Hallo,
es sind eigentlich zwei Fragen, die man auseinanderhalten muss:
warum glaubte eigentlich Kant, daß man über Wesenheiten
apriorisch keine Existenzaussage machen könne,
ist die erste. Um zu einem gültigen (= sicheres) Existenz-Urteil zu kommen, muss man nach Kant die Erfahrung heranziehen, denn nur sie kann mögliche nichtempirische Konstruktionen verifizieren bzw. falsifizieren. Ob es Nashörner wirklich gibt, kann ich nur erkunden, wenn ich nach Afrika (oder in den Zoo) fahre und sie mir ansehe. Diese Möglichkeit entfällt bei Vorstellungen, die nicht empirisch erreichbar sind, wie etwa Jupitergestein oder auch Gott. Es könnte ja sein, dass Jupitergestein gar nicht existiert bzw. dass Gott nicht existiert. Wenn ich nun annehme, dass z. B. Dinosaurier existieren, aber keinen (lebenden) finde, dann spricht ziemlich viel dafür, dass es sie nicht (mehr) gibt. Gleichwohl aber könnte man immer noch - prinzipiell jedenfalls - einen irgendwo entdecken (was weiß ich, vielleicht in der Tiefsee).
Auch etwa, dass jemand Zahnschmerzen hat, diese Schmerzen also existieren, kann ich nur erschließen, nicht aber beweisen. Er könnte sie ja vorspielen, um etwa nicht zur Arbeit gehen zu müssen. Oder ich könnte mir auch nur einbilden, dass ich eine Oase sehe, die aber in Wirklichkeit nicht existiert. Oder ich bilde mir etwa Gott ein, weil mir diese Vorstellung ein Sicherheitsgefühl gibt (ohne es selbst zu merken, dass ich es mir einbilde).
Existenzaussagen sind also - das ist die Quintessenz -, wenn sie sicher sein sollen, auf Empirie angewiesen.
Beim zweiten Teil der Frage:
daß Existenz nie das Prädikat eines Objekts sein könne?
dürfte es sich um ein Missverständnis handeln. Die entsprechende Stelle in der „Kritik der reinen Vernunft“ lautet:
„S e i n ist offenbar kein reales Prädikat, d. i. ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne. … Im logischen Gebrauche ist es lediglich die Kopula eines Urteils.“ (B 598)
Das Problem ist also nicht, dass die Existenz nie Prädikat sein kann, wohl aber, dass es verschiedene Bedeutungen des Begriffes „Sein“ gibt, weswegen „Sein“ kein reales Prädikat ist. Ein reales Prädikat setzt zu einem Begriff etwas hinzu. Die Aussage „Gott existiert“ setzt aber zum Begriff „Gott“ nach Kant nichts hinzu, wobei natürlich die Frage bleibt, wie Gott existiert (als Person, als Geist, als Begriff etc.).
An empirischen Gegenständen lässt sich das noch klarer zeigen. „Dieser Stuhl hier“ ist gleichbedeutend mit „dieser Stuhl hier existiert“. Damit aber ist eben noch nicht gesagt, auf welche Weise dieser Stuhl existiert, als realer oder als nur vorgestellter. Das kann nur die Empirie erweisen (ich fasse den Stuhl an).
Soll das heißen, daß man a priori grundsätzlich nur
Identitätsaussagen machen kann?
Analytischen Aussagen sind unproblematisch, etwa „Körper sind ausgedehnt“, wo das Prädikat der Ausgedehntheit schon im Begriff „Körper“ enthalten ist, also die Aussage a priori gemacht werden kann. „Synthetische Aussagen“ sind nach Kant entweder emprisch oder apriori. Synthetische empirische Aussagen sind auch unproblematisch, weil beide Begriffe einander bedingen. Bei Aussagen, die zugleich synthetisch und a priori sind, scheiden sich die Geister. Kant versucht ja gerade nachzuweisen, dass es solche Begriffe überhaupt gibt und dass sie notwendig sind. Für Kant also muss man die obige Frage verneinen.
Herzliche Grüße
Thomas Miller