Fachwerk-Bauweise

Hallo.

Diese Frage richtet sich vor allem an bauhistorisch Interessierte.

Soweit ich beobachten konnte, ist das Fachwerk in Deutschland eine für eine gewisse Epoche ganz typische Bauweise. Fast in allen Gegenden Deutschlands, die ich bis jetzt kenne, vom äußersten Norden bis zum Voralpenraum, war es in verschieder Gestaltung zu finden, wenn auch nicht überall gleich häufig.
Allerdings habe ich zwei auffällige „Verbreitungslücken“ festgestellt:
Im Süden Bayerns - übrigens auch in Österreich - habe ich kein Fachwerk gesehen. Diese Beobachtung wurde durch Nachlesen bestätigt: Offenbar ist Fachwerk in Südbayern und Österreich nie üblich gewesen.
Auch in der Westpfalz , in Teilen des sich westwärts anschließenden Hunsrück und im Saarland tritt meiner Erfahrung nach kaum Fachwerk auf.

Ich suche nach Erklärungen für das Fehlen der Fachwerkbauweise in diesen Gebieten. Ich kann mir vorstellen, daß dort die Verbreitungsgrenze insgesamt erreicht ist. Das erklärt aber ja nicht die Ursachen.
In Bayern soll es einmal eine Brandschutzverordnung gegeben haben, die außen freiliegendes Fachwerk verbot, was allerdings wieder dafür sprechen würde, daß die Bauweise durchaus gängig war.
Für den südwestdeutschen Raum ist mir bekannt, daß es oft Zerstörungen in den zahlreichen deutsch-französischen Kriegen bis Anfang des 19. Jahrhunderts gegeben hat. Das allein dürfte aber nicht die Erklärung liefern – so restlos wird die Bausubstanz nicht abgebrannt sein.

Es ist schon auffällig, wenn man diese Gegenden etwa mit Hessen oder Franken und den vielen am Rhein oder an der Mosel gelegenen Ortschaften vergleicht, wo fast überall Bauten in Fachwerkbauweise zahlreich vorkommen und in Städten oft ganze Anlagen bilden.

Grüße, R.H.

Im Süden Bayerns - übrigens auch in Österreich - habe ich kein
Fachwerk gesehen.
Ich suche nach Erklärungen für das Fehlen der Fachwerkbauweise
in diesen Gebieten.
In Bayern soll es einmal eine Brandschutzverordnung gegeben
haben, die außen freiliegendes Fachwerk verbot, was allerdings
wieder dafür sprechen würde, daß die Bauweise durchaus gängig
war.

Speziell über das Fachwerk weiß ich nicht Bescheid, Aber im wittelsbachischen Altbayern verbot eine Vorschrift, dass außen am Gebäude Bauholz freiliegen durfte. Deshalb siehst du auf nicht-kaputt-gemachten Städtplätzen (z. B. der Kleinstädte an Inn und Salzach) auch das Blendmauerwerk an der Fassade der Häuser, mit dem die Dachbalken der Ortseite zugemauert waren.
Ich nehme an, dass dieses Verbot auch für die Außenwand galt, so dass Fachwerk selbst bei entsprechender Bauweise nicht sichtbar war/ist.
Was das Vorkommen überhaupt betrifft: Nach den häufigen Stadtbränden wird man dann gleich die Fachwerkbauweise zugunsten des Ziegelbaus aufgegeben haben.
In den neubayerischen Regierungsbezirken (also Schwaben und die drei Franken) findest du Fachwerkhäuser, also wird diese Bauvorschrift in der Königszeit nicht mehr gegolten haben.
Sicher hat die Bauweise von Anfang an auch mit den lokalen Baumaterialien zu tun: Im bayerischen Donaugebiet tritt häufig lehmiger Boden auf, so dass es von alters her hier viele Ziegeleien gab und also die Ziegel nicht weit transportiert werden mussten.
Das passt zu meiner Beobachtung, dass in Fachwerkgegenden anscheinend ursprünglich weniger Ziegeldächer vorhanden waren als Bedachungen aus Schiefer oder Steinplatten (z. B. im fränkischen Juragebiet).
Mit Literatur kann ich leider nicht dienen, es sind so Reminiszenzen aus Vorträgen und sonst Aufgeschnapptes. Vielleicht weiß jemand auf Bau-/Architektenbrettern genauer Bescheid.
Schönen Gruß!
Hannes

Hallo,

danke für diese sehr interessante Frage.

