hi,
Als ich noch zur Schule ging, fing es an mit dem Einbeziehen
der weiblichen Form in jeder erdenklichen Formulierung. Kaum
wurde es losgetreten, da wurde es schon wieder abgeschafft -
vor allem dort, wo man es am wenigsten vermuten würde: an den
Unis.
das kann ich so nicht bestätigen. m.e. wird an den unis viel mit binnen-I gearbeitet.
Es wird dort zwar nicht prinzipiell als Solches
abgelehnt, aber es bleibt bei der maskulinen Form mit einer
kleinen Erklärung am Anfang oder am Ende, wie z.B. wegen des
Umfangs oder wegen der Lesbarkeit.
ich kenne sogar institute bzw. professorInnen, die mit einem generischen femininum arbeiten und maskuline formen nur verwenden, wenn dezidiert männer gemeint sind. ja, das gibts!
Das sehe ich auch so. Ich
bin eine Frau und noch dazu eine, die sich für recht
fortschrittlich was ihrem Geschlecht in der Gesellschaft
angeht, aber was das Ganze in der deutschen Sprache zu
bedeuten hat, hat sich mir nie erschlossen.
naja: ich bin ein mann und kann die bestrebungen schon zum teil nachvollziehen.
Nun habe ich einen Text an viele Menschen geschickt und eine
Dame hat sich beschwert, weil sie sich nicht angesprochen
fühlt. Da dachte ich erst, meine Güte ist das eine
Haarspalterin, aber hat sie vielleicht recht? Ich kenne keine
andere Sprache, wo das in dieser Form praktiziert wird - gibt
es eine? Wie machen es die Spanier oder Franzosen und warum
haben die Deutschen drei Artikel?
historisch bedingt. 3 genera haben die meisten germanischen sprachen, auch das englische: he, she, it. nur werden sie im artkel nicht unterschieden: the.
Warum ist es „das“ Mädchen und nicht „die“ Mädchen? Warum wird überhaupt das Wort
„Mädchen“ verniedlicht? Was ist denn davon die „Grundform“?
das ist schon erklärt worden: es gab „die maid“ (junge frau), „das maidchen“ ist (historisch) eine diminutivform; diminutivformen - das hat eine gewisse logik - sind neutra. auch „das bübchen“, „das stierchen“, „das weibchen“ …
bloß ist beim „mädchen“ die grundform „maid“ praktisch ausgestorben.
Was sagt man zum Jungen - das Jungchen?
Ist es vielleicht sogar ein Dilemma der deutschen Sprache,
dass sie die Frauen so vernachlässigen (Spiegel der
Gesellschaft)?
ich glaube nicht, dass die deutsche sprache an sich frauen vernachlässigt. die crux ist die vermischung von genus (grammatischem geschlecht) und sexus (natürlichem geschlecht), damit verbunden die grammatische regel, dass pronominal auf das genus bezug genommen wird, nicht auf den sexus.
also:
text 1a:
ein mensch steht am straßenrand. er trägt einen schwarzen mantel; es scheint so, dass er bei einer ampel auf grün wartet. seine ledertasche hat er unter den arm geklemmt. er zieht sich seinen hut ins gesicht, denn es beginnt zu regnen.
text 1b:
eine person steht am straßenrand. sie trägt einen schwarzen mantel; es scheint so, dass sie bei einer ampel auf grün wartet. ihre ledertasche hat sie unter den arm geklemmt. sie zieht sich ihren hut ins gesicht, denn es beginnt zu regnen.
praktisch keinerlei bedeutungsunterschied, trotzdem erzeugt die maskuline pronominale referenz in text 1a das bild eines mannes, die feminine pronominale referenz in text 1b das bild einer frau.
wenn man nun maskuline formen als generische (= allgemeine) benützt, referiert man auch maskulin und erzeugt so dominierend bilder von männern. ein gewisses genus-splitting hat deshalb durchaus sinn, finde ich. man kann das auch sehr geschickt machen. ich betreibe das beruflich absolut konsequent, v.a. auch mündlich.
noch ein beispiel:
ein junger mann wird bei einem verkehrsunfall schwer verletzt, sein vater stirbt sogar. der junge mann kommt schnellstens in die klinik. als der chirung kommt, erbleicht er und sagt: „ich kann nicht operieren, das ist mein sohn.“
alles klar? wer ist „der chirurg“? nein, es liegt keine verwechslung vor.
übrigens noch einmal zum „mädchen“: ich bemerke, dass sich in der jungen generation allmählich durchsetzt, dass auf ein mädchen mit einem femininum referiert wird. noch nicht beim relativpronomen, aber durchaus schon beim personal- und beim possessivpronomen. formulierungen wie:
dort steht ein mädchen. sie ist blond.
dort steht ein mädchen. ihre haare sind blond.
werden immer häufiger.
noch nicht untergekommen ist mir:
dort steht ein mädchen, die blonde haare hat.
(offenbar haben personal- und possessivpronomen einen etwas stärkeren zug zum sexus als das doch eher grammatische relativpronomen.)
also: wenn das natürliche geschlecht dominiert, gibt es eine gewisse tendenz, die referenz vom genus auf den sexus zu übertragen. als „richtig“ gilt das aber noch nicht.
hth
m.