Falsche Denkweise?

Hallo Christian,

ich geh mal davon aus, daß Rainer hier noch mitliest,

klar. :wink:

insofern gibts hier zwei Antworten zum Preis von einer:

Grundsätzlich habt Ihr recht. Mal ganz davon abgesehen, daß
Lafontaine nicht schnell und oft genug von der politischen
Bühne verschwinden, bin ich der Ansicht, daß man für seine
Überzeugungen - und darum scheint es sich bei ihm wohl zu
handeln oder aber um eine sehr seltene und seltsame Form der
Geisteskrankheit - etwas länger kämpfen sollte als ein knappes
halbes Jahr. Wer die Brocken so schnell hinwirft, wenn er
nicht uneingeschränkten Beifall bekommt, benimmt sich
kindisch. In der Politik geht es (leider) meist um Kompromisse
und für jeden kleinen Furz braucht man Monate wenn nicht
Jahre. Lafontaine wollte letztlich ein europaweites Umkrempeln
der Wirtschafts- und Sozialsysteme. Daß das nicht mit einer
Ansprache und innerhalb von sechs Monaten erledigt ist, hätte
sogar ihm klar sein müssen.

Da stimme ich Dir zu. Was Lafontain getrieben hat, kann ich natürlich nur raten.
Scheinbar hatte er aber (wie ich auch) den Eindruck, daß die Entwicklung in die Gegenrichtung läuft.
Daß nicht mit einem Schritt alles erreicht werden kann, ist klar. Aber mit kleinen Schritten in die falsche Richtung ist das Ziel nicht erreichbar.

Gruß, Rainer

Hallo Franz,

Ich habe nicht den Eindruck,
daß Dir meine Kommentare viel bringen werden, mir aber Deine
Antworten.

Was meinst Du damit?

Ich habe den Eindruck, daß Du im Gegensatz zu mir Antworten hast, ich sehe nur Probleme und habe Fragen dazu. Die Lösungen suche ich noch. :wink:

Ich sehe für einen Zeitraum von sagen wir mal 15 jahren für
nachfrageorientierte Politik wenig Chancen, weil eine
deutliche Erhöhung der Kaufkraft durch Lohnerhöhungen

So global ist das sicher keine Lösung und auch nicht
durchführbar. Auf Lohnerhöhungen hat die Politik ja eher
wenig Einfluß.

Jein, selbstverständlich besteht „Tarifautonomie“ …
Aber durch gesetzliche Rahmensetzungen, wie Mindestlöhne,
etc., durch Sozialpolitik, durch Steuerpolitik, etc. kann die
Politik natürlich ganz massiv auf das Lohnniveau einwirken.

… und damit die Abwanderung forcieren. Das ist ja eher keine Lösung.

Daß es ein Problem gibt, steht wohl fest. Wie könnte die
Lösung aussehen?

Das „Problem“ ist die Verschiebung des Kapitals aus Westeuropa
zu einem kleineren Teil nach Osteuropa, zu einem zukünftig
größeren Teil nach Südostasien (vornehmlich mittels
Standortverlagerungen und Direktinvestments).

Das halte ich eher weniger für das eigentliche Problem, das gelöst werden sollte. Der Vorgang wurde durch Technologie, (schnellerer Transport, schnellerer Informationsaustausch über große Entfernungen) ausgelöst. Das ist ein Teil des Vorgangs, der das eigentliche Problem auslöst und ist wohl nicht umkehrbar oder veränderbar.
So lange es große regionale Einkommensunterschiede gibt, wird daran nichts zu ändern sein.

Diese Kapitalverschiebung lässt sich politisch nicht
aufhalten, sondern nur mit vielen verschiedenen politischen
Mitteln beeinflussen;

Auch an eine wesentliche Beeinflussung glaube ich nicht. Jedenfalls nicht durch die Bundesregierung.

ebenfalls beeinflussen lässt sich der Aspekt, wer bei uns von
dieser Kapitalverschiebung profitiert und wer nicht.

Wenn wir also z.B. im Rahmen einer angebotsorientierten
Wirtschaftspolitik (die ja auch durchaus einleuchtet!)

