Hallo,
grundlegende Arbeit zu Deiner Fragestellung ist diese hier: http://www.zeitzeugen-dialog.de/?id=862&literaturdet… - sie beschäftigt sich ausdrücklich nicht nur mit der Zwangsarbeiterproblematik.
Ab 1936 konnte insbesondere der Bedarf der Rüstungsindustrie an Arbeitskräften durch vormals Arbeitslose nicht mehr gedeckt werden. Noch stärker war der Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft, da hier eine Abwanderung in die Städte wegen der höheren Industrielöhne stattgefunden hatte. Es wurden daher vom Reichsarbeitsministerium Staatsverträge mit Italien, Kroatien, Ungarn und der Slowakei abgeschlossen, in denen die Höhe des Kontingents der ‚Fremdarbeiter‘ festgelegt wurde sowie die Einsatzbereiche. Dazu wurden Musterarbeitsverträge entworfen.
Die angeworbenen Arbeitskräfte wurden häufig geschlossen untergebracht und gemeinsam „landesüblich“ verpflegt, wofür am Lohn entsprechende Abschläge vorgenommen wurden. Ansonsten entsprach die Bezahlung deutschen (Mindest-)Standards. Zu- und Abgänge von Fremdarbeitern mussten polizeilich gemeldet werden (wg. polizeilicher Aufenthaltserlaubnis), die Arbeitsverträge waren (zumindest bis Kriegsbeginn) i.d.R. zeitlich befristet.
Mit Polen kam zunächst kein Staatsvertrag zustande; wegen des großen Arbeitskräftemangels insbesondere in der Landwirtschaft wurden jedoch illegal eingewanderte Polen toleriert. Es wurden sogar 1937 durch die Landesarbeitsämter Bayern und Sachsen Erfassungsstellen eingerichtet (in Aibling und Leisning), die die Illegalen mit Arbeitspapieren ausstatteten(!). Ab 1937 kam es dann auch zu Abkommen mit Polen, nach denen 1937 die Anwerbung von 10.000 Arbeitskräften, 1938 von 60.000 und 1939 von 90.000 Arbeitskräften vereinbart wurden. Der Einsatz der für 1939 vereinbarten Arbeitskräfte kam jedoch wegen der zunehmenden Spannungen nicht mehr zustande, was dann durch vermehrte Anwerbung von Slowaken zu kompensieren versucht wurde (was allerdings nur teilweise gelang). 1938 kamen noch Verträge mit Bulgarien und den Niederlanden hinzu, das Abkommen mit den Niederlanden wurde sogar 1940 (also nach Kriegsausbruch) verlängert.
Vom 01.04.1937 bis 31.03.1938 waren im Reich insgesamt 381.355 Ausländer beschäftigt, davon ca. 120.000 in der Landwirtschaft. Eine Aufteilung nach Herkunftsland gibt es für die im Frühjahr 1939 angeworbenen Arbeitskräfte - die bei weitem nicht den bei den Arbeitsämtern gemeldeten Bedarf (144.000 Wanderarbeiter, 134.000 Gesindekräfte) deckten:
Slowakei: Wanderarbeiter 26.800, Gesindekräfte 13.200
Italien: Wanderarbeiter 31.400, Gesindekräfte 4.600
Jugoslawien: Wanderarbeiter 8.100, Gesindekräfte 4.900
Bulgarien: Wanderarbeiter 0, Gesindekräfte 5.000
Niederlande: Wanderarbeiter 950, Gesindekräfte 1.750
Summen: Wanderarbeiter 82.250, Gesindekräfte 29.450
Nach Kriegsbeginn wird eine saubere Unterscheidung zwischen Fremd- und ausländischen Zwangsarbeitern problematisch. Es ist jedoch sicher evident, dass der Arbeitskräftebedarf extrem anstieg. Es liegen zwar umfangreiche Statistiken vor, deren Auswertung ist allerdings ebenfalls aus verschiedenen Gründen problematisch. Herbert schätzt, dass im Herbst 1944 ca. 5,7 Millionen ausländische Zivilisten in Deutschland arbeiteten (d.h. ein Ausländeranteil von etwa 20%). In einzelnen Bereichen (vor allem in der Landwirtschaft) war dieser Anteil noch deutlich höher.
Alle Angaben habe ich der Dissertation von Frau Dr. Ute Vergin, vorgelegt im Jahr 2008 an der Universität Osnabrück, Fachbereich Sozialwissenschaften entnommen. Die Arbeit steht im Internet hier: http://d-nb.info/99190902X/34 zur Verfügung.
Freundliche Grüße,
Ralf