Hallo,
ich bin seit gut einem Jahr in einer Fernbeziehung. Die Entfernung ist zum Glück nicht ganz so weit, wie bei dir, nur ca. 200km. So können wir uns fast jedes Wochenende sehen.
Und dann? Alle 14 Tage mal sehen, vielleicht guten Sex haben.
Oder auch nicht, reden eben, sich kennenlernen…
Was mir von Anfang an ganz wichtig war, ist, dass bei diesen Treffen nichts Pflicht ist. Es besteht sehr leicht die Gefahr, dass man denkt: „Wenn wir uns schon so selten sehen, müssen wir diese Zeit ganz besonders gut nutzen.“ Man meint, man muss möglichst viel Schönes erleben, bloß kein langweiliger Alltag, immer zusammen und womöglich sogar hauptsächlich allein zu zweit. Das halte ich nicht für richtig. Da entsteht viel zu viel Druck. Ich hab meinem Freund mittlerweile ein wenig klar gemacht, dass nicht immer alles picobello sein muss, wenn ich zu ihm komme. Er muss nicht sämtliche Hausarbeit, die er sonst am Wochenende erledigen konnte, jetzt am Freitagnachmittag, wenn ich komme, komplett fertig haben. Ich hab kein Problem damit, wenn noch was zu tun ist, ihm auch dabei zu helfen. Es darf m. E. auch kein Druck entstehen bei der Planung, wo und ob wir das Wochenende zusammen verbringen. Wenn er bei sich irgendwas Bestimmtes vorhat, reden wir drüber, was das ist, ob ich da mitkann und -möchte. Wenn ja, ist die Sache eh klar, wenn nein, überleg ich mir, ob ich trotzdem komme und mich in der Zwischenzeit anderweitig beschäftige, oder ob ich eben dann an diesem Wochenende daheim bleibe. Umgekehrt ist es genauso. Und da ist nie jemand enttäuscht oder bleidigt, wenn einer sich entschließt, nicht zu kommen. Am Anfang war bei uns beiden auch das Gefühl sehr stark, dem anderen was Tolles bieten zu müssen, wenn er da ist. Auf Dauer sind wir damit aber erstens überfordert und zweitens ist es unnötig. Da sind wir uns zum Glück einig.
Sind über 500km ein Hindernis eine Beziehung aufzubauen? Ist
es nicht zumindest für einen der beiden klar, das sich nicht
nur das Leben ändert? Wohnung, Umfeld, Freunde, Arbeitsstelle,
alles weg dann irgendwann.
Ja, da sind wir grad in der „Entscheidungsfindungsphase“. Ich denke, dass dieses Thema die Beziehung nicht zu früh, zu stark belasten sollte. Wir versuchen beide einfach darauf zu vertrauen, dass wir die für uns beste Entscheidung treffen werden. Ich glaube ganz grundsätzlich, dass es im Leben gut ist, wenn man loslassen kann, wenn man nicht zu sehr hängt, an Wohnung, Umfeld, Freunden, Arbeitsstelle etc. Von alten Gewohnheiten ablassen und was Neues anzufangen, bietet tausend neue Chancen und Möglichkeiten. Zugegebenermaßen fällt mir das jetzt auch nicht so leicht, wie es vielleicht klingt. Die Gefühlslage ist da ziemlich Paradox. Auf der einen Seite häng ich an manchem, was ich hier hab, so sehr, dass ich denke, ich müsste verrückt sein, das aufzugeben, dazu kommt auch die Angst vor dem ungewissen Neuen. Auf der anderen Seite bin ich ganz heiß auf was Neues und will die Chance nutzen und möchte gar nicht hierbleiben. Aber irgendwie doch…!
Für den Anfang der Beziehung find ich es in dieser Hinsicht am Wichtigsten, dass keiner der beiden eh schon im Hinterkopf hat, dass der andere schon noch einsehen wird, dass es am besten ist, „zu mir“ zu kommen. (Außer der andere sieht das tatsächlich genauso, weil er sich bei sich eh nicht so wohl fühlt. Aber so klang das bei dir nicht…) Das Vertrauen, (von dem ich oben sprach) irgendwann die richtige Lösung zu finden, soll eben nicht ein Vertrauen sein, „Sie wird schon zu mir kommen.“ Da gehört m. E. auch die Offenheit mit rein, dass es richtig sein kann, selber zu gehen, oder gemeinsam ganz woanders hinzugehen. Ich glaube auch, dass man zum einen nichts überstürzen soll und z. B. einen Job annehmen, der einem nicht so recht zusagt, nur um endlich zusammenziehen zu können. Auf der anderen Seite aber auch nicht die Entscheidung auf die lange Bank schieben um sich nicht festlegen zu müssen. Das ist wohl eine Gratwanderung.
Oder ist eine Fernbeziehung gerade das Mittel, sich auf andere
Art kennenzulernen, Abstand zu haben und sehr viel erst mal
per Telefon „zu bequatschen“? Anders sich kennenlernen, dauert
halt länger, erfordert mehr Vertrauen in die geliebte Person.
Ist die Erwartung dann besser? Warten auf das, was man gern
hat?
Gerade bei solchen Entfernungen kann man sich nicht immer nahe
sein, obwohl beide das möchten. Ist das eher eine Variante,
damit eine Beziehung, sofern sie weiter wächst, echt fest
werden könnte? Anders als wenn sich beide immer sehen können,
wann es auch sein mag?
Ich denke, diese Fragen sind im Grunde irrelevant. Wenns passt, dann passts und dann ist die Entfernung in aller Regel auch kein Hindernis. Aber es deswegen als besonders gute Möglichkeit zu sehen, eine dauerhafte, stabile Beziehung einzugehen, halt ich auch für blauäugig. Wenn die Entfernung da ist, ist sie da. Man muss dann nicht krampfhaft eine Begründung suchen, warum das eigentlich eh viel besser ist, als wäre man zusammen. Trotzdem sind die von dir angesprochenen Punkte richtig und es ist gut, sich auch die Vorteile der Fernbeziehung immer wieder klar zu machen und sie zu nutzen. Nur finde ich es sinnlos, das vergleichend zu tun, als wäre eine Fernbeziehung eh besser. So ein Vergleich ist sinnlos und kontraproduktiv, wenn es erstmal eh keine Alternative gibt.
Liebe Grüße
M.