Formulierung bei Anwaltsschreiben

Hallo zusammen,

Bekannte von mir sind im Scheidungskrieg, reden nur noch über ihre Anwälte miteinander, zoffen sich über jede Kleinigkeit. Gibts ja öfters, aber in den Schreiben, die mir gezeigt wurden, fiel mir die Schreibweise der beteiligten Anwälte auf. Da heisst es (wenns z.B. um angeblichen Nebenerwerb beider geht), die Anschuldigungen wären „unwahr“ oder „unrichtig“, aber auch, das „Unwahrheiten“ verbreitet wurden. Muss man als Anwalt so seltsam formulieren, kann man nicht schreiben, das ist falsch oder eine Lüge, die verbreitet wurde?? Beim ersten Lesen hab ich gedacht, das der Anwalt wohl früher im Deutschunterricht öfters nicht anwesend (oder schreibt man dann unanwesend??) war. :wink:

Im Online-Duden stehen diese Wörter zwar auch drin, aber im allgemeinen Sprachgebrauch werden die idR nicht verwendet, jedenfalls kenn ich keinen, der so reden würde.

LG Erika

Auch hallo.

Also ich vermute mehrere plausibel klingende Gründe hinter diesem Juristendeutsch:

  1. rein psychologisch erkennt das Gehirn nur postive Formulierungen (http://www.birkenbihl.de). Bei negativen „streikt’s“ :smiley:
  2. Ein Anwalt ist was Besseres und hebt sich u.a. durch die Sprache von der Masse des Volks ab
  3. Hier was dabei ? http://www.legamedia.net/dy/articles/article_14822.php
    & http://www.google.de/search?hl=de&q=Anwalt+Ausdruck+…
  4. ***Grund einsetzen***

Mal schauen wie unwahr mein Ego Mandant vermutet hat
mfg M.L.

Hallo Erika,

fiel mir die Schreibweise der beteiligten Anwälte auf.
Da heisst es (wenns z.B. um angeblichen Nebenerwerb beider
geht), die Anschuldigungen wären „unwahr“ oder „unrichtig“,
aber auch, das „Unwahrheiten“ verbreitet wurden. Muss man als
Anwalt so seltsam formulieren, kann man nicht schreiben, das
ist falsch oder eine Lüge, die verbreitet wurde?? Beim ersten
Lesen hab ich gedacht, das der Anwalt wohl früher im
Deutschunterricht öfters nicht anwesend (oder schreibt man
dann unanwesend??) war. :wink:

Im Online-Duden stehen diese Wörter zwar auch drin, aber im
allgemeinen Sprachgebrauch werden die idR nicht verwendet,
jedenfalls kenn ich keinen, der so reden würde.

Das spricht für Dich und die Leute, mit denen Du Dich umgibst :wink:
Es ist eben Schriftsprache. Und die unterscheidet sich nun einmal
deutlich von dem gesprochenen Wort. Genau wie auch kaum jemand
perfekt hochdeutsch spricht, sondern auch meist eine Sprachfärbung
hat; solch heissen: Dialekt.

Ich persönlich fand den ersten Denkansatz von Markus Lahr ziemlich
interessant.
Meine Idee dazu ist folgende: Juristen müssen einerseits enorm
präzise sein - eben das, was man ihnen oft vorhält, indem man sagt,
es wären Korinthenkacker.
Andererseits gibt es auch einige, die eben nicht so gerne und/oder
gut schreiben. Schliesslich ist es ähnlich mühsam wie hier im Forum:
wie sage ich möglichst viel möglichst knapp um mir nicht die Finger
wund zu tippen.
Ausserdem kommt noch dazu, dass eine Besonderheit dieser Art des
Schreibens ist, dass man sowohl sehr abstrakt denken und schreiben
muss und andererseits auch den Sachverhalt, also dass, was wirklich
passiert ist, darstellen muss. Dass alleine zu verknüpfen ist schon
anstrengend für den Schreiberling. Hinzu kommen Erwägungen wie: bin
ich mir sicher? was weiss die Gegenseite? Muss man dieses und jenes
noch weiter ausführen? usw.

Es gleicht einem Spagat. Interessant daran sind die
Gedankenkonstrukte, die entworfen werden. Wenn man Verständnis dafür
entwickelt hat, kann man an den jeweiligen Stellen vermuten, was die
jeweilige Ursache für diese oder jene Formulierung gewesen sein mag.
An Deinem Beispiel lässt sich das auch zeigen. „X sagt die
Unwahrheit“ schreibt der RA beispielsweise. Ob X das absichtlich,
wider besseren Wissens tat oder nicht, bleibt offen. Vielleicht kommt
es darauf in dem konkreten Bezug nicht an. Man muss den anderen ja
nicht direkt der Lüge bezichtigen, sprich: sich aus dem Fenster
lehnen.