Mir leuchtet die immer noch nicht ganz ein. Christian hat sich schon sehr bemüht, aber so ganz konnte er mich noch nicht überzeugen.

unseren
Sozialstaat schrumpfen, dann ist klar, dass die Schere
auseinander gehen muss, weil die einen Kapital besitzen und
von ihm immer profitieren, egal in welcher Region der Welt es
sich im Moment befindet (im Gegenteil, sie profitieren von
ihrem Kapital sogar noch stärker, wenn es sich in der
renditereichsten Region befindet), und die anderen, welche nur
Arbeitskraft, kein Kapital besitzen, zwar von der
angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, also von der besseren
Konkurrenzfähigkeit unseres Lohnniveaus, dahingehend
profitieren, dass sie die Möglichkeit der Verwertung ihrer
Arbeitskraft erhalten (also Jobs), ihre Arbeitskraft selbst
aber dabei drastisch ent-wertet wird (geringere Einkommen).

Die entscheidende Frage sehe ich darin, ob wir auf die
kumulierte Größe Volkswirtschaft setzen sollen, und mittels
Angebotsorientierung dafür sorgen wollen, dass die
Volkswirtschaft als Ganze wachsen kann, oder ob wir eher dafür
sorgen, dass wir die Gewinne und Verluste dieser
Kapitalbewegung (die sich ja innerhalb unseres
Wirtschaftsrahmens nicht verhindern lässt) unter uns besser
ausgleichen und dabei evtl. ein suboptimales Ergebnis für
unsere Volkswirtschaft als Ganze in Kauf nehmen.

Ich habe den Eindruck, daß zwar die wirtschaft geringfügig wachsen wird, der Ertrag aber immer mehr ungleich verteilt wird. Eine Entwicklung an deren Ende gigantische Produktionskapazitäten, aber keine Kunden stehen.

Damit komme ich zu meinem eigentlichen Problem.

Wenn in Europa die Kaufkraft abnimmt, steuern wir ja auf chinesische Verhältnisse zu. Es gibt eine Massenproduktion, im wesentlichen nur für den Export. Von einer kleinen Oberschicht abgesehen, gibt es keine Kunden für die Podukte der Massenparoduktion.
Wenn am Ende weltweit ein Lohnniveau erreicht ist, das dem jetzigen chinesischen gleicht, gibt es keinen Ort mit Kaufkraft mehr, an den exportiert werden könnte, die Wirtschaft bricht zusammen, sozialsysteme gibt es dann schon lange nicht mehr, die gelten ja jetzt schon als zu teuer.

Wo liegt der Denkfehler? Nur im Zeitraum, der noch bis zur Katastrophe bleibt? Oder bilde ich mir den Abwärtstrend nur ein?
Wenn ich mir den Koalitionsvertrag ansehe und mir die Auswirkungen auf mein Einkommen vorstelle, komme ich zu dem Ergebnis, daß mein Einkommen und mein Lebensstandard demnächst drastisch in den Keller gehen werden. Und das hat mit Löhnen nichts zu tun, mein AG wird dadurch kaum oder gar nicht entlastet. Den sinkenden Umsatz wird aber die gesamte Wirtschaft spüren. Wozu das Ganze? Ich versteh’s einfach nicht.

Gruß, Rainer

Hallo Rainer,

Das „Problem“ ist die Verschiebung des Kapitals aus Westeuropa
zu einem kleineren Teil nach Osteuropa, zu einem zukünftig
größeren Teil nach Südostasien (vornehmlich mittels
Standortverlagerungen und Direktinvestments).

Das halte ich eher weniger für das eigentliche Problem, das
gelöst werden sollte. Der Vorgang wurde durch Technologie,
(schnellerer Transport, schnellerer Informationsaustausch über
große Entfernungen) ausgelöst. Das ist ein Teil des Vorgangs,
der das eigentliche Problem auslöst und ist wohl nicht
umkehrbar oder veränderbar.

Moment; „schnellerer Transport“, etc. ist ja eigentlich kein Problem für eine Volkswirtschaft, sondern lediglich dann, wenn sie dadurch sich plötzlich in neuen Konkurrenzbeziehungen findet, weil durch die nun „geringere Entfernung“ zu den Absatzmärkten neuen Billig-Standorte enstehen.

Ich glaube also, wir meinen hier exakt dasselbe.

So lange es große regionale Einkommensunterschiede gibt, wird
daran nichts zu ändern sein.

ja, wobei es nicht nur um Einkommen, sondern allgemein um Produktionskosten geht.

ebenfalls beeinflussen lässt sich der Aspekt, wer bei uns von
dieser Kapitalverschiebung profitiert und wer nicht.

