Fernöstliche Religion

Hallo Ralf

hast Du das Sutta, auf das ich verwiesen hatte, denn gelesen?

Die Sutra und entsprechende Praxis ist im tibetischen Buddhismus sehr verbreitet:

http://www.samyeling.org/index.php?module=Pagesetter…

Allerdings bleibe ich dabei, dass ich einen Unterschied zwischen verstorbenen Verwandten (für die man etwas tun kann) und „Ahnenkult“ sehe. Vielleicht ist es eine Frage der Definition? Unter „Ahnenkult“ verstehe ich „direkte Vorfahren“, also Eltern, Großeltern, Urgroßeltern etc. bis hin zum „allerersten“. Und meiner Meinung nach beinhaltet dieser Ahnenkult auch die Vorstellung, dass die „Geister“ der Verstorbenen in irgend einer Art „Macht“ besitzen.

Hier im Buddhismus geht es aber meiner Meinung nach um etwas anderes:
Während der Opferung denke ich:

9. „Er hat mir Geschenke gemacht, er hat mir Gutes getan, er war mein Verwandter, Freund und Genosse,“ indem man sich [also denkend] des früher Getanen erinnert, möge man den abgeschiedenen Geistern ein Opfer (dakkhinā) darbringen."

Es geht hier also um Personen, die man tatsächlich selbst gekannt hat. Dies können Verwandte, also nicht nur Ahnen (das wären dann höchstens die eigenen Eltern, Großeltern oder vielleicht noch Urgroßeltern, falls man diese gekannt hat), sondern auch Geschwister, angeheiratete oder sonstige Personen des eigenen Haushalts, Freunde, Arbeitskollegen oder auch eigene Kinder sein, also Personen, für die die Bezeichnung „Ahne“ sicher nicht zutrifft.

Auch sehe ich hier keine Macht, die die Verstorbenen in dieser Situation besitzten und die sie z.B. anwenden können, um den Lebenden zu helfen (oder gar um sie zu strafen). Der „Lohn“ für die Opferung wird ja ebenfalls genannt, nämlich:

12. Diese Verwandten-Pflicht (ñātidhammo) ist nun dargelegt und den abgeschiedenen Geistern ist ein hervorragendes Opfer dargebracht worden; den Mönchen ist [dadurch] Kraft verliehen,61) und ihr seid auf ein großes moralisches Verdient bedacht gewesen.

Das heißt, der Lohn besteht in dem Verdienst aus der heilsamen Handlung.

Wird denn in japanischen Buddhismus entsprechendes nur für die eigenen Eltern, Großeltern etc. praktiziert, nicht aber für verstorbene Freunde usw. oder generell die Verstorbenen?

Gruß
Marion

mythische Ahnen (und Literatur dazu)
Hi,

da ich selbst noch zeitraubend in einer Publikation sitze, kann ich dir jetzt nicht Zitate raussuchen - sorry.

Die „Reisenden“ aus unseren Arbeitsgruppen müßte ich kontaktieren, um zu erfahren, was sie von ihren Berichten publiziert haben. Dieser Herr hier ist aktuell kaum fragbar:
http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/129647/
und er ist auch hauptsächlich in Thailand gereist, auch wenn er von dort Analoges zu diskutieren mitbrachte.

Weiter nochmal zu empfehlen natürlich den Gesar (ist ja wohl selbstverständlich für eine Tibetologin, tztz),

David Néel: Mystiques et magiciens au Tibet, Paris 1929
dt. unter dem Titel: Heilige und Hexer, Wiesbaden 1981

Evans-Wentz: Tibetan Yoga and secret doctrines, London 1934
dt. unter dem Titel: Yoga und Geheimlehren Tibets München 1937

Giuseppe Tucci, Walther Heissig: Die Religionen Tibets und der Mongolei, Berlin 1970
(darin auch über Bön und ansonsten sehr umfangreiche Literaturverezichnisse!)

Zur Tien(pinyin: tian 天)-Philosophie nannte ich ebenfalls bereits
Giancarlo Finazzo: The Princple or Tien. Essay on its Theoretical Relevancy in early Confucian Philosophy, Taiwan 1967

Und weiter hier noch einiges, das ich aber nur in meinem eigenen Katalog unter entsprechenden Stichwörtern habe:

Siegfried Hummel (der dir vertraut sein dürfte):

Ferdinand Lessing: Calling the Soul: A lamaistic ritual
In: Semitic and Oriental Studies, 11, 1951

An-Che Li: Bon: The Magico-Religious Belief of the Tibetan-speaking Peoples
In: South-Western Journal of Anthropology, 4, 1948

