in dem Du am nä. Tag nachsiehst und
bemerkst, er ist umgefallen).
Die hier diskutierte Position des Sensualismus würde mit dem Problem folgendermaßen umgehen:
„Ich sehe einen liegenden (!) Baum. Ich erinnere mich, daß ‚hier‘ an dieser Stelle ‚gestern‘ ein stehender Baum war und es gibt Anzeichen, daß einige (individuelle) Eigenschaften dieses Baumes mit denen meiner ‚Erinnerung‘ identisch sind. Ich folgere daraus, daß der Baum, der gestern ein stehender war, heute dieser liegende hier ist, und daß er folglich umgekippt ist. Nur insofern nenne ich diesen ‚liegenden Baum‘ einen ‚umgekippten Baum‘. Woher ich die Vorstellungen ‚hier‘ und ‚gestern‘ und ‚heute‘ und ‚Baum‘ und ‚Erinnerung‘ usw. habe, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß ich einen Baum, mit dem ich eine Erinnerung verbinde, liegen sehe. Ob der Baum auch da ist, und speziell, ob er da liegt, auch wenn ich meine Augen verschließe, oder wenn ich heute gar nicht ‚hier‘ wäre, darüber kann ich keine Aussage machen. Unter dem Ausdruck ‚der Baum liegt hier‘ verstehe ich ausschließlich , daß ich ihn hier und jetzt sehe“.
Die Empirie allein kann die Notwendigkeit, warum was passiert
nie wirklich beweisen.
Das ist richtig für den „empiristischen“ Standpunkt. Denn die „Begründung“, also der Nachweis eines „Grundes“, macht nur Sinn, wenn der Kausalsatz „Alles geschieht aus einem (notwendigen und hinreichenden) Grund“ anerkannt ist. Diese „Kausalität“ ist für den Empiristen aber ein Gedankending, ein gedanke, und nicht eine Eigenschaft der Dinge unabhängig von ihrer Wahrnehmung. „Kausalität“ wird also hier verstanden als eine Methode, Erkenntnisse gedanklich zu sortieren.
Von einem anderen erkenntnistheoretischen Standpunkt aus, z.B. dem des sog. „naiven Realismus“, sieht das aber ganz anders aus: der Realist behauptet, daß „Kausalität“ eine (objektive) Eigenschaft der Dinge ist, und nicht eine Eigenschaft des Denkens. Er wird hierzu also sagen: „Was ich sehe, hat eine eindeutige Entstehungsgeschichte, es ist ein notwendiges Resultat vorheriger Ereignisse, auch wenn ich diese Ereigniskette bisher noch nicht genau angeben kann. Und was da ist und wie es dazu gekommen ist, ist objektiv (geschehen), auch wenn ich davon überhaupt keine Kenntnis hätte.“
Liebe Grüße
Metapher