Festzins

Hallo,

wenn ich über die Finanzkrise nachdenke und darüber, wie sie mit einem einfachen und einzigen staatlichen Eingriff vermeidbar gewesen wäre, fällt mir immer wieder ‚Festzins‘ ein.

Was spräche denn dagegen, den Banken vorzuschreiben, daß sie bei Kreditverträgen den Zinssatz für die gesamte Vertragslaufzeit festschreiben müssen?

Bei allen anderen Verträgen werden die Vertragsbedingungen vollständig festgelegt, nur Kreditverträge haben etwas von Lotto. Beim Abschluss des Vertrages kennt man nicht zwangsläufig die Kosten, auf die man sich einlässt.

Daß es den Banken gefällt, zu Zeiten niedriger Zinsen viele Kunden zu gewinnen und scheinbar das Risiko vollständig die Kunden tragen zu lassen, kann ich ja verstehen. Wohin das führt, kann man jetzt gut sehen.

Warum wird jetzt nicht laut darüber nachgedacht, das international in einer konzertierten Aktion zu ändern und weltweit den Banken vorzuschreiben, den Zinssatz jeweils für die gesamte Vertragslaufzeit im Kreditvertrag verbindlich zu vereinbaren?

Als Folge vermute ich höhere Zinssätze, aber gleichzeitig Berechenbarkeit und Sicherheit für die Kunden. Was wegfallen würde wäre wohl die steuernde Wirkung von Veränderungen der Leitzinsen.

Der Markt würde auf Änderungen der Leitzinsen nur sehr träge reagieren, langfristige Garantien auf deren Stabilität wären nötig, damit sie überhaupt wirken. Dafür würden aber solche Krisen wie die aktuelle vermieden.

Wo ist mein Denkfehler? Wenn die Idee gut wäre, wäre sie sicher nicht von mir. :smile: Was spricht dagegen?

Gruß Rainer

Hallo Rainer,

Was spräche denn dagegen, den Banken vorzuschreiben, daß sie
bei Kreditverträgen den Zinssatz für die gesamte
Vertragslaufzeit festschreiben müssen?

ich weiß nicht, ob das wirklilch ein Gegenargument ist, aber Immobilienfinanzierungen für Privatpersonen gäbs dann nicht mehr.

Bei allen anderen Verträgen werden die Vertragsbedingungen
vollständig festgelegt,

Natürlich gibt es Preiserhöhungen in laufenden Verträgen. Sie berechtigen zwar meist zur Kündigung aber dennoch gibt es sie: bei Versicherungen, bei Zeitschriftenabonnebements, beim Strom usw.

nur Kreditverträge haben etwas von
Lotto. Beim Abschluss des Vertrages kennt man nicht
zwangsläufig die Kosten, auf die man sich einlässt.

Doch, das regelt der Gesetzgeber sehr penibel nicht zuletzt über den effektiven Jahreszins. Änderungen gibt es erst am Ende der Zinsbindung. Dann stellt sich gleichzeitig die Frage nach der Anschlußfinanzierung. Wer in der Situation das größere Risiko trägt, sei mal dahin gestellt.

Daß es den Banken gefällt, zu Zeiten niedriger Zinsen viele
Kunden zu gewinnen und scheinbar das Risiko vollständig die
Kunden tragen zu lassen, kann ich ja verstehen.

Und den Kunden gefällt es nicht, in Zeiten günstigerer Zinsen Kredite zu bekommen, die einige Jahre früher oder später deutlich teurer gewesen wären? Glaubst Du, für die Kreditinstitute ist es kein Risiko, darauf hoffen zu müssen, daß der Kunde nach zwei (mitunter in den USA), fünf, zehn oder fünfzehn Jahren auch höhere Zinsen tragen kann? Das Eingehen dieses Risikos haben mittlerweile etliche Institute mit Ihrer Existenz bezahlt.

Gruß
Christian

Hallo Christian,

Was spräche denn dagegen, den Banken vorzuschreiben, daß sie
bei Kreditverträgen den Zinssatz für die gesamte
Vertragslaufzeit festschreiben müssen?

ich weiß nicht, ob das wirklilch ein Gegenargument ist, aber
Immobilienfinanzierungen für Privatpersonen gäbs dann nicht
mehr.

natürlich ist das ein Gegenargument. Aber ist das auch so? Würde nicht einfach nur der ungünstige Fall angenommen und der Kredit teurer? Einige Leute (wie ich z.B.) müssten dann ganz verzichten, aber die Planungssicherheit würde insgesamt steigen.

