ÜbersetzerIn
Hallo Anja!
Und ich frage mich auch langsam, ob Übersetzer wirklich
interessanter ist. Da sitzt man am Ende doch auch nur über
seinen Texten, im Büro oder alleine. Weißt Du darüber etwas?
Dazu kann ich vielleicht etwas sagen. Bin zwar keine Übersetzerin, sondern gelernte Historikerin, sitze jetzt aber trotzdem in England als Leiterin einer Übersetzungsabteilung. Wie ich da hingekommen bin? Lange und verworrene Geschichte! In der übrigens auch acht Jahre Unistudium vorkommen. War nicht die schlechteste Zeit … 
Wenn’s ums Übersetzen geht: Woran dachtest du denn so, inhaltlich, meine ich?
Das, was die meisten spontan am interessantesten finden - nämlich Belletristik - ist im Normalfall hoffnungslos unterbezahlt.
Wenn du ein halbwegs anständiges Ein- und Auskommen haben möchtest, empfiehlt sich eher die FachübersetzerIn mit einem bis X Spezialgebieten.
Spezialisieren kann man sich auf alles Mögliche, allerdings empfiehlt es sich auch hier, einen Blick auf die Verdienstmöglichkeiten zu werfen. Tendenziell sind Themen z.B. aus dem geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich eher seltener zu finden und (bei freiberuflicher Tätigkeit) eher schlechter bezahlt.
Besser sieht’s aus bei Technischem, IT, BWL, Medizin, Marketing, Finanzen, Recht, Pharmazie u.ä.
Viele ÜbersetzerInnen, die ich kenne, haben eines oder mehrere der letztgenannten Bereiche als „bread and butter line“ und machen Texte z.B. aus dem Themenkreis „Kunst“ oder „Sozialpolitik“ nebenbei, weil es halt Spass macht. Hier spreche ich von Freiberuflern… was du in Anstellung übersetzt, hängt natürlich davon ab, wo du tätig bist.
Übersetzung findet heute in vielen Bereichen mit „Maschinenunterstützung“ statt. D.h. du arbeitest am Computer mit Übersetzungssoftware, die ein sogenanntes Translation Memory nutzt. Das ist eine Datenbank, die in Segmente aufgeteilte frühere Übersetzungen enthält. Das wird bei allen möglichen Projektgrößen benutzt, aber besonders kosteneffizient (für den Auftraggeber) ist es natürlich bei neuen Versionen von z.B. Handbüchern.
Verkürzt erklärt übersetzt du in denen dann nur noch einzelne Sätze oder Abschnitte, die geändert wurden, der Rest, der sich seit der letzten Version nicht geändert hat, bleibt wie er ist.
Ob man sich mit so etwas arrangieren kann, muss jede/r für sich selbst entscheiden. Es hat Vor- und Nachteile, verändert allerdings den Prozess des Übersetzens teilweise erheblich.
Wo kann man so arbeiten? Ich kenne eine Übersetzerin, die schon seit Jahren bei einem Patentanwalt angestellt und sehr gerne dort ist.
Diejenigen, die mal in einer der kleinen Übersetzungsagenturen (die mit dem 35-qm-Büro unten an der Ecke) gearbeitet haben, haben mir bisher eigentlich übereinstimmend berichtet, dass sie es nicht so dolle fanden. Es hatte halte etwas vom „kleinen Krauter“. Ich möchte aber nicht behaupten, dass ich diese Aussagen unbedingt als repräsentativ ansehe.
Daneben gibt es aber noch große Agenturen (insbesondere neben der „reinen“ Übersetzung auch noch im Bereich Lokalisierung) und Übersetzer, die direkt „an der Quelle“ (dort, wo der Übersetzungsbedarf direkt entsteht) angestellt sind und nicht bei einem Dienstleister (=Agentur).
Je nachdem, in welchem Bereich der Wirtschaft man tätig ist, arbeitet man teilweise unter ziemlichem Zeitdruck.
IT ist da m.E. ziemlich „schlimm“ geworden im Verlauf der letzten 5 bis 10 Jahre, da immer mehr Software und deren Dokumentation in mehreren Sprachen gleichzeitig ausgeliefert werden soll. Das heißt dann, dass man schon anfängt zu übersetzen, während die Technischen Redakteure noch schreiben … Mich persönlich kann so etwas manchmal ziemlich nerven.
Auch kann man von Kunden nicht immer erwarten, dass sie Übersetzungsbelange wirklich verstehen (wollen). Manche lassen Handbücher nur übersetzen, weil’s die EG-Auflagen für die Auslieferung von z.B. Hardware so verlangen. Da kann man bei einigen (nicht bei allen!) dann auch spüren, dass sie die Qualität (bis hinunter zur sachlichen Richtigkeit) nicht die Bohne interessiert.
Neben der freien Wirtschaft gibt es für diejenigen, die sich anstellen lassen wollen, natürlich auch noch alle möglichen Institutionen auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene: Ministerien, europäische Organe und internationale Institutionen, z.B. Gerichtshöfe oder Tribunale.
Tendenziell könnte man sagen, dass sich dort die beste Bezahlung und die besten Anstellungskonditionen finden. Interessant insbesondere für die, die mehrere Sprachen beherrschen (möchten) und außerdem die Geduld aufweisen, durch einen lange andauernden Auswahlprozess zu gehen. Aber es lohnt sich! Der Fachbereich Recht wär hier vielleicht besonders zu empfehlen.
Man kann unglaublich viel mit Übersetzung machen und außerdem fast überall in der Welt einen Job finden. Auch das macht diesen Beruf interessant. Als FreiberuflerIn hat man dazu noch eine vollkommen freie Wahl des Wohnorts - solange man da, wo man lebt, einen Internetanschluß bekommen kann. Der Dschungel von Borneo wäre es also weniger. In Südeuropa an der Küste hingegen sollte kein Problem sein.
Empfehlen würde ich nur jeder, sich vorher Gedanken zu machen, wo genau es denn hingehen soll und welche Spezialgebiete dafür am besten geeignet sind.
Schönen Gruß,
Christiane