Frage zu Komponisten Bruckner

Hallo,

meine Eltern mögen sehr gern klassische Musik und ich möchte Ihnen gern Konzertkarten schenken. Habe auch schon etwas passendes gefunden, an dem Abend wird u.a. auch Musik von Bruckner gespielt. Ist das auch ein „klassischer“ Komponist im herkömmlichen Sinne, wie Mozart, Beethoven etc. oder schon etwas moderner bzw. ein anderer Stil? Ich kenne persönlich nur den Namen, aber nicht die Musik.

Vielen Dank im voraus,
viele Grüße,
Elke

Liebe Elke

Bruckner ist natürlich ein wenig jüngeren Datums als Mozart.
Man könnte ihn zu den Spätromantikern zählen.

Was wird denn von ihm gespielt an diesem Konzert?

Es gibt Sinfonien von ihm, die auf manche Leute etwas düster
und schwer wirken, während seine 4. etwas hell strahlendes
hat. Grosse Orchester sind bei Bruckner keine Seltenheit. Ich
habe auch schon ein Chorwerk von Bruckner gehört, das
ziemlich leicht konsumierbar wirkte.

Wenn deine Eltern also etwas «zuhause» sind in der
klassischen Musik, würde ich mich Namen Bruckner nicht
irritieren lassen.

Liebe Grüsse
Rolf

Hallo,

Bruckner fühlte sich ebenso wie Brahms als der einzige legitime Nachfolger Beethovens, nur stand er nicht so in Opposition zu Wagner wie Brahms, vielmehr nahm er dessen Kompositionsstil (den von Wagner) auf. Nun gibt es mehrere Sichtweisen: 1. Bruckner ist Epigone, seine Musik ist wenig originell, zumindest weniger originiell als die von Brahms; 2. Bruckner ist der einzige wahre Nachfolger Beethovens, Brahms hingegen ist der eigentliche Abklatsch Beethovens, 3. Bruckners Musik ist wie die Musik von Brahms eine eigenständige Weiterentwicklung der Musik von Beethoven, steht neben ihr, und hat zudem den Vorteil, auf Gustav Mahler hinzudeuten, ist also ein wichtiges Bindeglied zwischen Beethoven und dem 20. Jahrhundert.

Auf jeden Fall kann ich dir Bruckner wärmstens ans Herz legen. Selbst wenn er stellenweise - durch seine Wagner-Nähe - trivial ist (und zwar sowohl aus der Sicht Wagners als auch aus heutiger Sicht), ist er keineswegs unbedeutend. Er ist derjenige, der den Wagner-Stil (in gewisser Weise auch unabhängig) für die Symphonik - für die Wagner kein Organ hatte - fruchtbar gemacht hat.

Also keine Angst: Selbst wenn man von allen möglichen Vorurteilen absieht - ein „Klassiker“ ist er allemal.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hallo Thomas,

ein Kind fragt dich, ob Bruckner für seine Eltern zumutbar ist. Du antwortest u.a.:

Auf jeden Fall kann ich dir Bruckner wärmstens ans Herz legen.
Selbst wenn er stellenweise - durch seine Wagner-Nähe -
trivial ist (und zwar sowohl aus der Sicht Wagners als auch
aus heutiger Sicht), ist er keineswegs unbedeutend. Er ist
derjenige, der den Wagner-Stil (in gewisser Weise auch
unabhängig) für die Symphonik - für die Wagner kein Organ
hatte - fruchtbar gemacht hat.

Also keine Angst: Selbst wenn man von allen möglichen
Vorurteilen absieht - ein „Klassiker“ ist er allemal.

Ich referiere: Trivial, wenig bedeutend, ein Klassiker von vielen, ein Wagnerianer und deswegen schon trivial. Sieht eine Empfehlung so aus?

Sind z.B. Mendelssohn, Tschaikowsky, Mahler, Schostakowitsch auch trivial?

Sind z.B. Brahms, Tschaikowsky auch nur bedeutend?

Ist Bruckner tatsächlich „nur“ ein Wagnerianer? In seinem symphonischen Denken?? In seinen 16-Takten-Strukturen???..

