Finanzielle Griechenland-Rettung alternativlos?

Hallo liebe Leute,

heute las ich in einem Artikel, dass die Gesamtforderungen ausländischer Banken (d.h. nicht griechische Banken) ca 146 Mrd. USD betragen. Das sind etwas mehr als 100 Mrd. Euro. Gleichzeitig wird eine finanzielle Griechenland-Rettung als alternativlos dargestellt und - nachdem bereits vor Monaten ein Rettungspaket in ähnliche Größenordnung verabschieded wurde - es wird jetzt wieder von einem zusätzlichn Rettungspakets von 90 bis 120 Mrd. Euro gesprochen. Gleichzeitig werden solche Rettungspakete an Sparauflagen gekoppelt, was die griechische Bevölkerung erzürnt, da dies tiefe Einschnitte für die Ausgaben- und Investitionspolitik Griechenlands bedeutet. Der Anteil Griechenlands am Gesamt-BIP aller EU Staaten beträgt ca. 2 %. D.h. wirtschaftlich gesehen wäre ein Austreten Griechenlands aus der Währungsunion für die Union kaum von Bedeutung.
Daher stellt sich mir immer mehr die Frage: Wieso ist man so erpicht darauf, einen Staatsbankrott Griechenlands und einen Austritt des Landes aus dem Euro um jeden Preis zu vermeiden? Das jetzt diskutierte Rettungspaket ist in etwa so groß, wie die maximalen Abschreibungen der ausländischen Banken bei einem Staatsbankrott Griechenlands zu erwarten wären. Ein Schuldenschnitt und die Rückkehr Griechenlands zur Drachme (mit nachfolgender Abwertung) würden Griechenland aber doch etwas „Luft zu Atmen“ - und vor allen Dingen auch den Anreiz - geben, sich aus der Schuldenkrise zu befreien.
Was sind also die tatsächlichen Gründe, dass man versucht, Griechenland um jeden Preis in der Währungsunion zu halten und einen Schuldenschnitt um jeden Preis zu vermeiden?

Danke für Eure Antworten!

Viele Grüße
Chris

Hallo Chris,

ich würde mal zwei Punkte in den Raum stellen, die vielelicht wichtig wären.

  1. Bei einem Austritt aus der Eurozone sind sämtliche Forderungen gefärdet, nicht nur die Staatsschulden, sondern sämtliche Forderungen auch gegen Banken und Unternehmen. Die 100 Mrd € sind meine ich definitiv nur der Teil „Staatsschulden“.

  2. Ein Zahlungsausfall wäre auch ein „Kreditfall“ für die Credit-Default-Swaps ( CDS ). Es gibt hier im Forum sehr unteschiedliche Auffassungen darüber, wieviel da spekuliert wurde. Ich bleibe dabei ( weil ich es auch von einer zuverlässigen Quelle habe ) , dass in den CDS beträchtlich ( gegen Griechenland und Co. ) spekuliert wurde. Wenn man nun einen Kreditfall zulässt, und somit die Spekulation aufgeht, ist die Gefahr doch groß, dass es diese Leute eher ermuntert, noch ein weiteres Land „über die Klinge“ springen zu lassen.

Denn eines sollte klar sein. Die Bewertung Griechenlands passt definitiv nicht zur Lage ( oder macht es Sinn, dass es für ein Rating AAA egal ist, ob 3% oder 8 % Staatsdefizit, aber der Anstieg von 8 % auf 12% dann zu CCC führt ? ) und jeder, wirklich jedr Staat ist immer nur so solvent, wie er von den anderen subjektiv betrachtet gesehen wird.

Der einzige Charme eines Austrittes liegt im „Ende mit Schrecken“ statt „Schrecken ohne Ende“. Ich persönlich würde jemandem, der bei mir für eine Abschreibung sorgt, nie wieder Geld leihen. Also wenn ein Austritt, dann nie wieder Geschäfte, also 100 % Exportverbot ( ist in Deutschland aber unmöglich, oder hat schonmal jemand was von einem Beitrag der Exportindustrie zur Problemlösung gehört ? Die haben sich nur Jahrelang die Taschen vollgemacht ).

Grüßle

Eric

Hallo,

das Problem ist, daß die Entscheidung nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus getroffen werden wird, sondern aus politischen.