Rene de Nebesky-Wojkowitz:open_mouth:racles and Demons of Tibet, Den Haag 1956
Joseph Francis Rock: The D’a-No Funeral ceremony with special refernceto the origin of the Na-khi weapons
In: Anthropos, 50, 1955
ders.: Contributionsto the Shamanism of the Tibetan-Chinese Borderland
In: Anthropos, 54, 1995

Tyrrell Wylie (dir sicher ebenfalls höchst bekannt):
O-lde-spu-rgyal and the Introduction of Bon in Tibet
In: Central Asiatic Journal, 8(2), 1963 (dies zur Frage der Vor-Bon-Zeit)

Die „Tun yar mu k’rod“-Legende?
Auch zu der habe ich aktuell hier nur einen Abschnitt im obengenannten Tucci & Heissig. Der Titel ist ein mythischer Königsname.

Darüber hinaus: Über die Anfänge der indoiranischen Frühzeit Nordindiens und Himalaya ist die Forschung voll im Gange. Harappa, Ganweriwala, Kalibangan, Rakhigarhi, Mohenjo Daro bringen immer neue Erkenntnisse … unter anderem auch Ahnenknochen unter Wohnplätzen, womit wir wohl mitten im Thema wären. Leider sind die Forschungen im Bereich der ältesten indogermanischen Sprachrelikte, das Nuristani, in Nord-Afghanistan wohl auf längere Zeit blockiert.

Ich hatte die vorderorientalischen Religionen eher so
verstanden, dass es durchaus noch einen Gott gab, der
über dem weltlichen Herrscher stand und
nicht gleichbedeutend mit dem weltlichen Herrscher war.

Nein, der aktuelle weltliche Herrscher ist nur eine rituelle Identifizierung mit dem „archetypischen Präzedenzfall“ (M. Eliade). Man ist sich relativ einig darüber, daß die mythische Präsupposition dieses Stammes-Archetyps die Frühform späterer Gottesbegriffe ist. Diese Götter sind dann natürlich nicht mehr identisch mit den Mythischen Archetypen.

Ok, aber einen Gott, der quasi nochmal über
dem verstorbenen gottgewordenen Herrscher steht, gibt es nach
der chinesischen von mir oben skizzierten Vorstellung nicht.

Stimmt. In China gab es diese Entwicklung nicht. Es gab ja sowieso keine Götter in der Art der semitischen, ägyptischen und indogermanischen.

Demnach nimmt der Geist des Ahnen den Platz in der
„göttlichen“ Hierarchie ein, den er als Mensch auch auf Erden
gehabt hat. War die Vorstellung in den vorderorientalischen
Religionen auch so?

Ja - nicht ganz so: „… den er mythisch als Wesen auf der Erde hatte“ … dann hätten wir die zahlreichen Jäger-und Sammler-Kultemit drin, in denen teils auch Tiere die Ahnen (und Stammesgründer und Weltschöpfer) sind.

Wo die Ahnen bereits quasi-historische Valenz bekommen und möglicherweise Erinnerungsreste sind, da gibt es bereits eine Trennung zwischen den „Himmels“-Göttern und dem Ahnen. Deutliches Beispiel: Der akkadische, prä-israelitische Noah und Abraham. Hier steht zumindest noch ein göttliches Bündnis am Anfang.

Noch zu dem Begriff „Volksreligion“. Ich finde ihn auch unglücklich. Gemeint ist damit ein nur lokal und vereinzelt aufgefundener Rest prä-„historischer“ Vorformen der späteren überlagernden überregionalen Religion. Diese Relikte sind übrigens meist die Ursprünge von (in der herrschenden Reigion) so genanntem „Aberglauben“.

Gruß
Metapher

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Moin Marion,

Allerdings bleibe ich dabei, dass ich einen Unterschied zwischen
verstorbenen Verwandten (für die man etwas tun kann) und „Ahnenkult“
sehe

ich habe ja auch gar nicht behauptet, das Tirokudda-Kanda-Sutta sei ein Beleg für einen buddhistischen Ahnenkult. Du hattest gefragt:

wie bringen denn chinesische (oder auch andere) Buddhisten die
Buddhistische Lehre und Ahnenkult im genanngen Sinn von „dass die
Chinesen ihren Ahnen Opfer bringen um sie zu besänftigen und um
Glück und Gesundheit von ihnen zu erhalten“ unter einen Hut?

… und ich habe Berührungspunkte und Überschneidungen aufgezeigt. Da ist vor allem die partielle Überdeckung der Vorstellungen von Ahnengeistern und der buddhistischen Vorstellung eines Bereiches der Hungergeister (preta). Auch wenn natürlich sechs Existenzbereiche gezählt werden, so ist doch vor allem der Pretaloka für den buddhistischen Totenkult von Relevanz. Dass die Übergänge zwischen Ahnenkult und Totenkult wiederum fließend sind, dürfte ja unzweifelhaft sein.

