Freuds unlogische Theorie?

Als Folge des vorigen Threads, in dem es um Freuds „Todestrieb“ geht (siehe unten), habe ich einen eigenen Thread eröffnet. Überschrift meines Threads: „Wiederholgungszwänge?“

Ich wollte Freuds Theorie genauso provozieren, wie ich das schon im Diskurs des vorigen Threads versucht habe (siehe unten). Leider hat das TEAM das aber missverstanden und den Artikel verschoben in „Gesundheit/Medizin“.

Da gehört der Artikel aber nicht hin, weil es mir um das philosophische Problem bei der Freuds Theorie-Konstruktion in seinem Modell der Psyche geht (Näheres in meinem Thread „Wiederholgungszwäng?“ im Brett der Medizin).

Nun ist das ein theoretisches und vorrangig philosophisches Problem und keineswegs nur ein psychologisches oder medizinisches. Seit mehr als 2500 Jahren ist das ein ungelöstes, umstrittenes theoretisches Problem der Philosophie, die sich schon so lange damit beschäftigt.

Je mehr ich jetzt aber darüber nachdenke, über Freuds Menschenbild, desto mehr und mehr erscheint es mir unlogisch. Freud geht vom Lustprinzip aus und bestimmt den Sexualtrieb als alles bestimmendes Grundmotiv des Menschen. Aber von diesem Trieb wird weder ein Embryo im Mutterleib, noch ein Kind bis zu seiner Geschlechtsreife motiviert und erst Recht nicht mehr ein Hunderjähriger, weil mit dem Alter dieser Trieb nachlässt.

Nun hat der Meister ein Problem, dass es gar keine „Lust“ sein kann zu sterben. Und da kommt er auf die „Lösung“, es muss ein „Todestrieb“ geben, „jenseits des Lustprinzips“. Dogmatisch gelehrt und geglaubt ist das Religionsersatz. Freud glaubte auch, dass eines Tages die Religion von der Erde völlig verschwindet und die wissenschaftlich begründete Psychoanalyse statt dessen eine Analyse aller Problembereiche des Menschen lösen könne.

Nehmen wir z. B. einen Sucht-Abhängigen, so besteht das Problem des Wiederholungszwangs darin, dass diese Reaktion durch ständige Wiederholungen sich zu einer zwanghaften Verhaltensstruktur ausbildet und nach unbewusster dynamischer neuen „Ladung“ verlangt, um in den gewollten Zustand der Lust zu gelangen. Die Ursache des Wiederholungszwangs ist zweifelsfrei das Lustgefühl.

Wer nur wenige Male eine Zigarette, Alkohol, LSD, Kokain, Heroin, Morphium usw. probiert, wird nicht gleich süchtig, aber bei einer bestimmten Wiederholungsrate.

Weiter gibt es Probleme zum Beispiel bei einem Trauma, wo die Bilder und Gefühle so starke negative Erinnerungen haben, dass ein Leidensdruck das Leben schwächt. So ein Trauma kann als „posttraumatische Belastungsstörung“ auftreten, wie es zum Beispiel der amerikanische Regisseur Alfred Hitchcock in einem seiner zahlreichen Psychokrimis thematisierte als einen Wiederholungszwang (Marnie oder wie ein Film von ihm heißt, in dem eine Kleptomanin einen reichen Mann heiratet aber trotzdem weiter stiehlt, weil sie nicht anders kann. Die Ursache dieser Zwangshandlung der Kleptomanie liegt darin, dass das diese Frau als Kind mit ansehen musste, wie ein betrunkener Matrose tot geschlagen wurde von der Mutter. Aus eigenen Schuldgefühlen gegenüber dem Kind wurde die Mutter verhärtet. Und das Kind, das den Mord nicht rational verarbeiten konnte, litt unter dem Wiederholungszwang , von der Mutter Liebe erkaufen zu wollen durch ihre Kleptomanie, die sie als reiche Ehefrau nicht nötig hatte oder so ähnlich, ich kann mich nicht mehr so genau erinnern).

Oder ein Kriegstrauma. Während zum Beispiel Hitler als kleiner Obergefreiter im 1. Weltkrieg an keinem Trauma litt, war für einen Kameraden der Wiederholungszwang der traumatischen Bilder und Gefühle des Krieges so stark, dass er bei einem Kollegen von Herrn Professor Dr. Sigmund Freud brav wie er war, auf die Couch lag und seine „Seele“ therapieren ließ, für stolze dreitausend Reichsmark.

