Fluglotsenstreik am 09.08.2011

Tach,

soeben wurde in Frankfurt entschieden, dass der Streik der Fluglotsen rechtmäßig ist. Morgen früh zwischen 6 und 12 Uhr wird es also zu Flugausfällen kommen und jeder, der morgen fliegen will (egal ob genau in dieser Zeit oder später, wenn das Chaos sich erst langsam abbaut) möge Rücksprache mit seiner Airline oder dem Reiseveranstalter halten um das Vorgehen abzustimmen.

Da in der deutschen Systempresse aber immer nur auf der Lohnforderung von 6,5% herumgeritten wird obwohl die Hauptforderungen der Lotsen ganz andere sind, zitiere ich für Interessierte mal das aufklärende Posting eines Lotsen im Forum ATCnet.de. Es wird klar, dass es bei der DFS seit Jahren schief läuft und den Lotsen vor allem wegen der Arbeitsbedingungen und Sicherheitsbedenken der Kragen platzt:

(User Besserwisser, 06.08.11):
"Betriebsstättenkonzept am Beispiel Düsseldorf nach Langen: dort „wird mit einem Radarsystem alles besser“. Bis heute stehen zwei getrennte Systeme in einem Raum, die Zusammenlegung wird nie kommen, zu teuer, technisch eigentlich gar nicht machbar.
Hunderte von Menschen sind umgezogen- betrieblich gesehen- bis heute für NICHTS!
Das Center in Langen ist bis heute nicht „im Griff“- zu groß, zu chaotisch der Übergang. Die ehemaligen Düsseldorfer EBGen sind DIE Problem-EBGen der DFS.
Horrende Kosten, intransparent vergraben in irgendwelchen Kostenstellen, damit niemand beweisen kann, wie ineffizient die Maßnahme eigentlich war.
Sollte Flugsicherung dadurch besser werden? Nein, nur billiger. Nebenbei wurde ein perfektes Terrorziel geschaffen: den Ausfall dieser Zentrale würde Deutschland über Jahre nicht verkraften.

Beispiel Flugdatenbearbeitung: seit 20 Jahren erklärt man einem ganzen Berufsstand, er werde in Kürze unnötig. Verunsicherte Mitarbeiter wollen der in Aussicht gestellten Entlassung zuvor kommen, kündigen oder bewerben sich zwangsläufig auf andere Stellen, um nicht irgendwann auf der Strasse zu stehen. Die Technik sie zu ersetzen läuft immer noch nicht, jetzt werden neue (!) Flugdatenbearbeiter ausgebildet, weil es durch den Aderlass einfach nicht mehr ging.
PSS, das System, das die Menschen ersetzen sollte, ist seit vielen Jahren überfällig, stösst auf ungeahnte Probleme, weil es für jede Approach- Unit völlig neu aufgesetzt werden muss (hat keiner geahnt, waren nicht genug Operative beteiligt), hat Unsummen verschlungen, erhöht definitiv nicht die Kapazität- und braucht immer noch Flugdatenbearbeiter.
Viel Schlimmer: es werden dafür derart viele Ressourcen gebunden, dass es für die Systempflege von P1 keine Kapazitäten mehr gibt.
Sollte Flugsicherung hierdurch besser oder sicherer werden? Nein, nur billiger.

Beispiel Einfachbesetzung von Arbeitsplätzen: Seit über 20 Jahren ist die „Einfachbesetzung“ von Arbeitsplätzen (ja, genau wie „in Überlingen!“) gang und gäbe. Die DFS lässt unbeeindruckt erklären, das gebe es hier nicht! Der Unterschied wird im „Kleingedruckten“ gesucht: es sei ja mehr als eine Person im Raum. Stimmt, das war in Zürich anders. Nur, was das praktisch für einen Unterschied macht erklärt niemand: überhaupt keinen! Niemand plant, daran etwas zu ändern. Die Verantwortung wälzt man durch perfide Formulierungen auf die Wachleiter ab.
Soll damit Flugsicherung besser oder sicherer werden? Nein, nur billiger.