Ein weiterer Beleg für solche Überschneidungen und Berührungspunkte ist das kurze Ullambana Sutra (http://www.geocities.com/Tokyo/Pagoda/3570/sutra01.htm), das schildert, wie der Arhat Maudgalyayana (pali Mogallana, Jap. Mokuren) seine verstorbene Mutter im Pretaloka aufsucht, um ihr Essen zu spenden und dies zur Stiftung des buddhistischen Ullambana-Festes führt (in Kambodscha, Laos und Thailand, in China heisst es Chong Yen Zie, in Japan Obon). Gemäß dem Sutra soll es die Eltern, die Vorfahren von sieben Generationen(sic!) und die sechs Arten naher Verwandter von den drei Pfaden des Leidens (d.i. die drei ‚niederen‘ Existenzbereiche) befreien. Ursprünglich war es ein Fest, an dem speziell der zu Hungergeistern (pretas) gewordenen Vorfahren mit Essensopfern gedacht wurde und ihnen spirituelles Verdienst gewidmet wurde. Gerade bei diesem volkstümlichen Fest hat sich eine buddhistische Tradition untrennbar mit Ahnenkult-Elementen vermischt.

In solchen Dingen ist es sinnvoll, die chinesische (die es btw. auch z.B. in Vietnam gibt) ‚Volksreligion‘ mit ihrem unentwirrbaren Synkretismus aus buddhistischen, daoistischen und konfuzianischen Elemente (sanjiao), gewürzt mit lokalen Traditionen und archaischen Relikten, deutlich von systematisch ausgeformten buddhistischen ‚akademischen‘ Lehren zu unterscheiden. Auch der frühbuddhistische Totenkult, wie er sich aus dem Tirokudda-Kanda-Sutta erschließen lässt, ist sicher als Zugeständnis an volkstümliche Bedürfnisse und präexistente Traditionen zu werten.

Wird denn in japanischen Buddhismus entsprechendes nur für die
eigenen Eltern, Großeltern etc. praktiziert, nicht aber für
verstorbene Freunde usw. oder generell die Verstorbenen?

Auch hier ist zunächst zu unterscheiden - zwischen privater Praxis und klösterlicher Liturgie. Selbstverständlich gibt es bei den Riten Widmung/Verdienstübertragung (eko) nicht nur für spezielle Personen, sondern auch allgemein für ‚alle Wesen‘. Ich zitiere mal drei Beispiele solcher eko aus der Liturgiepraxis der Sotoshu - dem eko gehen jeweils rituelle Handlungen (z.B. Opferung von Räucherwerk) und vor allem Rezitationen von Sutrentexten voraus.

Zunächst zwei eko, die von Priestern im Auftrag von Hinterbliebenen ausgesprochen werden.

  1. Verkürzte Verdienstübertragung an Laien (Zaike ryaku ekō 在家略回向)

_Bescheiden bitten wir die drei Schätze um ihre Erleuchtung.

Nachdem wir die vorangegangenen Sutras und Dharanis rezitiert haben, widmen wir das dadurch erzeugte Verdienst dem Geist von (Name), dass das Land seiner / ihrer Belohnung geschmückt sei._

Das zweite Beispiel ist ein eko, dass speziell am Grab eines Verstorbenen rezitiert wird, aber diesmal nicht ihm, sondern seinen Vorfahren und verstorbenen Verwandten gilt.

  1. Verdienstübertragung am Grab eines Laien (Zaike bozen ekō 在家墓前回向)

Nachdem wir rezitiert haben, widmen wir das Verdienst den Geistern der Vorfahren und verstorbenen Familienangehörigen des Haushalts von (Name), dass das Land seiner/ihrer Belohnung geschmückt sei.

Das dritte Beispiel ist die ‚Standardwidmung‘, wie sie täglich während der drei liturgischen Dienste (fugin - morgens, mittags und abends) in Klöstern und Tempeln ausgesprochen wird:

  1. Universelle Verdienstübertragung (Fuekō 普回向)

Möge dieses Verdienst sich universell auf Alle erstrecken, so dass wir zusammen mit allen Wesen den Buddha-Weg verwirklichen.

