Hallo nochmal,
das heißt „man ist“, nicht?
ja; „man ist“, aber eben auch „wir sind“.
Nein, mit Psychologie hat das auch eher wenig zu tun, sondern
vielmehr mit Soziologie und Philosophie.
Gut, dann nennen wir das Kind eben nicht „psychologisch“, sondern „soziologisch“ bzw. „philosophisch“.
Das obigen Formulierungen innewohnende
identitätsbildende Moment würdest du vermutlich verstehen,
wenn du einmal das soziologische Standardwerk „Die
gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ von Berger
und Luckmann lesen würdest.
Die unterschwellige Beleidigung übersehe ich mal dezent. Besagtes Werk habe ich zwar nicht gelesen. Aber mit den Zusammenhängen zwischen Sprache und (Gruppen-)Identität, Weltanschauung usw. habe ich mich trotzdem schon intensiv beschäftigt.
Generell kann man sicher gewisse Rückschlüsse von der Sprache auf das Weltbild der Sprecher (und umgekehrt) ziehen, wobei ja die Sapir-Whorf-Hypothese und die Aussagen zum Zeitgefühl der Hopi oder das Verhältnis der Eskimos Inuit zum Schnee mittlerweile relativert wurden. Mir fielen da spontan noch die Benennung der Verwandten im Türkischen und Arabischen ein, die sich ja mitunter stark von der bei uns üblichen unterscheidet, woraus man durchaus Rückschlüsse auf die Familienstrukturen ziehen könnte. Zahlreiche solcher Beispiele von Verknüpfungen zwischen sprachlichen und gedanklichen Konzepten verschiedener Sprachen/Sprecher hat u.a. Deutscher in „Through the Language Glass“ gesammelt.
Im Bereich der Hilfsverben halte ich solche Interpretationen jedoch für relativ müßig. Nimm zum Beispiel die Tatsache, dass in einigen Sprachen die Verben „haben“ und „sein“ deutlich seltener gebraucht werden als im Deutschen und/oder dass sie in bestimmten Zeitformen (oder generell) nicht (mehr) existieren. Wie will man solche Phänomene interpretieren? Hat beispielsweise ein Hebräisch-, Arabisch- oder Russischsprecher ein gestörtes Verhältnis zu Besitz, weil er „ich habe“ in der Regel durch die Hilfskonstruktion „[es gibt] bei mir“ ( יש לי /yesh li, عندي /'indī bzw. у меня /u menja) umschreibt? Man müsste nun zweisprachig aufgewachsene Menschen fragen, ob sie in Muttersprache 1 (mit „haben“) ein anderes Empfinden für Besitz haben als in Muttersprache 2 (ohne „haben“). Aber ich wage das stark zu bezweifeln, da die allermeisten Menschen solche Formulierungen eigentlich gar nicht reflektieren.
Oder wüsstest Du spontan, was es über uns Deutsche aussagt, dass wir alle Wochentage haben können, während es in den meisten anderen Sprachen (die mir gerade durch den Kopf gehen) in der Regel ein bestimmter Tag ist?
Gruß,
Stefan