Freiheitsentziehung durch Medikamente ohne richterliche Anordnung

Hallo Rechtsfüchse!
Ich habe von folgendem Sachverhalt Kenntnis erlangt: Eine vorsorgebevollmächtigte Enkelin hat ihre (agile, mobile) Oma (mit leichten demenzbedingten Erinnerungsproblemen) zum Probewohnen für drei Wochen in ein Pflegeheim gegeben - und ist (auf eine vorher gebuchte) Fernreise gegangen, wo sie weder telefonisch noch anderweitig erreichbar war. Die Oma hat sofort mehrere Fluchtversuche unternommen - bis „man“ ihr Melperon verabreicht hat.
Nach Aussage der Enkelin soll ein (mit dem Heim kooperierender) Arzt das sedierende Medikament eigenmächtig verordnet haben.
Meine Fragen: Kann es sein, dass ein Arzt ohne Rücksprache mit der Bevollmächtigten sowie ohne gerichtliche Absegnung solch ein Medikament verordnen darf? Sollte er es getan haben, wäre das ein Strafbestand, den man anzeigen könnte/sollte? Sollte die Enkelin (entgegen ihrer Aussage) der Verabreichung (ggf. vorab) zugestimmt haben: Würde sie das dürfen? Wenn nicht: Wäre das ein Strafbestand, den man anzeigen sollte? Das Medikament wurde der alten Dame von Angestellten des Heimes verabreicht. War das rechtens?
Wie beurteilt Ihr die geschilderte Situation?
Vielen Dank im Voraus!

P.S. Die Unterbringung der Oma war nicht zwingend notwendig - war dieser lediglich als kurzzeitige „Wohnprobe“ schmackhaft gemacht worden - und hätte kurzzeitig wieder abgebrochen werden können, ohne dass eine „Betreuungslücke“ entstanden wäre.

Hallo.
Es wäre hier zu klären, in welchem Umfang und auf welche Art die Vorsorgebevollmächtigung erteilt wurde. Da diese Angelegenheiten den Juristen und Notaren vorbehalten sind, wäre ein einfach unterschriebener Zettel nur das Papier wert.
_ zu Melperon-Verabreichung. Es drängt sich hier der Verdacht, auf eine strafbare Handlung (Zwangsmedikation) auf. Näheres kannst Du unter:


nachlesen.
Eine verbindliche Beratung bekommst Du nur beim Anwalt.
Sch

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Hallo,
ohne Vollmacht bzw. richterliche Anordnung hätte man die Oma" laufen lassen müssen", denn sie war weder entmündigt noch schien es eine zulässiger Betreuungsvollmacht für die Enkelin zu geben und Letztere war eben nicht erreichbar. Wenn da die zuständigen Ärzte eigenmächtig etrwas verordnen, was die Oma ruhig stellt, dann ist das nicht in Ordnung und einsperren darf man sie auch nicht - ja, da hilft nur ein Anwalt, sowohl für die Enkelin als auch für die Ärzte/Heimleitung., denn wenn man eine , wenn auch nur „leicht“ Demenzkranke Heimbewohnerin einfach so gehen lässt, dann kann das auch zu Problemen führen, meine ich.
Gruss
Czauderna

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Na, das ist mir eine tolle Vorsorgebevollmächtigte! Wernn man erst einmal eine Vorsorgevollmacht für eine Person hat, sind damit Pflichten verbunden. Sich einfach mal so absentieren ist nicht, Pflegeheim hin oder her! Man gibt schon ein Stückchen eigene Freiheit damit auf.
Ich habe das zwei Mal mitgemacht, bei meiner Mutter und meiner Schwiegermuitter. Ständig erreichbar sein ist unabdingbar, außer man hat eine wirklich vertrauenswürdige Person als zeitweilige Vertretung. Grade in Heimen - wie auch dieser Fall zeigt - können hässliche Dinge passieren, wenn man kein Auge drauf hat.
Gruß,
Eva

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In einem Heim ist man nicht eingesperrt - daher ist ein Verlassen jederzeit möglich; ein Festhalten gegen den Willen ist nicht erlaubt und daher strafbar.

