Hallo Michael,
Kann man Sinn und Zweck des Fastens besser zusammenfassen als dies in der alten Präfation der Fastenzeit geschieht: …, qui corporali ieiunio vitia comprimis, mentem elevas, virtutem largiris et praemia.
Ja: „Ich will jetzt davon schweigen, dass manche so fasten,
dass sie sich dennoch vollsaufen; dass manche so reichlich mit
Fischen und anderen Speisen fasten, dass sie mit Fleisch,
Eiern und Butter dem Fasten viel näher kämen …"
Ich werde nie begreifen können, mit welcher Oberflächlichkeit und Gedankenlosigkeit (ja, die Begründungen dafür halte ich für eine solche) die lateinische Kirche derart fundamentale und in so vielen Religionen Jahrtausende lang geübte „praxeis“ über Bord warf.
Genauso wie der Zölibat - für einige ist das definitiv der
richtige Weg, aber für alle Priester … man sieht ja die
Auswüchse!
Und welche Auswüchse wären zu befürchten, wenn das Fasten eine verbindlichere Qualität hätte?
Dass man durch allgemeinverbindliche Vorschriften im
religiösen Bereich oft das Gegenteil der Intention erreicht,
ist mittlerweile sogar im Vatikan angekommen.
Ich denke eher, daß es auch eine Frage ist, wie man das kommuniziert. Ich fand es sehr interessant diese Woche bei einer muslimischen Lernstunde zum Thema Ramadan dabei zu sein, die sich vorwiegend an Jugendliche und junge Erwachsene richtet. Da ging es sehr stark um Motivation. Der - selbst noch recht junge - Vortragende war bei dem gleichen interreligiösen Gespräch gewesen wie ich und schilderte, was er von Christen erfahren hatte und fand das einen guten Ansatzpunkt. Wenn man den Fastenmonat Ramadan nicht durchhält solle man sich eine kleinere Sache überlegen, bei der man sich einschränkt.
Es ging ganz stark um Motivation und nicht um die Moralkeule, die auch hier gelegentlich bei christlichen Antworten geschwungen wird und unterstellt, daß Menschen, denen solche Rituale wichtig sind, dies nur oberflächlich und sinnentleert tun würden.
Was ist das eigentlich für eine Arroganz, die darüber befinden will - und doch nur unterstellt - wer mit welcher Motivation etwas tut.
Es ist besser, einen freiwilligen Ritus zu gestalten, der die
Teilhabenden etwas Besonderes erleben lässt, als eine Form zu
gestalten, welche mit allen nur erdenklichen Mitteln um des
lieben Scheins willen untergraben wird - und damit diejenigen,
welche sich wirklich ernsthaft daran halten, am Sinn ihres
Tuns zweifeln lassen.
Nun, vielleicht gäbe es auch noch einen Weg dazwischen: Freundlich motivieren und einladen und vermitteln, welcher Sinn in einer Praxis liegen könnte und Erfahrungsräume eröffnen.
Es kommt ja nicht von irgendwoher, daß den Kirchen die Leute weglaufen und die gleichen Leute sich woanders durchaus eine herausfordernde verbindliche Praxis suchen.
Viele Grüße
Iris