Beispiel Pläne zur Primärradar- Abschaltung: Jeder nicht-Operative kann gar nicht abschätzen, was das bedeutet! Ach, deshalb sollen Praktiker von den Entscheider- Stellen weg?
Beispiel Pläne zur bundesweiten Peiler- Abschaltung (sollte zum Ende Juli erfolgen, wurde kurzfristig auf Eis gelegt…wie lange ist unklar): Jeder nicht-Operative kann gar nicht abschätzen, was das bedeutet! Ach, deshalb sollen Praktiker von den Entscheider- Stellen weg?
WIR LOTSEN sind dann diejenigen, die dem Notfall-Flug mit Stromausfall erklären können, dass jetzt nur noch beten hilft, weil wir ihn leider jetzt gar nicht mehr orten können. Piloten und Passagiere, lest genau!
Soll Flugsicherung dadurch besser oder sicherer werden? Nein, nur billiger.

Wer sollte gefeuert werden, als Ryanair Niederrhein wegen Personalmangel nicht anfliegen konnte? Der Wachleiter, der die Entscheidung zur Luftraumschliessung treffen musste weil er keine Leute mehr hatte - nicht die, die den Personalmangel zu verantworten haben!

Beispiel MODE-S enhanced Transponder: um uns herum nutzt es Brüssel seit Jahren, Maastricht seit Jahren, NATS (GB) seit Jahren- und die DFS? im unteren Luftraum evtl. Ende des Jahres, aufgesetzt, nicht integriert ins System! Der Sicherheits- und Kapazitätsgewinn wäre, gemessen an allen anderen vergleichbaren Massnahmen, schier unglaublich- weil wir uns aber mit PSS blockieren haben wir keine Zeit über HMI(human-machine-interface)-optimierte Systeme nachzudenken. Dabei nutzen es alle um uns herum!
Soll Flugsicherung besser werden? Nein, nur billiger.

In dieser Firma hat jeder, der keine Lizenz zum Arbeiten braucht Angst um seinen Job. Generell gilt (Gott sei Dank gibt es -wenige- Nischen): Nicht Leistung, sondern Willfährigkeit wird belohnt, wer Rückgrat hat wird rausgeworfen oder -geekelt (in Memoriam Peter Graf) oder klein gemacht (das klappt allerdings nicht immer; die Hoffnung stirbt zuletzt!). Wohin uns das gebracht hat sieht man am Beispiel Personalplanung. JEDER Operative hat es gewusst (ist ja auch echt einfach: nur mal die Geburtsdaten ansehen, dann kann man ganz leicht ausrechnen, wann die Pensionierungswellen kommen)!
Die zu „Führungskräften“ beförderten Jasager haben lieber Erfolgsprämien kassiert als für die Zukunft zu planen.

Dies entspringt der Arroganz der Führung zu glauben, man wisse alles besser: noch nie hat ein Entscheider auf Bedenken oder Vorschläge des Betriebspersonals gehört (doch, es gibt Ausnahmen, z.B. Herr M. aus L.!); falls doch, erhält er „von oben“ für jedes Detail Anweisungen. Alle mittleren Führungskräfte, ja, auch die Niederlassungsleiter und COSe, sind entweder Marionetten in einer unglaublich hierarchischen Firma, in der sich nur eine Handvoll Manager für kompetent genug hält echte Entscheidungen zu treffen (deshalb dürfen es auch nur diese), oder sie (die „Mittleren“) agieren im vorauseilenden Gehorsam, im besten Fall aber so weggeduckt dass sie keine Treffer von oben kassieren. Die Kompetenz, die hier vergeudet wird, ist gewaltig.

Und Herr Bergmann fragt sich, warum sich keiner mit der DFS identifiziert…er ist halt selbst einer der Wenigen!

Dem Fass den Boden in einer m.E. desolaten Firma schlägt aber sein Bereich „Personal“ mit seinen Oberjuristen aus: Erwähnt seien hier nur die Drohbriefe, die jeder MA im privaten Briefkasten hatte. Das zuständige Arbeitsgericht stöhnt unter der immer weiter anschwellenden Prozessflut, die von dieser Abteilung provoziert wird.
Meines Wissens führt keine Firma mit derartiger Begeisterung Prozesse um ALLES, und sucht NIE den Kompromiss.
Selbst im Tarifkonflikt werden diese Spielchen gespielt: NEIN, man ist - entgegen diverser Ankündigungen - nicht an der Wahrheit interessiert. Sonst hätte man ja die Berufungsverhandlung abwarten können; da die Niederlage drohte hat man den Antrag zurückgezogen- Was sagen eigentlich die Kunden zu dieser Art der Geldverschwendung? Ist ja immerhin Gebührenfinanziert…

Denn sie wissen nicht, was sie tun… Falls doch wäre es schon fast kriminell, wie hier die grundsätzlich hohe Motivation besonders der Operativen Mitarbeiter, die eh’ nur noch am seidenen Faden hängt, endgültig riskiert wird.

