'First recording' - Relevanz?

Liebe Experten!

Nicht zum ersten Mal frage ich mich, ob es immer seine Richtigkeit hat mit der Angabe „First Recording“ bzw. „World Premiere Recording“ oder ähnlichem bei CD-Einspielungen.
Aktuell habe ich mir das sehr attraktive „Romantische Klavierkonzert“ von Joseph Marx mit Hamelin und dem BBC Scottish Symphony Orchestra zugelegt; aber vor rund zwanzig Jahren habe ich dieses Konzert schon einmal vom Rundfunk mitgeschnitten, mit Jorge Bolet (also auch Weltklasse) und dem NDR-Rundfunkorchester. Meines Erachtens ist die alte Aufnahme nur technisch etwas schwächer.
Zählt die alte Aufnahme nicht, weil sie vielleicht nur im Besitz des Senders ist? Bezieht sich die Bezeichnung „First Recording“ allein auf die Tatsache, dass jetzt eine CD vorliegt? Oder ist der Begriff ohnehin bloße Werbung und ungeschützt? In jedem Fall würde ich von einem milden Etikettenschwindel sprechen.

Besten Dank und einen guten Rutsch!

Wolfgang Zimmermann

Hallo,

bin zwar keine Expertin, aber kann trotzdem was dazu sagen :smile:

Ich hätte auch erstmal gedacht, dass „First Recording“ usw. die Erstaufnahmen sind. Aber eigentlich ist es ja eine reine Interpretationssache, was die Erstaufnahme ist: Erste Aufnahme des Stückes überhaupt? Erste Aufnahme mit dem Pianisten XY? Oder vielleicht doch die erste Aufnahme eines bestimmten Orchesters?
Ich könnte mir vorstellen, dass das wie mit Filmen im Fernsehen bzw. im Kino gehandhabt wird, da gibt es ja auch diverse Premieren (schon allein im Kino selber, dann im Fernsehn im Pay-TV oder im Privatfernsehn, und dann kann man noch unterscheiden zwischen „Deutschlandpremiere“ oder welteweiter Premiere…)

Lena

Hallo Wolfgang Z.,

meiner Beobachtung nach verwendet die Plattenindustrie diese Begriffe nur für Aufnahmen, die für die Veröffentlich auf Tonträgern entstanden sind. D.h. reine Rundfunkaufnahmen zählen höchstens, wenn sie später doch noch auf LP oder CD erschienen sind.

Du schriebst ja auch selber, dass du das Marx-Konzert nur bei der Ausstrahlung mitgeschnitten hast, es demnach nicht auf Tonträger erhältlich ist.

Natürlich wäre es sauberer, statt von „First Recording“ nur von „First Release“ zu sprechen, wenn es schonmal eine Rundfunkaufnahme vorher gegeben hat, aber wie du schon richtig vermutest - es geht einzig um das Werbeargument.

Dabei passieren auch schonmal Schnitzer. Soweit ich mich entsinne wurde die Einspielung von Franz Bibers „Missa Salisburgensis“ der Musica Antiqua Köln 1998 (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/B000025JQG) auch vollmundig als „World Premiere Recording“ beworben. Dabei übersah die Plattenfirma locker, dass das gleiche Werk auch schon 1974 aufgenommen worden war, nur eben dass diese Aufnahme dem damaligen Forschungsstand entsprechend noch dem Komponisten Orazio Benevoli zugeschieben war … (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/B00005NYAX)

Schöne Grüße und auch einen guten Rutsch!
Wolfgang N.

Hallo Wolfgang!

Schönen Dank für die rasche Antwort! Das Beispiel Biber / Benevoli scheint mir ein einigermaßen kurioser Sonderfall. Da hat die Firma in der Tat nicht ordentlich recherchiert, so richtig intentional geschmust haben sie vielleicht noch nicht einmal.

Vielleicht sollte man ja auch Glenn Goulds seltsame Verballhornungen bei Mozart oder der Beethovenschen Sturm-Sonate als „First Recordings“ laufen lassen; was meinst Du?

Viele Grüße!

Wolfgang Z.

Hallo Lena!

Besten Dank für die prompte Antwort und schöne Grüße!

Ich fürchte ja auch, dass Du Recht hast und man derartige Attribuierungen getrost vergessen kann.

Wolfgang