Der Fehler in Freuds Theorie ist m. E. die philosophische Grundannahme, dass der Sexualtrieb das tiefste Motiv des Menschen sei, ein Dogma, das bei kritischer Betrachtung nicht überzeugend ist, denn an Sex denkt ein normaler Mann in den besten Jahren seines Lebens höchstens alle fünf Minuten an Sex, eine gesunde Frau hingegen alle sechs Minuten, Studien zu belegen versuchen.

Es gibt einen tieferen Trieb als der Sexualtrieb aller Lebewesen, das ist der unbewusste Wille zum Überleben in jeder Sekunde. Auch wenn die Philosophen und Wissenschaftler beim Schreiben ihrer Theorien immer wieder vergessen, dass sie jede Sekunde ihres „Seins“ dabei atmen wollen, um zu überleben, und zwar so automatisch und unbewusst, wie programmierte Roboter, oder wie Dawkins es formuliert als „Überlebensmaschinen“, existiert trotz aller theoretischen Konstrukte und Modelle des Menschen ein Unbewusstes in der sprachlich unzureichend erfassten Realität.

Un das ist die eigentliche philosophische Frage: Gibt es diese Realität des Menschen wirklich? Oder ist alles nur konstruiert?

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Wenn du aufhören tätest, Freud zu unterstellen, er würde den Trieb als „Motiv“ konzipieren, wäre das ärgste Problem sofort weg.
Freuds Sexualtrieb ‚ersetzt‘ nicht alle biologischen Programme (Instinkte, Motive, Bedürfnisse), sondern ‚er setzt‘ sich auf sie drauf (bzw., Laplanche: lehnt sich an sie an - l’étayage)

Um den Tod geht es hier erstmal gar nicht, weil der Tod ohnehin nur für eine Psychologie des Ichs von Bedeutung ist, nicht für eine Philosophie des Unbewussten.

Es geht um das Wollen reiner Unlust, also um eine Unlust, die weder im Dienst der Lust steht noch im Dienst des Realitätsprinzips steht.

Das ist schon okay, wenn du diese Position einnehmen willst.
Bestimmte Richtungen der Psychoanalyse haben genau das getan: „Die klinischen Phänomene, die Freud als Begründungen heranzog, um ein „Jenseits des Lustgefühls“ zu postulieren, sind mit dem Lustprinzip vollständig erklärbar, darum ist weder ein JdL noch die Hypothese eines Todestriebs notwendig“.

Das Problem bei einem Trauma ist, dass es gerade keine Erinnerungen hinterlässt, sondern Erinnerungsstörungen.

Das ist ein vollständig banaler Einwand, weil der „Sexualtrieb“ ja niemals so konzipiert war.

Damit schließt sich der Kreis, weil dein Artikel bereits so begonnen hatte: dieser Gegensatz von Sexualtrieb und biologischem Überlebensprogramm des Organismus ist sinnlos, weil es um zwei unterschiedliche Phänomenbereiche geht.

Um es so basal wie möglich zu sagen:
Die Mutter gibt dem Säugling die Brust - und der Säugling trinkt instinktiv, weil er hungrig ist … und er trinkt, weil er Lust daran empfindet.
Das ist weder ein Gegensatz, noch ein Nebeneinander, noch ein klares Nacheinander.

Ein Jahr später wird’s noch komplexer: da isst das Kleinkind den Babybrei, weil es hungrig ist … und weil es Lust daran empfindet … und weil ihm gesagt wird: „einer für Mama, einer für Papa, einer für …“

Und noch komplexer wirds, wenn man sich überlegt, dass auch die Mutter, beim Brustgeben wie beim Löffelfüttern, selbst ein biologisches Programm abspult („Mutterinstinkt“) … und Lust (und allerlei Affekte noch dazu) empfindet, so dass das Kleinkind als homo imitans und animal sociale natürlich die Lust auf die Lust der Mutter empfindet … ach, alles nicht so einfach - und das schon im Kleinkindalter.

Kein Wunder, dass der Mensch ein Philosoph geworden ist.

Gruß
F.