Wenn wir also z.B. im Rahmen einer angebotsorientierten
Wirtschaftspolitik (die ja auch durchaus einleuchtet!)

Mir leuchtet die immer noch nicht ganz ein. Christian hat sich
schon sehr bemüht, aber so ganz konnte er mich noch nicht
überzeugen.

aber Du hast doch eben selbst geschrieben, dass die Kapitalverschiebungen solange stattfinden werden, solange „regionale Einkommensunterschiede“ bestehen; genau daran (allg: an den Produktionskosten) setzt aber die Angebotsorientierung an, sie ist eine Wirtschaftspolitik zur Senkung der Produktionskosten für bessere Konkurrenzfähigkeit=geringere PK-Unterschiede.

Ich habe den Eindruck, daß zwar die wirtschaft geringfügig
wachsen wird, der Ertrag aber immer mehr ungleich verteilt
wird. Eine Entwicklung an deren Ende gigantische
Produktionskapazitäten, aber keine Kunden stehen.

Nein, das sehe ich nicht so. Jedes Angebot wird seine Nachfrage finden, oder erst gar nicht entstehen;

wenn also die Wirtschaft wächst, dann die Kaufkraft natürlich à la longue genauso (wo Löhne und Profite anfallen, da wird zwangsläufig auch gekauft, bzw. umgekehrt wo gekauft wird, fallen Löhne und Profite an), aber die Frage ist, wo diese Kaufkraft dann zu finden ist.

Vielleicht wandert sie ja mit den Produktionsstandorten mit - eben nach Osteuropa oder China (zu einem gewissen Teil wird sie das machen)

Wenn in Europa die Kaufkraft abnimmt, steuern wir ja auf
chinesische Verhältnisse zu. Es gibt eine Massenproduktion, im
wesentlichen nur für den Export. Von einer kleinen Oberschicht
abgesehen, gibt es keine Kunden für die Podukte der
Massenparoduktion.

Theoretisch wäre so ein Szenario durchaus denkbar, in der Realität aber auf lange Sicht bestimmt nicht, weil dies die totale Umkehrung der gegenwärtigen Situation wäre.

Und außerdem: auf lange Sicht würden dann ja auch unsere heutigen Billig-Konkurrenten selbst in eine solche Lage kommen, in der wir uns im Moment befinden, damit aber vor ähnlichen Problemen stehen.

Wenn am Ende weltweit ein Lohnniveau erreicht ist, das dem
jetzigen chinesischen gleicht, gibt es keinen Ort mit
Kaufkraft mehr, an den exportiert werden könnte, die
Wirtschaft bricht zusammen, sozialsysteme gibt es dann schon
lange nicht mehr, die gelten ja jetzt schon als zu teuer.

Abgesehen davon, dass ich mir ein solches Szenario nicht leicht vorstellen kann, frage ich mich, warum die Wirtschaft zusammenbrechen würde, wenn es ein weltweit gleiches Lohnniveau gäbe (dies besagt ja in keinster Weise etwas über die Exporte, also über die internationale Wirtschaftsverflechtung aus!).

Wo liegt der Denkfehler? Nur im Zeitraum, der noch bis zur
Katastrophe bleibt? Oder bilde ich mir den Abwärtstrend nur
ein?

Du bildest Dir keinen Abwärtstrend ein, sondern es ist ein Faktum, dass andere Regionen dieser Welt ökonomisch aufholen, und dass deshalb die USA und Westeuropa einer bisher ungewohnten Konkurrenz ausgesetzt sind, und entsprechend reagieren müssen, weil sie sich in einem absoluten Abwärtstrend oder zumindest in einem relativen Abwärtstrend (relativ zur Weltwirtschaft und relativ zu den historischen Wachstumsraten) befinden.

Allerdings spricht nichts dafür, dass der Abwärtstrend bis auf das Niveau des heutigen Chinas führen wird…

Und welche Katastrophen uns bzw. eben Teilen von uns ereilen werden, hängt davon ab, mit welchen Maßnahmen wir auf die neue ökonomische Weltlage reagieren. Und dabei wird ein Teil unter der einseitigen Angebotsorientierung des Koalitionsvertrags sichtlich leiden, wie Du es ja angeführt hast.