Es hätte schon längst einen (teilweisen) Schuldenschnitt gegeben, wenn das nicht zu erheblichen Problemen führen würde, die kein Politiker will. Schuldenschnitt bedeutet, daß die Gläubiger (ausländische Banken, Versicherungen, EZB) Geld verlieren werden, daß sich die griechischen Kreditinstitute nicht mehr bei der EZB refinanzieren können werden (wenn die EZB sich nicht das nächste Schlupfloch selbst strickt) und in der Folge ein ziemliches Durcheinander eintreten wird, dessen Konsequenzen derzeit niemand überblicken kann.

Die Alternative ist, daß die EU weiter Geld an Griechenland verleihen wird, das sich das Land woanders nicht mehr besorgen kann. Das ist aber in vielen Ländern innenpolitisch nicht mehr vermittelbar.

Und so stehen sich die beiden Lager gegenüber und versuchen einen Kompromiß zu finden, in dem keines der beiden Szenarien stattfindet - oder beide nur ein bißchen.

Das wird sich aber nicht realisieren lassen, weil eine freiwillige Umschuldung nicht funktionieren wird und eine unfreiwillige zum default (also zum Kreditausfall) führt, was dann wieder Szenario 1 bedeuten würde.

Also in aller Kürze:
Szenario 1: Umschuldung nebst Ausfall (politisch nicht gewollt, aber wirtschaftlich einzig sinnvolle Alternative)
Szenario 2: mehr EU-Geld für Griechenland (politisch nicht gewollt)
Szenario 3: Zahlungsunfähigkeit Griechenlands (politisch nicht gewollt)

Es bleibt also spannend.

Gruß
Christian

Nachtrag
Noch ein Wort zum Thema weiche Umschuldung: die Politik scheint zu glauben, daß sich das Problem dadurch irgendwie lösen läßt. Natürlich entlastet bspw. die Verlängerung der Laufzeiten von Staatsanleihen den Staatshaushalt, nur werden die Schulden davon nicht weniger.

Es wäre eine vertretbare Maßnahme, wenn das Land einen ausgeglichenen Haushalt hätte, d.h. fürderhin keine neuen Kredite aufnehmen müßte und sich darauf beschränken könnte, die bestehenden Kredite zu bedienen.

Es ist nur leider so, daß die jährlichen Defizite weiterhin beachtlich sind, d.h. die Schulden werden weiterhin immer größer. Mit einer Verlängerung der Laufzeit der aktuellen Kredite/Anleihen ist es also nicht getan, weil man die Laufzeiten immer weiter und immer wieder strecken müßte, damit das Land seinen Verpflichtungen nachkommen kann.

Nebenbei: man zeige nicht mit dem Finger immer nur auf Griechenland. Wir wirtschaften nicht anders. Deutschlands Schulden wachsen schneller als unser BIP und sie wachsen vor allem schneller als die überhaupt noch disponiblen Steuereinnahmen. Auch wir werden irgendwann dort stehen, wo Griechenland im Moment auch steht. Es ist nur eine Frage der Zeit (und mir komme keiner mit der Schuldenbremse. Die Regelung ist genauso löchrig wie die alte, nach der a) die Nettokreditaufnahme die Höhe der Investitionen nicht überschreiten durfte (was an sich schon wischiwaschi ist) und das auch nur galt, wenn b) das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht nicht gestört war (noch mehr wischiwaschi))

Natürlich werden vor uns noch ganz andere Länder an dieser Stelle stehen, nur sind wir nicht die löbliche Ausnahme oder die Insel der Glückseligen.

Etwas „unglücklich“ ist, daß wir unsere Fahrt in Richtung Abgrund mit jeder Hilfe für andere Länder beschleunigen, weil wir damit unsere eigenen Schulden dadurch auch und immer schneller erhöhen.

Das Spiel wird irgendwann ein Ende haben. Die Frage ist nur wie und wann. Im Augenblick sind noch die Notenbanken ziemlich beharrlich dabei, die Liquiditätslücken zu füllen und die Rolle des Kapitalmarktes bei der Finanzierung maroder Staatshaushalte zu übernehmen (der geldpolitische Sündenfall). Aber auch das wird irgendwann ein Ende haben müssen - zumindest, wenn man nicht daran glaubt, daß EZB, FED und Konsorten die komplette Finanzierung aller Staatsdefizite übernehmen.

Merke: ein Problem, das durch zu viele Schulden entstanden ist, wird man nicht durch noch mehr Schulden lösen können.