Wie steht es mit deinem „Todestrieb“?

Frage dich mal in redlicher Selbstreflexion, ob du da nicht einer „Verhexung“ der Sprache aufsitzt, wenn du im Freud’schen Modell die drei Instanzen von Unterbewusstsein, Ich und Über-Bewusstsein mit Begriffen assoziierst, wie sie als drei getrennte Schubladen in einen gemeinsamen statsichen „Schrank“ eingebaut sind?

Ich sehe dagegen eher eine unaufhörlich sich wechselnde Dynamik, wie Wellen, die kommen und gehen. Es gibt keine „Schublade“ für mich, sondern „Qualitäten“.

Schaust du QUALIA.

Das grösste Missverständnis bei Freud ist, dass man ihn in seinem viktorianischen Umfeld betrachten muss.
Das Ideal der damaligen gehobenen Gesellschaft entsprach mehr demjenigen was man heute aus Startreck von den Vulkaniern kennt.
Gleichzeitig gab es auch noch die Romantik.

Gerade in der Romantik war es eine erhaben Geste, sich für seine/seinen Liebste/Liebsten selbst um die Ecke zu bringen.

Also, betrachte Freud in seinem Zeitgeist. Viele seiner Aussagen stimmen in der heutigen Zeit nicht mehr so wie damals.
Damit sind aber seine grundlegenden Theorien heute nicht einfach falsch.

Ich will jetzt nicht polemisch werden, aber wer in Zusammenhang mit Freuds Theorien von Begriffen spricht, die es da schlichtweg nicht gibt (Unterbewusstsein. Über-Bewusstsein), der sollte nicht ausgerechnet den anderen zur Reflektion auffordern :wink:

Ein TV-Sender auf den Kanaren?

Gruß
F.

Das Problem ist: Das Unbewusste wird bei Freud nicht als ein TEILBEREICH des Bewusstsein gedeutet, wie z. B. die dunklen Tiefen des Ozeans, die von ihrer Substanz genauso „Wasser“ sind, wie die Oberfläche des Ozeans (Ich-Bewusstsein), sondern wird als abgeschlossene „Schublade“ konzipiert, die keine Verbindung hätten zu den anderen Teilen der Psyche.

Das ist Mechanik, wie zu Recht von Nietzsche bekämpft wurde.

Zeig mir, wo ich Freud unterstelle, er hätte den Begriff des „Über-Bewusstseins“ vertreten? Ich vertrete zwar diesen Begriff, um damit meine „säkulare“ Meditationserfahrung zu konstruieren, aber ich bin noch nicht so dement, um diesen Begriff Freud unterzujubeln. Da hast du was erdichtet!

War so zu verstehen, aber das ist ja völlig wurscht.
Jedenfalls gibts bei Freud „die drei Instanzen von Unterbewusstsein, Ich und Über-Bewusstsein“ nicht. Wir sprachen hier ja über Freud und nicht über deine säkularen Meditationserfahrungen, oder doch?

Gruß
F.

Mein verschuldeter Schreibfehler. Berührt aber nicht den Kontext der Schubladen-Metapher. Spinozas „eine Substanz“ dagegen, insbesondere seine Affekttheorie, z. B. von Barbara Handwerker Küchenhoff - Spinozas Theorie der Affekte - Kohärenz und Konflikt", Dissertation von 2005/2006.

Vielleicht für dich auch interessant: Vorerwähnte Autorin geht in ihrer Dissertation der Universität Zürich u. a. auch auf Freud ein und titelt eine Überschrift: „War Freud ein Spinozist?“

Gruessli!

Danke!

Ich habe dieses Buch vor gar nicht langer Zeit gelesen und fands damals großartig.
Jetzt da ich in diesen Spinoza-Freud-Zusammenhang ein bißchen weiter eingedrungen bin, erscheint mir diese Diss. ein bißchen „billig“. Zu sehr Analogisierung, zu wenig echte Verknüpfung.
Es gibt diese Anknüpfungspunkte Freuds an Spinoza ja durchaus, wenn auch natürlich sehr spärlich.

Gruß
F.

Was soll ich zu deinem Kommentar über das Buch sagen? Stimmt, es ist tatsächlich dürftig (wusste nicht, dass du es kennst).

Sorry!

Grüße die QUALIA