Freier Wille oder: Mensch vs. Tier

Hallo Fini.

Ich frage mich, ob das wirklich der Unterschied zwischen Tier
und Mensch sein kann: Freier Wille.

So steht es die jüdische Lehre dar.

Die, wie alle Religionen der Notwendigkeit unterliegt, den freien Willen weitestgehend zu verneinen um die den Willen des jeweiligen Gottes/Prinzips als superior einzusetzen.

Ein Pferd, dessen Urinstinkt es ist, bei Gefahr zu fliehen, kann
lernen, eben nicht vor Menschen zu fliehen.

Ich glaube, das ist die falsche Formulierung. Es lernt nicht, wie man ein Einmaleins lernt. Es fast Vertrauen zu Menschen und Tiere machen da auch sehr feine Unterschiede. Es ist ja nicht so, dass ein Tier, das einem Menschen vertraut allen Menschen vertraut.

Aber ist es sein freier Wille? Das Problem hierbei ist, von
aussen festzustellen, ob etwas wirklich etwas aus freiem
Willen tut oder nicht. So wird im Judentum der freie Wille
auch eingeschränkt und nur wenige unserer Entscheidungen
werden hier als dem freien Willen unterliegend angesehen.

Bsp. Ein Dieb kann eben nicht frei entscheiden, ob er den
nächsten Diebstahl macht oder nicht, in der Regel wird es sich
das so auch nicht fragen, sondern wenn nur abwegen, ob er
schon genug gestohlen hat oder die Sache sicher ist.

Was natürlich grob vereinfacht ist. Warum wurde der Dieb überhaupt ein Dieb und nicht Kerningenieur oder Schuster. Wäre er aber Kerningenieur geworden, wäre dann seine Entscheidungsfähigkeit auf die Frage reduziert ob er bereits genügend Kerne gespalten hat?
Was hier völlig fehlt, ist das Prinzip des Individuums (ist der Dieb vielleicht einfach zu faul einer geregelten Arbeit nachzugehen?) und des Sachzwanges (Er kriegt keinen Job, hat aber Familie zu ernähren?).

Wenn ich meinem Hund beim
Spazieren Gehen sage „komm“, dann muss er entscheiden, ob er
dem nachkommt, oder lieber weiter schnuppert.

Dein Hund konnte als frei entscheiden, dich nicht mehr als
deinen Herr anzusehen, morgen von dir wegzugehen und irgend
jemand anders als seinen neuen Herrn anzusehen oder gar ohne
zu leben?

Ich verstehe nicht viel von Hunde, ich bin mehr ein Katzenmensch. Katzen tun genau das. Im Extremfall, schau Dir mal eine Rusisch-Graue an. Diese Katzenart ist monogam und lebt ein Leben lang mit dem gleichen Partner zusammen (Wunder der Natur). Da es aber nicht viele Russisch-Blaue in Deutschland gibt, weichen die Kätzinnen gerne mal auf British-Blues aus (bekannter auch als Karthäuser). Und in diesem Fall verläßt die Katze Dich ganz knallhart und zieht bei ihrem Freund ein. Besitzer von Karthäuserkatern bzw. Russisch-Blauen Katzen können ein Lied davon singen.
Abgesehen davon wird jede Katze Dich als den ansehen, der Dosen öffnen kann, der ihr Fell krault und der Türen aufmachen kann, aber nie als ihren Herren. Katzen haben keine Herren, vergiß es.

Haben die Tiere
in den genannten Beispielen weniger freien Willen als jemand,
der vor einem Stück Schokolade sitzt und sich überlegt, ob er
seinem Appetit nachgeben darf oder nicht?

Auch diese Entscheidung unterliegt nicht dem freien Willen.

Wenn Du behauptest, diese Entscheidung unterleigt nicht dem freien Willen, dann implizierst Du, sie unterliegt Gottes Willen. Das ist natürlich auf einem Religionsbrett einfach, weil Gott das KO-Argument ist. Niemand braucht ihn hier zu beweisen oder auch nur seine Motivation über meine Diät zu entscheiden, zu hinterfragen.

Existiert freier Wille überhaupt?

Das kommt darauf an, wenn du hier fragst.

Fragen wir die Bibel, und da es so schön ist, das alte Testament. Dann landen wir wieder bei Adam uznd Eva und dem Baum der Erkenntnis. Soweit ich weiß, ist diese Geschichte ja auch für das Judentum gültig.

Oder ist jede Entscheidung nur ein Abwägen
von Für und Wider, also durch Erfahrungen, Bedürfnisse und
Verstand eingeschränkt?

Beim Freien Willen im Judentum geht es nur um Entscheidungen,
welche damit zu tun haben, ob wir uns G’tt annähern oder von
Ihm entfernen wollen, um Fragen ob wir in diesem Sinn gutes
oder böses tun. Aber auch hier, wie das obige Beispiel mit dem
Dieb zeigt, ist nicht gleich jede gute oder böse Tat dem
freien Willen untergeordnet.

Das ist aber eine sehr rein religiöse Ansicht, in dem Sinne, dass sie Entscheidungen des täglichen Lebens bzw. Entscheidungen in der Welt ausschließt. Ich habe mich heute Morgen für Rühreier mit Speck entschieden, habe ich mich dadurch G’tt angenähert oder habe ich mich dadurch von ihm entfernt? Es war Schweinespeck, also vermutlich entfernt? War es eine gute oder eine böse Tat? Das kommt darauf an, ob ich das Schwein oder den Theologen frage. Die Meinung des Schweins wird eindeutig sein.

So ist es für den Dieb eben eine wesentlich grössere Tat zu
erkennen, dass Diebstahl falsch ist und es zu unterlassen,
weil G’tt dieses von ihm fordert. Ein frommer Juden hingegen
wird damit weniger Schwierigkeiten habe.

Es sei denn, besagter frommer Jude hat Familie, findet keinen Job und das Sozialsystem ist in den Binsen. Wie entscheidet der fromme Jude, wenn er seine Kinder hungern sieht? Sachzwänge!

Gruß
Peter B.

Hallo Fini.

Hallo Jehuda (man liest sich immer zwei Mal im Leben :wink:)

Ich frage mich, ob das wirklich der Unterschied zwischen Tier
und Mensch sein kann: Freier Wille.

So steht es die jüdische Lehre dar.

Dessen bin ich mir bewusst :smile:

Ein Pferd, dessen Urinstinkt es ist, bei Gefahr zu fliehen, kann
lernen, eben nicht vor Menschen zu fliehen.

Aber ist es sein freier Wille? Das Problem hierbei ist, von
aussen festzustellen, ob etwas wirklich etwas aus freiem
Willen tut oder nicht. So wird im Judentum der freie Wille
auch eingeschränkt und nur wenige unserer Entscheidungen
werden hier als dem freien Willen unterliegend angesehen.

Das ging aus dem essay und auch aus anderen Quellen, die ich bisher kenne, nicht so explizit hervor. Wo genau liegen die Grenzen bzw. welche Entscheidungen sind das konkret, die dem freien Willen unterliegen?

Wenn ich meinem Hund beim
Spazieren Gehen sage „komm“, dann muss er entscheiden, ob er
dem nachkommt, oder lieber weiter schnuppert.

Dein Hund konnte als frei entscheiden, dich nicht mehr als
deinen Herr anzusehen, morgen von dir wegzugehen und irgend
jemand anders als seinen neuen Herrn anzusehen oder gar ohne
zu leben?

Nein, aber freier Wille und Entscheidungsmöglichkeiten sind ja nicht dasselbe, oder?

Beim Freien Willen im Judentum geht es nur um Entscheidungen,
welche damit zu tun haben, ob wir uns G’tt annähern oder von
Ihm entfernen wollen, um Fragen ob wir in diesem Sinn gutes
oder böses tun. Aber auch hier, wie das obige Beispiel mit dem
Dieb zeigt, ist nicht gleich jede gute oder böse Tat dem
freien Willen untergeordnet.

So ist es für den Dieb eben eine wesentlich grössere Tat zu
erkennen, dass Diebstahl falsch ist und es zu unterlassen,
weil G’tt dieses von ihm fordert. Ein frommer Juden hingegen
wird damit weniger Schwierigkeiten haben.

Also liegt es nicht an der jeweiligen Entscheidung, sondern an der Persönlichkeit der vor der Entscheidung stehenden Person? Kann man demnach freien Willen erlernen? Was ist mit der „heimkehrenden Seele“, wie sie Konvertiten zum Judentum nachgesagt wird? Hatten diese Personen wirklich eine Wahl? Hat der fromme Jude in deinem Beispiel eine Wahl? Oder resultiert seine Entscheidung aus seinem Wissen und seinem Glauben heraus? (meint: Wenn jemand an die Tora glaubt, habt er dann wirklich die Wahl sich anders zu verhalten als es geschrieben steht?)

