Freud und Marcuse

Freunde! Feinde! Philosophische Weggefährten! Leute von Athen!
Nachdem hier viel Marginales und Peripheres über Papa Freud zum Besten (?) gegeben wurde, würde mich auch mal wieder interessieren, was Ihr (ja, auch Ihr jüngeren Leute da in der zweiten Reihe) heute so über das Verhältnis FREUD - Herbert MARCUSE denkt. Ich weiss, ich weiss, über die Frankfurter Schule haben wir hier schon diskutiert, aber doch mehr über Horkheimer und Adorno, wenn ich mich recht erinnere. Also: Hat für Euch heute, 36 Jahre nach der Studentenbewegung, nach 1968, Marcuse noch was zu sagen?
Für mich waren damals „Triebstruktur und Gesellschaft“ und „Der eindimensionale Mensch“ nicht unwichtige Bücher.
Gruss, Branden

Lieber Branden!

Spontan fallen mir zu Marcuse die „3M“ ein, wie das damals hieß:
Marx, Mao und Marcuse.
Also „Der eindimensionale Mensch“ würde ich eher in die von Marx geprägte Denktradition stecken, „Triebstruktur und Gesellschaft“ allerdings ist von Freud geprägt!
Wenn ich jetzt diese beiden Werke gegenhalte, fällt mir die Marcusesche Rhetorik wieder ein:
„Wozu brauchen wir eine Revolution, wenn wir keinen neuen Menschen kriegen?“
Wollte er über Freud diesen neuen Menschen finden oder kreieren?
Was mich ein wenig an ihm störte, war seine Inkonsequenz,z.B., dass er als Antikapitalist für das „State Department“ arbeitete.
Nun gut, du sagst er war nicht umwichtig für dich!
Kannst du das ein wenig explizieren?
In meiner Sturm- und Drangzeit, hielt ich auch alle Intellktuellen linker Prägung für die Durchblicker schlechthin. Heute sehe ich das differenzierter.

Das „R“ der Revolution würde ich streichen wollen, um dem Rest die Chance zur Entwicklung zu geben. Um es mit Marcuse zu sagen:
Erst wenn sich ein neuer Mensch konstituiert hat, (Fromm - Anatomie der menschlichen Destruktivität!) braucht man sich um Revolution zu kümmern, allerdings dürfte das dann nicht mehr notwendig sein!

Sei gegrüßt
Junktor

P.S. Märchen, Mythen, Träume habe ich ersteigert! :smile:

Lieber Junktor

Wollte er über Freud diesen neuen Menschen finden oder
kreieren?

Marcuse hat Freud immerhin sehr ernst genommen, sehr tief verstanden (vielleicht politisch tiefer als Freud sich selber verstanden hatte, aber das ist Spekulation). Ich habe FREUD eigentlich auch immer in seinen fortschrittlichen Seiten gesehen. Ein Autor in jüngster Zeit hat das ähnlich formuliert, wie ich gedacht habe. Ich habe daraufhin einen schönen e-mail-Wechsel mit ihm gehabt: Jose’ BRUNNER:„Psyche und Macht. Freud politisch lesen.“

Erst wenn sich ein neuer Mensch konstituiert hat, (Fromm -
Anatomie der menschlichen Destruktivität!) braucht man sich um
Revolution zu kümmern, allerdings dürfte das dann nicht mehr
notwendig sein!

Genau. Da waren sich ja auch Fromm und Marcuse einig. Marcuse hatte ja späterhin öfters was zu meckern am guten Erich, aber hat auch immer mal wieder gesagt, was ihm an Erich Fromm gefällt. Welche Bücher ihm nach wie vor wichtig sind, welche er schwach findet usw. Eigentlich ganz amüsant, diese Freund-Feind-Beziehung zwischen den beiden.
Mir persönlich hat auch Marcuses freie, fast jugendliche (und das im hohen Alter) Art gefallen.Nicht nur beim Schreiben, mehr noch in Interviews und in den kleinen Filmen, die es gab von ihm. Da hampelt er in der Küche rum oder hängt mit seinen Studenten im Campus ab etc. Ich kann mich nur noch vage an diese alten Filmchen erinnern, aber irgendiwe war der Marcuse mir am sympathischsten von der ganzen Frankfurter Schule. Natürlich verkenne ich dabei nicht seine Neigung zu Utopie…fast möchte man sagen: zum Idealismus, wenn es nicht so leicht falsch verstanden würtde bei einem kritischen Materialismus.
Aber insgesamt sehe ich ihn auch kritisch (wohl ähnlich wie Du). Mir fällt ein Aphorismus dazu ein, den ich vor Jahrzehnten mal las (weiß nicht mehr von wem): ICH GEBE JEDEN -ISMUS HER, DAS WEISS ICH GANZ BESTIMMT, FÜR EINEN TELLER GRIESSBREI, MIT ZUCKER UND MIT ZIMT.
Es grüßt Dich herzlich
Branden

P.S. Märchen, Mythen, Träume habe ich ersteigert! :smile: