Existenzgründung Idee - Grundfragen (Marktstand)

Hallo,

wenn man sich mit der Idee trägt, einen Marktstand für handwerklich selbsterzeugte Waren (keine Lebensmittel) zu eröffnen- was wäre da auf jeden Fall zu beachten?

Da auf dem Markt Handkasse, also keine konkreten Protokollierung für jeden Einzelverkauf, wahrscheinlich eher üblich ist (vor allem, wenn erstmal wahrscheinlich kein Geld für eine „richtige“ Kasse da ist, wie kann man da einen korrekten Nachweis (etwas, mit dem das Finanzamt arbeiten kann) über die Einnahmen führen, damit man in keine Bredoullie kommt?

Wie ist das mit der Anmeldung eines Gewerbes? Braucht man für Märkte generell eine Reisegewerbegenehmigung, oder kann man hier mit einer „normalen“ Gewerbegenehmigung arbeiten?

Wen man die Waren schon vor der Anmeldung des Gewerbes erzeugt, um genug für den Verkauf zu haben, sind dann die Aufwendungen trotzdem absetzbar, wenn man dann mit dem Verkauf beginnt?

Weiß jemand, wie man an Plätze zum Verkaufen kommt - z.B. auf Kunsthandwerkmärkten und Mittelaltermärkten etc, regelt sowas immer der Veranstalter?

Wie ist das, wenn man Waren in Provision zum Verkauf gibt, muss dafür auch ein Gewerbe angemeldet werden?

Gibt es üble Stolperfallen, die man als frischer Unternehmer gerne übersieht?

Vielen Dank schon einmal für die Antworten

Servus,

wie kann man da einen
korrekten Nachweis (etwas, mit dem das Finanzamt arbeiten
kann) über die Einnahmen führen, damit man in keine Bredoullie
kommt?

mit einem tagesgenau geführten Kassenbericht. Der damit nachgewiesene Bestand muss jederzeit kassensturzfähig sein, genau wie bei einer Kasse, die den Kassenbericht elektonisch erstellt.

Sinnvoll ist es, die bis heute vorgeschriebenen Nebenbücher über Wareneingang und Warenausgang zu führen, auch wenn sie heute kaum irgendwann noch jemand sehen will. Wenn im Fall des Falles ein mit den Kassenberichten kohärentes Warenausgangsbuch vorgelegt wird, genügt das dem „Beweis des ersten Anscheins“, und die finstere Seite der Macht muss dann ggf. (so sie möchte) etwas anderes beweisen.

Wie ist das mit der Anmeldung eines Gewerbes? Braucht man für
Märkte generell eine Reisegewerbegenehmigung, oder kann man
hier mit einer „normalen“ Gewerbegenehmigung arbeiten?

Wer Waren auf einem vom Ordnungs- oder Gewerbeamt „festgesetzten Markt“ anbietet, braucht keine Reisegewerbekarte. Im Zweifelsfall muss bei den einzelnen Veranstaltungen mit den lokalen Behörden vorab geklärt werden, ob es sich um „festgesetzte Märkte“ handelt.

Wen man die Waren schon vor der Anmeldung des Gewerbes
erzeugt, um genug für den Verkauf zu haben, sind dann die
Aufwendungen trotzdem absetzbar, wenn man dann mit dem Verkauf
beginnt?

Ja, in der Tat. Steuerlich beginnt der Gewerbebetrieb nicht erst mit dem öffentlichen Auftreten. Bei der Eröffnungsbilanz - falls bilanziert wird - muss das dann auch beachtet werden.

Weiß jemand, wie man an Plätze zum Verkaufen kommt - z.B. auf
Kunsthandwerkmärkten und Mittelaltermärkten etc, regelt sowas
immer der Veranstalter?

In der Regel ja; kann aber auch delegiert werden. Das muss in jedem einzelnen Fall vorab geklärt werden, teilweise ziemlich frühzeitig, insbesondere dort, wo die Marktleitung auf eine bestimmte Struktur der Anbieter achtet (z.B. Johannisnacht Mainz, Mutter aller Kunsthandwerkermärkte - da ist ein Jahr vorab wenig).

Wie ist das, wenn man Waren in Provision zum Verkauf gibt,
muss dafür auch ein Gewerbe angemeldet werden?