Gruß Fini

Hallo,

hat schon einmal jemand schwer kranke Tiere in eigentlich friedlichen Umgebungen beobachtet? Sowohl die kranken Tiere als auch die Tiere, die rund herum sind (gleiche Gattung, vielleicht seit Jahren zusammen?). Tut das mal. Dann wißt ihr, daß das Kriterium ungerechtfertigt ist. Denn rein logisch reicht es ja, den Nachweis für eine Gattung zu führen um die Nichtigkeit des Kriteriums zu belegen. Kranke Katzen, die richtig rumgehen, von einem zum anderen, und sich regelrecht verabschieden. Hunde die ihr Herrchen dazu bringen, mit ihnen an einen Ort zu gehen wo sie vielleicht Jahre nicht mehr waren um dort zu sterben, was braucht man mehr.
Und denkt mal an die vielen Geschichte von Hunden, die in brennende Häuser zurückgerannt sind weil noch jemand drin war. Glaubst Du, der Hund weiß nicht, dass er dabei mit seinem Leben spielt? Er vermeidet ja Feuer normalerweise. Ich glaube, dass das Leben genügend taugliche Versuchsanordnungen geliefert hat. Es ist nur menschliche Arroganz, das zu ignorieren, was man sieht.

Peter B.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo,

aber wir wollen festhalten, dass es sich zwangsläufig um eine
Theorie handelt, da Herr Steiner aus offensichtlichen Gründen
wie wir alle nie die Wahrnehmungsfähigkeit von Tieren am
eigenen Leib erfahren konnte.

so gesehen ist alles Theorie, das über die Mitteilung der eigenen direkten sinnlichen Wahrnehmung hinausgeht.

Also bleibt nur das Mittel der
Beobachtung. Steiner hat seine Theorie allerdings nicht mit
Beispielen unterlegt (zu diesem Gedanken), so, dass es sich
alles auf die Frage reduziert, ob man diesem Gedanken glaubt
oder nicht glaubt.

Zweifellos richtig ist, das für den Menschen neben der materiellen Welt eine geistige Sphäre existiert. Gedanken, Traum und Phantasiebilder etc.
Nachvollziehbar ist auch, das menschliche Handlungen in der materiellen Welt zumindest teilweise durch Überlegungen und Ideen - also durch Inhalte aus der geistigen Welt - motiviert werden.

Und ich wage die Theorie das Tiere keinen so umfassenden Zugang zu einer geistigen Sphäre haben wie Menschen.

Trotzdem handeln Tiere bewundernswert. Ob es Ameisen oder Zugvögel oder was auch immer sind. Was sie tun ist von bewundernswerter Sinnhaftigkeit und Vollendung.

Und dieses Tun nennt Steiner nun eben das Ausleben der „Idee“. Der Mensch kann jetzt diese „Ideen“ erfassen und sie für seine Handlungen nutzen.

Deswegen kann der Mensch fliegen, tauchen, sich auf der Erde schneller fortbewegen als jedes Tier und viel viel mehr. Weil er eben Zugang hat zu den Ideen die diese Welt durchsetzen.

Eine Kuh wird nicht fliegen oder tauchen. Auch wenn sie tausendmal die Vögel und Fische sieht.

Das Tier wird immer das tun was es seiner Natur (Idee) nach tun muss.

Nur der Mensch kann im großen Umfang diese Prinzipien (Ideen) der Welt geistig erfassen und versuchen sie für sich nutzbar machen.

Grüße
K.

Hallo,

zunächst einmal sollten wir uns überlegen, inwieweit Religion nicht auch für Tiere gilt. Wenn ich z.B. ein christliches Gebot habe „Liebe Deinen Nächsten“ bedeutet das nicht automatisch, Tierquälerei ist erlaubt.
Das führt aus religiöser Sicht zur nächsten Frage: Ist Gott für Tiere zuständig oder nicht? Mt6, 26 erklärt zumindest für das Christentum, das Gott für alle Lebewesen zuständig ist. Die Vögel säen nicht, sie haben keine Scheunen, aber der Herr ernährt sie doch.
Beten Tiere? Wir wissen es nicht, aber beobachtet wurde es meines Wissens bisher nicht. Begehen Tiere Sünden? Relativ selten, auch wenn es da das eine pervertierte Exemplar geben soll. Wobei immer auch die Frage ist, was Sünden sind.
Die Frage nach dem Unterschied zwischen Mensch und Tier ist eine typische Frage organisierter Religion. In der Bibel selbst steht nur, dass Mensch sozusagen das letzte Modell war, nachdem Gott so und soviel andere Modelle geschaffen hatte, die da überall kreuchten und fleuchten. Ich kann, aus biblischer Sicht nicht einmal argumentieren, dass der Verzehr der Frucht vom Baum der Erkenntnis den Unterschied machen würde. Denn die ganzen Tiere, von denen nicht erwähnt ist, dass sie ebenfalls davon aßen, sind ja auch hier, außerhalb Edens. Mit anderen Worten, die müssen ja auch rausgeflogen sein.
Mit anderen Worten, das Tier stellt die Frage nicht (Was ist der Unterschied ziwschen Katzen und all den zwei- und vierbeinigen Tieren? Sind Tausendfüßler von Gott gesandt?). Religion per se stellt diese Frage nicht. Menschen, die Religion machen, stellen diese Frage. Aber letzten Ende nicht, weil sie an einer wirklichen Definition interessiert wären sondern nur um einmal mehr darzustellen, wie viel toller sie doch sind. Das jedoch ist eigentlich nicht Religion sondern nur Heuchelei.

Gruß
Peter B.

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Hallo Klaus

Ja, ist das nicht implizit im Begriff enthalten?
Sowie der Begriff Kugel selbstverständlich die runde Form
enthält

Die Frage ist nicht, ob es im Begriff enthalten ist, sondern ob der Begriff mehr enthält. Der Begriff ‚Kugel‘ „enthält“ nicht die dreidimensionale, perfekt runde Form (und dazu möglicherweise noch anderes), sondern er bezeichnet sie exakt. Nicht mehr und nicht weniger. Nach buddhistischer Auffassung ist ein fühlendes Wesen das Produkt seiner Bedingungen und somit wie eben diese permanentem Wandel unterworfen. Die meisten Menschen haben erhebliche Probleme, in den Begriff ‚Mensch‘ nicht mehr hineinzugeheimnissen - z.B. eine Substanz, auf die diese Bedingungen wirken. Eine Seele, ein Ich, ein unabhängig von Objekten existierendes Subjekt.

Einschließlich der Bedingungen die ihn formen und formten.

Nicht „einschließlich“. Da ist nicht mehr.

Nun - sie existieren nicht aus sich selbst herraus - OK - aber
offensichtlich existieren sie?

Sie existieren als ephemeres und beständig sich wandelndes Produkt der jeweils momentan wirksamen Bedingungen und setzen dabei selbst Bedingungen. Einen gewissen Ausschnitt und Zeitabschnitt dieses Bedingungszusammenhanges / Konditionalnexus belegen wir mit dem Begriff ‚Ralf Boeck‘ oder ‚Klaus Anligen‘, weil dieser Abschnitt durch einen kohärenten Prozess von Bewusstseins-, Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Willensmomenten gekennzeichnet ist, die wiederum an eine materielle Form gebunden sind. Dies verdeckt jedoch, dass keiner dieser Prozesse oder die materielle Form in irgendeiner Weise konstant ist oder eine Konstante enthält - was der ‚feste‘ und konstante Begriff ‚Ralf Boeck‘ oder ‚Klaus Anligen‘ (oder allgemein: Mensch) vorspiegelt.

Damit ist dann jegliche Willensfreiheit verneint.
Was bleibt ist ein Empfinden - ein Wahrnehmen das der
Wahrnehmer aber nicht beeinflussen kann denn das da ein
Wahrnehmen ist, das ist ja bedingt.

Auch hier: es gibt das Wahrnehmen als einen von mehreren psychischen Prozessen - aber keinen „Wahrnehmer“, allenfalls im rein konventionellen Sinn, wie ich ihn im vorigen Absatz erläutert habe. Insofern ist die Frage nach der Willensfreiheit im Buddhismus nicht „verneint“, sie ist schlicht ein Kategoriefehler, weil zwar ein Willensprozess, aber kein Agens postuliert wird, das diesen Willen ausübt oder ‚hat‘ und dem somit eine Freiheit des Willens oder Handelns zu- oder abgesprochen werden könnte.

Und damit ist nochmal eindeutig eine Willensfreiheit verneint.

  • und ebenso ein unfreier Wille. Bzw. nicht verneint sondern vielmehr als eine auf den Sachverhalt nicht anwendbare Alternative zurückgewiesen.

Das, was im Buddhismus als ‚Wille‘ (cetana) bezeichnet wird und karmisch die Sphäre empirischer Erfahrung (den 18-fachen dhatu) über ‚Bildekräfte‘ (samskara - dies ist das oben angesprochene ‚Setzen von Bedingungen‘) formt, ist ein Ergebnis unreflektierter polarer Antriebe: Anziehung und Abstoßung, Hin- und Abneigung, Lust und Unlust, Gier und Hass. Diese Antriebe resultieren aus einer kognitiven Fehlhaltung - und zwar der oben schon angesprochenen falschen Sicht von der Existenz eines Ich als unabhängiges, für sich existierendes Subjekt, dem eine Welt von Objekten zum Ergreifen gegenübersteht. Mit Beseitigung dieser kognitiven Fehlhaltung wird der Wille nicht frei - er richtet sich auf andere Ziele aus um schließlich zu verlöschen. Dieses Verlöschen ist Nirvana, ist Friede.

