Foto von 1934, Eine Person 'verweigert' den H-Gruß

Hallo

Ich habe vor kurzem ein Buch bekommen, daß sich recht ausführlich mit der Geschichte meines Heimatdorfes befasst.
In dem Buch ist ein Foto von den Feiern zum 1. Mai 1934 abgebildet. Laut Bildtext wurde das Foto aufgenommen, als der Bürgermeister seine Rede gerade beendet hatte, und alle zum Hitlergruß aufgefordert hatte. Jedenfalls sind alle gerade mit der erhobenen rechten Hand zu sehen.
Bis auf eine Person. Ein Mann der direkt vorne in der ersten Reihe steht, hat seine Hände scheinbar sehr bewusst vor dem bauch verschränkt. Er sieht nicht so aus, als ob er unaufmerksam wäre, und die Aufforderung einfach verpasst hätte, nein er steht sehr selbstbewusst da, und lässt die Hände unten.
Leider erfährt man nichts darüber, wer dieser Mann war, und warum er das getan hat. Auch über sein weiteres Schicksal steht da nichts.
Aber wie Gefährlich/Dumm/Mutig war ein solches Verhalten im Jahr 1934? Hatte man damals schon Folgen zu befürchten? Oder ist sowas erst später sanktioniert worden? Der Mann steht dabei nicht etwas irgendwo am Rand, sondern direkt gut sichtbar in der ersten Reihe. Sowohl die Ortsoberen auf der Rednertribüne als auch die Leute unten dürften das Verhalten kaum übersehen haben. Daher die Frage wie riskant so eine Aktion damals war. Auch wenn klar ist, daß man das tatsächliche Schicksal des Mannes kaum hier wird klären können (darauf will ich auch nicht hinaus), aber die Frage nach den Risiken denen man sich bei so etwas ausgesetzt hat, sollte zu klären sein.

Vielleicht spielt es dabei eine Rolle daß der Ort insgesamt erst sehr spät der Ideologie gefolgt ist. Noch 1932 gab es im ganzen Ort gerade mal 9 Parteimitglieder. Und das waren alles welche die von außen zugezogen sind, um den Ort dann von innen heraus „Anzupassen“. Auf einem Foto das die Feiern zum 1.5.1933 (also ein Jahr davor) zeigt, ist nur eine kleine Hakenkreuzfahne über die große bayerische Fahne gehängt. Auch die braun Uniformierten halten sich auch noch dezent im Hintergrund. Ein Jahr später hat sich das Bild aber dann doch gewandelt. Da ist es eben nur noch die eine Person die den Hitlergruss verweigert. Auch der Fahnenschmuck entspricht nun dem was man aus der Zeit kennt.

Vielen Dank für die Antworten

Hi,

Da es um Lokalgeschichte geht, würde ich doch als erstes den Autor des Buches kontaktieren, in der Annahme, der wird irgendwo in der Nähe wohnen. Kommt ja relativ selten vor, dass einer aus einer weit entfernten Gegend sich die Geschichte eines bestimmten Dorfes vornimmt. Weitere Quellen wären die ältesten Bewohner des Dorfes, die sich vielleicht erinnern können, wer das ist.

Das wäre meine Vorgehensweise bei der Frage.

Liebe Grüße
Livia

Hallo

Aber wie Gefährlich/Dumm/Mutig war ein solches Verhalten im
Jahr 1934?

Meine Großmutter hat 1934 als höhere BDM-Führerin ihren ganzen Nazikrempel frühmorgens in einem großen Karton vor der Gaugeschäftsstelle abgestellt, weil ihr Bruder wegen eines Goebbels-Witzes einsaß - und ist auf diese Weise aus dem Verein ausgetreten. Sie hat in der Sache nie wieder etwas gehört.