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

Moment; „schnellerer Transport“, etc. ist ja eigentlich kein
Problem für eine Volkswirtschaft, sondern lediglich dann, wenn
sie dadurch sich plötzlich in neuen Konkurrenzbeziehungen
findet, weil durch die nun „geringere Entfernung“ zu den
Absatzmärkten neuen Billig-Standorte enstehen.

Ich glaube also, wir meinen hier exakt dasselbe.

Ja, kurz ‚Globalisierung‘. Kein ‚Vorhaben‘, daß es aufzuhalten gilt, sindern ein natürlicher Vorgang, auf den man angemessen reagieren muß.

So lange es große regionale Einkommensunterschiede gibt, wird
daran nichts zu ändern sein.

ja, wobei es nicht nur um Einkommen, sondern allgemein um
Produktionskosten geht.

Den AN (ich bin einer. :wink:) sind die Produktionskosten so egal, wie den AG die Einkommen der AN … fast jedenfalls.

Wenn wir also z.B. im Rahmen einer angebotsorientierten
Wirtschaftspolitik (die ja auch durchaus einleuchtet!)

Mir leuchtet die immer noch nicht ganz ein. Christian hat sich
schon sehr bemüht, aber so ganz konnte er mich noch nicht
überzeugen.

aber Du hast doch eben selbst geschrieben, dass die
Kapitalverschiebungen solange stattfinden werden, solange
„regionale Einkommensunterschiede“ bestehen; genau daran
(allg: an den Produktionskosten) setzt aber die
Angebotsorientierung an, sie ist eine Wirtschaftspolitik zur
Senkung der Produktionskosten für bessere
Konkurrenzfähigkeit=geringere PK-Unterschiede.

Ja. Die PK sind der Entscheidende Punkt. ‚Menschen‘ kommen in der Betrachtung nur als Mittel zum Zweck vor. Der Einzelne spielt keine Rolle, so lange er nicht über Kapital verfügt.

Ich habe den Eindruck, daß zwar die wirtschaft geringfügig
wachsen wird, der Ertrag aber immer mehr ungleich verteilt
wird. Eine Entwicklung an deren Ende gigantische
Produktionskapazitäten, aber keine Kunden stehen.

Nein, das sehe ich nicht so. Jedes Angebot wird seine
Nachfrage finden, oder erst gar nicht entstehen;

OK, ich habe die Zeit verkürzt. natürlich wird sich das langsam entwickeln, Nachfrage und Angebot werden gleichmäßig zurück gehen, die Arbeitslosigkeit steigen, damit die Kosten für die Sozialsysteme bei denen daraufhin gekürzt wird, weil sie als Ursache für das Problem dargestellt werden. (macht hier schon jemand. :wink:) Daraufhin sinken wieder die AN-Einkommen … die Nachfrage … das Angebot … die Zahl der Arbeitsplätze … am Ende der spirale gibt es nur noch Bedarf, die Firmen stehen noch, produzieren aber nicht … also doch ungenutzte Kapazitäten und fehlendes Geld, das aus Bedarf Nachfrage machen würde.

wenn also die Wirtschaft wächst, dann die Kaufkraft natürlich
à la longue genauso (wo Löhne und Profite anfallen, da wird
zwangsläufig auch gekauft, bzw. umgekehrt wo gekauft wird,
fallen Löhne und Profite an),

Wo die Kaufkarft der AN bei steigenden Gewinnen der Unternehmen sinkt, wie bei uns, geht die Nachfrage trotz Wachstum zurück. Noch ist das durch Export möglich.

aber die Frage ist, wo diese Kaufkraft dann zu finden ist.

Wenn sich der Trend weltweit durchsetzt, frage ich mich das auch.

Vielleicht wandert sie ja mit den Produktionsstandorten mit -
eben nach Osteuropa oder China (zu einem gewissen Teil wird
sie das machen)

Die Arbeiter, die in China für ein paar Cent arbeiten, werden keine Autos kaufen, wenn das Einkommen nur fast gegen den Hunger hilft.

Wenn in Europa die Kaufkraft abnimmt, steuern wir ja auf
chinesische Verhältnisse zu. Es gibt eine Massenproduktion, im
wesentlichen nur für den Export. Von einer kleinen Oberschicht
abgesehen, gibt es keine Kunden für die Podukte der
Massenparoduktion.

Theoretisch wäre so ein Szenario durchaus denkbar, in der
Realität aber auf lange Sicht bestimmt nicht, weil dies die
totale Umkehrung der gegenwärtigen Situation wäre.