Bei allen anderen Verträgen werden die Vertragsbedingungen
vollständig festgelegt,

Natürlich gibt es Preiserhöhungen in laufenden Verträgen. Sie
berechtigen zwar meist zur Kündigung aber dennoch gibt es sie:
bei Versicherungen, bei Zeitschriftenabonnebements, beim Strom
usw.

OK, Du hast Recht. Das sind aber alles keine Fälle, in denen man einfach nur mit Pech durch eine einzige Unterschrift seine Pleite besiegeln kann.

nur Kreditverträge haben etwas von
Lotto. Beim Abschluss des Vertrages kennt man nicht
zwangsläufig die Kosten, auf die man sich einlässt.

Doch, das regelt der Gesetzgeber sehr penibel nicht zuletzt
über den effektiven Jahreszins. Änderungen gibt es erst am
Ende der Zinsbindung.

Die Zinsbindung ist doch aber eine freiwillige Vereinbarung, keine Vorschrift.

Dann stellt sich gleichzeitig die Frage
nach der Anschlußfinanzierung. Wer in der Situation das
größere Risiko trägt, sei mal dahin gestellt.

Je nach eingesetztem Eigenkapital kann das durchaus die Bank sein. Ich wollte nichts anderes behaupten.

Daß es den Banken gefällt, zu Zeiten niedriger Zinsen viele
Kunden zu gewinnen und scheinbar das Risiko vollständig die
Kunden tragen zu lassen, kann ich ja verstehen.

Und den Kunden gefällt es nicht, in Zeiten günstigerer Zinsen
Kredite zu bekommen, die einige Jahre früher oder später
deutlich teurer gewesen wären?

Doch natürlich! Wenn dann die Zinsen aber wieder steigen, haben beide ein Problem. Der Kunde, daß er u.U. sein eingesetztes Eigenkapital verliert, die Bank, daß sie mit der Zwangsversteigerung u.U. einen Verlust realisieren muss. Beides ist nicht positiv und Beides wird dadurch ausgelöst, daß der Zins nicht über die Vertragslaufzeit festgeschrieben werden muss.

Glaubst Du, für die
Kreditinstitute ist es kein Risiko, darauf hoffen zu müssen,
daß der Kunde nach zwei (mitunter in den USA), fünf, zehn oder
fünfzehn Jahren auch höhere Zinsen tragen kann?

Doch, natürlich ist das für die Bank ein Risiko. Genau das hat die derzeitige Finanzkrise und die daraus folgende Wirtschaftskrise ausgelöst, das meine ich doch.

Das Eingehen
dieses Risikos haben mittlerweile etliche Institute mit Ihrer
Existenz bezahlt.

Genau. Wären sie das Risiko nicht eingegangen, hätte es eine andere Bank getan. Um am Markt erfolgreich zu sein, ist den Banken kaum etwas anderes übrig geblieben. Als einzigen möglichen Ausweg sehe ich, daß keine Bank die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Wenn das Risiko möglich ist, drängt der Markt dazu es einzugehen. Das ist nach meiner Meinung etwas, das man dem Markt nicht überlassen darf, weil es allen Beteiligten nur schadet.

Wenn die Banken weiterhin die Möglichkeit haben, unkalkulierbare Risiken einzugehen, werden sie das auch weiterhin tun. (müssen)

Gruß Rainer

Hi!

Was spräche denn dagegen, den Banken vorzuschreiben, daß sie
bei Kreditverträgen den Zinssatz für die gesamte
Vertragslaufzeit festschreiben müssen?

ich weiß nicht, ob das wirklilch ein Gegenargument ist, aber
Immobilienfinanzierungen für Privatpersonen gäbs dann nicht
mehr.

Verstehe ich nicht.

Ich habe eine 10jährige Hypothek mit einem Festzinssatz von 4,05%. Damit kenne ich von 1999 - 2009 meine monatliche Belastung sehr genau. Wieso ist ein fixer Zinssatz das Ende der Immobilienfinanzierung für Privatpersonen?