Ich könnte ewig weiter schreiben, das ist noch lange nicht alles. Für mich ist klar: eine Zukunft haben wir mit diesen Protagonisten nicht, aus den oben genannten Gründen, und weil mittlerweile viel zu viel verbrannte Erde zwischen den oberen Führungsetagen und den Mitarbeitern liegt.

Würde mal bitte jemand für einen Neuanfang sorgen?! Der Aufsichtsrat? Peter Ramsauer? Ronald Reagan? Hilfe!!!

P.S.: Die Lizenzpflichtigen Berufe werden übrigens in dieser Firma immer mehr zurück gedrängt, damit man outsourcen und fremd-vergeben kann.
Soll Flugsicherung dadurch besser werden? Nein, nur billiger.

Diesen Machenschaften können sich nachhaltig nur diejenigen entgegenstellen, deren Existenz nicht durch Willkür gefährdet ist. Was für die Airline z.B. der Pilot ist, der ohne Angst um seinen Job durchstarten darf wenn die sichere Landung nicht gewährleistet ist muss in der Flugsicherung der Techniker, Lotse und Manager sein, der seine Verantwortung leben darf ohne gegängelt zu werden. Wenn in der Industrie diese Prozesse nicht funktionieren wird das Produkt immer schlechter, es geht wirtschaftlich bergab mit dem Unternehmen - bedauerlich, aber so ist es eben.
Wenn in der Flugsicherung - die in erster Linie Sicherheit produzieren soll- solche Prozesse nicht funktionieren hat das, wie man sieht, fast keine Auswirkungen auf die Geschäftszahlen, bis die Sicherheit plötzlich weg ist. Merkt man aber immer erst hinterher. Wohin das führen kann hat man bei Skyguide gesehen. DIE haben jedenfalls aus Überlingen gelernt. WIR haben solche Erkenntnisse (siehe z.B. SSO/Einfachbesetzung) nicht nötig. Könnte ja Geld kosten.

Ich bin motiviert, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Aber nur, wenn die Verantwortlichen sich zu Ihrer Verantwortung bekennen und die Konsequenzen ziehen, und wenn ich die Chance sehe, dass es jemals wieder ein firmenweites Betriebsklima geben kann, das den Namen auch verdient. Ich habe nach all’ den Jahren der Überstunden und leeren Versprechungen und betrieblichen Verschlechterungen keine Lust mehr dem Rest der Welt eine „saubere DFS“ vorzuspielen.

Das wär’ was: Endlich kein Frust mehr bei der Arbeit…im Ernst: dafür würde ich persönlich auf das eine oder andere Prozent verzichten. Andernfalls erhebe ich den Anspruch auf mein Schmerzensgeld. Wie bisher."

Gruß,

MecFleih

Hi ho,

klingt wie die Abläufe in jeder grossen Firma.
Nichts neues unter der Sonne :frowning:

Cheers,
Herb

Moin,

nur geht es bei den meisten anderen Firmen nicht permanent um tausende Menschenleben…

Insofern finde ich schon bemerkenswert, dass in der Öffentlichkeit nur über die - in der Tat fürstliche - Entlohnung der Lotsen (Geld, Urlaub) berichtet und lamentiert wird, die viel wichtigeren Forderungen aber geflissentlich unter den Tisch gekehrt werden.

Als Flugpassagier und auch Erdbewohner, über Kopf die Flieger unterwegs sind, habe ich aber ein sehr hohes Interesse an optimaler Sicherheit. Und als Steuerzahler oder Passagier, der mit dem Ticket auch Abgaben für die Flugsicherung zahlt, würde ich gerne sehen, dass die DFS nicht sinnlos mein Geld verbrennt.

Man stellt es jetzt auch so hin als würden die bösen Fluglotsen den Passagieren den wohlverdienten Flug in den Urlaub behindern. Dass seitens der Geschäftsführung der DFS immer nur eskaliert und nicht auf die immer wieder angebotene Schlichtung eingegangen wurde, bleibt unerwähnt.