Wieso Umkehrung? Das Zeil der Unternehmerverbände scheint eine Angleichung auf unterstem Niveau zu sein. Nicht bei und abwärts, in China aufwärts, sondern weltweit abwärts. Das Ideal wäre wohl die weltweite Abschaffung aller Sozialsysteme und keine Lohnkosten. Produktion nur noch für die Oberschicht von Millionen von Slumbewohnern?

Und außerdem: auf lange Sicht würden dann ja auch unsere
heutigen Billig-Konkurrenten selbst in eine solche Lage
kommen, in der wir uns im Moment befinden, damit aber vor
ähnlichen Problemen stehen.

Wenn da die Löhne gar nicht erst steigen, nicht. :wink:

Wenn am Ende weltweit ein Lohnniveau erreicht ist, das dem
jetzigen chinesischen gleicht, gibt es keinen Ort mit
Kaufkraft mehr, an den exportiert werden könnte, die
Wirtschaft bricht zusammen, sozialsysteme gibt es dann schon
lange nicht mehr, die gelten ja jetzt schon als zu teuer.

Abgesehen davon, dass ich mir ein solches Szenario nicht
leicht vorstellen kann, frage ich mich, warum die Wirtschaft
zusammenbrechen würde, wenn es ein weltweit gleiches
Lohnniveau gäbe (dies besagt ja in keinster Weise etwas über
die Exporte, also über die internationale
Wirtschaftsverflechtung aus!).

Wenn die Einkommen der AN nur noch knapp für Lebensmittel reichen? Das ist das Letzte, worauf verzichtet wird. Demnächst muß ich anfangen, im Bereich ‚Nahrungs und Genussmittel‘ Einsparungen zu planen. Getränke aus Flaschen (Bier, Limo, Mieralwasser, Fruchtsaft …) werde ich nicht mehr kaufen. Abwarten. Wenn das nicht reicht, wird der Internetzugang gestrichen, dann das Telefon … Ich denke, daß ich kein Einzelfall bin und ich kann mir nicht vorstellen, daß das der Wirtschaft gut tut.

Wo liegt der Denkfehler? Nur im Zeitraum, der noch bis zur
Katastrophe bleibt? Oder bilde ich mir den Abwärtstrend nur
ein?

Du bildest Dir keinen Abwärtstrend ein, sondern es ist ein
Faktum, dass andere Regionen dieser Welt ökonomisch aufholen,
und dass deshalb die USA und Westeuropa einer bisher
ungewohnten Konkurrenz ausgesetzt sind, und entsprechend
reagieren müssen, weil sie sich in einem absoluten
Abwärtstrend oder zumindest in einem relativen Abwärtstrend
(relativ zur Weltwirtschaft und relativ zu den historischen
Wachstumsraten) befinden.

Die Produktion in anderen Regionen holt auf. Die paar Cent Lohn schaffen in China keine nennenswerte Kaufkraft … von einer Oberschicht mal abgesehen.

Allerdings spricht nichts dafür, dass der Abwärtstrend bis auf
das Niveau des heutigen Chinas führen wird…

So weit wird es nicht kommen, vorher gewinnt die Linkspartei Wahlen. das geht nur, wenn die Demokratie vorher auf der Strecke bleibt.

Und welche Katastrophen uns bzw. eben Teilen von uns
ereilen werden, hängt davon ab, mit welchen Maßnahmen wir auf
die neue ökonomische Weltlage reagieren.

Wen meinst Du mit ‚wir‘? Meine Reaktion wird sich wohl auf’s wählen beschränken. Nur wen? Was die Linkspartei fabriziert scheint mir auch nicht zukunftssicher.

Und dabei wird ein
Teil unter der einseitigen Angebotsorientierung des
Koalitionsvertrags sichtlich leiden, wie Du es ja angeführt
hast.

Schade, ich hatte eine optimistischere Perspektive erhofft. Da bleibt wohl doch nur, zu warten bis es schlimm genug ist und die liberale Politik abgewählt wird.
Na ja, kauf ich mir halt einen neuen Gürtel zum enger schnallen.

Gruß, Rainer

Hallo Rainer,

ja, wobei es nicht nur um Einkommen, sondern allgemein um
Produktionskosten geht.

Den AN (ich bin einer. :wink:) sind die Produktionskosten so
egal, wie den AG die Einkommen der AN … fast jedenfalls.