Ich hatte erst nicht ganz verstanden was Du anfänglich mit
„weder - noch“ gemeint hattest.

Generell ist es natürlich schwer über „Willensfreiheit“ zu
sprechen wenn man nicht erst mal klar macht was damit
überhaupt gemeint ist.

Vielleicht ist es nun etwas klarer - wobei betont werden muss, dass es nicht um ein intellektuelles Verständnis des oben Skizzierten geht, sondern um ein existenzielles Erfassen. Der englische Begriff ‚realization‘ drückt diesen Zusammenklang von Erkennen und Ver-Wirklichen sehr schön aus.

Und meine Schwierigkeiten habe ich nach wie vor mit der
„Seelenlosen“ Wiedergeburt

Die gibt es auch nicht - es gibt ein permanentes Wiederwerden (punarbhava) fühlender und leidender Wesen, so lange die Antriebskräfte des Willens Bedingungen für ihr Werden wirken.

Die Nichtexistenz eines kontinuierlichen Wesens
(schon zu Lebzeiten) bleibt paradox und widersprüchlich.

Dieses Paradoxon ist nur ein scheinbares - weil unsere Sprache Ausdruck unseres Denkens ist und eben dies auf der kognitiven Fehlhaltung beruht, ein kontinuierliches Wesen existiere.

U.a. deswegen gibt es buddhistische Traditionen, die sehr wenig Wert auf die Vermittlung der buddhistischen Lehre durch Worte legen oder aber bewusst Paradoxa als Mittel der Schulung einsetzen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Ralf,

U.a. deswegen gibt es buddhistische Traditionen, die sehr
wenig Wert auf die Vermittlung der buddhistischen Lehre durch
Worte legen oder aber bewusst Paradoxa als Mittel der Schulung
einsetzen.

Genau das scheint mir der Kern der Sache.
Sprache scheint für die buddhistischen Erfahrungsinhalte unzulänglich zu sein.

Allerdings sind diese Erfahrungsinhalte i.d.R. auch Ausnahmesituationen.

Im Alltagsleben nimmt sich der Mensch als kontinuierliches Etwas war. Mit Lebenslauf, Lebenserfahrung etc.
Er kann für seine Zukunft planen - eben weil er Konstistenz erfährt und vorraussetzt und das bei sich, bei anderen und in der Welt generell.
Da ist auch der Buddhist keine Ausnahme der mit Regelwerk und Meditationen sich eben auch auf seine zukünftigen Ziele ausrichtet.
Auch wenn beim Erreichen dieser Ziele letztlich die Vorbereitungen dazu, das eigene Ego und die Welt evtl. tranzendiert und als etwas völlig anderes „erfahren“ wird.

Deswegen kann man dieser(!) Alltags-Realität nicht ihre "Wirk-"lichkeit absprechen.

In Deiner Alltagserfahrung wirst auch Du Dich als kontinuierliches „ich“ erleben. Mit einer Kindheit, einer Jugend einem Lebenslauf generell, und einer Zukunft. Das alles gebunden an ein sich zwar änderndes, im Kern aber beständiges Wesen.

Sofern sehe ich Kontinuität einer Person als wirklich - ohne die Möglichkeit andere Erfahrungen machen zu können, zu verneinen.

Denn diese „buddhistische Wirklichkeit“ ist eben nicht die alltägliche Erlebniswirklichkeit und bleibt im Alltagserleben paradox.

Grüße
K.

Moin Klaus,

Genau das scheint mir der Kern der Sache.
Sprache scheint für die buddhistischen Erfahrungsinhalte
unzulänglich zu sein.

Sprache ist für buddhistische Erfahrungsinhalte genau so unzulänglich oder nicht, wie für alle anderen Erfahrungsinhalte.
Die Lehre ist der zentrale Punkt im Buddhismus. Ohne die Lehre zu kennen, kann man sie nicht anwenden, und ohne sie anzuwenden, wird sie nichts nutzen.

Im Alltagsleben nimmt sich der Mensch als kontinuierliches
Etwas war. Mit Lebenslauf, Lebenserfahrung etc.
Er kann für seine Zukunft planen - eben weil er Konstistenz
erfährt und vorraussetzt und das bei sich, bei anderen und in
der Welt generell.
Da ist auch der Buddhist keine Ausnahme der mit Regelwerk und
Meditationen sich eben auch auf seine zukünftigen Ziele
ausrichtet.

Sicherlich ist das auch bei Buddhisten so, allerdings ist sich der Buddhist der Tatsache bewusst, dass ein Großteil seines Handelns aus Begierde (haben wollen) oder Ablehnung (nicht haben wollen) motiviert ist. Wie Ralf ja bereits weiter oben ausführte. Beides gilt im Buddhismus jedoch als gleichermaßen leidhaft.

Dies unterscheidet uns übrings nicht von den Tieren, deren Handlungen ebenfalls von Begierde und Ablehnung motiviert sind. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass der Mensch im Gegensatz zum Tier zumindest potentiell die Möglichkeit hat, die aus Begierde oder Ablehnung motivierten Handlungen aufzugeben und Befreiung aus dem Daseinskreislauf zu erlangen.

Auch wenn beim Erreichen dieser Ziele letztlich die
Vorbereitungen dazu, das eigene Ego und die Welt evtl.
tranzendiert und als etwas völlig anderes „erfahren“ wird.

Aus buddhistischer Sicht gibt es kein „Ego“ und somit auch kein Ego, das man irgendwie transzendieren oder als etwas anderes erfahren könnte.

Deswegen kann man dieser(!) Alltags-Realität nicht ihre
"Wirk-"lichkeit absprechen.

Dies! ist aber keine Realität oder Wirklichkeit, sondern lediglich Konvention. Selbstverständlich kann man innerhalb dieser Konvention schlüssige Aussagen machen, z.B. deine Nase ist nicht meine Nase. Aber wenn man versucht, über diese Konvention hinaus zu gehen, und z.B. anfängt, den „Besitzer“ der Nase zu suchen, dann wird es schon schwierig.

In Deiner Alltagserfahrung wirst auch Du Dich als
kontinuierliches „ich“ erleben. Mit einer Kindheit, einer
Jugend einem Lebenslauf generell, und einer Zukunft. Das alles
gebunden an ein sich zwar änderndes, im Kern aber beständiges
Wesen.

Was findest du denn konkret an Beständigem im „Kern“? Und was soll das sein, der „Kern“?

Denn diese „buddhistische Wirklichkeit“ ist eben nicht die
alltägliche Erlebniswirklichkeit und bleibt im Alltagserleben
paradox.

Das ist nicht korrekt. Bei genauer Betrachtung stellt sich nämlich sehr wohl heraus, dass es nichts Beständiges gibt, dass es keinen beständigen Kern oder ein beständiges „Ego“ gibt. Dass wir das nicht erkennen, gerade das macht ja einen großen Teil unserer täglichen Enttäuschungen und Leiden aus. Wir erwarten eine bestimmte Kontinuität, sei es bei uns selbst, bei unseren sozialen Kontakten oder unseren materiellen Gütern. Wenn uns dann aber die „alltägliche Erlebniswirklichkeit“ mit seiner Unbeständigkeit kalt erwischt, weil wir z.B. plötzlich einen Schlaganfall erleiden und nicht mehr sprechen oder uns bewegen können, weil ein von uns geliebter Mensch plötzlich stirbt oder uns verlässt oder weil ein Hagelschauer unser nagelneues Auto demoliert, für das wir mehrere Jahre lang gespart haben, dann ist die Katastrophe groß.

Gruß
Marion

Hallo Peter,

So ist es für den Dieb eben eine wesentlich grössere Tat zu
erkennen, dass Diebstahl falsch ist und es zu unterlassen,
weil G’tt dieses von ihm fordert. Ein frommer Juden hingegen
wird damit weniger Schwierigkeiten habe.

Es sei denn, besagter frommer Jude hat Familie, findet keinen
Job und das Sozialsystem ist in den Binsen. Wie entscheidet
der fromme Jude, wenn er seine Kinder hungern sieht?
Sachzwänge!

vielleicht wartet er auf die Raben:
Er aber ging hin und tat nach dem Wort des HERRN und setzte sich nieder am Bach Krit, der zum Jordan fließt. Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch des Morgens und des Abends und er trank aus dem Bach.“ (1.Kön.17,5-6)

Ich bin zwar kein frommer Jude, aber die „Raben“ habe ich schon erlebt.

Gruss Harald

Hallo Peter,

Die Frage nach dem Unterschied zwischen Mensch und Tier ist
eine typische Frage organisierter Religion. In der Bibel
selbst steht nur, dass Mensch sozusagen das letzte Modell war,
nachdem Gott so und soviel andere Modelle geschaffen hatte,
die da überall kreuchten und fleuchten.

da muss man den Text aber doch genauer betrachten:
Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels.“ (Gen.1,20)
Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (Gen.2,7)

Der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist, dass der Mensch „Gottes Handarbeit“ ist.