Ich bin kein Lotse und spanne mich deswegen auch nicht vor deren Karren, ich wundere mich nur über das total verzerrte Bild, was in der Öffentlichkeit gezeichnet wird. Wobei es einen nicht wundert wenn man mitbekommt, dass z. B. der ZDF-Moderator Klaus-Peter Siegloch inzwischen Präsident des Bundesverbands der deutschen Luftverkehrswirtschaft ist (http://www.bdl.aero/index.php). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt… Die Seilschaft in die Nachrichtenredaktion des ZDF wird bestimmt gaaaaaaaar keinen Einfluss auf die neutrale Berichterstattung haben wenn sich ein hauseigener Journalist als Lobbyist verdingt *hüstel*.

Aber ich schweife ab, wir sind im Reisebrett und das hier ist ja eher Politik.

Gruß,

MecFleih

worum denn nur?
Moin MecFleih,

ca.80% deines Zitates habe ich gelesen und ich denke, dass ich recht vorurteilsfrei bei dieser Sache bin. Aber…

die viel wichtigeren Forderungen aber geflissentlich
unter den Tisch gekehrt werden.

die weiß ich nun immer noch nicht. Es geht „irgendwie“ um die „Arbeitsbedingungen“. Aber das wusste ich (tatsächlich!) schon aus der Presse.
Also, worum gehts denn nun konkret?

und nicht auf die immer wieder angebotene
Schlichtung eingegangen wurde, bleibt unerwähnt.

…las ich auch schon in der Presse. Ganz so schlimm ist diese dann wohl doch nicht :wink:

Wobei es
einen nicht wundert wenn man mitbekommt, dass z. B. der

Ex-

ZDF-Moderator Klaus-Peter Siegloch

(sagt wikipedia)

VG,
J~

andere Seite der Medaille
Hi,

gerade komme ich von einem Essen mit Kollegen. War klasse. Von vier Leuten saßen praktisch permanent zwei abseits und telefonierten mit Kunden, die bis jetzt noch nicht wissen ob gestreikt wird oder nicht.

Fazit: Zwei Kunden fahren nach Frankfurt und hoffen daß Ihre Maschine so rausgeht dass sie in Hongkong ihren Anschluss nach Bali bekommen. Wenn nicht, übernachten sie auf eigene Kosten in Hongkong und schmeissen die erste Nacht auf Bali zum Fenster raus.

Vier Kunden haben sich ein Auto für 220,-- Euro gemietet und fahren heute Nacht acht Stunden vom Allgäu nach Amsterdam weil dort Ihr Flug nach Tansania wartet.

Vier Kunden haben keine Ahnung ob bzw. wie sie morgen von Frankfurt nach Anchorage kommen um dort ihre Rundreise anzutreten.

Die Frage nach dem Gehalt stellt sich mir, meinen Kollegen und den Kunden nicht. Uns geht es um die Verhältnismäßigkeit und um den Zeitpunkt. Es ist eine riesige Unverschämtheit wie ein paar unzufriedene Hanseln in der Hauptreisezeit eine ganze Reisenation in Geiselhaft nehmen. Es gibt weiß Gott bessere Zeitpunkte um die Forderungen durchzudrücken. Urlauberfamilien die sich einmal im Jahr eine Reise leisten dermaßen unter Streß zu setzen halte ich aber nicht für legitim.

bye
Rolf

OT Fluglotsenstreik im letzten Moment gestoppt
Hi,

zumindest die Sommerferien dürften jetzt für die verreisenden Familien gerettet sein. Der Fluglotsenstreik ist kurz nach Mitternacht doch noch abgesagt worden.

Vier Kunden haben sich ein Auto für 220,-- Euro gemietet und
fahren heute Nacht acht Stunden vom Allgäu nach Amsterdam weil
dort Ihr Flug nach Tansania wartet.

Mann, die werden sich sicherlich total ärgern, dass die Aktion jetzt komplett umsonst war… :frowning:

Es ist eine riesige Unverschämtheit wie ein
paar unzufriedene Hanseln in der Hauptreisezeit eine ganze
Reisenation in Geiselhaft nehmen. Es gibt weiß Gott bessere
Zeitpunkte um die Forderungen durchzudrücken.