Japan ist, was den Totenkult angeht, ein Fall für sich, da hier der Totenkult in der Tokugawa-Zeit von staatlicher Seite vereinheitlicht und reglementiert wurde, wobei vor allem Praktiken des Shingon (jap. Vajrayana) als maßgebliches Modell dienten. Der Totenkult in Japan ist daher fast ausschließlich buddhistisch geprägt - aber er entstand in dieser Form auch nicht in organischer Entwicklung, sondern wurde zu einem guten Teil aufoktroyiert. Es handelt sich um 13 Riten (‚jûsan butsuji‘), die an festgelegten Tagen nach dem Tod von einem buddhistischen Priester durchzuführen sind. In der Praxis werden heute , im stark verwestlichten Japan, meist nur noch die ersten 7 Rituale im Zeitraum von 49 Tagen nach Eintritt des Todes (dieser Zeitraum dürfte Dir vertraut sein) durchgeführt. Die weiteren Termine sind der 100. Tag und dann besondere Jahrestage: der erste, dritte, siebte, dreizehnte und dreiunddreißigste. Im Zeitraum der ersten 49 Tage gibt es außerdem noch spezielle Riten - unmittelbar nach Eintreten des physischen Todes (Matsugo-no-mizu und Kamidana-fuji), bei der Totenwache, der Einäscherung und der Beisetzung.

Neben diesem ‚offiziellen‘ Totenkult gibt es noch den informellen, der vor allem mit dem bereits erwähnten vier-tägigen Obon-Fest (Ullambana) verbunden ist. Hier gedenkt man nicht nur der eigenen verstorbenen Ahnen, sondert besucht auch Gräber verstorbener Freunde oder feiert gemeinsam mit deren Familien. Obon fand ursprünglich am 15. Tag des 7. Mondmonats statt, in Ost-Japan ist es durch die Kalenderumstellung auf Mitte Juli geraten, in West-Japan und Südostasien in den August. Es ist ein ausgesprochen fröhliches Familienfest, in dieser Beziehung dem westlichen Weihnachten vergleichbar.

Selbstverständlich ist dieser ‚private‘ Totenkult vom shintoistischen Staatskult zu unterscheiden - wie man auch in china den volkstümlichen Ahnen- und Totenkult nicht mit dem Staatskult vermengen sollte.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Danke an alle!
Hallo!

Vielen herzlichen Dank für die ausführlichen Antworten und die weiter führenden Diskussionen!

Aus der Tatsache, dass nur männliche Nachkommen die Riten der Ahnenverehrung durchführen dürfen (wie aus dem von Stefan D. genannten Link hervorgeht), erklärt sich vielleicht auch der massenhafte Mord an neugeborenen Mädchen in China.

Eine Katastrophe, was Religion und Politik hier verursacht haben …

Hanna

Moin,

vielen Dank für die ausführliche Aufzählung der Literatur. Allerdings ist kaum ein Werk dabei das nicht wenigstens 40-50 Jahre alt ist. Bis in die 50er Jahre hat ja geradezu ein „run“ von Europäern auf Tibet stattgefunden. Die Motivation dieser Menschen war sicher ganz unterschiedlich, einige waren auf der Suche nach „Schangri-La“, andere, wie Mitglieder der theosophischen Gesellschaft zu der auch David-Neel zählte, warun auf der Suche nach Okkultem und Spiritualität, wieder andere versuchten Tibet politisch zu vereinnahmen (Deutsche/Engländer). Manche dieser „Tibetexperten“ waren selbst nie in Tibet gewesen, wie der unter dem Namen „Lobsang T. Rampa“ schreibende Engländer, der sich von einem Tibeter „besessen“ wähnte und die europäische Welt mit Fantasieprodukten wie „Das dritte Auge“ unterhielt.

Die Berichte derer, die tatsächlich zumindest auch mal in Tibet gewesen waren, werden heutzutage aus Sicht der Tibetologie sehr kritisch bewertet. Sie sind mittlerweile selbst zum Gegenstand der Vorschung der Tibetologen geworden, nämlich im Rahmen der Fragestellung, welchen Beitrag diese Leute zum „Mythos-Tibet“ in Europa leisteten und welches Tibet-Bild sie in Europa kolportierten. So werden zum Beispiel im Buch „Mythos Tibet - Wahrnehmungen, Projektionen, Phantasien“ ISBN: 3-770140443 Buch anschauen auf Seite 194 im Beitrag von D. S. Lopez über Roerich, David-Neel, Govinda und Rampa als „Mystifizierer“ bezeichnet. Zitat: „_Im modernen Sinn des Wortes waren sie allerdings in zweierlei Hinsicht Mystifizierer: Erstens mystifizierten sie Tibet, indem sie die Wirklichkeit des Landes mit ihren eigenen mystischen Fantasien ausschmückten, und zweitens mytifizierten sie ihre Leser, indem sie mit der Leichtgläubidkeit des Publikums spielten“.

Der Italiener Tucci ist in diesem Zusammenhang auch nicht unumstritten.

