Freundschaften

Hi!

Vielen Dank für das was du schreibst.
Ich denke, dass du schon mit vielem Recht hast.
Nur das hier:

Und
wenn sie möglicherweise erfüllter ist (egal ob mit weniger
oder mehr anderen sozialen Kontakten), dann ist es bei Euch,
was die Offenheit anbelangt, nicht unbedingt auf Augenhöhe.

hab ich irgendwie nicht richtig verstanden.

Kannst du nochmal erlätuern, was genau du meinst?

Ich kenne sie ja nicht, aber es scheint so zu sein, dass sie, egal ob sie jetzt mehr oder weniger andere Freunde hat als du, einfach mit der Gesamtsituation zwischen Euch zufriedener ist („erfüllter“) als du, und dass sie insgesamt einfach zufriedener ist, weniger Bestätigung braucht etc. Und das auch (unbewusst) spürt und sich vielleicht deshalb auch nicht so ganz einlassen will oder kann. Weil sie ihre Bedürfnisse von dir ja auch nicht verstanden fühlt.

Ich hatte seit der ersten Schulklasse eine sehr enge Freundin. Während des Studiums waren wir in unterschiedlichen Orten, danach aber wieder im gleichen. Ich habe jahrelang drunter gelitten, dass sie stets so wenig Zeit hatte für mich. Sie hat mich während des Studiums in 6 Jahren zweimal besucht, ich sie jedes Jahr. Wenn ich bei ihr war, musste ich mich auch meist alleine beschäftigen, weil sie immer was zu arbeiten hatte. Als wir in der gleichen Stadt gewohnt haben, wurde es noch schlimmer. Sich aller 3 Monate mal zu treffen, wenn man 20 MInuten voneinander entfernt wohnt, war mir einfach zu wenig. Vor allem, wenn sie fast jeden Tag Zeit hatte, stundenlang mit mir zu telefonieren - aber Verabredungen: „nein, ich hab keine Zeit“.
Irgendwann hatten wir uns deswegen absolut verkracht und ein Jahr Funkstille. Danach gab’s eine lange Aussprache, in der wir uns beide mitgeteilt haben, wie sehr wir vom anderen verletzt wurden, wie sehr wir aber auch in mangelndem Verständnis der Bedürfnisse des anderen noch zu sehr unser Ego, unsere gegenseitige Wichtigkeit füreinander bestätigt haben wollten. Sie meinte, wenn ich immer was mit ihr unternehmen will, ginge es ja nicht primär um sie, sondern v.a. um die Unternehmungen an sich (womit sie natürlich auch nicht komplett unrecht hat). Sie fühlte sich dadurch benutzt, weil sie das Bedürfnis kein bisschen verstehen konnte. Und ich warf ihr vor, ihre Arbeit sei ihr immer wichtiger als mir. Weil ich nicht verstehen konnte, wie man sich so gerne tagelang vor dem Computer verschanzen kann.
Als wir uns zusammenrauften, waren wir uns zum ersten Mal bewusst, wie wichtig wir uns gegenseitig waren und mussten es nicht mehr an unseren unterschiedlichen Bedürfnissen festmachen.

Und trotzdem hat es nicht funktioniert. Eifersucht auf ihre Arbeit meinerseits und Eifersucht auf Unternehmungen mit anderen Bekanntschaften ihrerseits waren kein Thema mehr, es ging nicht mehr um Verletzung, und wir haben den anderen wirklich akzeptieren (wenn auch nicht komplett verstehen) können, wie er ist. Aber wir konnten nicht umhin, zu merken, dass unsere Bedürfnisse einfach ZU unterschiedlich waren, unsere Erwartungen an den anderen und an unsere Freundschaft aber durch die lange gemeinsame Zeit schon so hoch, dass wir nicht einfach eben weniger enge Freundinnen sein konnten, sondern komplett „Schluss machen“ mussten.

Ich bin nicht mal mehr traurig gewesen, als wir uns zum zweiten Mal verkrachten. Ich war erleichtert. Weil ich endlich nicht mehr meine Bedürfnisse (nach gemeinsamen Unternehmungen) verleugnen musste. Weil ich ihr nicht ständig versichern musste, dass sie für mich die Nummer eins ist, und ich trotzdem ständig nach anderen Leuten Ausschau haben musste, mit denen ich meine Bedürfnisse halbwegs erfüllt sehen konnte. Weil ich nicht mehr ständig telefonieren musste (was ich nicht mag), um die Freundschaft zu erhalten.
Zugegebenermaßen wäre das sicher nicht passiert, wenn ich damals nicht eine kennengelernt hätte, die eine absolut ähnliche Art, Verabredungen zu treffen, pflegt wie ich. Die ist seitdem schon seit Jahren meine beste Freundin. Ich hatte Glück, aber ich habe vorher etliche Energie aufwenden müssen, meine Bedürfnisse überhaupt erstmal rauszufinden und für richtig zu halten und nicht vom anderen immer eine Absegnung zu erwarten.

Grüße
Judith

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Jetzt muss ich mich erstmal mit mir beschäftigen, warum ich
das nicht lockerer sehen kann - bzw. wie ich diesen Wunsch
nach Sicherheit loslassen kann.

Ich weiß nicht, ob ich damit alleine dastehe, aber ich habe ein bisschen das Gefühl, du arbeitest zuviel an dir. Du willst dich ständig verbessern und noch mehr verbessern. Dein Wunsch nach Sicherheit ist was total normales, jeder hat ihn, der eine ist eben ängstlicher, der andere weniger. Der eine hatte eben mehr Glück oder ein dickeres Fell. So what.
Ich hab das Gefühl, dass du dir diesen Wunsch nach Sicherheit eigentlich nicht eingestehen willst und ihn aber dennoch spürst und dann erst recht frustriert bist.
Vielleicht denkst du mal gar nicht mehr an das, was du noch an dir verbessern könntest, und was du noch loslassen lernen könntest, sondern nimmst es mal hin, dass dich Dinge beunruhigen, verletzen, dir Angst machen - ohne den Wunsch, das loszuwerden. Bist mal relaxt mit dir und deinen Ängsten.
Damit nimmt man sich meistens schon ein großes Stück der Schwere dieses Themas. Wenn du jetzt nicht mehr nur von anderen enttäuscht wirst, sondern auch von deiner eigenen Unfähigkeit, die Enttäuschungen nicht vermeiden zu können/ nicht loslassen zu können, baust du dir noch mehr Druck auf.
So ging es mir jedenfalls.
Manchmal ist der größte Fehler, den man macht, nur der, dass man glaubt, man würde ständig einen Fehler machen.

grüße

Hi P&J,

wobei das sich "Rar machen"dann ja zeigt ob man begehrt wird…

und dann eben die Erwartungen herunterschrauben…

Gruß Oscara