Foto von Atomen. Was sehe ich da genau?

Hallo

hier kann man angeblich die Atome eines Proteins sehen:

Den Text habe ich nicht gelesen, weil ich ihn wahrscheinlich auch in Deutsch nicht verstehen würde.

Was sieht man da genau? Sind die hellblauen und violetten Gebilde die Atomhüllen?

Oder sind die Atome die winzigen Kügelchen, die da innerhalb dieser Gebilde zu sehen sind? - Irgendwas von kristallinen Strukturen stand in dem Text, den ich nicht gelesen habe. Sind das kristalline Strukturen, die man da sieht, von denen die Atome kleine Teile sind?

Oder weder noch, und man sieht was ganz anderes?

Hallo!

Im Grunde geht es hier um Transmissionselektronenmikroskopie (TEM).

Stell dir vor, du hast vereinzelt Kugelnn auf dem Tisch liegen, und leuchtest sie von der Seite an. Die Kugeln erzeugen ein Schattenmuster an der Wand, an dem du sofort die seitliche Position der Kugeln erkennen kannst. Und die Entfernung von der Wand?

Mit ein paar Linsen kannst du erreichen, daß nur Kugeln mit bestimmter Entfernung scharfe Schatten werfen, alle anderen sind dann unscharf. (Wie bei schönen Portrait-Fotos, wo der Hintergrund extrem unscharf ist) Durch Verstellen der Linsen und Beobachtung, wann welche Kugel einen scharfen Schatten wirft, kannst du die Entfernung jeder einzelnen Kugel von der Wand bestimmen.

Mit der TEM ist es ähnlich, man nimmt nur statt Licht nen Elektronenstrahl, der auf die Atome trifft. Die Atome sind nicht so wie die Kugeln, wo das Licht aufgehalten wird, oder nicht. Sie werden abgelenkt, und zwar stärker in der Nähe der Atome, und schwächer in einiger Entfernung.
Wenn es dann gelingt, die Stärke der Ablenkung zu messen, dann bekommt man solche Bilder. In den dunkellilanen Bereichen wurden die Elektronen nur wenig abgelenkt, in den hellblauen stärker. Das bedeutet auch, daß die hellblauen Regionen eher die Bereiche der einzelnen Atome mit den inneren Elektronenschalen sind, während die dunkelblauen die Bereiche der äußersten Elektronenschalen zeigen, die sich verformen, und mit denen der Nachbaratome verschmelzen.

Das ganze ist natürlich mit Schwierigkeiten verbunden. Die Atome sollten sich nicht bewegen, sollen in ihrer natürlichen, räumlichen Form abgebildet werden, und natürlich sind noch jede Menge anderer, uninteressanter Atome drumherum, die man irgendwie ausblenden muß.

Zum Thema Kristalle:
Da hat man sehr regelmäßige Anordnungen von Atomen. Wenn man da mit Röntgenstrahlung drauf strahlt, wird diese in ganz bestimmte Richtungen gestreut, und daraus kann man die Abstände und Positionen der Atome ermitteln. Das ist so ähnlich wie die Regenbogen-Muster auf CDs, die durch Streuung an den Spuren entstehen. Man kann daraus den Abstand der Spuren mit ziemlich einfachen Mitteln berechnen.
Aber: Du siehts schon am Bild, daß da nix mit Regelmäßigkeit ist, Proteine sind nunmal nicht kristallin.

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Hi Simsy,

Die Grobbeschreibung in den einschlägigen Medien (z.B. in → Nature) macht tatsächlich nicht deutlich, was genau man auf dem Bild sieht. Aber in den Originalarbeiten, die (in „Nature“ z.B. angegeben) ausgewiesen werden, wird es klar. Denn relativ große Atome (z.B. Silizium oder Metalle, genauer gesagt: die Orte ihrer Elektronenhülle)) in einer Kristallstruktur sichtbar zu machen, ist seit Jahrzehnten üblich. Hier z.B. von der Oberfläche eines Siliziumkristalls:

(Btw. Atome selbst, weder die Grobstrukturen ihrer Elektronen Hülle noch erst recht ihre Kerne aus Protonen und Neutronen, kann man aus physikalischen Gründen prinzipiell nicht sichtbar machen.)

Es gibt zahlreiche Verfahren dafür, Eines hat @sweber genannt, aber andere Verfahren, z.B. mit Röntgenstrahlen, Neutronenstrahlen oder diversen Verfahren, in denen spezielle quantenmechanische Effekte ausgenutz werden, haben viel größere Auflösungsvermögen.

Das Besondere an diesen neuen Verfahren ist, daß einzelne Wasserstoffatome, die ja nur aus 1 Proton im Kern bestehen, sichtbar gemacht werden können - wenn auch nur als Punkte. Und das sogar mit dem ältesten der mikroskopischen Methoden: Der Elektronenmikroskopie, beider Elektronen an der Atomhülle gebeugt werden. Damit können H-Atome aber nicht erfasst werden, weil deren Elektronen einfach weggekickt werden, bzw. die Elektronen des Beobachtungsstrahls nicht genügend gebeugt werden. Hier aber ist es gelungen - und das ist das Neue an der Methode - das Objekt mit Elektronen zu bestrahlen, die alle dieselbe Geschwindigkeit (= Energie) haben. Dadurch war es möglich, höhere Energien (= kleinere Wellenlängen) zu verwenden, so daß sie nicht an der Hülle des H-Atoms, sondern am Proton selbst gestreut werden.

Das weitaus größere Problem war, daß alle bisherigen Verfahren nicht geeignet waren, mit hoher Auflösung scharf Riesenmoleküle, z.B. Proteine, abzubilden. Denn man kann sie nicht, wie bei allen anderen Objekten notwenig, in eine Kristallstruktur bringen. Jetzt ist es gelungen, einige Proteine, z.B. eben, wie hier, in einer Lösung einzufrieren. Das ist die zweite Neuerung. Das verfahren heißt Cryo-EM, Cryo-Elektronenmikroskopie.

Es handelt sich also tatsächlich um ein mit Cryo-EM erstelltes Bild eines kleinen Ausschnitts aus einem Seitenzweig einer der vielen Aminosäuren in einem Apoferrin-Protein (in dem bei Säugetieren Eisen gespeichert wird), das insgesamt mehrere 10000 Atome bzw. mehrere 100000 Protonen/Neutronen enthölt.

Die groben Kerne auf dem Photo sind Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoffatome (bzw. deren Orte) aus einer der Aminosäuren des Proteins. Sie liegen teilweise in einer hexagonalen Ringstruktur vor, wie man sieht. Aber die nebelartige Umgebung, heller und dunkler, sind tatsächlich Wolken von sie umgebenden H-Atome in verschiedenen Dichten. Darin sind die Orte einzelner H-Atome erkennbar, die in der Darstellung allerdings graphisch nachgezeichnet wurden (in sog. „ball and stick“-Darstellung). Hier eine Graphik aus einer der Originalarbeiten in verschiedenen Auflösungen… Die obere Reihe entspricht den bisher möglichen Auflösungen mit klassischer Röntgenmikroskopie:

Das Photo oben ist in den Originalarbeiten übrigens gar nicht enthalten. Es ist wohl von den Autoren-Teams separat an die Medien vermittelt worden. ´

Gruß
Metapher

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@sweber und @sweber

Danke für eure Super Erklärungen!