Naja, jetzt ist ja erst mal ein paar Wochen Ruhe im Karton:
„Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hat den Schlichter angerufen, unmittelbar nachdem das Landesarbeitsgericht Hessen den Ausstand genehmigt hatte. Damit gilt Friedenspflicht und die Gewerkschaft der Fluglosten darf in den nächsten vier Wochen nicht die Arbeit niederlegen.“ (Zitat Tagesschau.de)

Grüße
Stefanie

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Moin J~,

die weiß ich nun immer noch nicht. Es geht „irgendwie“ um die
„Arbeitsbedingungen“. Aber das wusste ich (tatsächlich!) schon
aus der Presse.
Also, worum gehts denn nun konkret?

Seit die DFS privatisiert wurde agiert die Führung nach Gutsherrenart. Von einem gesunden Miteinander zwischen Führung und Mitarbeitern kann keine Rede sein, Führungsposten werden nicht nach Kompetenz sondern Vitamin B besetzt. Leute, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben treffen Entscheidungen, Kritik ist unerwünscht und wird mitunter sogar abgestraft. Frust macht sich breit.

Wir reden nicht von einer Straßenbaufirma, sondern Leuten, die jederzeit die Sicherheit einiger tausend Menschen garantieren sollen und dazu einen freien Kopf brauchen. Auch deswegen haben sie ein gutes Gehalt und großzügigen Urlaub.

Viele Mitarbeiter der DFS (nicht alle sind Radarlotsen, es gibt auch viele andere Mitarbeiter) bangen jedoch seit langem um ihre Arbeitsplätze. Inkompetenz und Geldverschwendung charakterisieren die Führung in ganz vielen Projekten. Andererseits versucht die Führung inzwischen „Effizienz“ zu einem entscheidenden Firmenprinzip zu machen, während in vielen hahnebüchenen Projekten Unsummen versickern.

Fehlplanungen in der Personalpolitik haben zu starkem Personalmangel geführt und es fallen zahlreiche Überstunden an. Manche Lotsen schieben ein paar hundert davon vor sich her. Ich zumindest möchte ungern in einem oder unter einem von 10 Fliegern sein, die ein Lotse in der x.ten Arbeitsstunde, in der er vor dem Radarschirm hockt, führt. 38,5 Wochenstunden sind nun nicht so exorbitant weniger als die Arbeitszeit in anderen Vollzeitberufen. Plus Überstunden ergibt sich ein Arbeitsschema, das keineswegs so privilegiert ist wie das im Augenblick oft dargestellt wird.

Wie erwähnt gibt es im Unternehmen DFS nicht nur gut bezahlte Lotsen, sondern auch viele sonstige Angestellte mit keineswegs sonderlich üppigen Gehältern und Privilegien. Wenn die DFS eine Lohnerhöhung um 5,2% anbietet und zugleich die Wochenarbeitszeit um 2 Stunden anheben will entspricht das ebenfalls 5,2%. Es ist also im Ergebnis eine Nullrunde. Bei einer Laufzeit von 29 Monaten wird es sogar eher eine Minusrunde. Pflegt man die 250 geforderten Überstunden ein ist es schlichtweg eine Verarschung.

Verarschung ist auch wenn man nur über die tatsächlich gut verdienenden Lotsen schwadroniert und alle anderen Beschäftigten unerwähnt lässt. Es wird eine Neiddebatte losgetreten - hat in der deutschen Systempresse ja auch gut funktioniert - und so hingestellt als hätten die üppig bezahlten Lotsen einen Streik forciert, der aber nur deswegen in greifbare Nähe rückte weil sich die DFS-Führung einer Schlichtung verweigerte. Im letzten Moment hat sie jetzt noch eingelenkt, aber lange sah es so aus als würde sie mit ihrer Verweigerungshaltung ihrerseits den Streik provozieren wollen.

Fly safe,

MecFleih

Moin,

die gute Nachricht ist, dass der Streik noch abgewendet wurde. Alle Flüge können stattfinden.

