Flächenintegral Ellipse auf verschiedenen Wegen

Hallo liebe Experten!

ich beschäftige mich grade mit Flächenintegralen und habe eine Frage zur Fläche einer Ellipse. Bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom, machne aber auch nicht und ich verstehe bei einem nicht warum.
Wenn man das Integral in kartesichen Koordinaten berechnet, würde das ja ungefähr so aussehen:

4b \int_0^a \sqrt{1-( \frac{x}{a} )^2} dx

Also y abhängig von x und dann über alle x integrieren. Wunderbar, aber wie würde man analog in Polarkoodinaten vorgehen?
Nimmt man r abhängig vom Winkel und integriert dann von 0 bis 2pi sieht das bei mir so aus:

\int_0^{2\pi} \int_0^{r(t)} r dr d\varphi

mit

r(\varphi) = \sqrt{a^2 \cos^{2}{\varphi} + b^2 \sin^{2}{\varphi} }

Das Ergebnis ist aber falsch, nämlich:

\frac {\pi} {2} (a^2+b^2)

Meine Frage ist ganz einfach warum? :smiley:
Ich freue mich auf eure Antworten!
Matthias

––––––
MOD: Minimale Korrektur: r(φ) statt r(t).

Hallo quazee,

eine schöne Frage. Scheinbar ist ja alles richtig gerechnet. Als Flächeninhalt der Ellipse muss a b \pi herauskommen, alles andere ist falsch.

Ich denke, der Fehler liegt im Ansatz der Polarkoordinaten. Das sind nämlich bei Dir keine. Der Winkel \varphi in

x(\varphi) = a \cos\varphi,\qquad y(\varphi) = b\sin\varphi,\qquad r(\varphi)=x^2(\varphi)+y^2(\varphi)

durchläuft den Vollwinkel nicht mit konstanter Geschwindigkeit. Wir bezeichnen den mit konstanter Geschwindigkeit laufenden Winkel mit \vartheta. Um den Flächeninhalt nun durch

A = \int_0^{2\pi} \int_0^{r(\vartheta)} r dr d\vartheta

zu berechnen, muss man r als

r(\vartheta) = \frac{ab}{
\sqrt{a^2\cos^2\vartheta + b^2\sin^2\vartheta}}

ausdrücken. Eine andere Möglichkeit besteht im Differenzieren von \vartheta nach \varphi, d.h. finde f in

d\vartheta = f(\varphi) d\varphi.

Mit diesem Korrekturterm f unter dem Integral kann man Deinen Ansatz benutzen.

HTH
soja

Vielen Dank für deine Antwort soja, auch wenn ich einige Zeit daran zu knabbern hatte/habe.
Mal gucken ob ich das richtig verstanden habe :smiley:
Der Haken an der Parametrisierung

\vec{r}(\varphi) = \begin{pmatrix}
a\cos{\varphi}\
b\sin{\varphi}\
\end{pmatrix}

ist, dass der resultierende Vektor nicht den Winkel \varphi, sondern einen davon verschiedenen Winkel \psi zur x-Achse hat (außer bei ganzzahligen Vielfachen von \frac{\pi}{2}). Seine Geschwindigkeit ist also nicht konstant, sondern schwankt mit der Geschwindigkeit \psi^{’}(\varphi). Hab mal zur Veranschaulichung eine Skizze gemacht:
http://www.bilder-hochladen.net/files/ajb1-1-gif.html

Wenn ich nun z.b. an der Stelle \frac{\pi}{4} über den Betrag von r integriere, ist dieser größer (bzw. kleiner, wenn a \frac{\pi}{2}(a^2+b^2)

je größer der unterschied zwischen a und b, desto größer der Fehler (bei a=b ist das Ergnis korrekt).

