Hallo Thomas,
Erst einmal Entschuldigung für meine langsamen Reaktionsraten,
ich komm nicht so oft dazu zu surfen.
dieses Mal bin ich der Trödler, mein System hat mich zwei Tage boykottiert.
welche Dinge haben denn onthologische Valenz?
Protokollsätze wie z. B. „Dieser Schreibtisch hier steht jetzt vor mir.“ oder „Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für dieses Elektron beträgt …“. Hier wird etwas ausgesagt über einen Zustand, der nachprüfbar ist. Er muss dazu aber nicht vorhersagbar sein, denn ich könnte den Schreibtisch verstellt haben oder einen Wahrscheinlichkeitsextremwert erhalten. Und selbst bei Protokollsätzen kann ich mich irren, indem ich diesen Schreibtisch vielleicht nur virtuell vorgegaukelt bekomme (nun gut, das wäre schon ein Extremfall) oder mich verrechnet habe.
ich bin davon
ausgegangen, daß wenn die Naturgesetze, so wie wir sie heute
kennen, eine bestimmte Eigenschaft haben, dann muß man damit
erst einmal umgehen.
Das tun die Physiker ja auch. Nur wenn man manche Sätze von bestimmten Physikern liest - ich denke wieder an den sehr überschätzen Weizsäcker, aber auch andere -, dann hat man den Eindruck, es gäbe so etwas wie Substanz, Kausalität usw. gar nicht mehr und wir hätten uns im Mathematischen nur noch nach Wahrscheinlichkeiten zu richten, die doch - das ist der logische Gesichtspunkt - zumindest aus diskreten Ergebnissen zusammengesetzt sind. So wird gesagt, ein Elektron befindet sich zu diesem Zeitpunkt hier und zum anderen Zeitpunkt dort, und was dazwischen geschieht können wir wegen der Unschärfe nicht feststellen. So weit ist es in Ordnung. Aber jetzt zu sagen „Weil wir es nicht feststellen können, gibt es in diesem Bereich keine Kausalität“ halte ich für falsch, weil wir natürlich davon ausgehen müssen, dass das Elektron nicht von A nach B gesprungen ist, sondern sich dorthin bewegt hat - auf einer Bahn zwar, die wir nicht feststellen können, aber immerhin auf einer Bahn. Es gibt überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln, denn wenn wir das täten, würden wir die Grundlagen des Denkens und damit den gesamten methodischen Rahmen der Naturwissenschaft in Frage stellen. Das aber kann höchstens durch Mathematik und Logik, aber nicht durch die Empirie geschehen. Ein anderes Beispiel: Wenn ein Zauberer ein Kaninchen aus dem Hut zaubert, gehen wir selbstverständlich davon aus, dass er es dort „irgendwie“ (im Sinne von nicht feststellbar) deponiert hat. Wir setzen also methodisch die Kausalität voraus. Das muss man auch im subatomaren Bereich tun.
Man kann zwar nicht ausschliessen, in
Zukunft seine Meinung noch mal ändern zu müssen, aber
schliesslich müssen die Philosophen der Zukunft auch was zu
tun haben.
Es ist aber ein Unterschied, ob man seine Meinung in empirischen Dingen ändert, oder ob man wegen einer prinzipiellen bestehenden Schwierigkeit, Aussagen über Denkstrukturen macht.
Für mich ist es eher faszinierend, wie das Problem,
daß in der klassischen Physik der freie Wille gar nicht
existenzfähig war, durch die Entwicklung der letzten 100 Jahre
gelöst wurde.
Schön wär’s ja, aber leider ist hierdurch gar nichts gelöst.
Gut ok, aber ich denke, daß die Empirie doch wesentlich ist.
Ich habe nämlich bemerkt, daß mein Gedanke zu kurz griff. Auch
ein Regelsystem wird mittels einer Initialbedingung in Gang
gesetzt, auch wenn das Ergebnis des Regelkreises in weiten
Teilen von der exakten Anfangsbedingung unabhängig ist. Also
greift auch hier das philosophische Kausalitätsprinzip.
So ist es.
Dennoch schliesst die Argumentation zu der „ursachenlosen
Wirkung“ eine Annahme ein, die auf Empirie beruht. Wenn ich
das richtig verstanden habe, argumentiert man, daß jedes
Ereignis auf einer (oder mehreren) kausalen Ursachen beruht,
die zeitlich früher liegt. Wickelt man das immer weiter
zurück, dann kommt man vielleicht bei Gott an, aber auch
hierfür brauchen wir eine Ursache, so daß wir diese
ursachenlose Wirkung einführen müssen
Das ist das Problem, an dem schon Kant sich die Zähne ausgebissen hat. Die klassischen metaphysischen Fragen nach Gott, Freiheit und Unsterblichkeit sind nach ihm nicht lösbar, weil man für diese Fragen keine empirische Basis hat. Für eine Erkenntnis - das möchte ich noch einmal betonen - ist sowohl das Denken als auch die Empirie notwendig. Der historische Kernsatz bei Kant lautet: „Begriffe ohne Anschauungen sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ Nur wenn wir beides haben, kommen wir zu nachprüfbaren naturwissenschaftlichen Ergebnissen. Lässt man die begriffliche Ebene weg, dann kommt es zu den oben beklagten physikalischen Missdeutungen; lässt man die empirische Ebene weg, verliert sich die kausale Verknüpfung in Spekulation.
Der Haken liegt hier in der impliziten Annahme einer linearen,
absoluten Zeit (das „immer weiter zurück“). Hier überlappt
sich das philosophische Prinzip mit der Empirie und diese sagt
inzwischen, daß die Zeit nicht absolut und nicht linear ist.
Ich hatte es vor kurzem schon mal gepostet, daher hier nur kurz. Die Relativitätstheorie ist die herrschende Meinung in der Physik, und sie hat auch viel für sich. Gleichwohl gibt es Physiker, die wegen der Widersprüchlichkeit der Grundaxiome der RT versuchen, die Lorentz-Transformationen wieder gesellschaftsfähig zu machen - unter dem Verzicht auf die Absolutheit der Lichtgeschwindigkeit. Weil ich mich mit dieser Materie jahrelang nicht mehr beschäftigt habe, bin ich leider
nicht in der Lage, das jetzt im Einzelnen zu erklären, aber wenn du willst, suche ich dir Literatur dazu heraus. Einen Mittelweg geht die „Protophysik der Zeit“ von Peter Janich:
ISBN: 3518064169 Buch anschauen , sehr zu empfehlen.
Mir geht es darum, daß man nicht sagen kann „Freier
Wille gibt es nicht“ oder „Jeder Mensch hat einen freien
Willen“, wenn man nicht vorher gesagt hat, was man damit
meint. Intuitiv habe ich den Begriff für mich schon immer in
bestimmter Weise verstanden, aber mir geht es erst einmal
darum, diese Intuition in meiner Sprache auszudrücken und ob
mir dabei irgendwelche groben Fehler unterlaufen sind.
Ja, genau das ist es: Man kann nicht sagen „Es gibt keinen freien Willen“, aber man kann eben nur mit subjektiver Intuition sagen „Ich meine, einen freien Willen zu haben“. Der Satz " Jeder Mensch hat einen freien Willen" geht aber wieder zu weit.
Herzliche Grüße
Thomas