Der Mann ohne Hitlergruß war vielleicht ein Ausländer und als solcher den Einforderungen von „Gefolgschaft“ entzogen? :smile:

Gruß
smalbop

Hallo Brainstorm64,
Zu dem Thema gibt es ein interessantes Buch von Tilman Allert: „Der deutsche Gruß“. Stuttgart: Reclam 2010, ISBN 978-3-15-020191-6 Buch anschauen
http://www.vorwaerts.de/trackback/11211

Viele Grüße
Marvin

Tach auch,

schwer zu beurteilen. In der Anfangszeit ging es noch nicht ganz so brutal zu, das kam erst nach 1938. Anfangs hatte Hitler noch einiges zu tun andere in der NS-Partei zu beseitigen (SA, Röhmputsch). Dann nach 1934 hat Hitler regelrecht Kreide gefressen.
Auch schreibst du von Bayern, d.h. katholischer Gegend. Da war die Nazi-Gefolgschaft deutlich geringer als in protestantischen Gegenden!

Gruss
Laika

den es auch immer wieder umtreibt, dem völlig unklar ist, wie so etwas kommen konnte, wie ein ganzes Volk (ein sehr großer Teil) da mitgemacht hat.

Allzu groß dürfte das Wagnis nicht gewesen sein. Gerade in einer Dorfgemeinschaft früher wie heute ist man mit einander bekannt und meist befreundet, sodass es nicht in dem Maße zu Strafen kommen würde!
Selbst bei schwereren Vergehen hatte man wenig zu befürchten,
Beispiel:
Mein Urgroßvater hat dem Bürgermeister seines Dorfes eine Ohrfeige gegeben und ist aus der NSDAP ausgetreten, als dieser einen Juden schlagen wollte. Passiert ist nichts.
Meine Urgroßmutter hat in Kriegszeiten die Radiosender des Feindes gehört und wurde erwischt. Passiert ist nichts.

Ungeachtet der schlimmen Verbrechen der Nazis sollte man nicht annehmen, dass jede Kleinigkeit gleich KZ oder Strick bedeutet hat.

Ich frage mich sowieso, ob das Ausführen des Hitler-Grußes jemals Pflicht war (ausgenommen in der SS und in der Wehrmacht ab 1944).
Das Gesetz würde ich gern sehen. :smile:

Hallo B.,

mein Großvater war in den 30er Jahren bei der Bahnpolizei. Als die Nazis sich weiter ausbreiteten, sollte er als treuer Staatsdiener in die Partei eintreten und ein entsprechendes Abzeichen auf seiner Uniform tragen.
Als er sich weigerte beides zu tun, wurde er zwangsversetzt und durfte fortan als Kranfahrer bei der Bahn arbeiten. Selbstverständlich zu einem wesentlich niedrigerem Gehalt.
Nach dem Krieg durfte bzw. konnte er, nach der Kriegsgefangenschaft in Sibirien, den Job bei der Bahnpolizei nicht mehr aufnehmen.
Eine finanzielle Entschädigung hat nie erhalten.

Harleybiene

Lieber hank-the-tank

Allzu groß dürfte das Wagnis nicht gewesen sein.

1934 vielleicht noch nicht. Aber der Mann wurde doch bestimmt als potenzieller Oppositioneller wahrgenommen. Darin lag sein Risiko. Möge er davongekommen sein.

Gerade in
einer Dorfgemeinschaft früher wie heute ist man mit einander
bekannt und meist befreundet, sodass es nicht in dem Maße zu
Strafen kommen würde!
Selbst bei schwereren Vergehen hatte man wenig zu befürchten,
Beispiel:
Mein Urgroßvater hat dem Bürgermeister seines Dorfes eine
Ohrfeige gegeben und ist aus der NSDAP ausgetreten, als dieser
einen Juden schlagen wollte. Passiert ist nichts.
Meine Urgroßmutter hat in Kriegszeiten die Radiosender des
Feindes gehört und wurde erwischt. Passiert ist nichts.

Da hat sich dein Urgroßvater aber deutlich von der überwiegenden Mehrheit der Deutschen abgehoben. Aber auch hier meine ich, dass dein Urgroßvater für seine Zivilcourage u. U. schwer hätte leiden können, wenn er an „den Falschen“ geraten wäre.