Wenn Oma unter Demenz leidet, ändert das daran grds. nichts. Die Enkelin hätte im Vorfeld für eine Unterbringung in eine geeignete Demenzeinrichtung (geschützte Einrichtung) sorgen können - was jedoch nur mit richterlichem Beschluss geht.

[quote=„KatzeRosie, post:1, topic:9459265“]
bis „man“ ihr Melperon verabreicht hat
[/quote] hier müsste man feststellen, aus welchem Grund die Verordnung erfolgte. Die reine Verordnung und Vergabe ist nicht strafbar - es sei denn der ausschließliche Grund ist die Hinlauftendenz der Oma.

Grds. darf jede Art der Freiheitsentziehung (Stecktisch am Rollstuhl; Bettgitter; Sedierung durch Medikamente etc.)nur durch einen Richter angeordnet werden - eine Vollmacht reicht da auf keinen Fall aus. (Ausnahme: bei Selbstgefährdung darf für einen kurzen Zeitraum eine FE erfolgen, bis ein Richter erreicht werden kann)

Mich irritiert aber auch noch das PS: war der Einrichtung bekannt dass andere Personen jederzeit die Betreuung hätten übernehmen können?

Hallo Schorsch! Vielen Dank für Deine Antwort!
Die allumfassende Vorsorgevollmacht war/ist vom Gesundheitsamt gestempelt - und somit wohl mehr als ein Stück Papier.

Hallo Newcallas! Danke für Deine Antwort!
Die Enkelin hatte die Reise schon gebucht, bevor das Probewohn-Angebot des Heimes kam. Allerdings hat sie versäumt, für die Zeit ihrer ca. dreiwöchigen Abwesenheit jemanden zum Vertreter zu ernennen (Untervollmacht), der den unglücklichen Aufenthalt der Oma hätte abbrechen können. Eine vertrauenswürdige Person war durchaus gegeben - nur war diese leider handlungsunfähig, da nicht „unterbevollmachtet“.

Hallo Günter! Danke für Deine Antwort! Dass der Arzt das Melperon eigenmächtig verordnet haben soll, ist eine Behauptung der Enkelin. Ich könnte mir auch vorstellen, daß sie (vor ihrer Abreise) eventuell einer Sedierung der Oma zugestimmt haben könnte, aber das kann ich nicht überprüfen. Tatsache ist, daß die höfliche Oma ca. drei Wochen lang das ihr von den Pflegern gereichte Melperon (freiwillig) geschluckt hat,- mit den entsprechenden Auswirkungen. Ihr war der Zusammenhang zwischen dem freundlich dargereichten farblosen Saft und ihrem miserablen Befinden nicht bewußt.
Passiert ist passiert. Meine Frage bleibt: Enkelin/Arzt/Heimleitung anzeigen ??? oder bringt das nichts ???

Servus,

was hier

das Gesundheitsamt zu suchen hat, bleibt Dein Geheimnis.

Macht aber nichts, weil eine Vorsorgevollmacht selbstverständlich auch privatschriftlich erteilt werden kann. Da hat @schorsch0506 mal wieder die flinken Fingerchen in Betrieb genommen, bevor das Großhirn gebootet war.

Schöne Grüße

MM

Asche auf meinen Haupt.
Aprilfisch hat in sofern recht, daß eine Vollmacht privatschriftlich erteilt werden kann, § 167 Abs 2 BGB. Es ist aber, ohne eine offizielle Beglaubigung rechtlich anfechtbar. Was das Gesundheitsamt hier zu suchen hat ist mir ebenfalls schleierhaft.