Fazit: Zwei Kunden fahren nach Frankfurt

Vier Kunden haben sich ein Auto für 220,-- Euro gemietet

Vier Kunden haben keine Ahnung

Keine Frage, für diese Kunden ist es sehr ärgerlich. Aber das Recht zu streiken ist in Deutschland vorhanden und wird hier mehr als moderat eingesetzt. In Frankreich oder Italien ist alle paar Monate Generalstreik angesetzt… Wenn Ärzte, Piloten, Lokführer oder Fluglotsen - weil sie nun mal eine größere Wirkung erzielen als eine streikende Aldi-Verkäuferin - tatsächlich etwas lahm legen können ist das ätzend für betroffene Kunden, liegt aber in der Natur der Sache.

Die Frage nach dem Gehalt stellt sich mir, meinen Kollegen und
den Kunden nicht. Uns geht es um die Verhältnismäßigkeit und
um den Zeitpunkt. Es ist eine riesige Unverschämtheit wie ein
paar unzufriedene Hanseln in der Hauptreisezeit eine ganze
Reisenation in Geiselhaft nehmen.

Man schätzte 400.000 Fluggäste. Bei 82 Millionen Deutschen kann „von einer ganzen Nation“ nicht die Rede sein. Im übrigen verweigerte sich die DFS, also der Arbeitgeber, bis zum allerletzten Moment der Schlichtung. Es waren also nicht die Lotsen, die das Schlamassel bis zur letzten Sekunde getrieben haben, sondern eine lange nicht gesprächsbereite Arbeitgeberseite.

Man sollte auch immer bedenken, dass es hier um die Arbeitsbedingungen in einer Firma geht, in deren Hand jeden Tag hunderttausende Leben liegen. Sowohl an Bord eines Flugzeugs wie auch als einer, über dessen Köpfe sie fliegen, habe zumindest ich allergrößtes Interesse daran, dass die Leute in dem Unternehmen beste Arbeitsbedingungen und einen freien Kopf haben - und sich nicht mit Problemen irgendwelcher Art herumschlagen. Genau das zieht sich in der DFS aber seit Jahren wie ein roter Faden durch.

Bei der DFS arbeiten außerdem nicht nur gut bezahlte Lotsen sondern auch viele andere Mitarbeiter. Deren Arbeitsplätze werden seit Jahren bedroht und sämtliche DFS-Angestellten schieben massiv Überstunden vor sich her. Bis zu 250 werden alleine deswegen vom Arbeitgeber erwartet weil man durch personelle Fehlplanungen einen Mangel an geeignetem Personal hervorgerufen hat.

Die DFS bot eine Lohnerhöhung um 5,2%, verbunden mit einer Anhebung der Wochenerbeitszeit (38,5 Std.) um 2 Stunden. das sind ebenfalls 5,2%, de facto gibt es also nicht mehr Lohn, sondern das Angebot ist eine Nullrunde. Bei einer Laufzeit von 29 Monaten und erwarteten 250 Überstunden sogar ein Minusgeschäft - also einfach nur Verarschung.

Verarschung ist auch wenn es immer nur um die tatsächlich gut bezahlten Lotsen geht, aber alle anderen Mitarbeiter unerwähnt bleiben. In den Medien tobt eine Neiddebatte über die Lotsengehälter, die anderen Bediensteten erwähnt keiner, auch nicht das Minus-Angebot der DFS und auch nicht, dass diese den Streik durch eine Verweigerung der Schlichtung bis zum allerletzten Moment provoziert hat. Es war nicht die Gewerkschaft, die das forciert hat.

Gruß,

MecFleih

kein Streik
Moin MecFleih,

danke, nun wird die Sache klarer. Allerdings fürchte ich auch, dass es tatsächlich in anderen großen deutschen Unternehmen nicht anders aussieht.

Habe gestern abend und eben noch mal etwas in dem von dir genannten Forum gelesen. Die Meinungen sind da ja recht eindeutig :wink:
Und Streik gibts ja nun doch nicht…obwohl die Gewerkschaft heute Nacht vor dem Gericht gewonnen hat.

VG,
J~

Hi,

die gute Nachricht ist, dass der Streik noch abgewendet wurde.
Alle Flüge können stattfinden.

Sag das denen, die mit dem Auto um 11.00 Uhr nach Amsterdam gefahren sind.

Keine Frage, für diese Kunden ist es sehr ärgerlich.

Nicht nur ärgerlich. Ein riesiger Streß, verbunden mit hohen Kosten.