In der Tibetologie wird somit insbesondere alles, was vor 1960 zu Tibet veröffentlicht wurde entsprechend kritisch beäugt. Insbesondere auch Schriften zu Bön. Zum Beispiel heißt es zum Deutschen Tibetforscher Helmut Hoffman, dessen Werke ebenfalls in die Jahre 56-61 fallen im oben von mir genannten Buch auf Seite 55:

„Der Terminus „animistisch-schamanistisch“, den Hoffman ständig gebraucht, um sowohl die frühe als auch die Volksreligion Tibets zu bezeichnen, hat sich als sehr zählebig erwiesen und ist selbst heute noch in Gebrauch. Wie bereits gesagt, vermengte Hoffmann diese Vorstellung mit der naturromantischen Idde von den Mächten der Umwelt als Inspirationsquelle für Religion…“.

Davon mal abgesehen sind die Bücher insbesondere von David-Neel zweifelsohne sehr unterhaltsam. Man darf das dort berichtete vielleicht nur nicht unbedingt so ganz für bare Münze nehmen :smile:

Die „Tun yar mu k’rod“-Legende?
Auch zu der habe ich aktuell hier nur einen Abschnitt im
obengenannten Tucci & Heissig. Der Titel ist ein mythischer
Königsname.

Hm…auch kein Hinweis auf die Sprache? Tibetisch ist es nämlich wohl nicht oder in einer sehr unüblichen Transliteration.

Darüber hinaus: Über die Anfänge der indoiranischen Frühzeit
Nordindiens und Himalaya ist die Forschung voll im Gange.
Harappa, Ganweriwala, Kalibangan, Rakhigarhi, Mohenjo Daro
bringen immer neue Erkenntnisse … unter anderem auch
Ahnenknochen unter Wohnplätzen, womit wir wohl mitten im Thema
wären. Leider sind die Forschungen im Bereich der ältesten
indogermanischen Sprachrelikte, das Nuristani, in
Nord-Afghanistan wohl auf längere Zeit blockiert.

Ja, die Tibetologie und die Indologie sind ungemein spannende Forschungsbereich, die ja hier in Europa auch heute noch ganz am Anfang stehen. Ich bewunder auch immer wieder die Forscher, die auch heute unter extrem widrigen Bedingungen im besetzten Tibet oder Afghanistan forschen, und doch immer wieder ganz tolle Ergebnisse zutage fördern, wie erst kürzlich die Entdeckung einer weiteren riesigen Buddhastatue in Afghanistan:

http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/7604519.stm

Aber ich glaube ich gerate etwas ins Schwärmen *g*.

Deine Ausführungen zum vorderorientalischen Raum finde ich immer sehr interessant (obwohl ich davon so gut wie nichts verstehe). Ich wüsste zum Beispiel auch zu gerne, wieviel Kontakt es z.B. vor 1000-2000 Jahren zwischen den einzelnen „Hochkulturen“ gegeben hat.

Und was das Epos von König Gesar betrifft, das ließt eine ambitionierte Tibetologin natürlich auf tibetisch. Das wird bei mir also wohl noch eine Weile dauern *g*.

herzlichen Gruß,
Marion_

Hallo!

erklärt sich vielleicht auch der

massenhafte Mord an neugeborenen Mädchen in China.

Eine Katastrophe, was Religion und Politik hier verursacht
haben …

Hanna

Der hat wohl einen sehr viel wirtschaftlicheren Grund, nähmlich das Männer, auch wenn die berufliche Gleichberechtigung in China relativ gut ist, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben gute Jobs und hohe Positionen zu bekommen.
Es gibt ja so kein Rentensystem wie wir es kennen, die Eltern sind darauf angewiesen das ihre Kinder gut verdienen und sie mit durchbringen wenn sie alt sind.
Und da die Ein-Kind Politik da ein Problem mit sich bringt… gab es leider viele Abtreibungen, Aussetzen und Kindsmord.

Mittlerweile gibt es eine Förderung von Mädchen, Familien, die sich entscheiden zwei Mädchen aufzuziehen erhalten Fördergelder und die Mädchen eine kostenlose Bildung (!).

lg
Kate

Hallo Ralf,

vielleicht haben wir ein wenig aneinander vorbei geredet und ich muss zugeben, ein bisschen habe ich immer noch Schwierigkeiten, deinen Standpunkt zu verstehen.