Ich kann, aus
biblischer Sicht nicht einmal argumentieren, dass der Verzehr
der Frucht vom Baum der Erkenntnis den Unterschied machen
würde. Denn die ganzen Tiere, von denen nicht erwähnt ist,
dass sie ebenfalls davon aßen, sind ja auch hier, außerhalb
Edens. Mit anderen Worten, die müssen ja auch rausgeflogen
sein.

Richtig, die ganze Schöpfung leidet unter der Fehlentscheidung Adams.
Aber war die Entscheidung das Resultat des „freien Willens“ oder war es ein Sachzwang? Einen solchen kann ich hier nicht erkennen.

Gruss Harald

Hallo Marion,

Dies unterscheidet uns übrings nicht von den Tieren, deren
Handlungen ebenfalls von Begierde und Ablehnung motiviert
sind. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass der
Mensch im Gegensatz zum Tier zumindest potentiell die
Möglichkeit hat, die aus Begierde oder Ablehnung motivierten
Handlungen aufzugeben und Befreiung aus dem Daseinskreislauf
zu erlangen.

Also die „Wahl-Freiheit“ hat, dies zu tun?

Aus buddhistischer Sicht gibt es kein „Ego“ und somit auch
kein Ego, das man irgendwie transzendieren oder als etwas
anderes erfahren könnte.

Aus buddhistischer(!) Sicht gibt es das nicht.
Gerade der buddhistisch orientierte Westler beginnt aber seinen Weg mit der Auffassung er habe/sei ein Ego.
Bevor er in die bud. Erfahrungstiefen eintaucht ist genau das für ihn Realität. Es wird erlebt wie jede andere Objekt-Kontinuität.
Das diese Perspektive auf die Welt nun Teil der Ursachen von Leid ist, das erklärt der Buddhismus und strebt nach einem Wechsel dieser Perspektive.
Ich denke nicht, dass man davon sprechen kann, dass eine der Perspektiven „richtiger“ ist als die andere.

Deswegen kann man dieser(!) Alltags-Realität nicht ihre
"Wirk-"lichkeit absprechen.

Dies! ist aber keine Realität oder Wirklichkeit,

siehe oben.

… sondern
lediglich Konvention.

Und die bud. Weltanschauung ist keine Konvention?

Was findest du denn konkret an Beständigem im „Kern“? Und was
soll das sein, der „Kern“?

Wenn Du nach vielen, vielen Jahren eine alte Bekannte triffst, dann wirst Du sie als die „erkennen“ die sie ist … und war.
Du selbst wirst für Dich eine Zukunft planen können, weil Du weißt das etwas „Wesentliches“ von Dir in die erdachte Zukunft hinüber geht.

Demnächst gibt es übrigens für jedes Neugeborene eine Steuernummer die es sein Leben lang behält.
Und diese „Steuernummern“ oder Namen die - an sich - unveränderbare Kontinuität in der Zeit besitzen ZEIGEN auf etwas das als zwar wandelbares aber trotz allem eine Kontinuität enthaltenes Individuum erfahren wird.

Denn diese „buddhistische Wirklichkeit“ ist eben nicht die
alltägliche Erlebniswirklichkeit und bleibt im Alltagserleben
paradox.

Das ist nicht korrekt. Bei genauer Betrachtung stellt sich
nämlich sehr wohl heraus, dass es nichts Beständiges gibt …

Diese „Betrachtung“ ist keine Betrachtung sondern Denken.
Ganz selbstverständlich - ohne nachzudenken - handelt jeder (Westler) in seinem Alltag in tiefsten Vertrauen auf Konsistenz und Kontinuität.

Grüße
K.

Gottes Handarbeit

In der Bibel selbst steht nur, dass Mensch sozusagen das letzte
Modell war, nachdem Gott so und soviel andere Modelle geschaffen hatte,
die da überall kreuchten und fleuchten.

da muss man den Text aber doch genauer betrachten:

Eben! Im 6-Tage-Mythos in Gen. 1.26 ist er das letzte Modell. Aber im Eden-Mythos Gen. 2.7 ist der Mensch das erste Modell. Danach erst Gen. 2.19 werden die anderen Lebewesen gemacht …

Der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist, dass der Mensch „Gottes Handarbeit“ ist.

… und zwar genau wie der Mensch aus Erdboden in Handarbeit.

Gruß
Metapher

Hallo Klaus,
wenn ich mich wieder einmischen darf …

Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass der
Mensch im Gegensatz zum Tier zumindest potentiell die
Möglichkeit hat, die aus Begierde oder Ablehnung motivierten
Handlungen aufzugeben und Befreiung aus dem Daseinskreislauf
zu erlangen.

Also die „Wahl-Freiheit“ hat, dies zu tun?

Nein - er erfüllt die grundsätzlichen Bedingungen dafür. Treten weitere, begünstigende Bedingungen hinzu, wird er dies tun. Um Leiden zu überwinden.

Aus buddhistischer Sicht gibt es kein „Ego“ und somit auch
kein Ego, das man irgendwie transzendieren oder als etwas
anderes erfahren könnte.

Aus buddhistischer(!) Sicht gibt es das nicht.

Ja, steht doch da.

Gerade der buddhistisch orientierte Westler beginnt aber seinen Weg mit der Auffassung er habe/sei ein Ego.

Jeder Mensch beginnt den Weg mit dieser Sicht. In der Regel - wenn er dem buddhistischen Weg weiter folgt - wird diese Sicht zunächst auf intellektueller Ebene und schließlich auf existentieller Ebene aufgegeben. Dabei ist die Änderung der intellektuellen Sicht zumindest nach Auffassung einiger buddhistischer Schulrichtungen keine notwendige Vorbedingung - im Unterschied zur buddhistischen Lebenspraxis. Spätestens mit einer existentiell veränderten Sicht der Wirklichkeit stellt sich allerdings notwendig auch eine andere intellektuelle Sicht ein.

Bevor er in die bud. Erfahrungstiefen eintaucht ist genau das für ihn Realität.

Es ist seine Interpretation von Realität.

Es wird erlebt wie jede andere Objekt-Kontinuität.

Diese Kontinuität wird (aus Verblendung) bei diesem wie bei jedem anderen Objekt lediglich vorausgesetzt. Das ist die „kognitive Fehlhaltung“, von der ich geschrieben hatte.

Das diese Perspektive auf die Welt nun Teil der Ursachen von Leid ist, das erklärt der Buddhismus und strebt nach einem Wechsel dieser Perspektive.

Ich denke nicht, dass man davon sprechen kann, dass eine der Perspektiven „richtiger“ ist als die andere.

Es geht nicht um den Wechsel der Perspektive, sondern um das Aufgeben von Perspektiven. Es sind die Perspektiven, die die Wirklichkeit verzerren, indem das Wahrgenommene mit Wertungen, Erwartungen, Befürchtungen, Erinnerungen usw. emotional befrachtet wird. Den ‚Wertmaßstab‘ für diese ‚Befrachtung‘ gibt die jeweilige Perspektive - sie ist immer auf den Ausgangspunkt der Perspektive (‚Augpunkt‘) bezogen. Diese Schicht oder Kruste, die aus einer Perspektive heraus über das Wahrnehmen der Wirklichkeit, wie sie ist, gelegt wird, wird dann mit der Wirklichkeit verwechselt.

Deswegen kann man dieser(!) Alltags-Realität nicht ihre
"Wirk-"lichkeit absprechen.

Das ist wiederum richtig - auch die perspektivisch verzerrte Wirklichkeit ist Wirklichkeit, sie wirkt - und zwar leidhaft.

Und die bud. Weltanschauung ist keine Konvention?

Die Vermittlung buddhistischer Lehre bedient sich zwangsläufig sozialer Konventionen - vor allem der Sprache. Dabei wird jedoch Wert gelegt auf die unüberbrückbare Differenz zwischen konventioneller Wahrheit (samvrti satya) und absoluter Wahrheit (paramartha satya). Erstere kann intellektuell vermittelt und erfasst werden, letztere ausschließlich existentiell erfahren werden. Der Wert konventioneller Wahrheit liegt darin, dass sie den Weg zur Erfahrung absoluter Wahrheit öffnen und weisen kann. Ihr ‚Wahrheitswert‘ an sich ist daher begrenzt, da sie der absoluten Wahrheit nie adäquat ausdruck geben kann. Das Sprechen über den Dharma ist primär nicht das Verkünden von ‚Wahrheiten‘, es ist vielmehr primär illokutionär. Anders gesagt: entscheidend ist nicht, was es aussagt, sondern was es beim Hörenden auslöst.

Wenn Du nach vielen, vielen Jahren eine alte Bekannte triffst, dann wirst Du sie als die „erkennen“ die sie ist … und war.

Du wirst etwas sehen, das aus etwas Früherem, längst Vergangenem entstanden ist. Außer einigen Nervenzellen ist nichts von der Person von vor „vielen, vielen Jahren“ übrig geblieben. Und selbst die sind gealtert, nicht mehr dieselben. Selbst die Erinnerungen, die sie damals schon hatte, sind heute anders - weniger oder mehr präsent, anders emotional besetzt usw.