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Hallo Aprilfisch! Danke für Deine Anmerkung! Die Sache mit dem Gesundheitsamt ist kein Geheimnis. Auf der Vollmacht ist ein Stempel des Landkreises mit Dienstsiegel und dem Aufdruck „Gesundheitsamt“ - sowie ein Text, der besagt, dass die Echtheit der Vollmacht gemäß § 6 Abs. 2 Betreuungsbehördengesetz öffentlich beglaubigt wurde.
Das Papier ist inhaltlich so allumfassend formuliert, dass die Oma sich damit mit Leib und Seele der Enkelin „verkauft“ hat. Dumm gelaufen. Das - höchstwahrscheinlich nicht richterlich genehmigte Melperon - hat das Omchen inzwischen verdaut. Nun läuft sie in einem anderen Heim mit einem - von der Enkelin + Hausarzt - verordneten GPS-Gerät herum, obwohl sie gar nicht wegläuft. Und wieder stellt sich (mir) die Frage: Ist das rechtens?

Mensch. Warum Ärgern und nicht kurzen Prozess machen?
§ 168 BGB:
Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Die Vollmacht ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus diesem ein anderes ergibt. Auf die Erklärung des Widerrufs findet die Vorschrift des § 167 Abs. 1 entsprechende Anwendung.
Sprich doch mit Deiner Oma, frage sie, was sie will und lass Dir eine neue Betreuungsvollmacht geben, dann haste Deine Ruhe.

Guten Morgen, Schorsch! Danke für Deinen Rat! Leider ist die Situation nicht so einfach. Ich bin keine Enkelin, sondern lediglich eine ehemalige Nachbarin und Vertraute der alten Dame. Diese ist per Hausarzt mittlerweile auf Wunsch der Enkelin für nicht mehr geschäftsfähig erklärt worden - und kann somit nichts mehr widerrufen. Lediglich ein Gericht könnte m.E. die Enkelin, deren Agieren und Unterlassen ich äußerst kritisch sehe, durch einen Betreuer ersetzen. Nur dazu braucht das Gericht Anhaltspunkte. Meine Fragen hier dienen - neben Recherchieren im Netz - dem Ziel, die Eignung der Enkelin für ihr Amt überprüfen zu lassen. Leider steht in der (von mir abfotografierten) Vollmacht ein Passus: „Die Vollmacht erlischt (daher) nicht, wenn ich nach ihrer Errichtung geschäftsunfähig werden sollte. Sollte das Gericht dennoch für einzelne Aufgabenkreise eine Betreuung anordnen, so möchte ich, dass hierfür die benannte vertretungsbefugte Person bestimmt wird.
Trotz ihrer Gedächtnisprobleme möchte die Oma das zwar mittlerweile überhaupt nicht mehr. Aber der Einschätzung eines „Gottes-in-weiss“ zufolge ist sie ja nun unfähig, ihre Geschäfte selbst zu erledigen. Die „Amtsführung“ ihrer Enkelin ist in vielerlei Hinsicht für die Oma frustrierend, so dass ein nichtverwandter Betreuer mittlerweile das geringere Übel wäre. Und dabei versuche ich zu helfen. Nochmals: vielen Dank für Dein Interesse!

ja - wenn das Gerät nur zur Feststellung der Postition dient.
nein - wenn es dazu dient, das Verlassen der Einrichtung zu verhindern (Alarm bei Verlassen)

