FREUD und REICH (one more time)

Lieber Branden,

Ja, Nescio, die (Partei-)Politik kann manchmal auch ganz schön
blind machen :wink:

Ich weiss nicht, wen du damit meinst.
Reich war ja wohl zur Zeit des siegreichen NS der Sehende gegenĂŒber
dem politisch noch nach 1933 fĂŒr einige Jahre, vielleicht bis zu
seinem Tod, fast blinden Freud und seiner Entourage.

Oder meinst du mich ?
Deutest du meine DiskussionsmĂŒdigkeit als politische Verblendung ?

Ein Beispiel, warum ich hier, auch mit dit, nicht weiter ĂŒber Freud
und Reich zu diskutieren Lust habe:
Sina schrieb hier ihre „bescheidene Meinung“:

ich denke, Wilhelm Reich war zwar als junger Psychoanalytiker ein
sehr begabter Mann, dessen frĂŒhe Studien auch beachtenswert waren,
er hat sich jedoch dann mit dem Charakterpanzer verrannt. Die
wissenschaftlich unhaltbaren Positionen, die er einnahm, liessen ihn
in Isolation geraten, von den Psychoanalytikern nahm ihn keiner mehr
ernst. Deswegen kritisierte er den „Übervater“ Freud so vehement
und unsachlich. Ich denke, das war einfach eine emotionale
Trotzreaktion, keine Wissenschaft.

Darauf du als Psychoanalytiker:

Das sehe ich Àhnlich.

Dann Deine Äusserungen: Reich sei „langweilig“, „un-philosophisch“,
„missionarisch“ etc., alles einfach so dahingesagt. Ich habe jetzt
keine Lust, das alles hier zusammenzustellen.

Wenn ich das vorlÀufig zu deuten hÀtte, eingedenk deiner Mitteilung,
du hĂ€ttest dich frĂŒher mal sehr fĂŒr Reich begeistert, sogar mal den
Orgonakkumulator benutzt: Reich hat die „Erlösungshoffnungen“, die du
als junger Mann in ihn gesetzt hast, tief enttÀuscht. Und du hast das
bis jetzt nicht aufgearbeitet.

Nix fĂŒr ungut
Nescio

Oder meinst du mich ?

Ja.

Deutest du meine DiskussionsmĂŒdigkeit als politische
Verblendung ?

Nicht grundsĂ€tzlich. Aber bezĂŒglich Reich als eindimensional.

Dann Deine Äusserungen: Reich sei „langweilig“,
„un-philosophisch“,
„missionarisch“ etc., alles einfach so dahingesagt.

Nicht im geringsten einfach so dahingesagt. Habe mir oft Gedanken zu Reich und dem ganzen Kreis gemacht. Habe verschiedenste BĂŒcher ĂŒber die Psychoanalyse-Bewegung(en) von 1900 bis 1970 studiert, u.a. Lockot, Wunderlich, DĂŒhrssen (letztre war meine Lehranalytikerin, hat mich aber politisch nicht beeinflußt, im Gegenteil - wir haben die Analyse wegen politischer Differenzen unterbrechen mĂŒssen!)

Wenn ich das vorlÀufig zu deuten hÀtte, eingedenk deiner
Mitteilung,
du hĂ€ttest dich frĂŒher mal sehr fĂŒr Reich begeistert, sogar
mal den
Orgonakkumulator benutzt: Reich hat die „Erlösungshoffnungen“,
die du
als junger Mann in ihn gesetzt hast, tief enttÀuscht. Und du
hast das
bis jetzt nicht aufgearbeitet.

Eine der „wundervollsten“ Fehlanalysen, die ich jemals ĂŒber meine Person gehört oder gelesen habe.
Gruss, Branden

Hallo, Branden,

Oder meinst du mich ?

Ja.

Deutest du meine DiskussionsmĂŒdigkeit als politische Verblendung ?

Nicht grundsĂ€tzlich. Aber bezĂŒglich Reich als eindimensional.

Soll heissen: weil ich Reich nicht einfach als erledigt abtue (wie es
ja viele, auch hier, mit „Deinem“ Freud - und Reich sowieso - tun),
sondern seinen Konflikt mit Freud auch philosophisch - wegen der
gegensÀtzlichen anthropologischen Grundauffassungen - interessant
finde, denke ich „eindimensional“ (Klartext: bin borniert) ?