Deine alte Bekannte ist nicht etwas Festes - sie ist ein Prozess, den Du zu unterschiedlichen Zeitpunkten wahrnimmst. Diesen dynamischen Prozess interpretierst Du als etwas Statisches oder Du postulierst, dass ihm etwas Statisches zugrunde liegt. Ohne dass sich so etwas Statisches finden oder nachweisen ließe.

Du selbst wirst für Dich eine Zukunft planen können, weil Du weißt das etwas „Wesentliches“ von Dir in die erdachte Zukunft hinüber geht.

Dieser Prozess, von dem ich oben schrieb, ist für einen gewissen Zeitraum uberschaubar. Genauer - aus der Rückschau des bisherigen Prozessverlaufs kann der weitere bis zu einem gewissen Grad prognostiziert werden. Ein ‚Wissen‘ über etwas „Wesentliches“, das „in die erdachte Zukunft hinüber geht“ oder auch nur eine entsprechende Annahme ist dazu nicht erforderlich

Demnächst gibt es übrigens für jedes Neugeborene eine Steuernummer die es sein Leben lang behält.
Und diese „Steuernummern“ oder Namen die - an sich - unveränderbare Kontinuität in der Zeit besitzen ZEIGEN auf etwas das als zwar wandelbares :aber trotz allem eine Kontinuität enthaltenes Individuum erfahren wird.

Namen und Begriffe sind reine Vorstellungen, nichts Reales. Damit ist nicht gesagt, dass der Vorstellung etwas Reales entspricht. Im Buddhismus spricht man, wenn es um diese Art Vorstellungen geht, gerne vom ‚Horn eines Hasen‘ oder dem ‚Sohn einer unfruchtbaren Frau‘. Namen und Steuernummern „ZEIGEN“ irgendwohin, das ist richtig. Ein Buddhist sagt Dir, sie zeigen ins Leere.

Diese „Betrachtung“ ist keine Betrachtung sondern Denken.

Du bist mit dieser Art ‚Betrachtung‘ offensichtlich in keiner Hinsicht vertraut. Ich versichere Dir, sie hat mit Denken nichts zu tun. In meiner Tradition wird sie sogar explizit als ‚Undenken‘ (hi shiryo) bezeichnet.

Ganz selbstverständlich - ohne nachzudenken - handelt jeder (Westler) in seinem Alltag in tiefsten Vertrauen auf Konsistenz und Kontinuität.

Das wiederum ist fast richtig. Nicht „jeder“ handelt so, aber mit Abstand die meisten. Nicht nur „Westler“, sondern Menschen überhaupt. Und was bringt uns dieses Vertrauen und dieses Handeln?

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin Klaus,

Dies unterscheidet uns übrings nicht von den Tieren, deren
Handlungen ebenfalls von Begierde und Ablehnung motiviert
sind. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass der
Mensch im Gegensatz zum Tier zumindest potentiell die
Möglichkeit hat, die aus Begierde oder Ablehnung motivierten
Handlungen aufzugeben und Befreiung aus dem Daseinskreislauf
zu erlangen.

Also die „Wahl-Freiheit“ hat, dies zu tun?

So würde ich das nicht nennen. Er hat das Potenzial. Ob er dieses auch nutzen kann, hängt von mehreren Faktoren ab, so muss er z.B. überhaupt erst Kenntnis von der Lehre erlangen, wie er sich aus dem Daseinskreislauf befreien kann, dann muss er die Möglichkeit haben, diese Lehre auch zu praktizieren etc. So hat ein Mensch in einem sudanesischen Flüchtlingslager auch dieses Potenzial, aber vermutlich kaum die Gelegenheit, es zu nutzen.

Aus buddhistischer Sicht gibt es kein „Ego“ und somit auch
kein Ego, das man irgendwie transzendieren oder als etwas
anderes erfahren könnte.

Aus buddhistischer(!) Sicht gibt es das nicht.
Gerade der buddhistisch orientierte Westler beginnt aber
seinen Weg mit der Auffassung er habe/sei ein Ego.
Bevor er in die bud. Erfahrungstiefen eintaucht ist genau das
für ihn Realität. Es wird erlebt wie jede andere
Objekt-Kontinuität.

Mit ist nicht ganz klar, was du in diesem Zusammenhang mit „Realität“ bezeichnest. Wenn ich mich zum Beispiel furchtbar vor einem Seil erschrecken, das auf dem Boden liegt, weil ich es für eine Schlange halte. Was bezeichnest du dann als Realität? Wir können jede Menge Erfahrungen machen, die letztendlich nur auf einer Täuschung oder eines Irrtums unsererseits beruhen.

Das diese Perspektive auf die Welt nun Teil der Ursachen von
Leid ist, das erklärt der Buddhismus und strebt nach einem
Wechsel dieser Perspektive.
Ich denke nicht, dass man davon sprechen kann, dass eine der
Perspektiven „richtiger“ ist als die andere.

Es geht hier nicht um einen Perspektivwechsel. Wenn du im oben genannten Beispiel das Licht anmachst, das Seil, und somit deinen Irrtum erkennst, dann ist das kein Perspektivwechsel, sondern du hast an Erkenntnis gewonnen. Deine vorherige Vorstellung, dass es sich bei dem Objekt auf dem Boden um eine Schlange handelt, ist dann nicht genau so richtig, sondern widerlegt.

Und die bud. Weltanschauung ist keine Konvention?

Konvention bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Gesellschaft sich darauf geeinigt hat, bestimmte Objekte oder Vorkommnisse mit einer bestimmten Bezeichnung zu belegen. Allerdings wird dadurch keine dem Objekt inhärente Eigenschaft bezeichnet. Wenn ich dir zum Beispiel einen Gegenstand hinhalte mit dem Hinweis, es handele sich um einen Schuhanzieher, du aber keine Verwendung für einen Schuhanzieher hast oder gar nicht weißt, was das ist, weil du aus einer Kultur stammst, in der Schuhanzieher nicht üblich sind, und den Gegenstand statt dessen als Rührlöffel verwendest, dann wird deutlich, dass dieser Gegenstand offenbar keine im innewohnende Eigenschaft hat, die ihn als Schuhanzieher kennzeichnet. Die Bezeichnung ist reine Konvention. Dennoch ist der Gegenstand natürlich real.

Was findest du denn konkret an Beständigem im „Kern“? Und was
soll das sein, der „Kern“?

Wenn Du nach vielen, vielen Jahren eine alte Bekannte triffst,
dann wirst Du sie als die „erkennen“ die sie ist … und war.

Das halte ich für eine Illusion und für eine Ursache vielfacher Enttäuschung. Der Mensch bleibt nicht der, der er mal war. Vermutlich erkennst du die Bekannte nur irgendwie an ihren Gesichtszügen. Wenn du ihr auf einer Karnevalsparty in einem Urang-Utan Kostüm mit einem Stimmverzerrer begegnen würdest, dann würdest du sie vermutlich nicht erkennen. Selbst wenn du einen Menschen, mit dem du dich heute unterhalten hast, morgen wiedertriffst, kann es sein, dass dieser Mensch inzwischen eine so gravierende Erfahrung gemacht hat, dass seine Persönlichkeit sich völlig verändert hat. Vielleicht ist er gestern abend noch Opfer eines Überfalls geworden und traut sich für den Rest seines Lebens kaum noch aus dem Haus. Die Illusion, dass du einem Menschen als den erkennst, der er mal war, entbehrt jeder Grundlage. Dennoch halten viele Menschen an dieser Illusion fest, vielleicht weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass der Mensch sich verändert hat. Wir haften an der Vorstellung an, dass dies unser guter Freund sowieso von „damals“ ist. Mehr „Substanz“ ist da nicht.

Du selbst wirst für Dich eine Zukunft planen können, weil Du
weißt das etwas „Wesentliches“ von Dir in die erdachte Zukunft
hinüber geht.

Klar, ich geh auch abends ins Bett mit der Hoffnung, dass ich am nächsten Morgen wieder auffwache. Aber vermutlich kennt jeder genug Beispiele aus seinem Umfeld, wo genau das nicht eingetroffen ist. Es ist eben allenfalls eine Hoffnung und keine Gewissheit. Gewissheit hab ich nur darüber, dass ich mit Sicherheit irgendwann sterben werde und dass ich mit Sicherheit nicht weiß, wann das der Fall sein wird.

Demnächst gibt es übrigens für jedes Neugeborene eine
Steuernummer die es sein Leben lang behält.
Und diese „Steuernummern“ oder Namen die - an sich -
unveränderbare Kontinuität in der Zeit besitzen ZEIGEN auf
etwas das als zwar wandelbares aber trotz allem eine
Kontinuität enthaltenes Individuum erfahren wird.

Sicher ist die Verbindung einer Steuernummer mit einer Person, so lange diese lebt, eine gewisse Kontinuität. Aber das einzige, was ich in diesem Fall als vorübergehens"unveränderlich" ansehen, ist die Nummer. Selbstverständlich ist aber auch diese Nummer nicht „unveränderbar“, denn es kann durchaus Umstände geben, die dazu führen, dass diese Nummer dennoch mal geändert wird. Dazu braucht es lediglich der Entscheidung von entscheidungsbefugter Stelle, sonst nichts.