Wäre es nicht besser zu sagen: Ja, es ist nie zu spät mit Bruckner anzufangen. Wenn es gut gespielt werden sollte, wird es eine Erlebnis fürs Leben sein. Wenn nicht so gut, dann kann es möglicherweise langweilig werden. Aber des Risikos wert. Usw.

Freundliche Grüße

Hallo Peet,

danke für deine Kritik. Ich fürchte nur, dass du mich missverstanden hast. Denn ich habe - einmal abgesehen davon, dass ich keine wirklichen Hinweise dazu finde, dass hier ein „Kind“ fragt, denn auch ältere Menschen haben Eltern :smile: - keineswegs Bruckner als „unbedeutend“ charakterisiert, sondern ich schrieb vielmehr „keineswegs unbedeutend“. Dass er aber gelegentlich so gesehen wird, ist eine andere Tatsache, die ich nicht für mich übernommen habe. Dein „Referat“:

Ich referiere: Trivial, wenig bedeutend, ein Klassiker von
vielen, ein Wagnerianer und deswegen schon trivial. Sieht eine
Empfehlung so aus?

ist also ein Missverständnis. Dass Bruckner von Wagner abhängt, kann man nicht bestreiten, denke ich. Dass er aufgrund seiner übertriebenen Wagnerverehrung an manchen Stellen (!) eben wie ein Wagnerabklatsch wirkt, bedeutet auch nicht dass er trivial ist, sondern nur dass er an diesen Stellen wenig originell ist. Auf der anderen Seite habe ich seine Vorzüge doch betont und ihn empfohlen, verstehe also nicht, weshalb du mir vorwirfst, falsch zu empfehlen.

Sind z.B. Mendelssohn, Tschaikowsky, Mahler, Schostakowitsch
auch trivial?

Keineswegs, denn Mendelssohn hat ja bekanntlich schon weit vor Wagner Originelles geleistet und auch später eine solch unterwürfige Verehrung, wie sie Bruckner gegenüber Wagner an den Tag legte, niemandem gegenüber gezeigt (er hätte es vermutlich auch nicht getan, wenn er länger gelebt hätte). Tschaikowsky und Schostakowitisch sind selbstverständlich originell, sowohl durch ihr Lokalkolorit, aber natürlich auch sonst, denn sie zeigen keine so penetranten Abhängigkeiten wie Bruckner, sondern entwickeln sehr originell weiter. Mahler hingegen sehe ich wiederum anders, denn hier ist zwar die Wagnerabhängigkeit ganz deutlich, aber die Originalität geht weit, sehr weit über die Brucknersche hinaus, freilich wäre Mahler nicht nur ohne Wagner, sondern auch ohne Bruckner undenkbar.

Sind z.B. Brahms, Tschaikowsky auch nur bedeutend?

Ich gestehe, mit Brahms meine Schwierigkeiten zu haben, wenn auch natürlich Brahms zu den Großen gezählt werden muss. Dasselbe gilt natürlich auch für Tschaikowski. Deine (mir unterstellten) Differenzierungen sind mir etwas unklar.

Ist Bruckner tatsächlich „nur“ ein Wagnerianer? In seinem
symphonischen Denken?? In seinen 16-Takten-Strukturen???..

Ich sagte ja nur, dass er so wahrgenommen wird.

Wäre es nicht besser zu sagen: Ja, es ist nie zu spät mit
Bruckner anzufangen. Wenn es gut gespielt werden sollte, wird
es eine Erlebnis fürs Leben sein. Wenn nicht so gut, dann kann
es möglicherweise langweilig werden. Aber des Risikos wert.
Usw.

Die Formulierung gefällt mir, aber leider ist sie mir nicht eingefallen. Das kann ich guten Gewissens unterschreiben.

Herzliche Grüße

Thomas

1 Like

Danke für die Antworten u. Konkretisierung, s.u.
Hallo,

als erstes einmal herzlichen Dank für die ausführlichen Antworten!

Und, es stimmt, auch ältere Menschen haben Eltern :smile:))).
Da ich merke, daß Ihr Euch wirklich auskennt, ich habe nochmal nachgeguckt, es wird dort die 3. Sinfonie gespielt, vielleicht kennt die ja jemand von Euch.

Nochmals herzlichen Dank u. noch einen schönen Abend!