Dann Deine Äusserungen: Reich sei „langweilig“, „un-philosophisch“,
„missionarisch“ etc., alles einfach so dahingesagt.

Nicht im geringsten einfach so dahingesagt. Habe mir oft
Gedanken zu Reich und dem ganzen Kreis gemacht.

Das mag sein.
Aber hier hast Du diese Gedanken nicht nÀher vorgestellt,
hast Dich ĂŒber die Berliner Reichianer mokiert, deren vielleicht
„missionarisches“ Verhalten Dir - wie Reichs spĂ€teres Schicksal -
gerade recht zu kommen schien, um Reich selbst in toto
abzutun. Denn was bleibt von dem „begabten“ Psychoanalytiker Reich,
wenn Du - mit Sina - seine Theorie der Charakterpanzerung als aus
„Trotz“ gegen Vater Freud entstanden nimmst ?
Welchen „frĂŒhen Reich“ lĂ€sst Du - mit Sina - denn gelten ?
Doch wohl kaum den, der die „orgastische Potenz“ als
Gesundheitskriterium vorschlug.

Habe verschiedenste BĂŒcher ĂŒber die Psychoanalyse-Bewegung(en) von
1900 bis 1970 studiert, u.a. Lockot, Wunderlich, DĂŒhrssen.

Wenn Du Dich so gut auskennst, dann wundert es mich um so mehr, dass
Du Nitzschke fĂŒr einen Reichianer hieltest (und scheinbar noch
hĂ€ltst), ebenso die anderen BeitrĂ€ger zu dem Buch „Der ‚Fall‘ Wilhelm
Reich“ wie Fallend, Cremerius, Geuter oder gar Dahmer (der viele
Jahre Adlatus von Mitscherlich und Chefredaktor der „Psyche“ war).
Dahmer war im Gegenteil einer der ersten Freudianer, die Reich nach
seiner Wiederentdeckung in den 60ern hart attackiert haben (in
„Libido und Gesellschaft“).

Aber das wird hier nicht viele interessieren. Abschliessend möchte
ich Dir nochmal die schon empfohlene Internet-Seite ĂŒber Reich ans
Herz legen. Die Betreiber sind m.E. keine „missionarischen“
Reichianer, sondern bemĂŒhen sich um eine kritische Aufarbeitung und
Aktualisierung des „Falles“. Aufschlussreich fand ich dort den
Artikel ĂŒber den „anarchistischen“ Psychoanalytiker Otto Gross,
http://www.lsr-projekt.de/gross.html
der wohl, wie auch der junge Ferenczi, in die gleiche Richtung wollte
wie Reich; und den Freud ebenfalls geschickt „kaltzustellen“ wusste.

Gruss
Nescio

wenn Du - mit Sina - seine Theorie der Charakterpanzerung als
aus
„Trotz“ gegen Vater Freud entstanden nimmst ?

Nein, im Detail gehe ich da nicht mit. Ich finde Reichs Charakteranalyse und Widerstandanalyse schon sehr gut und fruchtbar.

Welchen „frĂŒhen Reich“ lĂ€sst Du - mit Sina - denn gelten ?
Doch wohl kaum den, der die „orgastische Potenz“ als
Gesundheitskriterium vorschlug.

Ich lasse den psychoanalytischen Reich großenteils gelten, ein gutes StĂŒck auch den vegetotherapeutischen Reich. Ich sagte ja schon, ich finde ihn immer nur zu „verspannt“ (Vegetotherapie!:wink:) und zu „rasend suchend“, wenn Du verstehst, was ich meine. Und vor allem verstehe ich Freuds ABWEHR, zu einem gewissen Teil zumindest. Sie ist nicht so unberechtigt und ungerecht, wie die Reichianer das gern hinstellen.
Cremerius, Geuter oder gar Dahmer (der

viele
Jahre Adlatus von Mitscherlich und Chefredaktor der „Psyche“
war).

NatĂŒrlich kenne ich Cremerius von seinen AufsĂ€tzen und der Aufastz im „Fall Reich“ von ihm war ja auch sehr einleuchtend und stĂ€rkt eher meine Argumentation als Deine.
Mitscherlich schÀtze ich ebenfalls als fortschrittlichen Analytiker. Habe zum Abi ein Buch vion ihm gewÀhlt.

