Hallo Mike,
dein Engagement ist zwar sehr lobenswert, jedoch solltest du im Vorfeld intensiv über den Hintergrund für deine Entscheidung nachdenken.
Es gibt zahllose Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, welche in Schwellenländern und Krisengebieten aktiv sind. Eigentlich gibt es kaum eine Chance auf eine gezielte Maßnahme, wenn man sich nicht etwas auskennt im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.
Selbst erfahrenen Auslandsexperten fällt es sehr schwer, den Überblick über die Organisationen zu gewinnen. Leider gibt es auch sehr viele fragwürdige Projekte, die zwar in den Augen der Öffentlichkeit positiv dargestellt werden, bei näherer Betrachtung aber nicht sinnvoll sind.
Ich will dir nicht die gute Absicht absprechen, rate dir aber zur Vorsicht, weil man einige Grundvoraussetzungen für die Tätigkeit im Ausland mitbringen muss. Wenn man z.B. keine Fremdsprache beherrscht oder sich nicht genügend mit den Lebensverhältnissen im Gastland auseinander gesetzt hat, sollte man lieber zuhause bleiben und lieber direkt vor unserer Haustür ein soziales Engagement anstreben. Auch in unserem Land wird dringend „Entwicklungshilfe“ benötigt. Oft ist dies viel sinnvoller, da man dort mitwirken sollte wo man sich am besten auskennt.
Sicher gibt es auch einige Tätigkeiten und Projekte, wo man Menschen mit deinem beruflichen Hintergrund einsetzen kann, jedoch werden meistens nur ausgewiesene Experten mit mehrjähriger Erfahrung im Ausland bevorzugt.
Nicht jeder willige Helfer ist auch für den Entwicklungsdienst geeignet. Sei sicher, dass nicht ein „Helfersyndrom“ oder evtl. die eigene Perspektivlosigkeit Grund für deinen Wunsch auf Veränderung ist.
Die Zelte hinter sich abzubrechen und ein neues Leben in einem anderen Land (womöglich in einem Krisengebiet) zu beginnen, halte ich für reine Spinnerei! Auch materielle Absicherung ist erforderlich, sonst wird das eine kurze Erlebnisreise, an deren Ende nur neuer Frust entsteht.
Statt von einer Rolle als „Samariter“ für die armen Menschen irgendwo auf der Welt zu träumen, sollte sich jeder Interessierte besser professionell der Aufgabe stellen.
Nur wenn du dauerhaft den extremen Belastungen gewachsen bist und als Fachkraft einsetzbar bist, kannst du längerfristig mitwirken.
Sehr wichtig ist deine Erwartungshaltung. Wenn du nicht den Anspruch der Aufgabe erfüllen kannst, wirst du herbe Enttäuschungen erleben.
Nur mit guter interkultureller Kompetenz wirst du auch Freude an der Arbeit im Ausland haben. Das ist selbst für „Experten“ eine harte Nummer, das kannst du mir glauben!
Wenn du es dir finanziell erlauben kannst, rate ich dir zunächst zu einem Kurzeinsatz als freiwilliger Helfer, z.B. beim THW/Techn. Hilfswerk oder einer ähnlichen Organisation.
Ich möchte dich darauf hinweisen, dass der eigentliche Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit nicht im humanitären Bereich zu finden ist. Schließlich heißt das zuständige Ministerium auch „Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ)“, nicht etwa „Entwicklungshilfeministerium“ !!!
Es geht um die Umsetzung wirtschaftlich interessanter Projekte und Schaffung von Infrastrukturmassnahmen, nicht nur den Bau von Schulen, Krankenhäusern oder den Kampf gegen den Hunger in der Welt. Die breite Öffentlichkeit in der westlichen Welt ist ziemlich naiv und hat noch immer die Vorstellung, dass die „armen Negerkinder“ dringend unsere Nahrungshilfe bräuchten.
In den meisten Ländern herrscht aber durchaus keine Hungersnot, sondern nur ein Ungleichgewicht der Machtverhältnisse und Einkommensverteilung. Theoretisch könnten sich die Schwellen- und Entwicklungsländer aus eigener Kraft versorgen, wenn der Westen nicht eine Abhängigkeit von Konsumgütern und sonstigem Schnickschnack geschaffen hätte. Hinzu kommt die vom Westen verursachte Verschuldungssituation, die nur den westlichen Banken und korrupten Politikern Profite eingebracht hat.
Als Mann vom Bau kannst du aber gerade dort nicht für Veränderungen sorgen und wirst dich mit Helfertätigkeiten in den Kreis der Marionetten einreihen müssen.
Nach der Rückkehr aus dem Ausland sollten wir uns erneut unterhalten, dann siehst du die Welt mit anderen Augen.
Wenn du weitere Fragen hast, kannst du mir gern wieder schreiben.
Viel Glück!
Steve-HH