Hallo Rainer,
Ich habe nicht den Eindruck,
daß Dir meine Kommentare viel bringen werden, mir aber Deine
Antworten.
Was meinst Du damit?
ist das wirklich so? In dem Maß, in dem Produktion nach
Osteuropa verlagert wird, bricht hier Kaufkraft weg.
Ja, Dein Einwand ist richtig (wobei bedacht werden muss, dass
die „Verleger“ der Produktion in der Regel Westeuropäer sind,
und damit die Unternehmergewinne durchaus wieder
zurückfließen; deshalb ist die Gleichsetzung „in dem Maß…“
nicht ganz richtig,
OK, war zu kurz. Aus Sicht der AN ist das aber richtig, denen
fehlt die Kaufkraft, wenn sie ihren Job verlieren. Wie das in
der Praxis aussieht muß ich ja nicht vertiefen.
Schon richtig.
Ich sehe für einen Zeitraum von sagen wir mal 15 jahren für
nachfrageorientierte Politik wenig Chancen, weil eine
deutliche Erhöhung der Kaufkraft durch Lohnerhöhungen
So global ist das sicher keine Lösung und auch nicht
durchführbar. Auf Lohnerhöhungen hat die Politik ja eher
wenig Einfluß.
Jein, selbstverständlich besteht „Tarifautonomie“ …
Aber durch gesetzliche Rahmensetzungen, wie Mindestlöhne, etc., durch Sozialpolitik, durch Steuerpolitik, etc. kann die Politik natürlich ganz massiv auf das Lohnniveau einwirken.
Übrigens hat ja auch Lafontaine, vielleicht der stärkste
Vertreter nachfrageorientierter Politik in Deutschland,
eingesehen, dass dies ohne Änderung der Rahmenbedingungen
nicht funktionieren kann, weshalb er Sozialstandards,
Quasi-Zölle, etc. „gegen“ osteuropäische Konkurrenz gefordert
hat, damit also auf protektionistisches Instrumentarium
zurückgegriffen hat.
Für so dumm hätte ich Oskar gar nicht gehalten. Sicher, daß
das seine Vorschläge waren und nicht Vorgaben der Linkspartei?
Weder Oskar noch die WASG (und schon gar nicht die PDS) verstehen sich im Grunde als Protektionisten; ich denke, dass ihnen diese Rolle durch die speziellen Umstände der Problematik, in der wir uns befinden, aufgezwungen wird.
Ob jetzt speziell Oskar dies eigentlich nicht will, sondern nur seine Partei, halte ich für eine eher müßige Frage. Lafontaine passt sicher mit seiner Haltung heute am ehesten in die Linkspartei, dass sich nicht alles deckt, ist selbstverständlich.
(von diesem Instrumentarium steht aber im „Kampf“ gegen die
osteuropäische Konkurrenz insbesondere aus Gründen der
Osterweiterung der EU nicht viel zur Verfügung, dies wird
gegen Südostasien in den nächsten Jahrzehnten vermutlich
anders sein)
Würde eine protektionistische Politik nicht am Widerstand der
EU scheitern?
Richtig; darum steht „nicht viel“ dieses Instrumentariums zur Verfügung, genau genommen eigentlich nur ein „verdeckter“ Protektionismus, also ein solcher, der statt auf Einfuhrzölle auf Qualitäts- und Sozialstandards, etc. setzt.
Auf solche Maßnahmen eben, die die gleiche Wirkung wie Einfuhrzölle erzielen können, nämlich die Verteuerung der Waren der ausländischen Konkurrenz.
Aber auch solche Maßnahmen gehen kaum „an der EU vorbei“, weshalb man sich in diesem Zusammenhang daran erinnern kann, dass Lafontaine als damaliger Superminister genau auf Veränderungen auf dieser Ebene gezielt hat (und deshalb als „Makroökonom“ verunglimpft wurde).
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die
Bundesragierung einen solchen Weg beschreiten könnte. Noch
nicht mal, wenn sie wollte.
Das ist ja auch meine Meinung;
die BRD alleine kann sicherlich nicht weit auf diesem Weg kommen (über Standards, Industrie-Normen, etc. sind sicher ein paar winzige Schritte möglich),
die EU will zumindest gegen Osteuropa diesen Weg nicht gehen.
Sie wird ihn aber -so meine Prognose- (als EU!) mittelfristig gegen Südostasien massiv gehen.
Daß es ein Problem gibt, steht wohl fest. Wie könnte die
Lösung aussehen?
Das „Problem“ ist die Verschiebung des Kapitals aus Westeuropa zu einem kleineren Teil nach Osteuropa, zu einem zukünftig größeren Teil nach Südostasien (vornehmlich mittels Standortverlagerungen und Direktinvestments).
Diese Kapitalverschiebung lässt sich politisch nicht aufhalten, sondern nur mit vielen verschiedenen politischen Mitteln beeinflussen;
ebenfalls beeinflussen lässt sich der Aspekt, wer bei uns von dieser Kapitalverschiebung profitiert und wer nicht.
Wenn wir also z.B. im Rahmen einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik (die ja auch durchaus einleuchtet!) unseren Sozialstaat schrumpfen, dann ist klar, dass die Schere auseinander gehen muss, weil die einen Kapital besitzen und von ihm immer profitieren, egal in welcher Region der Welt es sich im Moment befindet (im Gegenteil, sie profitieren von ihrem Kapital sogar noch stärker, wenn es sich in der renditereichsten Region befindet), und die anderen, welche nur Arbeitskraft, kein Kapital besitzen, zwar von der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, also von der besseren Konkurrenzfähigkeit unseres Lohnniveaus, dahingehend profitieren, dass sie die Möglichkeit der Verwertung ihrer Arbeitskraft erhalten (also Jobs), ihre Arbeitskraft selbst aber dabei drastisch ent-wertet wird (geringere Einkommen).
Die entscheidende Frage sehe ich darin, ob wir auf die kumulierte Größe Volkswirtschaft setzen sollen, und mittels Angebotsorientierung dafür sorgen wollen, dass die Volkswirtschaft als Ganze wachsen kann, oder ob wir eher dafür sorgen, dass wir die Gewinne und Verluste dieser Kapitalbewegung (die sich ja innerhalb unseres Wirtschaftsrahmens nicht verhindern lässt) unter uns besser ausgleichen und dabei evtl. ein suboptimales Ergebnis für unsere Volkswirtschaft als Ganze in Kauf nehmen.
Viele Grüße
franz
P.S.: auf welchen politischen Umwegen der Kampf hinsichtlich der Kapitalverschiebung nach Südostasien geführt wird, lässt sich übrigens in Bush-Reden immer sehr schön sehen:
http://www.whitehouse.gov/news/releases/2005/11/2005…
Viele Grüße
franz