Naja, so egal sind sie dann doch nicht;
der AN muss sich wohl schon für die Produktionskosten interessieren, weil er zur Verwertung seiner Arbeitskraft (also Job kriegen) darauf angewiesen ist, dass es sich für einen AG rechnet, die Arbeitskraft zu beanspruchen.

der AG interessiert sich auch für die Lohnhöhe des AN, nämlich dass sie möglichst niedrig ist.
(die Gesamtheit der AG interessiert sich auf der anderen Seite auch dafür, dass Kaufkraft unter den Lohnempfängern vorhanden ist.)

insgesamt aber dürfte klar sein, dass der AN absolut am kürzeren Hebel sitzt, er muss unter bestimmten ökonomischen Bedingungen politisch dafür sorgen, dass sein Reallohn sinkt …

Ja. Die PK sind der Entscheidende Punkt. ‚Menschen‘ kommen in
der Betrachtung nur als Mittel zum Zweck vor. Der Einzelne
spielt keine Rolle, so lange er nicht über Kapital verfügt.

Jein!
Im Kapitalismus zählt für die Ökonomie in der Tat nicht der „Mensch“, sondern eben das Kapital (daher der Name).

Dies gilt aber für beide Seiten; die Kapitallosen kommen als Arbeitskraft in die Rechnung, die Kapitalbesitzer als ja eben nur mit der Höhe ihres Kapitals.

Mitlaufen in der Maschinerie der Kapitalreproduktion müssen sie beide - Stillstand ist Rückschritt.

OK, ich habe die Zeit verkürzt. natürlich wird sich das
langsam entwickeln, Nachfrage und Angebot werden gleichmäßig
zurück gehen, die Arbeitslosigkeit steigen, damit die Kosten
für die Sozialsysteme bei denen daraufhin gekürzt wird, weil
sie als Ursache für das Problem dargestellt werden. (macht
hier schon jemand. :wink:) Daraufhin sinken wieder die
AN-Einkommen … die Nachfrage … das Angebot … die Zahl
der Arbeitsplätze …

ja, das ist eine Entwicklungsspirale.

Man muss aber daran denken, dass es zugleich verschiedene Entwickungslinien gibt(die zwar in der Analyse zu unterscheiden sind, in der Realität aber zusammenhängen):

zum einen die Konjunkturphasen, in denen nach einer Abwärtsspirale, wie Du sie eben skizziert hast, einige Jahre/Jahrzehnte später wieder eine Aufwärtsspirale einsetzt, in dem quasi genau das Umgekehrte geschieht.
Einen akzeptablen Überblick dafür gibt wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konjunktur

zum anderen aber die sog. säkularen Trends: das ist das, was ich mit „Kapitalverschiebung“ gemeint habe (der Begriff „Globalisierung“ ist ok dafür, verschleiert den Sachverhalt aus meiner Sicht aber ein wenig);
hierzu gibt es keine Ausgleichsspirale;
man muss aber auch nicht davon ausgehen, dass dieser -aus unserer Sicht- Abwärtstrend uns bis auf das Niveau des heutigen Chinas führen wird.

zur Angebots-/Nachfrage-Orientierung: für den Zyklus der Konjunkturphasen, lässt sich gut streiten, welche der beiden Maßnahmen besser die Spirale umkehrt; aus meiner Sicht ist das momentan in der Tat eher die Angebotsorientierung, aber ihr Effekt ist als sehr gering einzuschätzen.

Gegen den Trend aber, kommen beide Maßnahmen nicht an; hier gilt es aus meiner Sicht vielmehr sich damit abzufinden und politisch so zu reagieren, dass man mit blindem Aktivismus nicht die Grundlagen unseres Gesellschaftssystems zerstört (wozu ich den Sozialstaat zähle). Genau dies aber macht die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik im Moment;

von da her ist sie für mich als plumper Aktivismus zu werten, dessen (gewollter?) Effekt in erster Linie die „Öffnung der Schere“ und die Zerstörung dessen ist, was die BRD 50 Jahre ausgemacht hat, dessen ökonomische Wirkung aber sehr gering ist.

am Ende der spirale gibt es nur noch
Bedarf, die Firmen stehen noch, produzieren aber nicht …
also doch ungenutzte Kapazitäten und fehlendes Geld, das aus
Bedarf Nachfrage machen würde.

soweit wird es aber definitiv nicht kommen; jede Abwärtsspirale wird einmal von einer Aufwärtstsspirale abgelöst, und der Trend der Kapitalverschiebung geht ganz bestimmmt nicht so weit;

das Szenario, das Du gerade skizziert hast, ist im normalen „Spielraum“ der kapitalistischen Ökonomie nicht möglich, sondern kann nur in bestimmten Sondersituationen vorkommen. Das letze Mal in Deutschland 1945 bis 1948.