Grüße
Heinrich

Hallo Christian,

ich weiß nicht, ob das wirklilch ein Gegenargument ist, aber
Immobilienfinanzierungen für Privatpersonen gäbs dann nicht
mehr.

Ich habe den gleichen Einwand wie Heinrich. Ich bekam feste Zinsen für 15 Jahren und ein naher Verwandter für 20 Jahre.

Gruß
Carlos

Moin,

OK, Du hast Recht. Das sind aber alles keine Fälle, in denen
man einfach nur mit Pech durch eine einzige Unterschrift seine
Pleite besiegeln kann.

Mit „Pech“ hat das in den wenigsten Fällen zu tun. Menschen übernehmen sich schlicht, kalkulieren häufig ohne jeden Fallschirm und mit heißer Nadel gestrickt.
Wer vernünftig investiert (also nicht in eine später unverkäufliche Investitionsruine), >20% Eigenkapital sein eigen nennt, >4% pro Jahr zurückzahlen kann, risikiert maximal seinen Einsatz und mehr nicht. Alles andere ist bewußtes hazardieren.

Grüße
Jürgen

Guten morgen,

ich weiß nicht, ob das wirklilch ein Gegenargument ist, aber
Immobilienfinanzierungen für Privatpersonen gäbs dann nicht
mehr.

Ich habe den gleichen Einwand wie Heinrich. Ich bekam feste
Zinsen für 15 Jahren und ein naher Verwandter für 20 Jahre.

es gibt sogar Baufinanzierer, die eine Zinsbindung von 30 Jahren anbieten. Daß ein Produkt angeboten wird, heißt aber nicht, daß es alle anderen verwandten Produkte ersetzen kann. Eine Zinsbindung von 40 Jahren (und darauf liefe eine Festzinsvereinbarung für die gesamte Laufzeit bei privaten Immobilienfinanzierungen bei den meisten Finanzierungen hinaus) ist schlichtweg nicht fristenkongruent refinanzierbar.

Damit wären wir wieder bei einer Ursache der aktuellen Krise: langfristige Kredite wurden kurzfristig refinanziert.

Die paar Kredite, bei denen die Zinsbindung derzeit 10 Jahre übersteigt, fallen nicht ins Gewicht, aber Zinsbindung auf 40 Jahre bei allen Immobilienfinanzierungen wird nicht funktionieren.

Gruß
Christian

Hallo Rainer,

natürlich ist das ein Gegenargument. Aber ist das auch so?

siehe dazu meine Antwort an Carlos.

Noch ein weiterer Grund: zehn Jahre sind schon ein kaum zu übersehender Zeitraum, 40 Jahre sind es ganz sicherlich nicht. Ein Ausgleich der Inflation und damit der Personal- und Sachkosten erfolgt bei den Kreditinstituten „traditionell“ ausschließlich über die Ausweitung des Geschäftsvolumens und über Kostenreduzierung aber nicht über Preiserhöhungen wie in allen anderen Branchen.

Auch das ist übrigens ein Auslöser der Krise: man ist ständig auf der Suche nach neuen, rentableren Geschäftsfeldern und lernt immer wieder neu, daß höhere Renditen zwangsläufig höhere Risiken bedeuten. Aber das nur nebenbei.

Jedenfalls ist eine langfristige Kalkulation von Zinssätzen schon jetzt abenteurlich. Auf 40 Jahre zu kalkulieren ist unmöglich und man kann sich das nur erlauben, wenn dieses Teilportfolio nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Vor nicht allzu langer Zeit kam eine Finanzierung des Weges, deren Gesamtlaufzeit knapp 100 Jahre betrug. Ich hab dann einfach mal eine Auflistung der relevanten Ereignisse gemacht, die in den 100 vergangenen Jahren passiert sind: erster Weltkrieg, Ablösung der Goldmark, Untergang des Kaiserreiches, Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise nebst Währungsreform, Untergang der Weimarer Republik, Ende der Reichsmark nebst Währungsreform, Teilung Deutschlands unud Europas, diverse Ölkrisen und schließlich Ende der DDR und des Ostblocks. Die Finanzierung wurde übrigens trotzdem gemacht – aus geschäftspolitischen Gründen. Basis für ein Geschäftsmodell sind Finanzierungen mit Laufzeiten von 40 Jahren dennoch nicht.

