Frage zur Stilepoche Barock

Hallo!

Ich hoffe, ich bin mit meiner Frage im richtigen Forum gelandet:
Wir haben heute im Musikunterricht die Stilepoche Barock angeschnitten. Die Stilepoche brtifft ja nicht nur die Musik, sondern auch die anderen Künste, deswegen stelle ich die Frage hier. Also…
In unserem Musikbuch „Musik um uns“ (Metzler) stehen zwei Aussagen über diese Stilepoche, die meines Erachtens widersprüchlich sind. Einerseits steht da:

„Auch die katholische Kirche beeinflusste nachhaltig die Barockkunst, (…). Der Jesuitenorden als Verfechter der Gegenreformation nutzte die bildliche Sprache des Barock zur Verherrlichung der katholischen Glaubenslehrere. Prunkvoll gestaltete Kirchenräume (…) werden zum Gesamtkunstwerk und künden von Lebensfreude und Diesseitsorientierung des Barock.“

Und andererseits:

"Allein der Glaube an Glück und Erfüllung im Jenseits lässt den Menschen Leid und Elend ertragen, das Leben wird zur Bewährungsprobe, (…). Die daraus resultierende Todessehnsucht im Barock zeigt sich ebenso im Trauerspiel wie in den zahlreichen Vertonungen der Passionsgeschichte. (…)

Lebensfreude und Todessehnsucht, Diesseitsorientierung und Hoffnung auf Erfüllung im Jenseits. Das sind doch eindeutige Gegensätze, oder?

Kann mir das jemand erklären?

Gruß
michl

Hallo michl,

das muss nicht als Gegensatz aufgefasst werden.
Der Barock zielt auf die FÜLLE des Lebens - der Mensch mit Körper UND Seele. Dazu gehört Diesseits UND Jenseits wie die beiden Pole des Globus´ oder -salopp und barock gesagt- die beiden Enden einer dicken Wurst.
Noch klarer wird es, wenn du noch mal das Stichwort Reformation nachschlägst, denn die ist weniger sinnenfroh und dagegen wendet sich der Barock.

Freundliche Grüße
rotmarder

Hallo!

Ich hoffe, ich bin mit meiner Frage im richtigen Forum
gelandet:
Wir haben heute im Musikunterricht die Stilepoche Barock
angeschnitten. …

Hallo Michl,

Lebensfreude und Todessehnsucht, Diesseitsorientierung und
Hoffnung auf Erfüllung im Jenseits. Das sind doch eindeutige
Gegensätze, oder?

Ich habe gerade das Buch vor mir (Musik um uns, Sek II, S. 18). Auf S. 19 steht dazu noch etwas unter dem Stichpunkt „Vanitas“.

Irgendwo habe ich mal sinngemäß folgende Erklärung gefunden, so steht es aber auch auf S. 19:
Aufgrund der Kriege und Katastrophen rechnete man nicht mit einem langen Leben. Daraus resultierte aber nicht, wie man vielleicht erwarten würde, eine pessimistische Lebenshaltung, sondern man genoss das Leben in vollen Zügen (Fürsten und Könige), denn jeder Tag konnte der letzte sein („Carpe diem“).

Die Lebensfreude, die die prunkvolle Austattung in den Kirchen zum Ausdruck bringt, so steht es ja auf S. 18 in den letzten 3 Zeilen, ist eher als Abbild der himmlischen Welt zu verstehen. Denn die katholische Kirche verströstet (bzw. „bedroht“) ihre Gläubigen mit dem Leben nach dem Tod. Dieses sollte viel besser sein, als das irdische Leben.

Meiner Meinung nach dürfte sich die Lebensfreude und Diesseitsorientierung vor allem auf den Adel beziehen, die anderen beiden Begriffe auf das normale Volk. Ist jetzt aber eine persönliche Einschätzung!

Ich hoffe, ich konnte ein wenig helfen.
Gruß,
Booze

Hallo michl!