Elke

Hallo Elke,

Und, es stimmt, auch ältere Menschen haben Eltern :smile:))).

-)

es wird dort die 3. Sinfonie gespielt, vielleicht
kennt die ja jemand von Euch.

Die kennen wir in der Tat alle :smile: . Bei der dritten gibt es aber auch ein zusätzliches Problem, dass es nämlich von dieser mindestens drei Fassungen gibt, wovon man jeweils die eine oder andere als interessant oder auch als langweilig bezeichnen kann - und in der Tat hängt dabei auch viel davon ab, wie sie (die entsprechende Fassung) gespielt wird. Aber in keinem Fall ist die Zuordnung von Bruckner zum Kreis der Klassiker wirklich zweifelhaft, sondern es handelt sich in jedem Fall um ein Spezialproblem. Bruckner ist vorhehaltslos als „Klassiker“ empfehlenswert. In dieser Einschätzung treffe ich mich sicher auch mit dem überaus kundigen Peet, der - aus meiner Sicht - nur ein Problem mit meiner Art der Darstellung hat.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

noch ein paar Anmerkungen zu Bruckner …
Hallo Elke,

ich finde deine Frage absolut berechtigt, denn meiner Erfahrung nach ist die Haltung von Klassik-Kennern und -Liebhabern zu Bruckner alles andere als einheitlich.

Ich habe, als ich in meiner Studentenzeit in einem Laden jobbte der auch Konzertkarten verkaufte, wiederholt erlebt, dass gerade ältere Konzertgänger, die sich für ein bestimmtes Konzert interessierten, doch einen Rückzieher machten, als sie hörten Bruckner stünde auf dem Programm. „Na, dann vielleicht lieber doch nicht …“ (Wobei manche Konzertveranstalter ja meinen, ein Konzert, bei dem nicht „Bach“, „Mozart“ oder „Vivaldi“ auf dem Plakat stünde, wäre sowieso nicht voll zu bekommen. Naja, die Leute möchten eben gerne hören, was sie sowieso schon kennen …)

Übrigens ist noch nicht einmal die Haltung von Kennern spätromantischer Musik zu Bruckner eindeutig. Es gibt viele Liebhaber der Musik von Gustav Mahler, die mit Bruckner herzlich wenig anfangen können (und umgekehrt).

Und schließlich noch ein kleiner Aspekt, der in den bisherigen Antworten glaube ich noch nicht aufschien:
Bruckner kommt, was seinen Kompositionsstil betrifft, von der Orgel her. Er behandelt das Orchester wie eine Orgel, indem er die Klanggruppen (Streicher, Blechbläser, …) wie bei einer Orgel mit Werkcharakter kontrastiert; und er verwendet vorwiegend Terassendynamik (sprich: entweder leise oder laut, wenig Übergänge). Etwas platt ausgedrückt (oder „trivial“, um Thomas Millers Stichwort aufzugreifen): Bruckners Musik ist (stellenweise wenigstens) recht laut! Das ist erstmal nix schlimmes, aber vielen Leuten gefällt sie gerade deswegen nicht …

Das alles soll dich in deiner Geschenk-Idee nicht prinzipiell abschrecken.
Ich an deiner Stelle würde jedoch bei deinen Eltern einfach mal vorsichtig nachfühlen, was für ein Verhältnis zu Bruckner sie haben - das ist allemal besser, als für teures Geld schöne Konzertkarten zu erwerben, die dann evtl. doch nur zu Enttäuschung führen!

Just my 2 cents :wink:
Wolfgang

Hallo Peet,

danke für deine Kritik.

Guten Abend, Thomas, immer gerne. :smile:

Dass Bruckner von Wagner
abhängt, kann man nicht bestreiten, denke ich. Dass er
aufgrund seiner übertriebenen Wagnerverehrung an manchen
Stellen (!) eben wie ein Wagnerabklatsch wirkt, bedeutet auch
nicht dass er trivial ist, sondern nur dass er an diesen
Stellen wenig originell ist.