Ja. Es sei denn, der künstlerische Charakter der Gegenstände überwiegt; das ist aber herzlich selten der Fall.

Gibt es üble Stolperfallen, die man als frischer Unternehmer
gerne übersieht?

In erster Linie eine Kalkulation ohne Worst-Case-Szenario. Hoffnung ist der Tod des Kaufmanns.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Vielen Dank! Das nenne ich mal extrem hilfreich.

Noch ein Hinweis, ich hoffe, er ist auch hilfreich:

Als ehemaliger Martbeschicker (Wochenmarkt mit fetem Standplatz) weiß ich, dass die Luft in diesem Metier immer dünner wird …

… Bekannte, die auf den großen Veranstaltungen (Oktoberfest, Dult u. ä.) zugegen sind nur mit Hartz 4 überleben …

… und auch die Idee, Mittelaltermärkte mit selbstestellten Warenn zu beschicken ein hohes Maß an Idealismus bei geringen Einnahmen varaussetzt.

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Hallo!

wenn man sich mit der Idee trägt, einen Marktstand für
handwerklich selbsterzeugte Waren (keine Lebensmittel) zu
eröffnen- was wäre da auf jeden Fall zu beachten?

Es ist darauf zu achten, die Idee schnellstmöglich zu verwerfen.

Die Zeiten des ambulanten Markthandels sind vorbei. Im Ostdeutschland der ersten Nachwendejahre gab es ein Comeback, aber das ist auch längst Geschichte.

Alternativlosigkeit, realitätsferne Erwartungen und Erkenntnisresistenz halten viele Leute über Jahre in dem Job. Der Alltag der Szene ist ein einziges Frusterlebnis. Auch kunsthandwerklicher Idealismus bleibt auf der Strecke, wenn die Leute durchgefroren bei nasskaltem Wetter auf lustlos vorbeischlendernde, immer seltenere Kunden warten, um danach im vermüllten Auto fast alles wieder mit nach Hause zu nehmen und froh sein mussten, wenn Standgebühren wieder herein kamen. Das Marktmetier hat seine Eigenheiten, die nach wenigen Jahren tiefe psychische und physische Spuren hinterlassen - keine beneidenswerten Spuren.

Die weitaus meisten Marktveranstaltungen muss man als überlebten Schrott ansehen. Es gibt wenige Ausnahmen, darunter auch einige Wochenmärkte (z. B. in HH-Eppendorf der Markt an der Isestraße und der Markt in HH-Volksdorf). So gibt es dort etwa Gewürz- oder Teehändler, die schon seit einer Generation ihren Stand aufbauen und zur Institution wurden. Aber das sind seltene Ausnahmen. Der weit überwiegende Rest aller Markthändler fristet ein materiell erbärmliches Dasein. Die Leute kennen sich untereinander, aber sie kennen vor allem ihren Gerichtsvollzieher.

Gibt es üble Stolperfallen, die man als frischer Unternehmer
gerne übersieht?

Die Geschäftsidee an sich ist schon die Stolperfalle. Was können Markthändler heute (nicht im ersten Nachkriegsjahrzehnt mit Warenknappheit) bieten, was die werte Kundschaft nicht überall im geheizten Ladengeschäft bekommt? Früher spielte auch das Erlebnis/Kauferlebnis eine Rolle. Aber jede Einkaufspassage bietet heute in jeder Hinsicht Besseres. Marktbesucher sind schon bedient, wenn sie mit ihrem Auto von handaufhaltenden Einweisern auf eine Wiese gelenkt werden und beim Aussteigen in eine knöcheltiefe Pfütze treten. Und das Publikumsaufkommen schrumpft Jahr für Jahr.

Ich will Dich nicht demotivieren. Aber die Realität des ambulanten Markthandels ist derart miserabel, dass ich es hier nicht krass genug schildern kann. Der Zufall wollte es, dass ich vor ziemlich genau einem Jahr rein privat und wochenlang mit den betrieblichen Zahlen (der Ausdruck passt irgendwie nicht) von Markthändlern zu tun hatte und bei der Gelegenheit hinter die Kulissen des privaten und geschäftlichen (der Ausdruck passt wieder nicht so recht) Lebens (der Ausdruck passt schon wieder nicht) sehen konnte. Besten Dank aber auch.

Gruß
Wolfgang