Feuer des Prometheus

Hallo

Schon immer hatte ich so meine Zweifel, daß das in der Prometheus-Sage erwähnte Feuer, mit dem rein physischen Feuer gleichzusetzen wäre. Es wäre doch ein bißchen zu trivial.

Jetzt habe ich bei Giordano Bruno den folgenden Satz entdeckt, wo er über das Wesen der Gestalt sinnt:

„In der Entstehung der Gestalt offenbart uns die Natur durch dasjenige, was sich den Augen mit dem Licht zeigt, ihre tiefsten Geheimnisse. Ich betone, durch die sichtbare Gestalt der Form verrät uns die Natur ihre Vorgehensweise. Dies ist jenes Feuer, das Prometheus heimlich den Göttern stahl und den Menschen gab, dies ist der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Sie selbst ist nämlich eine Nachbildung der Form.“

Hier bekommt das Feuer nun eine andere Bedeutung, nämlich die der Fähigkeit zur Erkenntnis.

Meine Frage wäre, läßt sich das ursprüngliche griechische Wort für Feuer (ich erinnere hier auch an das Feuer Heraklits), in diesem Sinne Brunos interpretieren?

Danke
rolf

Hallo Thorshammer

Ich weiss es zwar nicht, aber ich kann eine Vermutung aeussern:
Fuer Feuer sind mir zwei Woerter bekannt: fos und pyr.
Fos heisst auch Licht. Wenn nun von diesem die Rede ist in der
urspruenglichen Fassung der Prometheussage, dann waere eine
metaphorische Deutung des Wortes moeglich im Sinne von
Licht=Erkenntnis, denn wo Licht ist, da kann man sehen, also auch
erkennen.

Gruss, Tychi

Hi,

Es wäre doch ein bißchen zu trivial.

Mythen sind nie trivial, und griechische erst recht nicht. Oder willst du Hesiod, Aischylos etc. Trivialität zuschreiben? Auch wenn beide die Grundlagen für die „Prometheus“-Gestalt nicht selbst kreiert haben.

„In der Entstehung der Gestalt offenbart uns die Natur durch
dasjenige, was sich den Augen mit dem Licht zeigt, ihre
tiefsten Geheimnisse. Ich betone, durch die sichtbare Gestalt
der Form verrät uns die Natur ihre Vorgehensweise. Dies ist
jenes Feuer, das Prometheus heimlich den Göttern stahl und
den Menschen gab, dies ist der Baum der Erkenntnis des Guten
und des Bösen. Sie selbst ist nämlich eine Nachbildung der
Form.“

Es ist immer opportun, bei Zitaten auch die Stelle anzugeben, wer kann den Bruno schon auswendig …

Hier bekommt das Feuer nun eine andere Bedeutung, nämlich die
der Fähigkeit zur Erkenntnis.

Nun ja, so stellt es Bruno zusammen, denn er kennt im Unterschied zu Hesiod, Aischylos, Vergil auch die Torah.

Meine Frage wäre, läßt sich das ursprüngliche griechische Wort
für Feuer (ich erinnere hier auch an das Feuer Heraklits), in
diesem Sinne Brunos interpretieren?

Das Wort? πυρ?
Nein, wieso? Und warum auch?

Aber der Prometheus ist im Mythos ja mehr als nur der, der für die Menschen das Feuer klaut. Er gibt den Menschen außerdem viele Wissenschaften, die er seinerseits von Athene geschenkt bekam. Diese Anekdote wird Bruno aus dem „Gefesselten Prometheus“ des Aischylos gekannt haben …

Gruß

Metapher

Aber der Prometheus ist im Mythos ja mehr als nur der, der für
die Menschen das Feuer klaut. Er gibt den Menschen außerdem
viele Wissenschaften, die er seinerseits von Athene geschenkt
bekam.

Dann bestünde aber ein Zusammenhang in der Wortbedeutung: Feuer = Erkenntnis. Somit bestätigt sich Brunos Hypothese.

rolf

Hallo,

Schon immer hatte ich so meine Zweifel, daß das in der
Prometheus-Sage erwähnte Feuer, mit dem rein physischen Feuer
gleichzusetzen wäre. Es wäre doch ein bißchen zu trivial.