… und ich habe Berührungspunkte und Überschneidungen
aufgezeigt. Da ist vor allem die partielle Überdeckung der
Vorstellungen von Ahnengeistern und der buddhistischen
Vorstellung eines Bereiches der Hungergeister (preta). Auch
wenn natürlich sechs Existenzbereiche gezählt werden, so ist
doch vor allem der Pretaloka für den buddhistischen
Totenkult von Relevanz. Dass die Übergänge
zwischen Ahnenkult und Totenkult wiederum fließend sind,
dürfte ja unzweifelhaft sein.

Mir ist zum Beispiel nicht so ganz klar, wie du die Begriffe „Ahnengeister“, Totenkult und Ahnenkult verwendest. Wären denn zum Beispiel für dich Gebete, die im Rahmen der katholischen Messe für die Verstorbenen Gesprochen werden auch ein „Totenkult“? Gehen nicht (fast) alle Religionen davon aus, dass die „Seelen“ der Verstorben nach dem Tod irgendwo weiter existieren und währe das für dich gleichbedeutend mit „Ahnengeistern“? Wäre für dich das Aufstellen einer Kerze in einer Kirche im Gedenken an einen Verstorbenen Teil eines Ahnenkults?

Vermutlich hat ich bei diesen Begriffen Differenzierteres im Sinn, denn so dürften sich in allen Religionen Belege für Ahnengeister, Totenkult oder Ahnenkult finden. Das macht es dann aber schwer, zwischen den Religionen und ihrem Umgang mit Tod und Sterben zu differenzieren, denn dass sich Religionen hier zum Teil doch extrem unterscheiden, dürfte ebenfalls klar sein.

In solchen Dingen ist es sinnvoll, die chinesische (die es
btw. auch z.B. in Vietnam gibt) ‚Volksreligion‘ mit ihrem
unentwirrbaren Synkretismus aus buddhistischen, daoistischen
und konfuzianischen Elemente (sanjiao),
gewürzt mit lokalen Traditionen und archaischen Relikten,
deutlich von systematisch ausgeformten buddhistischen
‚akademischen‘ Lehren zu unterscheiden.

Ja, ich stimme dir zu, dass es wichtig ist, zu unterscheiden. Ich finde aber, man sollte auch schon etwas genauer unterscheiden, auf welche Weise, mit welchen Hoffnungen, und vor welchem Hintergrund (Kosmologie) Menschen für ihre Verstorbenen beten oder bestimmte Riten durchführen. Einfach zu sagen, es gibt hier einen Totenkult, ist meiner Meinung nach noch keine Gemeinsamkeit, denn einen bestimmten Totenkult haben wie gesagt fast alle Religionen. Mir ging es mehr um eine inhaltliche Unterscheidung der Totenkulte beispielsweise bei den Chinesen und den Tibetern.

Auch der

frühbuddhistische Totenkult, wie er sich aus dem
Tirokudda-Kanda-Sutta erschließen lässt, ist sicher als
Zugeständnis an volkstümliche Bedürfnisse und präexistente
Traditionen zu werten.

Och, das würde ich so nicht sagen. Ich finde dies jedenfalls nicht weniger „modern“ als zum Beispiel christliche oder andere Totenrituale und auch für westliche Buddhisten, die der buddhistischen Lehre und Kosmologie folgen, nicht „unpassend“.

Wird denn in japanischen Buddhismus entsprechendes nur für die
eigenen Eltern, Großeltern etc. praktiziert, nicht aber für
verstorbene Freunde usw. oder generell die Verstorbenen?

Auch hier ist zunächst zu unterscheiden - zwischen privater
Praxis und klösterlicher Liturgie. Selbstverständlich gibt es
bei den Riten Widmung/Verdienstübertragung
(eko) nicht nur für spezielle Personen,
sondern auch allgemein für ‚alle Wesen‘.

Ja, so ähnlich kenne ich die Verdienstübertragung auch, wobei ich es ebenfalls so kenne, dass Verdienstübertragung sowohl für Lebende, als auch für Verstorbende, für bestimmte oder allgemeine Wesen, zum allgemeinen Nutzen, oder für bestimmten spezifizierten Nutzen stattfinden werden kann.

Japan, meist nur noch die ersten 7 Rituale im Zeitraum von 49
Tagen nach Eintritt des Todes (dieser Zeitraum dürfte Dir
vertraut sein) durchgeführt.

Oh ja :smile: Gibt es denn auch inhaltliche Übereinstimmungen mit den Gebeten und Texten die im Zusammenhang mit „Bardo“ im tibetischen Buddhismus rezitiert werden?

Neben diesem ‚offiziellen‘ Totenkult gibt es noch den
informellen, der vor allem mit dem bereits erwähnten
vier-tägigen Obon-Fest (Ullambana) verbunden ist. Hier gedenkt
man nicht nur der eigenen verstorbenen Ahnen, sondert besucht
auch Gräber verstorbener Freunde oder feiert gemeinsam mit
deren Familien.