Aber das
Recht zu streiken ist in Deutschland vorhanden und wird hier
mehr als moderat eingesetzt. In Frankreich oder Italien ist
alle paar Monate Generalstreik angesetzt… Wenn Ärzte,
Piloten, Lokführer oder Fluglotsen - weil sie nun mal eine
größere Wirkung erzielen als eine streikende Aldi-Verkäuferin

  • tatsächlich etwas lahm legen können ist das ätzend für
    betroffene Kunden, liegt aber in der Natur der Sache.

Und deswegen muß man es in der Hauptreisezeit der deutschen Urlauber machen anstatt in einer Zeit, in der man deutlich weniger Touristen und Familien trifft? Mit „Reisenation“ waren übrigens die 400.000 gemeint. Darum „Reise“-Nation :smile:

Nochmal, ich verstehe die Lotsen und ich bin nicht gegen Streik. Nur ist die Verhältnismäßigkeit für mich nicht gegeben, aber das sagte ich schon.

bye
Rolf

Man sollte auch immer bedenken, dass es hier um die
Arbeitsbedingungen in einer Firma geht, in deren Hand jeden
Tag hunderttausende Leben liegen. Sowohl an Bord eines
Flugzeugs wie auch als einer, über dessen Köpfe sie fliegen,
habe zumindest ich allergrößtes Interesse daran, dass die
Leute in dem Unternehmen beste Arbeitsbedingungen und einen
freien Kopf haben - und sich nicht mit Problemen irgendwelcher
Art herumschlagen.

Dein Leben liegt in der Hand vieler Menschen, um deren Gehalt du dir wahrscheinlich weniger Gedanken machst, zumindest hier keine seitenweise Mehrfachpostings loslässt: Lokführer, Busfahrer, Lkw-Fahrer, Elektriker, Gasinstallateure, Metzger, Köche, Kfz-Mechaniker, Statiker, Love-Parade-Organisatoren,… Das Besondere an den Fluglotsen ist nur, dass sie unverzichtbar für das Funktionieren des Luftverkehrs und kurzfristig nicht ersetzbar sind, und deshalb Arbeitgeber und Gesellschaft erpressen können. Selbst wenn ihre Anliegen berechtigt sind, was ich nicht beurteilen kann, gehören die Lotsen daher zu den Letzten, für die ich öffentliche Solidaritätsbekundungen vom Stapel lassen würde.

Gruß
Axurit

und täglich grüßt das Murmeltier
Guten morgen,

Seit die DFS Name meines Arbeitgebers privatisiert wurde agiert die Führung nach
Gutsherrenart. Von einem gesunden Miteinander zwischen Führung
und Mitarbeitern kann keine Rede sein, Führungsposten werden
nicht nach Kompetenz sondern Vitamin B besetzt. Leute, die von
Tuten und Blasen keine Ahnung haben treffen Entscheidungen,
Kritik ist unerwünscht und wird mitunter sogar abgestraft.
Frust macht sich breit.

so ist der Text auch zu 100% korrekt. Und wie schon öfter gesagt wurde, trifft das auf nicht wenige Unternehmen zu.

Wir reden nicht von einer Straßenbaufirma, sondern Leuten, die
jederzeit die Sicherheit einiger tausend Menschen garantieren
sollen und dazu einen freien Kopf brauchen.

Mir wäre schon recht, wenn die Mitarbeiter von Hoch- und Tiefbauunternehmen mit klarem Kopf arbeiten würden:
http://www.rp-online.de/region-duesseldorf/duesseldo…

Den Straßenbau betrifft das ganz genauso - wie auch viele andere Berufsgruppen. Wo geschlampt wird, stehen schnell Menschenleben und große Vermögenswerte auf dem Spiel.

Viele Mitarbeiter der DFS (nicht alle sind Radarlotsen, es
gibt auch viele andere Mitarbeiter) Name meines Arbeitgebers bangen jedoch seit langem
um ihre Arbeitsplätze. Inkompetenz und Geldverschwendung
charakterisieren die Führung in ganz vielen Projekten.
Andererseits versucht die Führung inzwischen „Effizienz“ zu
einem entscheidenden Firmenprinzip zu machen, während in
vielen hahnebüchenen Projekten Unsummen versickern.

Auch der Text stimmt nach der kleinen Korrektur. Die Beschreibung trifft wohl auch nicht nur wenige Unternehmen zu.