Angesprochen ist damit der Vanitas-Gedanke :
Vergänglichkeit alles Prächtigen.
Findet man u.A. in den Stilleben,
aber z.B. auch bei Andreas Gryphius’
Sonett „Es ist alles eitel“
Die Gegensätze als komplementäre Ergänzungen …

mfg:stuck_out_tongue:it
[carpet.diem]

das muss nicht als Gegensatz aufgefasst werden.
Der Barock zielt auf die FÜLLE des Lebens - der Mensch mit
Körper UND Seele. Dazu gehört Diesseits UND Jenseits wie die
beiden Pole des Globus´ oder -salopp und barock gesagt- die
beiden Enden einer dicken Wurst.
Noch klarer wird es, wenn du noch mal das Stichwort
Reformation nachschlägst, denn die ist weniger sinnenfroh und
dagegen wendet sich der Barock.

Öööm… welche Reformation meinst du?

Die Gegensätze als komplementäre Ergänzungen …

„Komplementäre Ergänzungen“? Ergänzende Ergänzungen? ;o)

Ich finde aber, das ist ganz und gar nicht komplementär!
Man kann doch nicht gleichzeitig Lebensfreude und Todessehnsucht verspüren?! Also sich übers Leben freuen und sich dabei gleichzeitg nach dem Tod zu SEHNEN, also zu warten, bis das Leben, dessen man sich erfreut, endlich vorbei ist. Also wenn das mal kein Gegensatz ist…

Die Lebensfreude, die die prunkvolle Austattung in den Kirchen
zum Ausdruck bringt, so steht es ja auf S. 18 in den letzten
3 Zeilen, ist eher als Abbild der himmlischen Welt zu
verstehen. Denn die katholische Kirche verströstet (bzw.
„bedroht“) ihre Gläubigen mit dem Leben nach dem Tod. Dieses
sollte viel besser sein, als das irdische Leben.

Wie jetzt, die Lebensfreude ist „eher als Abbild der himmlischen Welt“ zu verstehen? Häh?
Also sich IM Leben darauf freuen, danach in den Himmel zu kommen und deswegen glücklich zu sein? Halte ich für unwahrscheinlich.
Und dann übersiehst du, dass dort gleich neben Lebensfreude auch noch „Diesseitsorientierung“ genannt wird. Das macht den Widerspruch komplett.

Verwirrte Grüße
michl

Hallo, michl,

Lebensfreude und Todessehnsucht, Diesseitsorientierung und
Hoffnung auf Erfüllung im Jenseits. Das sind doch eindeutige
Gegensätze, oder?

ja - und gerade diese Gegensätze / Widersprüche sind kennzeichnend für das Zeitalter des Barock.
Freude am Diesseits und Streben nach Genuss waren durchaus vorhanden, allerdings führten Ereignisse wie der Dreißigjährige Krieg, Seuchen usw. den Menschen auch die Endlichkeit des irdischen Daseins vor Augen (Stichwort: „Memento mori“) - woraus diese ambivalente Einstellung resultierte (die z. B. in der Dichtung durch das Stilmittel der Antithetik zum Ausdruck kam).

Eine anschauliche Darstellung dieser Gegensätze findest Du auf http://www.teachsam.de/deutsch/d_literatur/d_litgesc… und nähere Erläuterungen auf http://www.xlibris.de/Epochen/Barock/Barock1.htm

Gruß
Kreszenz

Lebensfreude und Todessehnsucht, Diesseitsorientierung und
Hoffnung auf Erfüllung im Jenseits. Das sind doch eindeutige
Gegensätze, oder?

ja - und gerade diese Gegensätze / Widersprüche sind
kennzeichnend für das Zeitalter des Barock.
Freude am Diesseits und Streben nach Genuss waren durchaus
vorhanden, allerdings führten Ereignisse wie der
Dreißigjährige Krieg, Seuchen usw. den Menschen auch die
Endlichkeit des irdischen Daseins vor Augen (Stichwort:
„Memento mori“) - woraus diese ambivalente Einstellung
resultierte (die z. B. in der Dichtung durch das Stilmittel
der Antithetik zum Ausdruck kam).

Eine anschauliche Darstellung dieser Gegensätze findest Du auf
http://www.teachsam.de/deutsch/d_literatur/d_litgesc…
und nähere Erläuterungen auf
http://www.xlibris.de/Epochen/Barock/Barock1.htm

Aha! Jetzt hab ichs kapiert.
Dann sind es also GERADE diese Gegensätze, welche diese Epoche charakterisieren.
Damit ist meine Frage beantwortet! In dem Musikbuch steht davon allerdings nichts. Danke auch für die Links, die sind echt gut und bringen es auf den Punkt.

Gruß
michl