Psychoanalytiker Otto

Gross,
http://www.lsr-projekt.de/gross.html
der wohl, wie auch der junge Ferenczi, in die gleiche Richtung
wollte
wie Reich; und den Freud ebenfalls geschickt „kaltzustellen“
wusste.

Nimms mir nicht ĂŒbel, Nescio, aber mit Gross und Ferenczi habe ich mich auch genĂŒgend beschĂ€ftigt. Ich schĂ€tze Ferenczi sehr. Desgleichen hat Freud Ferenczi sehr geschĂ€tzt, insgesamt betrachtet waren ihre Differenzen dialogisch gut ausdiskutiert (Briefwechsel sehr zu empfehlen).
Geh nmal davon aus, dass ich mich seit 1970 mit diesen ganzen wichtigen Psychoanalytikern beschĂ€ftige, undzwar mehr als mit anderen theoretischen Wissenscghaftlern. Und das tue ich keinesfalls in bourgoiser ZurĂŒckgelehntheit, sondern in eben der Engagiertheit, die Dich wahrscheinlich selber umtreibt.
Ich finde also, wir sollten um den guten Reich keinen Don-Quichotten-Kampf fĂŒhren, denn 1. mögen wir ihn ja beide und 2. lĂ€ĂŸt sich an Reich wirklich WEDER die fortschrittliche politische und psychoanalytische Bewegung wieder anwĂ€rmen noch abkĂŒhlen.
Es grĂŒĂŸt Dich
Branden

ErgĂ€nzung fĂŒr Nescio
Weiter unten hab ichs schon Frank geschrieben: Eines der -wie ich finde- besten BĂŒcher zu Freuds politischer Haltung ist:
Jose Brunner: Psyche und Macht. Feud politisch lesen.
Gruss, Branden

‚super-ego esse delendum‘
Hallo, Branden,

Eines der -wie ich finde- besten BĂŒcher zu Freuds politischer
Haltung ist:
Jose Brunner: Psyche und Macht. Freud politisch lesen.

Ich hab’ vor lĂ€ngerer Zeit mal drin geblĂ€ttert - und mir nicht
angeschafft. Die GrĂŒnde weiss ich nicht mehr. War wohl zu
konventionell, konformistisch, affirmativ


Ich halte es eher mit dem spÀten Adorno, wo er sagt:
„In ihren heroischen Zeiten hat die Freud’sche Schule
die
rĂŒcksichtslose Kritik des Überichs als eines Ichfremden,
wahrhaft Heteronomen, gefordert
“ usw., ĂŒber ein paar Seiten
(Negative Dialektik, S.269ff)
Adorno bezieht sich hierbei auf Ferenczi, den er aber sogleich fĂŒr
seine RĂŒckzieher kritisiert. Er nennt Reich nicht, obwohl dessen
Programm - in anderen Termini - ihm eigentlich viel besser in den
Kram passen mĂŒsste (war wohl durch Marcuse zu sehr gegen Reich
beeinflusst).

Solche „heroischen Zeiten“ gab es freilich in der Psychoanalyse nur
selten: 1907 bei Otto Gross und dem ganz jungen Ferenczi in AnflĂŒgen,
die Freud schnell ersticken konnte (vgl. den Gross-URL, den ich
neulich nannte),
dann aber mit klinisch gut fundierter Theorie bei - Du ahnst es -
Reich, den niederzumachen Freud nur mit ĂŒbelsten Tricks gelang.
Freud schrieb zwar (an Tochter Anna): „Ich wĂŒnsche es [Reichs
Exkommunikation] aus wissenschaftlichen GrĂŒnden, nicht aus
politischen
“; aber er trat wohlweislich nicht als Wissenschaftler
gegen Reich an, sondern als Politiker.

Gruss
Nescio

Hallo Nescio

Jose Brunner: Psyche und Macht. Freud politisch lesen.

Ich hab’ vor lĂ€ngerer Zeit mal drin geblĂ€ttert - und mir nicht
angeschafft. Die GrĂŒnde weiss ich nicht mehr. War wohl zu
konventionell, konformistisch, affirmativ


Manchmal sind es ja nur Klitze-Kleinigkeiten, die uns einen Autor verwerfen lassen und den anderen heroissieren. Ich kenne das auch.