Ungeachtet der schlimmen Verbrechen der Nazis sollte man nicht
annehmen, dass jede Kleinigkeit gleich KZ oder Strick bedeutet
hat.

Da hast du natürlich recht. Sanktionen für unbotmäßiges Verhalten hat es aber immer gegeben, je länger das Dritte Reich währte, desto drakonischer waren die Strafen. Ganz besonders nach Kriegsbeginn.

Ich frage mich sowieso, ob das Ausführen des Hitler-Grußes
jemals Pflicht war (ausgenommen in der SS und in der Wehrmacht
ab 1944).
Das Gesetz würde ich gern sehen. :smile:

Ich glaube nicht, dass so ein Gesetz existiert.
Hitler regierte aber, soweit ich weiß, mit dem „Ermächtigungsgesetz“.
Respekt vor Gesetzen war aber nicht das Hauptanliegen der Nazis.
Viele Grüße
Voltaire

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Hi,

sorry! Ich möchte mich entschuldigen, dass ich den Gruß verweigerte.

Jedoch machte es mir ein Bänderriss im rechten Arm unmöglich, dem Grusse zu folgen (siehe Sportbefreiung, welche dem Gauleiter vorliegt und einsehbar ist!)

VG René

Hallo,

wie bereits in einigen Posts erwähnt spielt denke ich eine entscheidende Rolle, dass es erst 1934 war. Also vor dem absoluten Höhepunkt der nationalsozialistischen Machtentfaltung. Wichtig ist aber auch zu sehen, dass die Nationalsozialisten in ländlichen Regionen sehr unterschiedlich stark waren. Ich kann nur von Bayern sprechen, weiss aber, dass sich zahlreiche Bürgermeister kleinerer Gemeinden lange geweigert haben der NSDAP beizutreten und viele von ihnen sogar offiziell der BVP treu geblieben sind.

Hiho,

immerhin hatte sich Hitler bereits im Juli 1933 mit dem Vatikan auf einen für beide Seiten auskömmlichen Modus Vivendi geeinigt, und es gab von der Machtergreifung bis zum 8. Mai 1945 keine systematische Verfolgung von Zentrum, Ultramontanen und sonstigen „Schwarzen“ - im Fall Kroatien sogar ein sehr enges und engagiertes Bündnis zwischen Faschisten und Katholiken.

Wenn ein Schwarzer im Einzelfall als politisch Mißliebiger ins Visier der GeStaPo kam, brauchte es dafür auch schon vor 1942 (nachher brauchte man alle Kräfte für den Krieg und konnte sich um solche Einzelheiten nicht kümmern) erheblich mehr als ein „Grüß Gott“.

Generell sind übrigens die Verfolgten des Hitlerregimes in aller Regel keine „Einzeltäter“ gewesen, auch wenn Kinoregisseure das gerne so darstellen: Um der NSDAP gefährlich zu werden, musste jemand schon auf irgendeine Weise organisiert sein.

Wer alleine, also ungefährlich war, konnte sich viel erlauben, ohne weitere Konsequenzen. Von dort her rühren auch die vielen entsprechenden Erzählungen von Zeitzeugen: Sie beziehen sich alle auf einzelne, isolierte Personen, die „unschädlich zu machen“ den Aufwand nicht wert war.

Dem Brandmeister der Feuerwehr von Buchau ist nichts passiert, als am neunten November 1938 die Synagoge brannte und er zusammen mit dem Ortsbolle die bekannten Lumpen aus Laupheim, die sie angezündet hatten, (vermutlich mit ein paar Ohrfeigen) heimschickte und mit seinen Leuten den Brand gelöscht hat.

Dem Ortsvorsteher in Wasserburg, einem SA-Mann der ersten Stunde, ist nichts passiert, als er sein (goldenes) Parteiabzeichen zurückgab und erklärte, er hätte für ganz anderes gekämpft als Bonzenwirtschaft, Elend und Krieg, und er wolle damit nichts mehr zu tun haben.