Hallo Hawentie! Habe gerade nochmal Deine Antwort von gestern Abend gelesen.
Ich (ehemalige Nachbarin) habe die alte Dame mit dem PKW (vormittags) zum „kurzzeitigen“ Probewohnen" in das ca. 100 km von ihrem Wohnort entfernte - nicht verschlossene - Heim (in die Nähe der Enkelin) gebracht. Sie wollte gleich wieder weg und hat sich ordentlich mit der Enkelin gezofft. Die verließ daraufhin das Zimmer für eine Besprechung mit der Heimleitung. Dann wurde die Oma zum Mittagessen geholt und kam „ruhig und entspannt“ zurück. Die Verabschiedung von Enkelin und mir erfolgte dann ziemlich emotionslos. Anderntags rief mich die Polizei an, weil die Oma orientierungslos unweit des Heimes aufgegriffen wurde. (Meine Telefonnummer stand außen auf ihrem Notizbuch, welches sie bei sich hatte). Danach soll sie noch ein paarmal im Heim „abgefangen“ worden sein.
Als die Enkelin nach ca. drei Wochen zurück war, durfte ich meine Nachbarin wieder abholen und nach Hause fahren. Beim Auschecken bekam ich u.A. die Melperonflasche ausgehändigt, mit der Anweisung, ihr das Medikament weiterhin zu geben. Hab ich nicht gemacht, woraufhin sie sich schnell wieder „regenerierte“. Die Enkelin behauptet, dass der das Heim betreuende Hausarzt das Zeug eigenmächtig verordnet haben soll.
Ich teile Deine Einschätzung, dass Festhalten gegen den Willen nicht erlaubt und daher strafbar ist bzw. sein sollte. Nur stellt sich mir die Frage, ob und wie man eine Strafe erwirken kann?
Ich habe schon mal einen Gott-in-weiss angezeigt, weil er einer Schwangeren gegen Übelkeit ein Medikament verschrieben hat, welches Gebärmutterkontraktionen auslöst, damit nach der Geburt die Plazenta vollständig abgestoßen wird. Hätte die Frau das eingenommen, gäbe es ihre prächtige Tochter wohl eher nicht. Das Verfahren wurde eingestellt !!! Oder sollte man die Enkelin anzeigen, die behauptet, nichts gewußt zu haben?
Die Oma hat das Melperon meiner Vermutung nach wohl gegen Weglaufen bekommen - und es hat gewirkt. Allerdings hat sie (zumindest mir gegenüber am Telefon - und sicherlich auch in Gegenwart bzw. im Hörbereich des Pflegepersonals) geäußert, nicht mehr weiter leben zu wollen,- was man als Suizidabsicht werten könnte.
Eine richterliche Anordnung ist (höchstwahrscheinlich) nicht erfolgt. (Wäre wohl auch bei Probewohnen unangemessen!)

zum P.S. Dem Heim war bekannt, dass ich die Frau jederzeit abholen - und mich bis auf Weiteres um sie hätte kümmern können.

Sorry, dass ich erst jetzt wieder reinschaue, aber:

dafür gibt es so interessante Dinge wie „Anzeige“ oder so.
Die Enkelin kann sich, wenn sie Betreuerin ist, auch einen vollständigen ausdruck der Dokumentation geben lassen, insbes. vom Tag des Einzugs - und schauen, was der alten Dame Mittags gegeben worden ist.

Wie lange war das Probewohnen? - Drei Wochen? wohl eher Kurzzeitpflege.

Das ist irrellevant - wenn keine Vollmacht der Betreuerin besteht.

Evtl. hätte sich (ist jetzt was spät) auch die zuständige Heimaufsicht für den Fall interessiert.
Nur dazu muss man sie auch einschalten.

Vielen Dank, daß Du Dich nochmal mit der Problematik beschäftigt hast.
Der Oma und mir wurde der Heimaufenthalt von der Enkelin als Probewohnen für ein paar Tage „verkauft“. Ich habe die Dame hingefahren. Dass die Enkelin nach Übersee in Urlaub fährt, hat sie uns nicht gesagt. Sie war einfach (für reichlich drei Wochen) weg - und nicht erreichbar. Dass (und wohin) sie verreist ist, habe ich erst von einer weiteren (nicht bevollmächtigten) Enkelin erfahren.
Ich vermute zwar, dass die eventuelle Ruhigstellung der Oma mit der Heimleitung vereinbart war, kann das aber nicht beweisen. Laut Aussage der Enkelin war es ein Alleingang des Arztes. Ich sehe keinen Sinn darin, die Dame auf einen vollständigen Ausdruck der Dokumentation hin anzusprechen. Dass ihr das Wohlergehen ihrer Oma nicht sehr am Herzen liegt, ist (nach reichlichen Erfahrungen und Beobachtungen) für mich offensichtlich. Für die Heimaufsicht ist die Angelegenheit mittlerweile zu spät, vermute ich.
Da ist einiges dumm gelaufen - und läuft noch immer.
Danke nochmal für Deine Anteilnahme!