Ok, das kennt der tibetische Buddhismus so nicht unbedingt. Vielleicht weil es in Tibet für die „normalen“ Menschen eigentlich keine personifizierten Gräber gibt.

Selbstverständlich ist dieser ‚private‘ Totenkult vom
shintoistischen Staatskult zu unterscheiden - wie man auch in
china den volkstümlichen Ahnen- und Totenkult nicht mit dem
Staatskult vermengen sollte.

Woran würden sich denn westliche Buddhisten z.B. in Deutschland orientieren, die den Zen-Buddhismus praktizieren, wenn einer der Ihren verstirbt?

Gruß
Marion

Hallo Marion,

Mir ist zum Beispiel nicht so ganz klar, wie du die Begriffe
„Ahnengeister“, Totenkult und Ahnenkult verwendest.

ich verweise der Einfachheit halber auf die Wikipedia-Artikel ‚Totenkult‘ und ‚Ahnenkult‘.

Wären denn
zum Beispiel für dich Gebete, die im Rahmen der katholischen
Messe für die Verstorbenen Gesprochen werden auch ein
„Totenkult“?

Ja, sicher - ein Ritus, der dem Totenkult zuzuordnen ist.

Gehen nicht (fast) alle Religionen davon aus,
dass die „Seelen“ der Verstorben nach dem Tod irgendwo weiter
existieren und währe das für dich gleichbedeutend mit
„Ahnengeistern“?

Von ‚Ahnengeistern‘ kann man dann sprechen, wenn diese ‚Seelen‘ oder ‚Geister‘ eine Funktion als Mitglieder des Familien- oder Sippenverbandes erfüllen - anders gesagt, wenn zwischen den Verstorbenen und den mit ihnen verwandten Lebenden soziale Interaktion stattfindet (oder imaginiert wird). Von einem ‚Ahnenkult‘ wäre zu sprechen, wenn diese ‚Interaktion‘ in ritualisierter Form stattfindet. Dies setzt natürlich eine andere, sehr viel weitere Auffassung von Familie/Sippe voraus, als sie der ‚moderne‘ Mensch mit seinem weitgehend auf die Kleinfamilie reduzierten Verständnis hat. Die Ahnen sind eben nicht die Vorfahren der Familie, sie sind ihr ‚unsichtbarer‘ Teil - bis hinauf in mythische Vorzeiten.

Daraus folgt natürlich auch eine andere Gewichtung von Individuum einerseits und Familienverband andererseits. Modernere soziale Verbände wie ‚Volk‘ oder ‚Staat‘ sind zu einem guten Teil Erben dieser so verstandenen Gentilverbände - insbesondere der Loyalität die ihnen entgegengebracht wurde und der Identifikation des Individuums mit ihnen.

Wäre für dich das Aufstellen einer Kerze in
einer Kirche im Gedenken an einen Verstorbenen Teil eines
Ahnenkults?

In diesem Fall könnte man vielleicht sagen, wenn Dein ‚Gedenken‘ wirklich mit konkreten Erinnerungen an die betreffende Person zusammenhängt, handelt es sich um Totenkult. Dein ‚Gedenken‘ ist dann Ausdruck einer persönlichen Beziehung zwischen Dir und dem/der Verstorbenen. Tust Du dies hingegen z.B. zum Gedenken an eine Urgroßmutter, die Du nie persönlich kennengelernt hast, wäre es schon gerechtfertigt, von Ahnenkult zu sprechen. Die soziale Interaktion, von der ich oben geschrieben habe, ist das ‚Gedenken‘, das Bezugsfeld dieser Interaktion die Familie.

Vermutlich hat ich bei diesen Begriffen Differenzierteres im
Sinn, denn so dürften sich in allen Religionen Belege für
Ahnengeister, Totenkult oder Ahnenkult finden.

Richtig, es handelt sich um eine anthropologische Konstante; ein allen Religionen (genauer: ihrer sozialen Gestalt) gemeinsames Substrat, das - je nach Religion - mehr oder weniger deutlich erkennbar ist.

Das macht es
dann aber schwer, zwischen den Religionen und ihrem Umgang mit
Tod und Sterben zu differenzieren, denn dass sich Religionen
hier zum Teil doch extrem unterscheiden, dürfte ebenfalls klar
sein.

Nun - man darf sich durch Wahrnehmung der Gemeinsamkeiten nicht den Blick auf die Unterschiede verstellen lassen … :wink:

Ich finde aber, man sollte auch schon etwas genauer
unterscheiden, auf welche Weise, mit welchen Hoffnungen, und
vor welchem Hintergrund (Kosmologie) Menschen für ihre
Verstorbenen beten oder bestimmte Riten durchführen.

