Foltermuseum - echt übel

Durch den Nachrichtendienst für Historiker bin ich auf den Link des Foltermuseums in Rüdesheim/Rhein gestoßen.

http://www.middle-ages-torture.com/

Die Vorstellung auf der Website ist ein gutes Beispiel, wie die Menschen für dumm verkauft werden. Reine Effekthascherei, Gruseleffekte etc., aber der Stand der Forschung von vor 150 Jahren!
Auf diese Art werden die Arbeiten der Historiker konterkariert. Besonders aufgeregt hat mich noch die moralische Erhabenheit, mit der man der Sensationsgier den Mantel der Menschenrechtsverteidigung umgehängt hat.

Nur drei Punkte der Kritik:

  • Die Hexenverfolgung war ein Phänomen der Neuzeit, nicht des Mittelalters.
  • Die Folterinstrumente, die in Deutschland gezeigt werden, sind meistenteils Fälschungen des 19.Jh. Mich würde mal interssieren, wie mitelalterlich die Exponate in Rüdesheim wirklich sind.
  • Und wohl nicht mehr aus dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen ist der Dreiklang Hexe-Folter-Inqusition. Das hatte aber sehr wenig miteinander zu tun.

Nur mal so als Anregung von
Andreas

Hallo Andreas,
ich muß voraussetzen, daß ich kein Historiker bin und mich recht wenig mit Geschichte auskenne. Ich habe die von dir genannte Seite angeschaut und mir ist es auch aufgefallen, was für ein Quatsch da erzählt wird. Was die Exponate betrifft, würde es mir als Laie absolut nicht einfallen, daß sie nicht echt sein könnten, sondern später konstruiert. Ich hätte eine Frage an dich: woran merkst du das? Ich habe vor einigen Jahren das Foltermuseum in Rothenburg ob der Tauber besichtigt und war damals ziemlich beeindruckt. Bist du der Meinung, daß auch die Folterinstrumente dieses Museums nicht aus der Zeit stammen, wie angegeben?
Freue mich auf deine Meinung.
Gruß,
Camilla

Echte und falsche Ausstellungsstücke
An Camilla:
Ich kenne das Museum nicht. Aber schau Dir bitte die Startseite des „Foltermuseums“ an. Dort ist eine „Scharfrichtermaske“ abgebildet. Wangen und Nase sind rot von Rost. In den Ecken und Winkeln der Maske sitzt aber merkwürdigerweise kein Rost (z.B. fehlt er über den Sehschlitzen; wo das Metall zu den Augenöffnungen aufgebogen ist, müßte sich der Rost zuerst ansammeln).
Wendelin Böheim schrieb 1890 im „Handbuch der Waffenkunde“, Kapitel „Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen“:
„Verdächtig … ist aller Rost, der eine lebhafte rote Farbe hat …, ebenso solcher, der nicht in den Vertiefungen, Brüchen etc. sitzt, sondern an den flachen, offenen Stellen“.
Ich will nicht behaupten, daß die Maske komplett gefälscht ist. Aber sie ist (nach Wendelin Böheim) verdächtig. Ich würde sie gern einmal von innen sehen. Im Mittelalter kannte man nur Schlagblech, und auf der Innenseite einer Henkersmaske hat gewiß keine Oberflächenbearbeitung stattgefunden. Man müßte also deutliche Hammerspuren erkennen können.
Im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle wurde vor ein paar Jahren ein „langobardischer Helm“ gezeigt, der außen (!!!) feine parallele Striche, wie mit einer Nadel geritzt, aufwies - d.h. aus Walzblech gefertigt war.

Django

woran merkst du das? Ich habe vor einigen
Jahren das Foltermuseum in Rothenburg ob der Tauber besichtigt
und war damals ziemlich beeindruckt. Bist du der Meinung, daß
auch die Folterinstrumente dieses Museums nicht aus der Zeit
stammen, wie angegeben?

Ich habe weder das eine noch das andere überprüft. ABER:
Die meisten Folterinstrumente sind im 19. Jh. nachgebaut worden, um eben zu zeigen, wie grausam das Mittelalter gewesen sei.
Ich weiß z.B. das sich die Befragungsstätte im Regensburger Rathaus damit schmückt, als eine der wenigen Museen nur Originale zu zeigen.
Oft dürfte das also nicht oft vorkommen. Der Umfang der Rüdesheimer Sammlung, die keine Lücken zu kennen scheint, bestärkt aber meine Skepsis.

Nicht sehr hilfreich für Dich, aber vielleicht eine Anregung.

Andreas

Mein Vorschlag: Um die Echtheit von Exponaten zu prüfen, sollte man sich die im Original anschauen und nicht aus der Ferne lästern. Es ist sicher richtig, daß einige Sachen nachgebaut sind (so ist die „eiserne Jungfrau“ ein Märchen), doch welchen Nährwert hat es, solche Sachen zu fälschen.

Übrigens, eines ist richtig. Die Hexenverfolgung gehört überwiegend in die Neuzeit, weil nach 1500 der Schwachsinn massiv seinen Lauf nahm.

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Warum fälschen?

Mein Vorschlag: Um die Echtheit von Exponaten zu prüfen,
sollte man sich die im Original anschauen und nicht aus der
Ferne lästern.

Das wäre in der Tat das wissenschaftlich korrekte Verfahren. Für mich stellt sich das Präsentieren angeblich echter mittelalterlicher Folterinstrumente aber so dar, wie damals die Hitler-Tagebücher. Ich bin nicht Fachmann genug, um den endgültigen Beweis der Fälschung führen zu können. Aber mit gehobenen Basiswissen kann ich schon einschätzen, dass es wohl falsch ist. Darauf wollte ich hinweisen.

Es ist sicher richtig, daß einige Sachen
nachgebaut sind (so ist die „eiserne Jungfrau“ ein Märchen),
doch welchen Nährwert hat es, solche Sachen zu fälschen.

Eine interessante Frage. Es gab diese „Nährwerte“! Einmal wie heute das Gruselbedürfnis oder die Unsitte, sich am Leid anderer zu ergötzen (siehe Unfallgaffer heute). Zum anderen aber hatte das Bürgertum im 19. Jd., als es noch im Machtkampf mit den alten Eliten (Adel/Kirche) stand, das Bedürfnis, seine moralische Überlegenheit zu beweisen.
Dazu dienten eben Nachbauten der Folterinstrumente, die den Zeitgenossen anschaulich machen sollten, wie übel und rechtlos es in der Feudalzeit war.

Übrigens, eines ist richtig. Die Hexenverfolgung gehört
überwiegend in die Neuzeit, weil nach 1500 der Schwachsinn
massiv seinen Lauf nahm.

Auch das gehört zur propagandistischen Auseinandersetzung des 19. Jhs. Indem man (=das Bürgertum) der Kirche einige Grausamkeiten unterschob, wurde ihre Macht diskreditiert. In Bezug auf die Hexenverfolgung wirkt dieses Denken ja bis heute nach. 98% aller Deutschen werden auf Nachfrage antworten, die Kirche habe die Hexen verfolgt.

Ich möchte nicht bestreiten, dass diese Auseinandersetzung mit den alten Autoritäten wichtig und richtig war. Aber nach fast 200 Jahren sollte man mal der Wahrheit die Ehre geben.

Andreas