Meiner Mutter ist nichts passiert, als ihr im Frühjahr 1944 in der Eisenbahn (= öffentlich) eine Schulkameradin wieder begegnete, die sie fragte: „Eva, Du warsch doch immer so gut in Geschichte, jetz sag mir bloß, wie lang der elende Krieg noch geht?“ und darauf sagte „Des kann i Dir net sage, aber i woiß, dass e Führung, derre ihr Volk ebbes wert isch, den Krieg scho lang aufgebbe hett“.

Es mag einzelne Fälle geben, in denen ungefährliche, isolierte Einzelpersonen verfolgt wurden; aber die Regel war das nicht: Die Diktatur war effizient organisiert, obwohl es von heute aus so scheint, als hätten sich die Myriaden verschiedener NS-Splitterorganisationen in einem anarchischen Tohuwabohu vor allem mit gegenseitiger Zerfleischung beschäftigt.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Im Sport wollten einige keinen Hitlergruß. Darum kam es auch zu Problemen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Seelenbinder#Leben

Hallo Scotty,

Im Sport wollten einige keinen Hitlergruß. Darum kam es auch
zu Problemen.

Auch weniger bekannte Menschen haben im Sport den Hitlergruß verweigert:
http://franz-marc-gymnasium.info/homepage/upload/Pre…

Religiöse Verweigerer des Hitlergrußes wurden ja schon erwähnt. Man mag ja zu den Zeugen Jehovas stehen wie man will, aber wahrscheinlich waren sie diejenigen, die am konsequentesten den Hitlergruß verweigerten (und nicht nur den).
http://www.widerstand.musin.de/w4-11.html

Viele Grüße
Marvin

Hallo

Es mag einzelne Fälle geben, in denen ungefährliche, isolierte
Einzelpersonen verfolgt wurden; aber die Regel war das nicht:
Die Diktatur war effizient organisiert, obwohl es von heute
aus so scheint, als hätten sich die Myriaden verschiedener
NS-Splitterorganisationen in einem anarchischen Tohuwabohu vor
allem mit gegenseitiger Zerfleischung beschäftigt.

Solches sagt auch Sebastian Haffner: Der Laden wurde im wesentlichen von Hitler zusammengehalten, war ganz auf ihn zugeschnitten und eine „Nacht der langen Messer“ gab es nach dem „Röhmputsch“ nur seinetwegen nicht mehr. Wäre eines der Attentate auf ihn geglückt, hätten die Deutschen nach ein paar Wochen der Trauer entsetzt bemerkt, dass er ihnen keine Verfassung, keinen Nachfolger und somit kein funktionierendes Staatswesen hinterlassen hätte.

Was man auch noch zwangsläufig sieht: Dass es nicht die zumeist proletenhaften Naziorganisationen gewesen sein können und eigentlich auch nicht ihr kongenialer „Führer“, die zwölf Jahre lang Deutschland im Griff hatten und die Welt in Schrecken versetzten, sondern dass allein der sich den Nazis freiwillig anbiedernde, hocheffiziente preußische Staatsapparat dies zu bewerkstelligen in der Lage war.

Das „Tausendjährige Reich“ wäre ohne 1. Hitler und 2. die Berufsbeamtenschaft in kürzester Zeit im Chaos versunken und in Diadochenkämpfen untergegangen. Vermutlich hätte sich daraufhin die Wehrmacht genötigt gesehen, das Ruder zu übernehmen und hätte die ganzen Goldfasane kurzerhand an die Wand gestellt und ein paar Beamte mit dazu.

Gruß
smalbop

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Ob das sanktioniert wurde, kommt darauf an.
Ich kannte mal einen Alten Herrn, der hat aus religiöser Überzeugung hier in Bayern immer mit „Grüß Gott!“ gegrüßt und hat das seinem Führer des Reichsnährstandes gegenüber auch so offen begründet.
Dem ist gar nichts passiert.