Fliehen-flüchten Synonyme?

Hallo,

ich halte die beiden Begriffe für synonym.

Trotzdem gibt es geringe Unterschiede:

fliehen kann man auch mit direktem Objekt konstruieren, auch wenn das wenig gebräuchlich ist:
Ich fliehe die Gefahr.

flüchten kann man mit Angabe des Zufluchtsortes benutzen:
Als es zu regnen begann, bin ich unter einen Baum geflüchtet.
Das geht mit fliehen so nicht.
Noch stärker ist das beim reflexiven Gebrauch: …habe ich mich unter einen Baum geflüchtet.

flüchten ist nach meinem Empfinden außerdem stärker mit Hast und Überstürzung konnotiert.

fliehen dagegen stärker mit der Ursache der Flucht: Er floh vor der Übermacht der Angreifer.
Das wiederum geht mit flüchten so nicht, da müsste man sagen: Er flüchtete angesichts der Übermacht der Angreifer.

Brr, etwas wirr, aber ich habe jetzt nicht den Nerv, besser zu strukturieren.

Viele Grüße,

Jule

Hast Du die Frage nicht kapiert oder willst Du sie nicht kapieren?

Schöne Grüße

MM

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Servus,

erstaunlich ist, dass es (wenn man dem Grimm glauben darf) bereits im Althochdeutschen zwei verschiedene Wörter für die beiden gab: Irgendeinen Unterschied scheint es also zu geben.

Der einzige, den ich finden kann, ist grammatisch: Der Anlass zur Flucht kann bei „fliehen“ mit Akkusativ angegeben werden, bei „flüchten“ braucht man eine ziemlich umständliche Hilfskonstruktion dazu.

Schöne Grüße

MM

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Vielen, vielen Dank für Deine schnelle Hilfe, aber sind die armen Leute dann aus der DDR in ihren Luftballons und schwachen Ruderbooten ins westliche Paradies geflüchet oder geflohen ???

Hallo,

beides, meine ich.

Viele Grüße,

Jule

Hallo MM,

wahrscheinlich gab es damals so viele Anlässe, zu fliehen und zu flüchten, dass es einfach abwechslungsreicher war, wenn man zwei Wörter hatte…

Ich hab gerade keine Zeit für den Grimm (muss dringend Tee trinken!), aber der Duden sagt zu flüchten: „mittelhochdeutsch vlühten, althochdeutsch fluhten = in die Flucht schlagen, vertreiben“

Das hätte sich also in der Bedeutung umgekehrt. (Vielleicht - spekulier - über einen Wechsel des Hilfsverbs: Er hat mich gefluhtet = Er hat mich in die Flucht geschlagen. Ich bin gefluhtet worden -> Ich bin geflüchtet. Ja, ich weiß, dass Althochdeutsch anders geht.)

Zu fliehen meint er nur: „mittelhochdeutsch vliehen, althochdeutsch fliohan, Herkunft ungeklärt“.

Viele Grüße,

Jule
(flüchte mich jetzt zu meinem Tee)

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Fürwahr ein trefflicher Plan!

Schöne Grüße

MM

Ich wollte editieren, geht nicht mehr:

Eventuell liegt bei „geflüchtet“ der Akzent ein wenig mehr auf dem Ankommen im Paradies, bei „geflohen“ ein wenig mehr beim Abhauen. Aber ich bin mir nicht sehr sicher; es kann sein, dass ich da einen Unterschied hineindeute, der eigentlich nicht da ist.

Viele Grüße,

Jule

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Hi,

Das mit der vedeutungdumkehr scheint mir auch plausibel. Ich habe nicht Deutsch studiert, aber am Rande eine Wortbildungsregel gelernt. Ein Umlauf im wortinneren von Verb x erzeugt ein neues Verb mit der Bedeutung „x machen“ oder „x verursachen“. Beispiele sind schwimmen - schwemmen, trinken - tränken.
Und bedeutungswandel sehen wir aktuell bei borgen und leihen.

Die Franzi

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Bedeutungsumkehr… sch*** autocorrect :persevere:

Servus,

in diesem Fall am Einfachsten über das reflexive „sich flüchten“.

Ganz am Rand dazu das mundartlich stellenweise erhaltene „ich habe mich verjagt“ für „ich bin sehr erschrocken“.

Schöne Grüße

MM

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Nochmals recht schönen Dank für deine Mühe, aber… Wie würdest du dich ausdrücken, -was würdest du ganz spontan sagen „Wo ist eigentlich Peter? -Er ist in den Westen geflüchtet oder geflohen“ ??