Ich weiß keine kompetente Antwort, hätte aber die Vermutung, daß im Alpenvorland die grobe Bodenstruktur ein Faktor sein könnte. Wo man etwas besseres als Holzhütten haben wollte, konnte man mit Natursteinen (sog. Bommerln, große Kiesel) mauern, die gibt es dort in jeder Grube, aber die lassen sich nicht gut in irgendwelche Fächer einpassen, waren aber vielleicht sogar aufgrund römisch/italienischer Mörteltechnik (Kalk) stabil genug.

Gruß

Marzeppa

Hallo,

ich hab mir mal ein Paar Gedanken zu Deiner Frage gemacht: Zumindest das (teilweise) Fehlen von Fachwerkbauten im Saarland und der Westpfalz könnte man mit der Besiedlungsgeschichte dieses Raumes erklären:

Ein sehr großer Teil der Bausubstanz der Städte dieser Region ist nach etwa 1750 entstanden. Damals kamen im Zuge der beginnenden Industrialisierung (zb. St. Ingbert: Glashütte und Eisenwerk ab 1740) Arbeiter aus fernen Gebieten in diese Region. Die allermeisten Wohnungen wurden dann aus Ziegelsteinen oder dem vor Ort vorhandenen Buntsandstein gebaut.
Ich nehme einfach mal an dass die robustere und günstigere Ziegel/Sandsteinbauweise dem Fachwerkbau aus ökonomischen Gründen vorgezogen wurde.

Auf der anderen Seite war der Fachwerkbau nicht unbekannt, was die Altstadt von Ottweiler beweist.

Wie gesagt, das ist nur ein Erklärungsversuch und nicht wissenschaftlich oder sonstwie (außer durch eigene Anschauung) abgesichert.

Gruß
Betasator

Hallo Betasator,

das geht ja so ungefähr in die Richtung wie meine eigenen Annahmen.

Ein sehr großer Teil der Bausubstanz der Städte dieser Region
ist nach etwa 1750 entstanden. Damals kamen im Zuge der
beginnenden Industrialisierung (zb. St. Ingbert: Glashütte und
Eisenwerk ab 1740) Arbeiter aus fernen Gebieten in diese
Region. Die allermeisten Wohnungen wurden dann aus
Ziegelsteinen oder dem vor Ort vorhandenen Buntsandstein
gebaut.

Das könnte allerdings die Erklärung sein.

Neben den Zerstörungen durch häufige Kriegseinwirkung infolge der Grenzlage zu Frankreich ist anzunehmen, daß im Zuge der Anlage der Industrie- und Residenzstädte auch vorhandene ältere Bausubstanz geschleift wurde.
Mir ist es aber vor allem bei den Dörfern aufgefallen. In weiten Teilen Hessens etwa ist fast jedes Bauernhaus, jede Scheune älteren Baudatums in Fachwerkbauweise ausgeführt, kein Dorf ist ohne Fachwerk. Dort ist diese Bauweise bestimmt bis weit ins 19. Jahrhundert üblich gewesen.
Im Saarland und in der Westpfalz, soweit ich die Region kenne, scheint das Bauernhaus jedenfalls im 19. Jahrhuntert schon üblicherweise aus Stein gebaut worden zu sein.

Ich nehme einfach mal an dass die robustere und günstigere
Ziegel/Sandsteinbauweise dem Fachwerkbau aus ökonomischen
Gründen vorgezogen wurde.

Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, daß der lokal vorkommende Sandstein nicht so teuer war wie in anderen Gegenden. Billiger als Fachwerk wird Sandstein eher nicht gewesen sein, es sei denn, die Kosten beim Steinbau wurden fast ausschließlich durch den Transport verursacht.
Fachwerkbau wurde ja sicher nicht deshalb fast überall verwendet, weil man es so schön fand, sondern weil Bau mit Steinen zu teuer war. Kirchen, Schlösser, Amtsgebäude in reichen Städten, wo es nicht auf Sparsamkeit ankam, wurden aus Stein erbaut. Eine Ausnahme scheint nur der Hannoversche Raum zu bilden. Dort sind Fachwerkbalken oft mit hohem Aufwand verziert.

Auf der anderen Seite war der Fachwerkbau nicht unbekannt, was
die Altstadt von Ottweiler beweist.

In Ottweiler bin ich selbst noch nicht gewesen. Ich habe mir jetzt einige Bilder des Stadtkerns angeschaut. Es sind in der Tat einige Fachwerkgebäude vorhanden. Manchmal kommt mir das Fachwerk allerdings merkwürdig, irgendwie unecht, vor, siehe:

http://www.runnerspoint-vanman.de/images/OttRathaus.jpg
http://www.dr-kirchen.de/saarlandtour/image54.jpg
http://cache.virtualtourist.com/3347183-Travel_Pictu…
http://www.dr-kirchen.de/saarlandtour/image43.jpg

Ottweiler scheint überhaupt aber so ziemlich die älteste historische Altstadt im Saarland zu haben, wenn man nicht einige römische Anlagen mitrechnet.