Denn diese „buddhistische Wirklichkeit“ ist eben nicht die
alltägliche Erlebniswirklichkeit und bleibt im Alltagserleben
paradox.

Das ist nicht korrekt. Bei genauer Betrachtung stellt sich
nämlich sehr wohl heraus, dass es nichts Beständiges gibt …

Diese „Betrachtung“ ist keine Betrachtung sondern Denken.

Die einzige „Denkleistung“ die du in diesem Fall erbringen musst, ist in der Lage zu sein, einen Unterschied festzustellen, also den Ist-Zustand von etwas mit einem War-Zustand vergleichen zu können. Ich habe kürzlich meine Abiturklausur in Mathematik mal wieder angesehen. ich bin froh, dass ich die Klausur heute nicht schreiben muss. Ich würde wohl ziemlich sicher durchfallen. Soviel zu dem Thema, wir bleiben, wer wir waren.

Ganz selbstverständlich - ohne nachzudenken - handelt jeder
(Westler) in seinem Alltag in tiefsten Vertrauen auf
Konsistenz und Kontinuität.

Und erlebt aus diesem Grund permanent Enttäuschungen, Ent-täuschungen, wie der Name schon sagt.

Gruß
Marion

Hallo Marion,

So würde ich das nicht nennen. Er hat das
Potenzial. Ob er dieses auch nutzen kann,
hängt von mehreren Faktoren ab, …

OK. Und wenn die alle gegeben sind - ist er dann gezwungen zu handeln oder hat er dann eine Wahl-Freiheit?

Mit ist nicht ganz klar, was du in diesem Zusammenhang mit
„Realität“ bezeichnest. …

Realität ist das grundlegende Konzept das sich ein Individuum durch Erfahrung und Denken von seiner Umwelt und seinem Dasein erworben hat. Das schließt die Möglichkeit von Denk- und Sinnesirrtümern ein - die ja immerhin als solche erkannt werden können.

.

Es geht hier nicht um einen Perspektivwechsel.
Wenn du im oben
genannten Beispiel das Licht anmachst, das Seil, und somit
deinen Irrtum erkennst, dann ist das kein Perspektivwechsel,
sondern du hast an Erkenntnis gewonnen. Deine vorherige
Vorstellung, dass es sich bei dem Objekt auf dem Boden um eine
Schlange handelt, ist dann nicht genau so richtig, sondern
widerlegt.

Ja - und da haben wir wieder eine absolute Wahrheit wie sie halt die Moslems, die Christen, die Wissenschaft - eigentlich - alle - haben.
„MEIN Konzept ist das Richtige - und der Rest ist in Irrtum und Täuschung verfangen …“
Die einen beten dann für diese Ketzer, die anderen schlagen ihnen die Köpfe ein …

Natürlich ist kein Daseins-Konzept vom Irrtum befreit -aber wieso sollte das auf den Buddhismus nicht zutreffen?

Wenn Du nach vielen, vielen Jahren eine alte Bekannte triffst …

Das halte ich für eine Illusion …

Nein es ist „Wirklichkeit“! Wenn Du jemanden von früher triffst dann erkennst Du ihn.
Auch wenn er sich verkleidet hat.
Wenn Du mit ihm sprichst erkennst Du den Menschen wieder und Du wirst Veränderungen sehen aber es wird für Dich der „gleiche Mensch(!)“ wie damals sein - trotz aller Schicksalsschläge.

Gewissheit hab ich nur darüber, dass ich mit
Sicherheit irgendwann sterben werde …

Wieso kann das aus bud. Sicht Gewissheit sein?
Wo es doch erschwerend hinzukommt, das es niemanden gibt der überhaupt Gewissheit haben könnte?

Sicher ist die Verbindung einer Steuernummer mit einer Person,
so lange diese lebt, eine gewisse Kontinuität. Aber das
einzige, was ich in diesem Fall als
vorübergehens"unveränderlich" ansehen, ist
die Nummer.

Eben nicht. Die Nummer ist nur ein Name mit dem das, was die Gesellschaft und jeder Einzelne als kontinuierlich beständiges Menschenwesen wahrnimmt, benannt wird.

Ganz selbstverständlich - ohne nachzudenken - handelt jeder
(Westler) in seinem Alltag in tiefsten Vertrauen auf
Konsistenz und Kontinuität.

Und erlebt aus diesem Grund permanent Enttäuschungen,
Ent-täuschungen, wie der Name schon sagt.

Hauptsächlich erlebt er halt KEINE Enttäuschungen. Sonst könnte er diesem Konzept nicht treu bleiben.
Wenn ich mir gleich eine Tasse Kaffee mache dann werde ich nicht enttäuscht sein die Tasse, den Kaffe, die Milch und die Maschine dort zu finden wo ich sie erwarte … nicht zu vergessen natürlich den Schuhanzieher um den Kaffee noch umrühren zu können. :o)

Grüße
K.

Hallo Ralf,

wenn ich mich wieder einmischen darf …

ich bitte darum :o)

Jeder Mensch beginnt den Weg mit dieser Sicht. In der Regel -
wenn er dem buddhistischen Weg weiter folgt - wird diese Sicht
zunächst auf intellektueller Ebene und schließlich auf
existentieller Ebene aufgegeben.

Spätestens mit
einer existentiell veränderten Sicht der Wirklichkeit stellt
sich allerdings notwendig auch eine andere intellektuelle
Sicht ein.

OK. Aber wir halten fest das es sich halt um eine Sicht auf die Wirklichkeit handelt.

Es ist seine Interpretation von Realität.

Ja, sehe ich auch so.

Es geht nicht um den Wechsel der Perspektive, sondern um das
Aufgeben von Perspektiven. Es sind die Perspektiven, die die
Wirklichkeit verzerren, indem das Wahrgenommene mit Wertungen,
Erwartungen, Befürchtungen, Erinnerungen usw. emotional
befrachtet wird. Den ‚Wertmaßstab‘ für diese ‚Befrachtung‘
gibt die jeweilige Perspektive - sie ist immer auf den
Ausgangspunkt der Perspektive (‚Augpunkt‘) bezogen. Diese
Schicht oder Kruste, die aus einer Perspektive heraus über das
Wahrnehmen der Wirklichkeit, wie sie ist, gelegt wird, wird
dann mit der Wirklichkeit verwechselt.

Ja, das kann ich auch so sehen - trotzdem bleibt auch dies wiederum lediglich eine Sicht auf die Dinge.
Halt eine andere Perspektive.

Deswegen kann man dieser(!) Alltags-Realität nicht ihre
"Wirk-"lichkeit absprechen.

Das ist wiederum richtig - auch die perspektivisch verzerrte
Wirklichkeit ist Wirklichkeit, sie wirkt - und zwar leidhaft.

Aus bud. Perspektive.

… Dabei wird
jedoch Wert gelegt auf die unüberbrückbare Differenz zwischen
konventioneller Wahrheit (samvrti satya) und absoluter
Wahrheit (paramartha satya). Erstere kann intellektuell
vermittelt und erfasst werden, letztere ausschließlich
existentiell erfahren werden. Der Wert konventioneller
Wahrheit liegt darin, dass sie den Weg zur Erfahrung absoluter
Wahrheit öffnen und weisen kann. Ihr ‚Wahrheitswert‘ an sich
ist daher begrenzt, da sie der absoluten Wahrheit nie adäquat
ausdruck geben kann. Das Sprechen über den Dharma ist primär
nicht das Verkünden von ‚Wahrheiten‘, es ist vielmehr primär
illokutionär. Anders gesagt: entscheidend ist nicht, was es
aussagt, sondern was es beim Hörenden auslöst.

Das klingt gut.

Du wirst etwas sehen, das aus etwas Früherem, längst
Vergangenem entstanden ist. Außer einigen Nervenzellen ist
nichts von der Person von vor „vielen, vielen Jahren“ übrig
geblieben. Und selbst die sind gealtert, nicht mehr dieselben.
Selbst die Erinnerungen, die sie damals schon hatte, sind
heute anders - weniger oder mehr präsent, anders emotional
besetzt usw.

Es sind eben nicht die Haut- und Nervenzellen die die Person ausmachen. Gerade durch das Aussehen kann es sein, dass ich die Person nicht erkenne. Und trotzdem ist ein Wiedererkennen möglich.

Deine alte Bekannte ist nicht etwas Festes - sie ist ein
Prozess, den Du zu unterschiedlichen Zeitpunkten wahrnimmst.

Das eine schließt das andere nicht aus. Neben all den Dingen die sich Wandeln gibt es „etwas“ das diese Wandlungen in einem gewissen „Rahmen“ halten. Und dadurch wird es wiedererkennbar.

Diesen dynamischen Prozess interpretierst Du als etwas
Statisches oder Du postulierst, dass ihm etwas Statisches
zugrunde liegt. Ohne dass sich so etwas Statisches finden oder
nachweisen ließe.