Lusitg finde ich es allemal, wenn Menschen Schreiben verfassen
sollen. Dazu braucht man sich nur die gesammeten
Kuriositäten anschauen, die es so im Umlauf gibt: Schadenmeldungen
die eher lustig sind denn informativ, Schulaufsätze, Polizeiberichte,
Häftlingspost, etc.
Warum zum Beispiel Beträge ausgekehrt werden, anstatt ausgezahlt zu
werden, ist mir auch nicht klar. Ist wohl eine Form von Sprach-
Konservatismus. Ebenso wie „Meine Mandantschaft“, auch wenn es nur
eine Person ist und dergleichen mehr.

Es menschelt all überall…

In diesem Sinne - Jaschiii

Hallo!

In der Juristerei muss man sehr genau und sachlich mit der Sprache umgehen. Vor ein paar Tagen frug jemand im Brett „Deutsche Sprache“, warum man statt „Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass ihm kein Fehlverhalten nachzuweisen ist“ nicht einfach „Er hat sich korrekt verhalten“ oder auch „Wir finden keine Schuld an ihm“ sagen kann. Der Grund ist ganz leicht zu erkennen: Es handelt sich um komplett verschiedene Aussagen.

Ähnlich verhält es sich in dem von Dir angebrachten Beispiel: „Die Behauptung ist unwahr“ beschreibt einen ganz klaren Sachverhalt exakt, nämlich den, dass die Behauptung nicht wahr ist. Die „Lüge“ hat im Sprachgebrauch eine wesentlich differenziertere Bedeutung. Erstens gibt es keine Lüge ohne einen Menschen, der sie ausspricht, während die Unwahrheit lediglich eine adjektivische Umschreibung der Behauptung darstellt. Zweitens hat die Lüge einen eindeutigen subjektiven Einschlag. Es gibt keine fahrlässige und schon gar keine unbewußte Lüge. Der Begriff der Lüge impliziert den Vorsatz, eine Behauptung aufzustellen, die nicht wahr ist, obwohl die behauptende Person diesen Umstand kennt oder kennen muss.

Und da, wie schon beschrieben, der Anwalt sich stets sachlich zu äußern hat, hat er Wertungen zu unterlassen, wenn Sie keine Rolle spielen.

Weiter unten habe ich Dir noch ein Beispiel notiert.

Ein Beispiel für Erika!

  1. Ein Anwalt ist was Besseres und hebt sich u.a. durch die
    Sprache von der Masse des Volks ab

Das ist sowohl unwahr als auch eine Lüge.

Hallo!

Dem stimme ich natürlich voll zu, wobei man ehrlicherweise schon eines dazusagen muss: merkwürdigerweise haben sich gerade bei Juristen gewisse Formulierungen erhalten, die schlichtwegs grammatikalisch falsch sind (zB die Unsitte, in Hauptsatzreihen im zweiten Hauptsatz das Prädikat an die erste Stelle zu stellen).

Ich weiß jetzt nicht, ob das auch in Deutschland üblich ist aber zB fällt mir Folgendes ein: „Gegenständliche Angelegenheit ist somit für unsere Kanzlei erledigt und wird der Akt abgelegt werden.“

Genauso verwenden leider viele Juristen irgendwelche komplizierten Satzkonstruktionen, damit andere glauben, sie sind sehr gescheit oder aber sie haben es nie anders gelernt und übernehmen einfach die Formulierungen ohne nachzudenken (zB die übermäßige Verwendung von Passivkonstruktionen ist so ein Fall).

Im Prinzip haben aber auch Juristen keine kompliziertere Fachsprache als andere Wissenschaften.

Gruß
Tom

…war doch subjektiv zu sehen
Morgen.

  1. Ein Anwalt ist was Besseres und hebt sich u.a. durch die
    Sprache von der Masse des Volks ab

Das ist sowohl unwahr als auch eine Lüge.

Zugegeben, ein Anwalt muss sich nicht durch sein Verhalten von der Masse des gemeinen Volks unterscheiden. Aber rein tendenziell hat jedes Studienfach seine eigene Sprache und Verhaltensweisen und deren Vertreter grenzen sich durch den Gebrauch derselben von den Nichtvertretern ihrer Zunft ab…

mfg M.L.