Ich halte es eher mit dem spÀten Adorno, wo er sagt:
„In ihren heroischen Zeiten hat die Freud’sche Schule
die
rĂŒcksichtslose Kritik des Überichs als eines
Ichfremden,
wahrhaft Heteronomen, gefordert
“

Ja, ich habe


Solche „heroischen Zeiten“ gab es freilich in der
Psychoanalyse nur
selten:

frĂŒher in meiner homepage auch Ă€hnliche Töne angeschlagen und werde es vielleicht, wennich in „Stimmung“ dafĂŒr bin, wieder tun. Ich sprach da auch davon, dass die goledenen revolutionĂ€ren Zeiten der Psychoanalyse vorbei sind. Ich sehe da nach wie vor auch viel mehr bei Ferenczi, Gross, Groddeck - und eben auch Freud. Ich fand immer zuviel ReaktionĂ€res bei Leuten wie C.G. Jung u.a.
1907 bei Otto Gross und dem ganz jungen Ferenczi in

AnflĂŒgen,
die Freud schnell ersticken konnte (vgl. den Gross-URL, den
ich
neulich nannte),

In meinen Augen Àhnliche Polemik wie bei den Reichianern. GFreud schÀtze Gross und sein unorthodoxes Talent. Freud war begestert von Leurten, die originell dachten, die individuell, revolutionÀr, innovativ waren und war gelangweilt von MitlÀufern! An unzÀhligen Beispielen kannst Du das nachforschen.

dann aber mit klinisch gut fundierter Theorie bei - Du ahnst
es -
Reich, den niederzumachen Freud nur mit ĂŒbelsten Tricks
gelang.

Never. Du weißt, ich sehe dies total anders.
Gruss, Branden

Hallo Branden,

Ich halte es eher mit dem spÀten Adorno, wo er sagt:
„In ihren heroischen Zeiten hat die Freud’sche Schule
die
rĂŒcksichtslose Kritik des Überichs als eines
Ichfremden, wahrhaft Heteronomen, gefordert
“

Ja, ich habe frĂŒher in meiner homepage auch Ă€hnliche Töne
angeschlagen und werde es vielleicht, wennich in „Stimmung“ dafĂŒr
bin, wieder tun.

Gib mir Bescheid, wenn’s soweit ist.

Ich sprach da auch davon, dass die goledenen
revolutionÀren Zeiten der Psychoanalyse vorbei sind. Ich sehe
da nach wie vor auch viel mehr bei Ferenczi, Gross, Groddeck -
und eben auch Freud.

Ich bemerke, dass Du Reich auslÀsst.
(Wobei ich Dir insofern zustimme, dass ich die RadikalitÀt Freuds
immer noch „golden“ finde im Vergleich zur heutigen PsA).

Solche „heroischen Zeiten“ gab es freilich in der
Psychoanalyse nur selten:
1907 bei Otto Gross und dem ganz jungen Ferenczi in
AnflĂŒgen, die Freud schnell ersticken konnte (vgl. den Gross-URL,
den ich neulich nannte)

In meinen Augen Àhnliche Polemik wie bei den Reichianern.

Der Artikel ? Wo ist da Polemik ? Allenfalls Pointierung.
Die Reichianer polemisierten ĂŒbrigens nie besonders bissig gegen
Freud, und zwar, weil Reich selbst das nicht tat.
Bedenke, dass die Aufdeckung der Freud’schen Machenschaften gegen
Reich (ab „1.1.1932“) weniger von Reichianern, sondern von kritischen
(Erz-)Freudianern - wie Nitzschke - geleistet wurde.

Freud schÀtzte Gross und sein unorthodoxes Talent.

Das betonen oft die Gross-AnhÀnger (analog die Reichianer oft:
Freud schÀtzte Reich).
Du hast den Artikel nicht gelesen. Es lohnt aber.

Freud war begestert von Leurten, die originell dachten, die
individuell, revolutionÀr, innovativ waren und war gelangweilt von
MitlÀufern! An unzÀhligen Beispielen kannst Du das nachforschen.

Denkst Du an die RingtrÀger ? An Eitingon ? An Jones ? =:smile:))


Reich, den niederzumachen Freud nur mit ĂŒbelsten Tricks gelang.

Never. Du weißt, ich sehe dies total anders.

Das weiss ich, und ich merke auch, dass dagegen mit Argumenten und
Belegen (in den Literaturhinweisen und Links) kaum anzukommen ist.