Nun - ich unterstelle mal, dass bei den meisten Menschen diese Hoffnungen und der ‚Hintergrund‘ sehr diffus sind und die unreflektierte Übernahme tradierter Bräuche den Regelfall darstellt, eine Analyse (und womöglich gar noch Auswahl) der Bräuche in Hinsicht auf ihre ‚Tauglichkeit‘ im Sinne der persönlichen religiösen Ansichten hingegen die Ausnahme. Was natürlich sehr viel mit der Unwilligkeit der meisten Menschen, sich mit dem Thema Tod und Sterben gründlich auseinanderzusetzen, zu tun hat.

D.h. gerade in diesem Bereich sind die Vorstellungen idR diffus und eben nicht differenziert - insofern ist es auch schwer, hier zu differenzieren. Einfach ist dies nur, wenn wir die orthodoxen Lehren der sog. ‚Hochreligionen‘ miteinander vergleichen - nicht aber in der volkstümlichen Praxis, im religiösen Brauchtum.

Einfach
zu sagen, es gibt hier einen Totenkult, ist meiner Meinung
nach noch keine Gemeinsamkeit,

Nun, ein wenig spezifischer war ich schon … Es gibt eine gemeinsame Vorstellung von einem ‚geisterhaften‘ Weiterexistieren der Verstorbenen und es gibt die gemeinsame Praxis, diesen Geistern Opfer darzubringen.

Auch der
frühbuddhistische Totenkult, wie er sich aus dem
Tirokudda-Kanda-Sutta erschließen lässt, ist sicher als
Zugeständnis an volkstümliche Bedürfnisse und präexistente
Traditionen zu werten.

Och, das würde ich so nicht sagen. Ich finde dies jedenfalls
nicht weniger „modern“ als zum Beispiel christliche oder
andere Totenrituale und auch für westliche Buddhisten, die der
buddhistischen Lehre und Kosmologie folgen, nicht „unpassend“.

„Modernität“ als Wertung ist hier sicher eine völlig sinnlose Kategorie. Der Hinweis ging hier in die Richtung, dass Religionen eben auch soziale Bedürfnisse zu erfüllen haben - und dies gelegentlich auf Kosten der Konsistenz der Lehre geht.

Gibt es denn auch inhaltliche Übereinstimmungen mit
den Gebeten und Texten die im Zusammenhang mit „Bardo“ im
tibetischen Buddhismus rezitiert werden?

Was die Tibeter angeht, so kenne ich da nur das Bardo Thödol, und das hat keine direkte japanische Entsprechung. Ansonsten - die Einheitlichkeit der japanischen Toten-Zeremonien geht nicht so weit, dass in allen Schulen nun die gleichen Texte rezitiert würden. Was nun im Shingon rezitiert wird, weiss ich nicht. Das ‚esoterischste‘, was Zen da kennt ist das Daihi Shin Dharani, eine ‚Beschwörung‘ Avalokitesvaras. Ansonsten Sutrentexte aus der Prajnaparamita-Gruppe und Versabschnitte aus dem Lotossutra. Bei Shin und Jodoshin stehen natürlich Amidasutra und Sukhavati-vyuha im Vordergrund, bei Nichiren exklusiv Lotossutra …

Woran würden sich denn westliche Buddhisten z.B. in
Deutschland orientieren, die den Zen-Buddhismus praktizieren,
wenn einer der Ihren verstirbt?

Da ist noch sehr viel im Fluss, diese Dinge entwickeln sich noch. Aber generell zeichnet sich ab, dass auf japanische ‚Folklore‘ (um es mal ganz respektlos auszudücken) weitgehend verzichtet wird. Da ist die Anlehnung an evangelisch-christliche Formen (was den Ablauf angeht) eher größer als an japanische. Also eine ‚offizielle‘ Zeremonie bei der Beisetzung. Ansonsten Gedenkzeremonien eher nur in dem Rahmen, dass auf dem ‚Altar‘ (butsudan) ein Bild des Verstorbenen aufgestellt wird (anstelle der ‚Ahnentafel‘ ihai) und eine Verdienstübertragung (eko) für den Verstorbenen rezitiert wird. Ansonsten - Feuerbestattung ist die Regel, aber bei uns ja schon lange nichts Ungewöhnliches. Das Friedwald-Konzept scheint sich nach meinem Eindruck (ohne das jetzt quantifizieren zu können) recht großer Beliebtheit zu erfreuen. Beim letzten Todesfall in unserer Gemeinschaft war eine Beisetzung der Urne auf See gewünscht.

Freundliche Grüße,
Ralf