Wenn „Statisch“ unendlich Statisch bedeuten soll - dann stimmt das. In dem menschlichen Bezugs- und Zeitrahmen läßt sich allerdings sehr gut von Statiken sprechen.

Namen und Steuernummern
„ZEIGEN“ irgendwohin, das ist richtig. Ein Buddhist sagt Dir,
sie zeigen ins Leere.

Und trotzdem wird sich auch in Deinem Umfeld die Person umdrehen derren Namen Du rufst und die Du meintest…

Das wiederum ist fast richtig. Nicht „jeder“ handelt so, aber
mit Abstand die meisten. Nicht nur „Westler“, sondern Menschen
überhaupt. Und was bringt uns dieses Vertrauen und dieses
Handeln?

Die Möglichkeit in der Welt zu überleben und uns zu orientieren. Zumindest in der Spanne eines Menschenlebens.

Grüße
K.

Moin Klaus,

So würde ich das nicht nennen. Er hat das
Potenzial. Ob er dieses auch nutzen kann,
hängt von mehreren Faktoren ab, …

OK. Und wenn die alle gegeben sind - ist er dann gezwungen zu
handeln oder hat er dann eine Wahl-Freiheit?

Wirst du gezwungen, die buddhistische Lehre zu studieren und zu praktisieren? Wohl nicht.
Mit der Alternative „Wahl-Freiheit“ bin ich aber ebenfalls nicht einverstanden. Was soll das sein, „Wahl-Freiheit“? Freiheit wovon? Jede Wahl hängt von vorhergehenden Faktoren ab. Meistens sind mit einer Wahl Faktoren wie bisher gemachte Erfahrungen oder eine bestimmte Erwartungshaltung verbunden. Kaum eine Entscheidung dürfte z.B. völlig frei von bisherigen Erfahrungen oder einer bestimmten Erwartungshaltung sein, es sei denn, man wirft einfach eine Münze, aber auch dann ist die Wahl nicht „frei“ sondern man handelt entsprechend dem, was die Münzoberseite anzeigt.

Mit ist nicht ganz klar, was du in diesem Zusammenhang mit
„Realität“ bezeichnest. …

Realität ist das grundlegende Konzept das sich ein Individuum
durch Erfahrung und Denken von seiner Umwelt und seinem Dasein
erworben hat. Das schließt die Möglichkeit von Denk- und
Sinnesirrtümern ein - die ja immerhin als solche erkannt
werden können.

Das ist für mich keine Realität sondern subjektive Interpretation der Realität.

Es geht hier nicht um einen Perspektivwechsel.
Wenn du im oben
genannten Beispiel das Licht anmachst, das Seil, und somit
deinen Irrtum erkennst, dann ist das kein Perspektivwechsel,
sondern du hast an Erkenntnis gewonnen. Deine vorherige
Vorstellung, dass es sich bei dem Objekt auf dem Boden um eine
Schlange handelt, ist dann nicht genau so richtig, sondern
widerlegt.

Ja - und da haben wir wieder eine absolute Wahrheit wie sie
halt die Moslems, die Christen, die Wissenschaft - eigentlich

  • alle - haben.
    „MEIN Konzept ist das Richtige - und der Rest ist in Irrtum
    und Täuschung verfangen …“
    Die einen beten dann für diese Ketzer, die anderen schlagen
    ihnen die Köpfe ein …

Wie meinen? Eine Schlange ist nunmal kein Seil, und zwar nach keinem mir bekannten Konzept. Wemm du aber unbedingt darauf bestehen willst, dich vor einem Seil zu fürchten, dann bitte. Do as you like.

Natürlich ist kein Daseins-Konzept vom Irrtum befreit -aber
wieso sollte das auf den Buddhismus nicht zutreffen?

Wie wäre es, wenn du verschiedene Konzepte einfach mal als „Arbeitshypothese“ ansiehst, und dich dann daran machst, ihre Aussagen zu widerlegen oder dich von ihrer Richtigkeit zu überzeugen? Mehr verlangt der Buddhsmus nicht. Er verlangt nicht, dass du glauben sollst, die Schlange sei ein Seil. Er verlangt lediglich, dass du das Licht anmachst und nachschaust. Dann kannst du selbst erkennen, was es wirklich ist.

Das halte ich für eine Illusion …

Nein es ist „Wirklichkeit“! Wenn Du jemanden von früher
triffst dann erkennst Du ihn.
Auch wenn er sich verkleidet hat.
Wenn Du mit ihm sprichst erkennst Du den Menschen wieder und
Du wirst Veränderungen sehen aber es wird für Dich der
„gleiche Mensch(!)“ wie damals sein - trotz aller
Schicksalsschläge.

Das ist dein ganz persönliches Konstrukt, was du dir da bastelst, was dem Menschen, den du da wiedertriffst, vermutlich in keinster Weise gerecht wird. Grundsätzlich kannst du natürlich jeden Menschen so sehen, wie du willst, also auch „gleich, wie damals“. Was du dann tatsächlich siehst, ist aber nicht der andere Mensch, sondern nur deine eigenen Projektionen.

Gewissheit hab ich nur darüber, dass ich mit
Sicherheit irgendwann sterben werde …

Wieso kann das aus bud. Sicht Gewissheit sein?

Weil es bislang noch keine Möglichkeit gibt, den eigenen Tod endgültig zu verhindern. Bislang musste noch jeder Mensch sterben.

Wo es doch erschwerend hinzukommt, das es niemanden gibt der
überhaupt Gewissheit haben könnte?

Wer behauptet denn sowas? Selbstverständlich gibt es Gewissheiten, z.B. die, dass man irgendwann sterben wird.

Sicher ist die Verbindung einer Steuernummer mit einer Person,
so lange diese lebt, eine gewisse Kontinuität. Aber das
einzige, was ich in diesem Fall als
vorübergehens"unveränderlich" ansehen, ist
die Nummer.

Eben nicht. Die Nummer ist nur ein Name mit dem das, was die
Gesellschaft und jeder Einzelne als kontinuierlich beständiges
Menschenwesen wahrnimmt, benannt wird.

Das ist völlig unlogisch. Wenn der Mensch längst in der Kiste liegt, wird es die Nummer immer noch geben. Vielleicht bekommt die Nummer dann ein anderer Mensch. Das Menschenwesen ist nicht beständiger als ein Gänseblümchen.

Ganz selbstverständlich - ohne nachzudenken - handelt jeder
(Westler) in seinem Alltag in tiefsten Vertrauen auf
Konsistenz und Kontinuität.

Und erlebt aus diesem Grund permanent Enttäuschungen,
Ent-täuschungen, wie der Name schon sagt.

Hauptsächlich erlebt er halt KEINE Enttäuschungen. Sonst
könnte er diesem Konzept nicht treu bleiben.

Wenn Menschen enttäuscht werden, dann neigen sie dazu, nicht ihre eigenen illusionären Vorstellungen von Beständigkeit und Kontinuität für ihr Unglück verantwortlich zu machen, sondern suchen die Schuld beim anderen, beim Hagel, beim bösen Nachbarn etc.

Wenn ich mir gleich eine Tasse Kaffee mache dann werde ich
nicht enttäuscht sein die Tasse, den Kaffe, die Milch und die
Maschine dort zu finden wo ich sie erwarte … nicht zu
vergessen natürlich den Schuhanzieher um den Kaffee noch
umrühren zu können. :o)

Dann wollen wir mal hoffen, dass du nicht vergessen hast, Kaffee einzukaufen oder die Milch nicht sauer geworden ist. Ist mir beides während der letzten 2 Wochen passiert :smile:
Ich war vielleicht enttäuscht. Ich hätte so gern eine Tasse Kaffee getrunken. Das Wetter war Schuld :smile:

Gruß
Marion

Hallo Elimelech.

Dass alleine der Mensch einen „freien Willen” habe, ist eine
durch nichts zu belegende Behauptung.

Ja, aber nur weil etwas nicht beweisbar ist, ist es nicht
„grandios gescheitert“. Viele Theorien sind heute noch oder
überhaupt nicht beweisbar.

… wenn diese anthropozentrische Annahme wenigstens für irgentetwas gut wäre, aber selbst das ist sie ja nicht. Im Gegenteil spricht vieles mittlerweile dafür, dass auch der Mensch viel stärker Sklave seiner Gene, Instinkte und Erfahrungen ist als Herr eines „freien Willens”. Wenn der „freie” Wille aber schon beim Menschen nur rudimentär ausgeprägt ist, warum sollte er sich ausgerechnet darin vom Tier so prinzipiell unterscheiden?

Die These, dass sich der Mensch durch seinen „freien” Willen vom Tier unterscheide, ist genauso überflüssig wie „Gott”, den als weitere Hypothese zu stützen, sie wohl überhaupt erst eingeführt wurde.

Aber egal: Beide Hypothesen fallen ja gleichermaßen Ockham’s Rasiermesser zum Opfer und sind somit zumindest in der Wissenschaft grandios gescheitert!

http://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser
http://de.wikiquote.org/wiki/Pierre-Simon_Laplace

Ob beide Hypothesen dennoch in deiner Gefühlswelt relevant sind, ist deine Privatsache.