Wo die Kaufkarft der AN bei steigenden Gewinnen der
Unternehmen sinkt, wie bei uns, geht die Nachfrage trotz
Wachstum zurück. Noch ist das durch Export möglich.

aber die Frage ist, wo diese Kaufkraft dann zu finden ist.

die nominale Kaufkraft bzw. das „Verfügbare Einkommen“ in der BRD als Gesamtgröße fällt nicht, sondern steigt, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen:
http://www.destatis.de/indicators/d/lrvgr04ad.htm
(die Erhöhung des Preisniveaus ist hier nicht miteinberechnet, aber dürfte nicht so stark sein, dass es die Aussage falsifizieren würde))

Richtig ist aber, dass dieses Verfügbare Einkommen immer mehr auf weniger Personen verteilt ist, was natürlich durch Statistk weggemittelt wird: steinreich und bettelarm ergibt statistisch „wohlhabend“ :wink:

Vielleicht wandert sie ja mit den Produktionsstandorten mit -
eben nach Osteuropa oder China (zu einem gewissen Teil wird
sie das machen)

Die Arbeiter, die in China für ein paar Cent arbeiten, werden
keine Autos kaufen, wenn das Einkommen nur fast gegen den
Hunger hilft.

in Chinas gibts bereits Mercedes’ und Porsches …
die Wachstumszahlen in China sind enorm, die Entwicklung der Löhne wird über früher oder später auf jeden Fall nachziehen …
Von amerikanischen und westeuropäischen Firmen wird China schon lange nicht mehr nur als billiger Produktionsstandard gesehen, sondern bereits als zukünftiger gigantischer Absatzmarkt …

Wenn in Europa die Kaufkraft abnimmt, steuern wir ja auf
chinesische Verhältnisse zu. Es gibt eine Massenproduktion, im
wesentlichen nur für den Export. Von einer kleinen Oberschicht
abgesehen, gibt es keine Kunden für die Podukte der
Massenparoduktion.

Theoretisch wäre so ein Szenario durchaus denkbar, in der
Realität aber auf lange Sicht bestimmt nicht, weil dies die
totale Umkehrung der gegenwärtigen Situation wäre.

Wieso Umkehrung? Das Zeil der Unternehmerverbände scheint eine
Angleichung auf unterstem Niveau zu sein. Nicht bei und
abwärts, in China aufwärts, sondern weltweit abwärts.

Nein, das ist vollkommen undenkbar.
Was ist denn das Unternehmensziel schlechthin?
Doch wohl die Erzielung von Profit, oder nicht?
Wenn ein Unternehmen Profit erzielen will, dann muss es seine Produkte unter dem Wert des Produktes produzieren (also: möglichst geringe Lohnkosten);
dies ist aber nur eine Seite: auf der anderen Seite können die Unternehmen nur dann Profite erzielen, wenn diese Produkte auch gekauft werden;
und dafür wird eben Kaufkraft benötigt, und damit eben auch durchaus angemessenes Lohnniveau.

Google dafür mal unter dem Stichwort „Fordismus“, eine der Lösungen dieses Problems zu seiner Zeit, dann wirst Du genau das bestätigt finden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Fordismus
„Fordismus basiert auf stark standardisierter Massenproduktion und -konsumption von Konsumgütern, […] einer gewissen Partnerschaft zwischen Arbeiter und Unternehmer sowie einer Lohnentwicklung in Höhe von Produktivitätsfortschritt plus Inflationsrate […] Die Entwicklungen des Sozialstaats werden als Abkommen zwischen Arbeitern und Kapital verstanden: die Arbeiter werden am Wohlstand beteiligt, Frauen leisten die notwendige Reproduktionsarbeit, durch beides steigt der Absatz und die kapitalistische Akkumulation kann sich fortsetzen.

In der von mir markierten Passage kommt es klar zm Ausdruck: die kapitalistische Akkumulation (=hier: Profiterzielung) braucht notwendig ein dafür angemessenes Lohnniveau.