Gruss
Nescio

Hallo Nescio
Du wunderst Dich, was ich bei Dir „Polemik“ nenne. Nun, z.B. -schon wieder!- das hier:
die Aufdeckung der Freud’schen Machenschaften

Freud war begestert von Leurten, die originell dachten, die
individuell, revolutionÀr, innovativ waren und war gelangweilt von
MitlÀufern! An unzÀhligen Beispielen kannst Du das nachforschen.

Denkst Du an die RingtrÀger ? An Eitingon ? An Jones ? =:smile:))

Durch Dein LĂ€chel-Zeichen zeigst Du ja, dass ich an diese nicht zuerst denke, brauche also wohl darauf nicht einzugehen. Und Du weißt ja wohl außerdem, dass Rank und Ferenczi ebenfalls zu dem erlauchten Kreis der RingtrĂ€ger zĂ€hlten. Freud schĂ€tzte/liebte Rank und Ferenczi weitaus mehr als Jones und Eitingon; letztere waren zawr „brav“ und „orthodox“, aber eben weniger originell. Das ist es eben, was ich meinte.


Reich, den niederzumachen Freud nur mit ĂŒbelsten Tricks gelang.

Und hier haben wir wieder so ein Beispiel fĂŒr Polemik.

Never. Du weißt, ich sehe dies total anders.

Das weiss ich, und ich merke auch, dass dagegen mit Argumenten
und
Belegen (in den Literaturhinweisen und Links) kaum anzukommen
ist.

Deine Argumente sind leider sehr tendenziös und polemisch. Ich fĂŒrchte, an dem Punkt kommen wir so nicht weiter.
Gruß, Branden

Lieber Branden

Du wunderst Dich, was ich bei Dir „Polemik“ nenne. Nun, z.B. das:


die Aufdeckung der Freud’schen Machenschaften

und


Reich, den niederzumachen Freud nur mit ĂŒbelsten Tricks gelang.

und

Never. Du weißt, ich sehe dies total anders.

Das weiss ich, und ich merke auch, dass dagegen mit Argumenten und
Belegen (in den Literaturhinweisen und Links) kaum anzukommen ist.

Deine Argumente sind leider sehr tendenziös und polemisch.

Die Argumente und Belege habe ich gar nicht vorgebracht; sie befinden
sich in den genannten Quellen.
Wenn du die studierst, wirst du finden, dass Freud (mit Helfern)
a) jegliche Diskussion der Theorie Reichs verweigerte,
b) Reichs Ausschluss heimlich betrieb,
c) den Ausschluss knapp als „Austritt“ in der IZP anzeigen liess und
auch da die zugesagte BegrĂŒndung nicht gab.
Damit sind nur die groben Stationen genannt. Zusammen mit vielen
Details, die erst Jahrzehnte spÀter ans Licht kamen (dokumentiert in
dem von Linksfreudianern - nicht Reichianern! -
herausgegebenen Band „Der ‚Fall‘ Reich“), erscheinen mir die
Bezeichnungen „Machenschaften“ und â€žĂŒble Tricks“ adĂ€quat.

Du irrtest aber, wenn du annÀhmest, ich wollte damit Freud schmÀhen.
Im Gegenteil: Freud hat - deutlicher als Reich, der sich ja oft auf
den „wissenschaftlichen“ Freud berief - die GegensĂ€tzlichkeit ihrer
anthropologischen Grundauffassungen klar erkannt.

Interessant ist dabei doch vor allem, warum Freud dies um keinen
Preis öffentlich diskutieren wollte; warum dieser integre Charakter
in diesem Fall zu Massnahmen griff, die ihm sonst im Umgang auch mit
AbtrĂŒnnigen völlig fremd waren.

Kurz: es geht nicht um „Polemik“ oder um so etwas wie „Ehrenrettung“
von Personen wie Freud oder Reich, sondern um ein interessantes
Kapitel Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts.

Gruss
Nescio

Unterschiedliche Ebenen
Hallo Nescio

Interessant ist dabei doch vor allem, warum Freud dies um
keinen
Preis öffentlich diskutieren wollte; warum dieser integre
Charakter
in diesem Fall zu Massnahmen griff, die ihm sonst im Umgang
auch mit
AbtrĂŒnnigen völlig fremd waren.

