Frage zu Zinsdifferenzen

Hallo Ökonomen,
ich denke hier ist meine Frage am besten aufgehoben:

Ein Bekannter hat mir heute von seinem neuesten „Coup“ berichtet: Er hat ein Angebot, in der Schweiz ein Darlehen aufzunehmen, die Währung ist Schweizer Franken und das Geld in eine Lebensversicherung in England, Währung Euro einzuzahlen. Der Kreditzins beträgt ca. 3,5% und ist auf 10 Jahre festgeschrieben, die LV warf in den letzten Jahren immer über 10% Rendite ab.

Auf den ersten Blick, ein super Geschäft!

Mein Gegenargument ist, dass meiner Meinung nach über den Wechselkurs (in dem Fall also Euro-Franken) genau diese Zinsdifferenz ausgeglichen wird, da Banken und Versicherungen genau solche Geschäfte tätigen und das Geschäft dann doch nicht so toll ist. Nur habe ich ein Problem, ich kanns nicht belegen:

Wenn also alle in der Schweiz einen Kredit aufnehmen und das Geld in Euro anlegen müssen also alle Franken verkaufen und Euro kaufen -> Der Euro wird also gegenüber dem Franken „teurer“ - in diesem Fall wäre die Anlage ja noch genialer, da ich ja zum Rückzahlungszeitpunkt viel weniger Euro aufwenden muss, um meinen Franken-Kredit zurückzuzahlen?

Wo liegt hier mein Denkfehler???

Dankeschön und Grüße
Stephan

Antwort zu Zinsdifferenzen
Hallöchen,

spannende Frage, die immer wieder mal aufkommt.

Vorab etwas Theorie: Es gibt zwei wesentliche Theorien zur Wechselkursentwicklung: Die Zinsparität und die Kaufkraftparität. Kurzfassung (unwissenschaftlich formliert): Die Währungen werden sich kurz- und mittelfristig abhängig von den Zinsniveaus der beiden betrachteten Staaten entwickeln (Zinsparität). Ist in Land A das Zinsniveau niedriger als in Land B wird sich das Kapital in Richtung von Land B bewegen (weil sich die Geldanlage dort eher lohnt) und damit wird die Währung von Land B teuerer, weil ja die danach Nachfrage höher ist als die Nachfrage nach der Währung des Landes A. Über die Zeit wird sich das Zinsniveau von Land B verringern und zwar aufgrund des gestiegenen Angebots an Kapital, d.h. Anleger werden sich in Land B um Geldanlage reißen, d.h. Kreditnehmer müssen weniger Zinsen zahlen, um an Kapital zu kommen. Daher werden sich die Zinsniveaus der beiden betrachteten Länder angleichen.

Langfristig gilt die Kaufkraftparität, d.h. Geld wird dort ausgegeben, wo es den höchsten Gegenwert gibt, also die niedrigeren Preise also letztlich die geringere Inflationsrate. Gibt es jedoch einen Überschuß an Kapital der am Gütermarkt auftritt, werden die Preise steigen, weil das viele Kapital sich wiederum um die im Verhältnis zum Kapital knapperen Güter reißen wird. Die Folge ist steigende Inflation, und die Kapitalwanderung verlangsamt und kehrt sich irgendwann um. Also der gleiche Effekt wie oben.

Und nun die praktische Anwendung:

Mein Gegenargument ist, dass meiner Meinung nach über den
Wechselkurs (in dem Fall also Euro-Franken) genau diese
Zinsdifferenz ausgeglichen wird, da Banken und Versicherungen
genau solche Geschäfte tätigen und das Geschäft dann doch
nicht so toll ist.

So ist es.

Nur habe ich ein Problem, ich kanns nicht
belegen:

Dem Manne kann geholfen werden:

Wenn also alle in der Schweiz einen Kredit aufnehmen und das
Geld in Euro anlegen müssen also alle Franken verkaufen und
Euro kaufen -> Der Euro wird also gegenüber dem Franken
„teurer“ - in diesem Fall wäre die Anlage ja noch genialer, da
ich ja zum Rückzahlungszeitpunkt viel weniger Euro aufwenden
muss, um meinen Franken-Kredit zurückzuzahlen?
Wo liegt hier mein Denkfehler???

Der Witz ist doch der: Gehen wir davon aus, daß alle Lebensversicherungen gleichzeitig fällig werden. Dann gibt es ein Riesenangebot an Euro, das zur Darlehenstilgung zurück in den Franken will/muß. Das Angebot ist sogar größer als der ursprüngliche Frankenbetrag (wegen der höheren Verzinsung). Somit wird der Wechselkurs des Frankens in die Höhe schnellen, weil ja alle den Franken nachfragen. Also ein Nullsummenspiel.

Tatsächlich finden solche Entwicklungen natürlich schleichend statt. Das ganze sind Arbitragegeschäfte, die gut gehen können, aber die Neigung haben, nicht aufzugehen. Der gleiche Trick wird ja auch gerne mit Aktien vorgeschlagen: Viel kaufen, damit der Kurs steigt, und dann zum hohen Kurs verkaufen. Nur geht beim Verkauf der Kurs leider wieder den Bach runter.

Es ist doch in der Tat so, daß die Zinsen (vereinfacht gesagt) deshalb hoch sind, weil in einem Land die Inflationsrate höher ist. Inflation ist zunächst ein inländischer, letztlich aber auch ein bilateraler Wertverlust der Währung. Denn wo das Geld einer hohen Entwertung unterliegt, bleibt es nicht lange.

Alles im Sinne eines besseren Verständnisses eher vereinfacht und teilweise etwas unsauber formuliert, daher aber nicht falsch.

Ich hoffe, es war verständlich. Wenn nicht, noch mal melden.

Gruß
Christian

Hallo Christian,

Super! Danke für Deien ausführliche Antwort!

Aber wie so oft in der VWL ist das ja ein Modell!

Was denkst Du? Wird sich das „Geschäft“ für meinen Bekannten lohnen? Wenn die LV wirklich 10% ausschüttet ja wohl auf jeden Fall, oder?
Den Modellen nach, dürfte die Rendite nur nicht so hoch ausfallen, wie geplant, sondern nur so hoch wie wenn er in Deutschland einen Kredit zu den derzeitgen Zinsen aufgenommen hätte.

Grüße
Stephan

Hallo Stephan,

dazu ein klares Jein.

Wenn du den CHF genauer betrachtest, wirst du feststellen, daß er ein Jahresvolatilität von ca. 8-9% hat. In sofern ist hier immerhin das Risiko gegeben, daß er mit einer normalen Anlage besser gefahren wäre.

mfg Ivo