Das
Ideal wäre wohl die weltweite Abschaffung aller Sozialsysteme
und keine Lohnkosten. Produktion nur noch für die Oberschicht
von Millionen von Slumbewohnern?

Nein, das ist ganz und gar nicht das Ideal der Unternehmen und Unternehmensverbände; (und zwar nicht deshalb nicht -und das ist der Punkt, der zu Optimismus veranlasst- weil sie irgendwie „menschenfreundlich“ wären, sondern weil sie sich damit selbst schaden würden.)

Und außerdem: auf lange Sicht würden dann ja auch unsere
heutigen Billig-Konkurrenten selbst in eine solche Lage
kommen, in der wir uns im Moment befinden, damit aber vor
ähnlichen Problemen stehen.

Wenn da die Löhne gar nicht erst steigen, nicht. :wink:

auch auf dem Arbeitsmarkt herrscht das Gesetz von Angebot und Nachfrage;

natürlich wird es in China noch dauern, bis das Lohnniveau signifikant steigen wird, weil 1) eine immense „Reservearmee“ vorhanden ist, also noch brach liegende Arbeitskraft im Hinterland, und weil 2) die dortige politische Führung dieses ökonomische Naturgesetz per politischem Zwang außer Kraft setzt;

beide Punkte können aber das Steigen des Lohnniveaus nur aufhalten, nicht grundsätzlich verhindern.

In Osteuropa steigen die Löhne ja bereits durchaus beträchtlich.
(Schröder sprach mal von den „bald kommenden Absatzmärkten im Osten“ und meinte eben genau dies)

Wenn die Einkommen der AN nur noch knapp für Lebensmittel
reichen? Das ist das Letzte, worauf verzichtet wird. Demnächst
muß ich anfangen, im Bereich ‚Nahrungs und Genussmittel‘
Einsparungen zu planen. Getränke aus Flaschen (Bier, Limo,
Mieralwasser, Fruchtsaft …) werde ich nicht mehr kaufen.
Abwarten. Wenn das nicht reicht, wird der Internetzugang
gestrichen, dann das Telefon … Ich denke, daß ich kein
Einzelfall

Nein, Du bist natürlich kein Einzelfall, aber eben einer, der für die ökonomische Entwicklung zahlen muss, weil wir sie momentan dafür nutzen, die Schere zu öffnen.

Allerdings spricht nichts dafür, dass der Abwärtstrend bis auf
das Niveau des heutigen Chinas führen wird…

So weit wird es nicht kommen, vorher gewinnt die Linkspartei
Wahlen. das geht nur, wenn die Demokratie vorher auf der
Strecke bleibt.

Meine Reaktion wird sich wohl auf’s

wählen beschränken. Nur wen? Was die Linkspartei fabriziert
scheint mir auch nicht zukunftssicher.

ich bin einer, der die Linkspartei mangels besserer Alternative gewählt hätte (wenn ich damals zuhause gewesen wäre), dennoch muss man sagen, dass auch deren Programm weder auf den Zyklus, schon gar nicht auf den Trend einen großen Einfluss gehabt hätte. Auf der anderen Seite hat auch das neoliberale Programm keinen viel größeren Einfluss;

deshalb mache ich meine Präferenz in erster Linie davon abhängig, welches Programm welche Auswirkung dür die Gesellschaft hat, und da hätte ich mit der Linkspartei einfach die geringste „Öffnung der Schere“ gewählt.

Schade, ich hatte eine optimistischere Perspektive erhofft. Da
bleibt wohl doch nur, zu warten bis es schlimm genug ist und
die liberale Politik abgewählt wird.

In Bezug auf die Situation der Scherenöffnung ist in der Tat die politische Wahl die richtige Antwort, in Bezug auf die ökonomische Entwicklung lässt sich mit Wahlen nicht viel ändern.

Das Witzige bzw. Schlimme ist, dass uns das genau immer anders herum dargestellt wird: der Sozialabbau wird als Sachzwang hingestellt, und das „Beleben der Konjunktur“ als politische Wahl; das finde ich total absurd; die FDP tritt auf als wäre sie eine Protestpartei :wink:

Na ja, kauf ich mir halt einen neuen Gürtel zum enger
schnallen.

Das schöne ist: das brauchst Du nicht, denn enger lässt sich jeder Gürtel machen, das kann sich jeder leisten :wink:

Viele Grüße
franz