Faustische Zahl

Hallo,

was ist unter den Begriffen „Faustische Zahl“ bzw. „Abendländische Zahl“ zu verstehen?

Gruß

BodoCuno

Hallo BodoCuno,

was ist unter den Begriffen „Faustische Zahl“ bzw.
„Abendländische Zahl“ zu verstehen?

Die „faustische Zahl“ kennt bei mir nicht mal Google, was natürlich nicht bedeuten muss, daß es so einen Ausdruck nicht irgendwo gibt. Deshalb wäre es hilfreich zu wissen, wo und in welchem Zusammenhang Du den Begriff gehört hast.
„abendländische Zahl“ benutzt Oswald Spengler in seinen „Untergang des Abendlandes“.
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Spengler,+Oswald/D…
(dort im Punkt 5., der direkte Link funktioniert bei mir nicht richtig)
Wenn ich ihn da richtig verstehe, meint er damit die Erweiterung des Zahlenraums. In der Antike gibt es nur natürliche Zahlen und erst das Abendland hat diesen Zahlbegriff dann abstrahiert und erweitert um negative Zahlen, irrationale Zahlen usw. und den Begriff der Zahl damit verändert, von einem Begriff für abzählbare Einheiten (3 Schafe, 5 Krieger… so in der Antike), zu einem Begriff für das Ausgedehnte, den Raum.
Ob Spengler das alles so richtig dargestellt hat, habe ich meine Zweifel, kann es aber auch nicht einschätzen. Zumindest behauptet er für meinen Geschmack zu viel ohne es gross zu belegen.
Wenn deine Frage in diese Richtung zielte, scheint sie mir also besser im Philosophie-Brett aufgehoben zu sein. Sowas wie „Was ist das wahre Wesen der Zahlen?“

Viele Grüße
Marvin

Hallo, Marvin,

ich danke für Deine Antwort. Google hatte ich natürlich vor diesem Forum auch schon erfolglos befragt. Die Quelle meiner Frage kann ich Dir aber noch nennen:

Ich lese gerade ein Buch von 1934: „Vom Einmaleins zum Integral“, von Egmont Colerus. Es ist sehr unterhaltsam und mit österreichischem Charme geschrieben. Da ich zunächst hoffte, eine bestimmte Antwort aus dem Bereich der Differentialrechnung zu finden, habe ich aus Ungeduld zunächst „mittendrin“ angefangen zu lesen, dort tauchen im Zusammenhang mit der Erläuterung des Begriffes „Funktion“ diese beiden Ausdrücke auf. Bei „y= f(x)“ schreibt Colerus, dass das „y“ durch seine Vieldeutigkeit als Zahl eine „Faustische Zahl“ bzw. eine „Abendländische Zahl“ ist. Diese Begriffe müssen ja eine Herkunft haben.

Bin gespannt, ob ich es noch herausbekomme.

Gruß

BodoCuno

Hallo BodoCuno,

„Vom Einmaleins zum
Integral“, von Egmont Colerus. Es ist sehr unterhaltsam und
mit österreichischem Charme geschrieben.

Oh, das ist gut. Ich habe das Buch als Kind auch gelesen und dabei sehr viel über Mathematik gelernt (leider inzwischen das meiste wieder vergessen). Verrätst Du noch, in welchem Kapitel das vorkam, da kann ich in meinem neueren Exemplar (1969) mal nachsehen, ob da der Ausdruck noch drin steht.
Aber wenn Colerus da nicht auf Spengler anspielt, würde ich dem Ausdruck keine größere Bedeutung zumessen, sondern es eben einfach als Sprachbild nehmen, das Colerus vielleicht selbst geprägt hat. Zu der Zeit war die Rede von faustischen Menschen, faustischen Naturen usw. ja sehr beliebt („der Deutsche besitzt eine faustische Natur“ = strebt ständig nach neuem Wissen und Erkenntnis), warum das also nicht etwas schief auch auf die sich ständig verändernde Variable y anwenden? Ist aber nur so eine Hypothese von mir.

Viele Grüße
Marvin

Hallo, Marvin,

inzwischen bin ich dem von Dir vorgeschlagenen Link gefolgt und habe das Kapitel gelesen. Schwerer Tobak, mit derartigen Themen habe ich mich noch nie befasst. Aber interessant! Ich werde es wohl, wenn ich mehr Ruhe habe, nochmal lesen.

Es scheint die richtige Spur zu sein. Die Begriffe sind vielleicht heute etwas aus dem Sprachgebrauch verschwunden, zur Zeit der beiden Autoren wurden sie eventuell häufiger benutzt. Es hat wohl eben einfach damit zu tun, dass die Zahlen in der Denkweise des Altertums/Arabien nur natürlich waren („Morgenland“) und es heute im „Abendland“ andere Erkenntnisse gibt.

Gruß

BodoCuno

Hallo, Marvin,

ich habe im Kapitel 22 angefangen zu lesen. Die vorherigen hole ich später nochmal nach.

Viele Grüße

BodoCuno

Hallo BodoCuno,

inzwischen bin ich dem von Dir vorgeschlagenen Link gefolgt
und habe das Kapitel gelesen.
Es scheint die richtige Spur zu sein.

Ja, es ist die richtige Spur. Ich habe inzwischen den Colerus überflogen und am Ende des 17. Kapitels findet sich folgendes Zitat:

wir pflichten Oswald Spengler bei, wenn er die Funktion als die faustische oder abendländische Zahl bezeichnet. Denn eben dieses „Faustische“ der höheren Mathematik ist es, was sie so bunt, so abenteuerreich, so aufregend - und dabei im tiefsten Grunde so leicht macht.

Es hat wohl eben einfach damit zu tun, dass die
Zahlen in der Denkweise des Altertums/Arabien nur natürlich
waren („Morgenland“) und es heute im „Abendland“ andere
Erkenntnisse gibt.

Aber ich glaube, daß Spengler hier (und nicht nur hier) irrte. Im alten Ägypten z.B. gab es neben den natürlichen Zahlen auch Stammbrüche, also Brüche, deren Zähler immer 1 war und bei den alten Griechen wurde mit rationalen Zahlen gerechnet (z.B. Bemühungen, die Zahl pi als rationale Zahl zu ermitteln). Wenn die Legende stimmt, so kamen einige griechische Denker ja sogar zur Erkenntnis, daß irrationale Zahlen existieren müssten, siehe Hippasos von Metapont
http://de.wikipedia.org/wiki/Hippasos_von_Metapont

Viele Grüße
Marvin

Hallo, Marvin,

soeben habe ich nochmal hier beim Forum ´reingeschaut. Ich möchte mich nochmal für den interessanten Austausch und die Hinweise bedanken.

Viele Grüße

BodoCuno