Schöne Grüße aus Kopenhagen

Hallo Oxbridge,

ist kein besonders gutes Beispiel, weil da spontan jeder gesagt hätte: „Er ist/hat rübergemacht“. Regionale Unterschiede nur im Hilfsverb ist/hat, aber das Verb „rübermachen“ selber war das, was für die Republikflucht auf beiden Seiten der Grenze verwendet wurde.

Schöne Grüße

MM

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Es waren zwei Fragen. Ich habe die zweite beantwortet. :stuck_out_tongue:
Gruß
rakete

Hallo,

ich kann’s Dir nicht sagen, beides könnte mir gleichermaßen in die Sprache kommen.

Interessanterweise gehört das von MM genannte rübermachen nicht zu meinem aktiven Wortgebrauch, obwohl es mir natürlich geläufig ist. Ich habe jemanden in der Verwandtschaft; wenn ich von dieser Person erzähle, sage ich am ehesten „Sie ist in den Westen gegangen“ oder „Sie ist abgehauen“.
In dem Fall wäre mir fliehen/flüchten viel zu dramatisch; sie ist noch vor dem Mauerbau über Westberlin in den Westen gekommen. Nicht mit Schlauchboot oder Heißluftballon, sondern mit der S-Bahn.

rübermachen empfinde ich persönlich als etwas abfällig. Ich „höre“ da eher etwas wie
Na, der hat jetzt auch rübergemacht.
als
Hurra, sie hat rübergemacht! Ich freu mich für sie!
Das mag aber meine persönliche Interpretation sein.

Insofern würde ich auch in Deinem Beispielsatz wahrscheinlich sagen „Er ist in den Westen gegangen“. Aber je nach Zusammenhang könnte ich auch fliehen/flüchten verwenden.

Er ist in der DDR groß geworden. Mit 18 ist er in den Westen geflohen, weil er nicht zur Volksarmee wollte.

Er ist in der DDR groß geworden. Als die Stasi ihn bedrängte, ist er schließlich in den Westen geflüchtet.

Ich kann Dir aber nicht sagen, warum ich in den Beispielsätzen einmal eher fliehen und einmal eher flüchten verwenden würde. Ganz sicher würde ich nicht darüber stolpern, wenn jemand es genau andersrum macht.

Betrachte die beiden als bedeutungsgleich. Wenn es einen Unterschied gibt, ist der so gering, dass es wirklich nicht drauf ankommt. Und ich bin gern sehr genau mit Bedeutungsunterschieden.

Viele Grüße,

Jule

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Nein, das war die gleiche Frage, nur an einem Beispiel.

Jule

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Ah ja, ich hab mirs gedacht: Du wolltest die Frage nicht kapieren.

Du wirst lachen: Es gibt Leute, die sich für diese Frage interessieren - diese hätten Freude daran, nicht mit so einem Blabla behelligt zu werden.

Schöne Grüße

MM

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Servus,

dieser Weg

ist in Biermanns „Wintermärchen“ (1965) mit „flüchten“ belegt - er brauchte allerdings auch die Silben für das Versmaß, also gab es gar keine Auswahl. B. trifft dort im Westen auf einen Sachsen, der ihn mit lauter Allgemeinplätzen in einer Art „West-Sächsisch“ überzieht, u.a. „Gurz vordäm die Mauer gam, flichdäden die meesden“.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

ja, klar kann man das sagen! So wollte ich’s nicht verstanden wissen. Aber nach meinem eigenen Sprachgebrauch befragt, stellte ich fest, dass ich es in dem konkreten Fall nie verwende. Das liegt vielleicht auch an der unaufgeregten Tonart der Erzählungen der Verwandten. Auch wenn ja durchaus die Gefahr bestand, bei einer Kontrolle aus dem Zug geholt zu werden.

Viele Grüße,

Jule

P.S. Das Vorhaben mit dem Tee heute morgen erwies sich als nicht so einfach. Ich habe Wasser gekocht und dann gemerkt, dass keine Teeblätter in der Kanne waren. Anschließend hübsch drei Minuten gewartet und dann festgestellt, dass ich nichts aufgegossen hatte… Es wurde dann aber doch noch was.

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Hallo, alle schönen Leute.
Ich möchte mich bei euch für ihre Hilfsbereitschaft bedanken und auch für die vielen guten Vorschläge.
Ich bin jetzt ein bisschen klüger geworden und habe erfahren, dass unterschiedliche Auffasungen auch unter den Deutschen herrschen.
Nochmals herzlichen Dank.