Sicherlich, es fĂ€llt auf, dass Freud in seiner „Selbstdarstellung“ insbesondere mit Adler und Jung abrechnet. Ferenczi, Rank, Gross und Reich erwĂ€hnt er nicht weiter. Das liegt aber meines Erachtens daran, dass Adler und Jung die bedeutungsvolleren abweichenden Schulen darstellen. Unter den professionellen Psychoanalytikern gibt es ja -nach wie vor, damals wie heute- als große Gruppen nur die Freudianer, Jungianer und Adlerianer. Das hat weniger damit zu tun, dass Reich Marxist war, sondern dass er insg4esamt betrachtet, keine relevante tiefenpsychologische Schule begrĂŒndet. Ebenso Gross. Bei Ferenczi verhĂ€lt es sich Ă€hnlich, allerdings hat er viele Psychoanalytiker und andere Therapeuten mit einigen Ideen stark beeinflusst. Von Reich wird heutzutage unter Psychoanalytikern nach wie vor sein Buch „Charakteranalyse“ geschĂ€tzt und ist auch m.E. auf dem Lehrbuch-Plan der Kandidaten. Ebenso wird die Widerstandanalyse, die er maßgebend erweitert hat, geschĂ€tzt.
Insgesamt heroisiert wird er aber interessanterweise nur von Laien. FĂŒr mich ist immer wieder interessant zu beobachten, wie insbesondere Laien aus dem konservativ-esoterischen Lager Jungt favorisieren, und Laien aus dem linken, politischen Spektrum Reich verehren. NatĂŒrlich bietet sich Reich als engagierter sozialpsychologisch kompetenter Autor da auch an. Aber er bietet keine große Basis im Bereich der medizinischen und psychologischen Wissenschaften.
Gruß, Branden

Insgesamt heroisiert wird er [Reich] aber interessanterweise nur von
Laien. FĂŒr mich ist immer wieder interessant zu beobachten, wie
insbesondere Laien aus dem konservativ-esoterischen Lager Jung
favorisieren, und Laien aus dem linken, politischen Spektrum Reich
verehren. NatĂŒrlich bietet sich Reich als engagierter
sozialpsychologisch kompetenter Autor da auch an. Aber er bietet
keine große Basis im Bereich der medizinischen und psychologischen
Wissenschaften.

Lieber Branden,

Du hebst zum wiederholten Male auf das Laientum ab. Ohne die in der
Geschichte der Psychoanalyse bedeutsame Frage der durch Nicht-
Mediziner praktizierten sog. Laienanalyse aufzuwerfen, möchte ich nur
daran erinnern, dass

  1. Freud selbst sich fĂŒr diese ausgesprochen hat (Reich ĂŒbrigens
    dagegen!);
  2. Freud sich primĂ€r nicht als „Heiler“ sah –
    er meinte, dass seine PsA nicht mit den Heilerfolgen anderer
    Methoden, gar „Lourdes“, in Wettstreit treten wolle; bestand aber auf
    ihrem „Wahrheitsgehalt“ –
    sondern als „Konquistador“, als Entdecker und Eroberer eines
    neuen „Kontinents“ in der humanen Welt.
    Auf dieser „Ebene“ - nicht auf der von „links“, „rechts“ oder
    (vermeintlich) „ideologiefrei“ - ist m.E. der Gegensatz Freud vs.
    Reich verortet.

Gruss
Nescio

Lieber Nescio
Ohne die

in der
Geschichte der Psychoanalyse bedeutsame Frage der durch Nicht-
Mediziner praktizierten sog. Laienanalyse aufzuwerfen, möchte
ich nur
daran erinnern, dass

  1. Freud selbst sich fĂŒr diese ausgesprochen hat (Reich
    ĂŒbrigens
    dagegen!);

Damals ging es darum, ob auch NIcht-Nediziner Psychoanalyse betreiben können. Ich schrieb ja auch von Medizinern UND Psychologen. Es geht mir um an seriösen Instituten ausgebildete Tiefenpsychologen und Psychoanalytiker, die sich kontinuierlich bis zum Abschluß mit Analyse beschĂ€ftigt haben. Und DAS sind halt Profis.

sondern als „Konquistador“, als Entdecker und Eroberer

eines
neuen „Kontinents“ in der humanen Welt.

Er meinte damit, dass ihne eher sein Conquistadoren-Temperament als sein (von andern zugesprochnenes) Genie den Weg (der Psychoanalyse) so weit gehen ließ. Es war eine Art ErklĂ€rung, warum er persönlich das alles herausgefunden hatte.
Gruß,
Branden