Gruß Gernot

Hallo Marion,

Das ist für mich keine Realität sondern subjektive
Interpretation der Realität.

Subjektive (Interpretation der) Realität IST die (individuelle) Realität.
Wer könnte eine andere als solch eine nennen?

Wie wäre es, wenn du verschiedene Konzepte einfach mal als
„Arbeitshypothese“ ansiehst, und dich dann daran machst, ihre
Aussagen zu widerlegen oder dich von ihrer Richtigkeit zu
überzeugen? Mehr verlangt der Buddhsmus nicht. Er verlangt
nicht, dass du glauben sollst, die Schlange sei ein Seil. Er
verlangt lediglich, dass du das Licht anmachst und
nachschaust. Dann kannst du selbst erkennen, was es wirklich
ist.

OK.

Grüße
K.

Hallo Klaus,

Spätestens mit
einer existentiell veränderten Sicht der Wirklichkeit stellt
sich allerdings notwendig auch eine andere intellektuelle
Sicht ein.

OK. Aber wir halten fest das es sich halt um eine Sicht auf
die Wirklichkeit handelt.

Ja - nach buddhistischer Lehre allerdings eine Sicht, die nicht durch emotionale Anhaftungen getrübt / verzerrt und daher leidhaft ist. Das Leiden (ein etwas plakativer Ausdruck, ‚duhkha‘ ist durchaus subtiler gemeint und wird manchmal auch mit ‚Ungenügen‘ wiedergegeben) resultiert aus der Inkongruenz von ‚verblendeter‘ Sicht auf die Wirklichkeit und der Wirklichkeit, wie sie ist.

Die verblendete Sicht geht von statischen, bleibenden Objekten mit echter Substanz aus und besetzt diese Vorstellungen mit Emotionen, ‚haftet‘ damit an ihnen. Da aber (nach buddhistischer Lehre) nichts Statisches und Substanzielles existiert, entgleiten uns ständig die Objekte der Vorstellungen, an denen wir anhaften. Das ist Leiden, duhkha.

trotzdem bleibt auch dies
wiederum lediglich eine Sicht auf die Dinge.
Halt eine andere Perspektive.

Ist eine Perspektive ohne ‚Augpunkt‘ noch eine Perspektive? Aber das ist jetzt zugegeben spitzfindig. Der entscheidende Punkt - alles, worauf die buddhistische Lehre abzielt - ist die Überwindung von ‚duhkha‘. Das macht gemäß buddhistischer Lehre den entscheidenen Unterschied dieser ‚Perspektive‘ (wenn Du auf dieser Bezeichnung bestehen willst) zu anderen aus. Insofern(!) - und das ist der einzige Punkt, der Buddha interessierte - ist diese ‚Perspektive‘ oder Sicht die ‚richtige‘.

Buddha ging es ja nicht darum, die Welt mit einem ausgefeilten philosophischen System zutreffend und ‚richtig‘ zu erklären. Es ging ihm einzig um die Überwindung von duhkha - durch die Erkenntnis der Natur von duhkha, der Ursachen und Bedingungen von duhkha, der Ansatzpunkte zur Beendigung von duhkha und der geeigneten praktischen Methode zur Beendigung von duhkha. Alles andere ist bestenfalls sekundär.

auch die perspektivisch verzerrte
Wirklichkeit ist Wirklichkeit, sie wirkt - und zwar leidhaft.

Aus bud. Perspektive.

Natürlich - ich spreche hier ausdrücklich von buddhistischen Auffassungen, von nichts sonst. Leidhaftigkeit / ‚duhkha‘ als durchgängiges ‚Seinsmerkmal‘ (die anderen beiden sind anitya, Unbeständigkeit / Flüchtigkeit und anatman, Substanzlosigkeit) ist durchaus nicht evident. Von Schwerstdepressiven und Buddhisten :smile: einmal abgesehen, trennen Menschen zwischen leidhaften und freudigen Erfahrungen. Ein Buddhist sieht in freudigen Erfahrungen hingegen den Keim von Leidhaftigkeit (hier kommen die beiden anderen Seinsmerkmale Flüchtigkeit und Substanzlosigkeit ins Spiel). Der Unterschied zwischen dem Depressiven und dem Buddhisten ist freilich derselbe wie der zwischen dem ‚Normalen‘ und dem Buddhisten - der Buddhist lernt, seine persönlichen Erfahrungen nicht zu werten (z.B. als freudvoll und leidvoll), sondern sie einfach so anzunehmen, wie sie kommen und sie loszulassen, wie sie gehen. Nicht ohne in der Erfahrung selbst (im ‚Hier und Jetzt‘) Freude oder Schmerz zu empfinden, aber ohne freudige Erwartungen oder Befürchtungen und ohne Erleichterung oder Bedauern. Er orientiert sein Handeln nicht an persönlicher Lust und Unlust, Gier und Hass, sondern an dem Ziel, für alle fühlenden Wesen (von denen er selbst ja nicht getrennt ist) Leidfreiheit zu erlangen. So jedenfalls die Theorie :wink:. Das heisst nicht, die zugehörige Praxis sei einfach, aber sie ist auch nicht unmöglich.

Es sind eben nicht die Haut- und Nervenzellen die die Person
ausmachen. Gerade durch das Aussehen kann es sein, dass ich
die Person nicht erkenne. Und trotzdem ist ein Wiedererkennen
möglich.

Du erkennst nicht die Person wieder. Du erkennst den Prozess wieder, den Du als Person XYZ bezeichnest, weil manche der Bedingungen, die diesen Prozess bewirken, nachhaltiger (d.h. über einen längeren Zeitraum) als andere wirken. Deswegen ist das Wiedererkennen um so schwieriger bis hin zum Unmöglichen, je größer der verstrichene Zeitraum ist - die Zahl der noch wirksamen Bedingungen sinkt beständig und andere treten an ihre Stelle.

Neben all den Dingen
die sich Wandeln gibt es „etwas“ das diese Wandlungen in einem
gewissen „Rahmen“ halten. Und dadurch wird es wiedererkennbar.

Dann müsstest Du - gutes Gedächtnis vorausgesetzt - Deinen Sandkastenspielgefährten auch nach Jahrzehnten der Trennung im Greis wiedererkennen können. Möglicherweise gelingt Dir so etwas mit dem Ball, mit dem ihr damals gespielt habt - mit dem Menschen wohl kaum.

Wenn dieses „etwas“ etwas sein soll, das nicht Werden und Vergehen unterworfen ist, dann ist das nichts als eine Hypothese (die zur Erklärung des ‚Wiedererkennens‘ durchaus nicht notwendig ist). Eine Hypothese, die viele Menschen ungeachtet des Schönheitsfehlers, dass sie nicht beweisbar ist, für eine evidente Tatsache halten. Was wiederum Buddhisten als avidya, Unwissen und als die tiefste Ursache für ‚duhkha‘ ansehen. Es ist die ‚eternalistische‘ Form von avidya, im Gegensatz zur ‚nihilistischen‘, die einen (konventionell gesprochen) ‚individuelle Existenz‘ umfassenden und überschreitenden Wirkungs- und Bedingungszusammenhang bestreiten. Was nun ‚individuelle Existenz‘ im buddhistischen Kontext bedeutet, ist ein anderes, weites Feld.

Und trotzdem wird sich auch in Deinem Umfeld die Person
umdrehen derren Namen Du rufst und die Du meintest…

Weil wir die gleichen sozialen Konventionen teilen. Namen und Begriffe - Sprache überhaupt - sind zunächst einmal soziale Konventionen. Sie bezeichnen Vorstellungen, mehr nicht. Dass bestimmte Vorstellungen zu sozialen Konventionen werden, sagt uns etwas über ihre Zweckmäßigkeit im sozialen Zusammenleben - nichts aber über ihren realen Gehalt.

Ganz selbstverständlich - ohne nachzudenken - handelt jeder
(Westler) in seinem Alltag in tiefsten Vertrauen auf Konsistenz und
Kontinuität.

Und was bringt uns dieses Vertrauen und dieses
Handeln?

Die Möglichkeit in der Welt zu überleben und uns zu
orientieren. Zumindest in der Spanne eines Menschenlebens.

Wenn wir also fest darauf vertrauen, dass uns etwas Konsistentes und kontinuierlich Existierendes zugrunde liegt, dann ist dies zunächst einmal eine Vorstellung - eine Vorstellung, die uns als als individuelle, unabhängig existierende Egos konstituiert. Die Existenz dieser Vorstellung ermöglicht das „Überleben“ dieser Vorstellung (klar, was sonst) und sie ermöglicht es, dass wir sie zu anderen Vorstellungen in Beziehung setzen („orientieren“). So weit, so gut.

Das beantwortet jedoch nicht die Frage nach der Qualität, die diese Vorstellung und das tiefe Vertrauen in sie für das Erleben und Erfahren bewirkt. Es sei denn, man nimmt „überleben“ als Chiffre dafür, als Bild für eine auf das Ego und seine elementaren Bedürfnisse, eine auf den Sieg dieses Ego im Daseinskampf reduzierte Existenz.

Freundliche Grüße,
Ralf