Grüße,
R.H.

Hallo R.H.,

Neben den Zerstörungen durch häufige Kriegseinwirkung infolge
der Grenzlage zu Frankreich

Als kleine Anekdote hierzu: Nach dem 30. Jährigen Krieg lebten in der Saarpfalz noch etwa 200 „Ureinwohner“. Viele Orte wurden auch nach 1648 „wüst“ gelassen.(Wovon heute noch einige Gedenksteine zeugen) Als Folge davon mussten die Landesherren in weniger arg betroffenen Gebieten Europas Siedler anwerben. Dies geschah vor allem in Tirol, Niederbayern, Schwaben und der Schweiz.

Dies lässt sich zb. auch heute noch an den Familiennamen der Einwohner nachweisen, die auf die Herkunft der damaligen Einwanderer schließen lassen, wie zb. Risch, Feichtner (Tirol), Vogelgesang (?), Bourgignon (Bourgogne), Bouillon oder Toussaint (ähm irgendwo in Frankreich).

ist anzunehmen, daß im Zuge der

Anlage der Industrie- und Residenzstädte auch vorhandene
ältere Bausubstanz geschleift wurde.

Soweit ich weiß war der Landstrich vor der industriellen Revolution viel dünner besiedelt. Man betrachte sich eine aktuelle Karte der Region: Es fällt auf, dass die Siedlungsschwerpunkte grob entlang der Saar (als eine Achse) und entlang des Saar-Kohlebeckens (als zweite Achse) verlaufen.

Natürlich haben die Siedlungstendenzen der vergangengen Dekaden den krassen Gegensatz zwischen (Industriestadt) und Land etwas geringer werden lassen, aber ich denke man kann sich noch ein gutes Bild davon machen, wie die Besiedlung vor 300 Jahren ausgesehen haben kann.

Mir ist es aber vor allem bei den Dörfern aufgefallen. In
weiten Teilen Hessens etwa ist fast jedes Bauernhaus, jede
Scheune älteren Baudatums in Fachwerkbauweise ausgeführt, kein
Dorf ist ohne Fachwerk. Dort ist diese Bauweise bestimmt bis
weit ins 19. Jahrhundert üblich gewesen.
Im Saarland und in der Westpfalz, soweit ich die Region kenne,
scheint das Bauernhaus jedenfalls im 19. Jahrhuntert schon
üblicherweise aus Stein gebaut worden zu sein.

Die Dörfer des Bliesgaues zum Beispiel sind oftmals schon vom lothringischen Einfluss geprägt (angeblich spricht man auch heute noch in einigen Gegenden des Saarlandes Lothringisch, vor allem im Süden). Viele Dörfer im südlichen Saarland ähneln auch Dörfern in Lothringen, sowohl von der Anlage her als auch von dem Baustil. (Der, so weit ich weiss, eher ohne Fachwerk auskommt)

Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, daß der lokal
vorkommende Sandstein nicht so teuer war wie in anderen
Gegenden. Billiger als Fachwerk wird Sandstein eher nicht
gewesen sein, es sei denn, die Kosten beim Steinbau wurden
fast ausschließlich durch den Transport verursacht.
Fachwerkbau wurde ja sicher nicht deshalb fast überall
verwendet, weil man es so schön fand, sondern weil Bau mit
Steinen zu teuer war. Kirchen, Schlösser, Amtsgebäude in
reichen Städten, wo es nicht auf Sparsamkeit ankam, wurden aus
Stein erbaut. Eine Ausnahme scheint nur der Hannoversche Raum
zu bilden. Dort sind Fachwerkbalken oft mit hohem Aufwand
verziert.

Aus meinem Heimatort weiß ich, dass auf einer Karte aus dem 16. Jahrhundert die Häuser dieses Ortes als Fachwerkhäuser dargestellt sind. Selbst wenn die Häuser in diesem Ort nicht als Fachwerkbauten errichtet waren, so kann man doch annehmen, dass diese Bauart in dieser Region (Großraum Saarbrücken) der damals vorherrschende Stil war.

Das wiederum spricht für die These, dass vor allem kriegerische Einflüsse (30. Jähriger Krieg, Koalitionskriege, Befreiungskriege) dafür gesorgt haben, dass die alten Fachwerkbauten weitgehend dem Boden gleich gemacht wurden.

Ein garnicht so uninteressantes Thema.

Gruß,
Betasator