Das stimmt nicht. Bruckner-Komponist und Bruckner-Mensch ist nicht dasselbe. Bruckners Musik entstammt nicht Wagner, sondern Schubert, Beethoven und Schumann. Von Wagner-Einfluss kann man reden, aber nur in der Harmonie. Strukturen, das Musikdenken sind vollkommen anders. Ernst Kurth ist dir bestimmt ein Begriff. Nur als Stichworte… :smile:

Sind z.B. Mendelssohn, Tschaikowsky, Mahler, Schostakowitsch
auch trivial?

Die Frage war ironisch gemeint: Die Originalität Bruckners ist nur unter Laien bestreitbar, sein Beitrag zur Geschichte der Symphonie ist eine ziemlich klare Größe.

Sind z.B. Brahms, Tschaikowsky auch nur bedeutend?

Ich gestehe, mit Brahms meine Schwierigkeiten zu haben, wenn
auch natürlich Brahms zu den Großen gezählt werden muss.
Dasselbe gilt natürlich auch für Tschaikowski. Deine (mir
unterstellten) Differenzierungen sind mir etwas unklar.

Das ist immer dasselbe, lieber Thomas. Ich will dir auf keiner Weise etwas unterstellen: Du bringst immer wieder deine persönliche Meinung als den Stand der Dinge. Das kritisiere ich, wenn du mir erlaubst.

Ist Bruckner tatsächlich „nur“ ein Wagnerianer? In seinem
symphonischen Denken?? In seinen 16-Takten-Strukturen???..

Ich sagte ja nur, dass er so wahrgenommen wird.

Von wem?.. Ich glaube, dir ist es jetzt klar, wie ich das meine, ok?

Die Formulierung gefällt mir, aber leider ist sie mir nicht
eingefallen. Das kann ich guten Gewissens unterschreiben.

Es freut mich, daß wir uns einigen können. Meine Kritik ist, wie du siehst, eher prinzipiell und ich möchte dich nicht beleidigen. Vielleicht kannst du dir das noch mal überlegen. :smile:

Freundliche Grüße

Hallo Peet,

wir müssen uns gar nicht streiten, denn wir sind einer Meinung. Ich mag
Bruckner sehr, habe meine mündliche Prüfung u. a. über ihn abgelegt, weshalb
mir natürlich auch Kurth ein Begriff ist. :smile:
Der Vorwurf der Unoriginalität bezog ich nur auf wenige Stellen.

sein Beitrag zur Geschichte der
Symphonie ist eine ziemlich klare Größe.

Ich bin ganz einverstanden.

Du bringst immer wieder deine
persönliche Meinung als den Stand der Dinge. Das kritisiere
ich, wenn du mir erlaubst.

Ich bestreite, dass ich meine Meinung als unantastbar hinstelle. Hier ist es
sogar ganz deutlich, dass du mir eine Meinung unterstellst, die ich gar nicht
vertrete. Aber ich finde, dass wir darüber nicht streiten sollten.

Ist Bruckner tatsächlich „nur“ ein Wagnerianer? In seinem
symphonischen Denken?? In seinen 16-Takten-Strukturen???..

Ich sagte ja nur, dass er so wahrgenommen wird.

Von wem?.. Ich glaube, dir ist es jetzt klar, wie ich das
meine, ok?

Ich habe in Münster studiert und meine Muwi-Prüfung bei S.chlepphorst abgelegt.
Der Institutschef H.ortschansky - den du vielleicht kennst - hat sich in seinen
Seminaren öffentlich über S.chlepphorst lustig gemacht, weil der über Bruckner
las. Es ist keineswegs so, dass die Abneigung gegen Bruckner auf Laien begrenzt
ist. Es ist aber eben ein Unterschied, ob man Bruckner mag oder nicht - und
wenn der Unterschied besteht, muss man auf ihn hinweisen, wenn man eine gute
Hilfe geben möchte. Das und nicht mehr habe ich getan.

Es freut mich, daß wir uns einigen können. Meine Kritik ist,
wie du siehst, eher prinzipiell

Ich denke trotzdem, dass die Kritik ins Leere geht, weil sie ja meine Meinung
nicht trifft.

und ich möchte dich nicht beleidigen.

Ich bin nicht beleidigt.

Vielleicht kannst du dir das noch mal überlegen. :smile:

Was soll ich mir denn überlegen? Ich bin doch einer Meinung mit dir. :smile:

Herzliche Grüße

Thomas