Bei allen anderen Verträgen werden die Vertragsbedingungen
vollständig festgelegt,

Natürlich gibt es Preiserhöhungen in laufenden Verträgen. Sie
berechtigen zwar meist zur Kündigung aber dennoch gibt es sie:
bei Versicherungen, bei Zeitschriftenabonnebements, beim Strom
usw.

OK, Du hast Recht. Das sind aber alles keine Fälle, in denen
man einfach nur mit Pech durch eine einzige Unterschrift seine
Pleite besiegeln kann.

Hm, normalerweise riskiert man auch keine Pleite, wenn man in Deutschland eine Immobilienfinanzierung mit einer Zinsbindung >= 5 Jahre und einer Fremdfinanzierungsquote von 60 oder meinetwegen 80% abschließt. Bis dahin hat man schon gut 6% getilgt und der Wert der Hütte hat sich im Zweifel nicht nennenswert reduziert. Bei einer Zwangsversteigerunug ist man zwar wieder Mieter aber zumindest nicht pleite.

Mal abgesehen davon, daß sich die Frage der Zwangsversteigerung nicht zwangsläufig stellt, nur weil die Zinsen gestiegen sind – zumindest wenn der Kredit von vornherein marktgerecht verzinst wurde. Dann hält sich der Anstieg der monatlichen Belastung zumal man ja nach 5 oder 10 Jahren Tilgung auch Spielraum bei der neu zu vereinbarenden monatlichen Tilgung hat.

Die Situation in den USA war eine ganz andere: anfängliche Zinsen unter Marktniveau bei gleichzeitiger Finanzierung von 100% oder gar 130% des Kaufpreises ohne anfängliche Tilgung. Nach vielfach nur zwei Jahren kam die Zinsanpassung auf das aktuelle Marktniveau zzgl. Nachholung der bisherigen Minderverzinsung und der gleichzeitigen Bitte, angesichts der verfallenden Häuserpreise doch mal mit dem Tilgen anzufangen.

Daß dann bei der Zwangsversteigerung der ausstehende Kreditbetrag nicht abgedeckt werden kann, liegt in der Natur der Sache.

Das ganze Chaos ist also nicht auschließlich auf die fehlende Zinsbindung zurückzuführen.

nur Kreditverträge haben etwas von
Lotto. Beim Abschluss des Vertrages kennt man nicht
zwangsläufig die Kosten, auf die man sich einlässt.

Doch, das regelt der Gesetzgeber sehr penibel nicht zuletzt
über den effektiven Jahreszins. Änderungen gibt es erst am
Ende der Zinsbindung.

Die Zinsbindung ist doch aber eine freiwillige Vereinbarung,
keine Vorschrift.

Du bist Dir aber schon im Klaren, daß man keinen Kredit für 40 Jahre abschließt, wenn man einen Kreditvertrag unterschreibt? Die Laufzeit des Kredites endet zunächst einmal mit der Zinsbindung und dementsprechend sind einem die monatlichen Zahlungen durchaus für die gesamte Vertragslaufzeit bekannt.

Wenn die Banken weiterhin die Möglichkeit haben,
unkalkulierbare Risiken einzugehen, werden sie das auch
weiterhin tun. (müssen)

Zusammenfassend: das ganze ist ein originär US-amerikanisches (d.h. kein deutsches) Problem und die fehlende bzw. nur kurze Zinsbindung war nicht die einzige Ursache, vielmehr kamen mehrere Faktoren zusammen.

Gruß
Christian

Hallo Christian,

danke!

Daß die Stabilität, die ich in den letzten knapp 20 Jahren erlebt habe eher eine Ausnahme darstellen, wenn man die Geschichte der Vergangenheit betrachtet, habe ich völlig verdrängt. Denkfehler gefunden.

Daß die kurze Zinsbindung in den USA nicht die einzige Ursache für die Finanzkrise sind, war mir schon klar. Andernfalls wären da aber einige Kredite nicht vergeben worden und ich habe vermutet, daß uns dann die Wucht der Krise nicht so hart getroffen hätte, wie das jetzt der Fall ist.

Gruß Rainer