In Ergänzung zu Metapher:
Positiv ausgedrückt: Mythen sind, grob gesprochen, Erklärungen für die Entstehung der Welt, der Menschen und der Gottheiten sowie des Wirkens der Gottheiten auf die Welt, auf einander sowie auf die Menschen in Form von Geschichten, die keine rationale Begründung erheischen.

Prometheus raubt dem Zeus das Feuer und bringt es gegen dessen Willen zu den Menschen. Nach einer anderen Erzählung erschafft er den Menschen aus Lehm und Athene haucht ihm Leben ein.
Sein Vergehen besteht wohl in beiden Mythen darin, dass er die Menschen zur Hybris verleitet, dem Versuch, den Göttern gleich zu werden, was sich in der griechischen Mythologie zumal auf Unsterblichkeit bezieht, nicht, wie in der Bibel, auf Erkenntnis.
Insofern versinnbildlicht das Feuer hier wohl eher das (ewige) Leben als die Erkenntnis.

Meine Frage wäre, läßt sich das ursprüngliche griechische Wort
für Feuer (ich erinnere hier auch an das Feuer Heraklits), in
diesem Sinne Brunos interpretieren?

Heraklit löst sich als einer der ersten Philosophen vom Mythos und sucht nach einer rationalen Erklärung für die „Physis“, die Art des Seienden zu sein. Das drückt er, noch nahe am Mythos, nicht in abstrakten Begriffen aus, sondern im Bild des Feuers aus (so wie entsprechend Thales im Bild des Wassers).

Für Heraklit bildet das Leben die Grundstruktur des Seienden überhaupt, die findet er im Feuer wieder: Das Feuer ist in beständiger Bewegung und lebt nur dadurch, dass es sich ständig Fremdes einverleibt. Das ganze Seiende ist ein beständiger Hervorgang eines jeglichen aus seinem Gegenteil und ein Rückgang in dieses.

Die Erkenntnis, Einsicht ist nicht durch das Feuer gekennzeichnet, sondern durch die Teilhabe am Logos, der das Seiende durchwaltet.
Nietzsche, für den Heraklit der einzige Philosoph der Tradition ist, den er gelten lässt, bringt das Bild vom Feuer als Sinnbild des Lebens in die Dichtung:

Ecce Homo
Ja! Ich weiß, woher ich stamme!
Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr’ ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Kohle alles, was ich lasse:
Flamme bin ich sicherlich.

Grüße
oranier

Hier bekommt das Feuer nun eine andere Bedeutung, nämlich die
der Fähigkeit zur Erkenntnis.

Meine Frage wäre, läßt sich das ursprüngliche griechische Wort
für Feuer (ich erinnere hier auch an das Feuer Heraklits), in
diesem Sinne Brunos interpretieren?

Hallo Rolf!

Interessante Frage.
Aber wenn man auf die griechische Literatur schaut, ist die Voraussetzung für Erkenntnis zwar Helligkeit
(und mit unserem gesamteuropäischen Begriff „Aufklärung“ sind wir Erben dieser Anschauung),
aber als diese Voraussetzung wird (real wie metaphorisch) die Sonne betrachtet.

Als Beispiel Platons Höhlengleichnis (in: Staat Buch VII = ab 514 a):
Die Eingeschlossnen in der Höhle sehen nur die Schatten der Dinge, und für dieses Schattenspiel wird das Feuer (phos pyrós: Licht des Feuers) verwendet. Die Wirklichkeit aber wird im Licht der Sonne erkannt.
Kurz vor dieser Stelle (508 a) unterhalten sich Sokrates und Glaukon über das Licht und einigen sich darauf, dass die Sonne „mache, daß unser Gesicht auf das schönste sieht und daß das Sichtbare gesehen wird. (…) Aber das sonnenähnlichste, denke ich, ist (Ergänze: das Auge) unter allen Werkzeugen der Wahrnehmung”. (Übersetzung: Schleiermacher)

Wer denkt da nicht an Goethe und „Wär nicht das Auge sonnenhaft …” und an sein Gedicht „Parabolisch I”, in dem „gemalte Fensterscheiben” nur innen in der Kirche und nur wegen der Erleuchtung durch die Sonne gesehen werden können.

Schöne Literatur dazu:
Schöne, Albrecht: Goethes Farbentheologie. München (Beck) 1987.

Gruß
H.