Fehlplanungen in der Personalpolitik haben zu starkem
Personalmangel geführt und es fallen zahlreiche Überstunden
an. Manche Lotsen schieben ein paar hundert davon vor sich
her.

D.h. die Stunden verfallen nicht und werden ausbezahlt oder abgefeiert? In anderen Unternehmen werden Mitarbeiter mit Gehältern größer > ~60.000 außer Tarif bezahlt und das bedeutet in der Regel, daß die Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind.

10 Fliegern sein, die ein Lotse in der x.ten Arbeitsstunde, in
der er vor dem Radarschirm hockt, führt. 38,5 Wochenstunden
sind nun nicht so exorbitant weniger als die Arbeitszeit in
anderen Vollzeitberufen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß die Arbeit am Radarschirm sehr anstrengend ist und man an die Leute nicht die gleichen Arbeitszeitanforderungen stellen sollte, wie an normalen Bildschirmarbeitsplätzen, aber 38,5 Stunden sind für Stellen in der Gehaltsklasse eher ein Witz - und die in den Medien 150 kolportierten Überstunden eher die Regel als die Ausnahme. Wohlgemerkt: das entspricht einer guten halben Stunde pro Arbeitstag.

Etwa eine Überstunde pro Tag wird hier in normalen Zeiten von jedem außertariflich beschäftigten Mitarbeiter erwartet. Ich habe genug Kollegen, die ohne zu murren täglich zwei Stunden drauflegen (also 400-450 Überstunden pro Jahr) - und zwar ohne zu murren und ohne sechsstelliges Gehalt.

Kurzum: mir ist klar, daß die Sache nicht so einfach ist wie sie in den Medien oft dargestellt wird und mir ist auch klar, daß es nicht primär ums Geld geht und es etliche andere Mißstände gibt, die es zu beseitigen gilt.

Es ist aber nicht so, daß die Fluglotsen (und die anderen Mitarbeiter der DFS) durchgängig arme Schweine wären, die unter außergewöhnlich schlechten Bedingungen Fronarbeit leisten müßten. Vielmehr sind die Damen und Herren nun offensichtlich in der Realität (also der freien Wirtschaft) angekommen und schlagen sich mit den gleichen Problemen herum wie viele andere Arbeitnehmer.

Wenn man dann versucht, die alten Zeiten wieder zurückzuholen, indem man automatische Gehaltssteigerungen und Beförderungen verlangt und sich in Dinge einmischt, die die Arbeitnehmer nichts angehen (und z.B. festlegen will, nach wie vielen Jahren als „normale“ Sekretärin frühestens Chefsekretärin werden darf), dann muß man auch damit rechnen, daß sich der Arbeitgeber dagegen sträubt.

Im übrigen möchte ich noch anmerken, daß einige (nicht alle) Deiner Aussagen zu den Streiks der LH-Piloten in der Vergangenheit nicht ganz so differenziert waren, wie die, die Du nun im Zusammenhang mit der DFS tätigst. Daraus könnte man ganz grundsätzlich die Lehre ziehen, daß sich Sachverhalte immer etwas komplizierter darstellen, als sie in den Medien vermittelt werden.

Gruß
Christian

Auch Tach,

naiv wie ich bin dachte ich hier kann man Erfahrungen und Fragen rund ums Reisen austauschen.
Ich wusste nicht dass wir hier Tarifkämpfe beurteilen oder rechtfertigen oder wiederlegen oder was weiß ich.

Sehr merkwürdig …

Viel Spaß noch beim Streiten wer wichtiger ist und mehr Menschenleben in der Hand hält. (das klingt übrigens richtig gut…)

und Tschüß

Der Sinn eines Streiks
Moin,

und deshalb
Arbeitgeber und Gesellschaft erpressen können.

sie wollten streiken. Das sie das dürfen, hat ihnen heute sogar das Landesarbeitsgericht bestätigt. Der Sinn eines Streiks ist es, die Gegenseite unter Druck zu setzen; kannst du noch mal eben erklären wo du hier eine Erpressung zu sehen glaubst?

Selbst wenn
ihre Anliegen berechtigt sind, was ich nicht beurteilen kann,
gehören die Lotsen daher zu den Letzten, für die ich
öffentliche Solidaritätsbekundungen vom Stapel lassen würde.

Warum nicht und warum sollten das andere auch nicht tun sollen?

VG
J~