Das Problem ist damit klar, aber wie genau löst man es?
Der Winkel \psi hat folgende Beziehung zu \varphi:

\tan{\psi}=\frac{b\sin{\varphi}}{a\cos{\varphi}}

\psi(\varphi)=\arctan{(\frac{b}{a}\tan{\varphi})}

Leitet man ab, erhält man folgenden Term:

\psi^{’}(\varphi)=\frac{ab}{a^2\cos^2{\varphi}+b^2\sin^2{\varphi}}

Damit bin ich schon nah an deiner Lösung dran. Fehlt nur noch ein kleiner Schritt:

r(\varphi)=r(\varphi)\cdot\psi^{’}(\varphi)

=\sqrt{a^2\cos^{2}{\varphi}+b^2\sin^{2}{\varphi}}
\cdot
\frac{ab}{a^2\cos^{2}{\varphi}+b^2\sin^{2}{\varphi}}

=\frac{ab}{\sqrt{a^2\cos^{2}{\varphi}+b^2\sin^{2}{\varphi}}}

Aber:
Erstens verstehe ich nicht genau warum letzteres die gewünschte Wirkung bringt. Wie du sagtest müsste ich mit einem Korrekturterm multiplizieren, um die Geschwindigkeitsschwankungen auszugleichen, stattdessen komme ich auf dein Ergebnis, wenn ich mit dem Betrag von r multipliziere.
Zweitens wird das Integral dadurch ungleich schwerer (ich konnte es jedenfalls nicht lösen) Deswegen kann ich mir schwer vorstellen, dass am Ende ab\pi herauskommen soll.
Vielleicht kann mir ja nochmal jemand weiterhelfen :smile:

p.s.: einige latex-grafiken werden bei mir einfach nicht angezeigt, ich hoffe bei euch ist das anders.

quazee,

lass mich zunächst das mit den falschen Polarkoordinaten relativieren. Das Pärchen (r,\varphi) stellt natürlich Polarkoordinaten dar, wie sollte man sie sonst nennen. Zur Illustration des vorliegenden Problems kann man eine einfache Koordinatenänderung

\tilde x = 2x,\qquad \tilde y = y

des kartesischen Koordinaten betrachten. Sind dann (\tilde x, \tilde y) immer noch kartesiche Koordinaten? Eigentlich schon, nur dass in (\tilde x, \tilde y) gemessene Flächeninhalte sämtlich doppelt so groß sind wie in (x, y) gemessene. Wenn man jetzt noch die Parametertransformation komplizierter macht, etwa

\bar x = x^3,\qquad \bar y = y,

so ist auch die Änderung der Flächeninhalte komplizierter. Aber auch bei (\bar x, \bar y) handelt es sich m.E. um ein kartesisches Koordinatensystem. Die Rolle von x in diesem Beispiel lässt sich auf den etwas weniger anschaulichen Fall des Argumentwinkels der Polarkoordinaten übertragen.

Nun zur eigentlichen Rechnung. Du bist fast am Ziel, in der letzten Zeile muss man einfach nur
r^2 statt r nehmen, also

r^2(\psi) d\psi = \bar r^2(\varphi) \psi’(\varphi) d\varphi,

wobei ich die zwei verschiedenen Radiusfunktionen unterschieden habe. Dann fallen die unangenehmen Terme raus und Du bist fertig. Hier meine etwas andere Rechnung, Deine sollte keinesfalls schwerer sein.

A = \int_0^{2\pi} \int_0^{r(\psi)} r dr d\psi
= \frac12 \int_0^{2\pi} r^2(\psi) d\psi
= 2 \int_0^{\frac{\pi}{2}} r^2(\psi) d\psi

= 2 \int_0^{\frac{\pi}{2}}
\frac{a^2 b^2}{a^2\cos^2\psi + b^2\sin^2\psi} d\psi\
= 2 a^2 b^2 \Bigl[
\frac{\arctan(\frac{b}{a} \tan\psi)}{ab}
\Bigr]_0^{\frac{\pi}{2}}

= 2 a^2 b^2 \frac{\frac{\pi}{2}}{ab}
= ab\pi.

NB: Es handelt sich um ein uneigentliches Integral; man muss den Grenzwert \psi\to \pi/2 berechnen.

HTH,
soja