Friedliche Einigung möglich gewesen?

Hallo ihr Lieben,
sitze seid heute Mittag an meiner Geschichts Hausaufgabe.
Also es ist eine kreative Aufgabe, heißt wir müssen mit unseren Wissen über Bismarck antworten.
Die Frage lautet:
Wäre eine friedliche Lösung im Prozess der deutschen Einigung möglich gewesen?
Mir fehlen die Ansätze dazu obwohl ich vorher die Rolle von Bismarck im Prozess der dt. Einigung relativ gut erklären und lösen könnte.
Könntet ihr mir ein paar Anregungen beisteuern?
Lieber Gruß :smile:

Also ich verlange jetzt keine Hausaufgaben machen oder so, bin alt genung! Aber mir fehlen einfach die Anregungen dazu :S Was denkt ihr darüber, ist eher meine Frage? :smile:

Hallo Babzy,

Wäre eine friedliche Lösung im Prozess der deutschen Einigung
möglich gewesen?

War die Reichsgründung 1871 denn keine friedliche Lösung, auch wenn der deutsch-französische Krieg eine gewisse beschleunigende Rolle dabei gespielt haben mag? Insofern verstehe ich die Fragestellung nicht ganz.

Viele Grüsse
Jan

Die Frage habe ja nicht ich gestellt :smiley: Sondern meine Lehrerin unter dem Aspekt was wir dazu denken! Aber irgendwie hab ich da grade eine Schranke vor :S

Hallo!

Die Frage lautet:

Wäre eine friedliche Lösung im Prozess der deutschen Einigung
möglich gewesen?

Diese Frage kann man so und ganz anders beantworten.
Wahrscheinlich geht es einfach darum: Argumente sammeln, prüfen, eine These bilden und diese plausibel begründen und vielleicht Gegenargumente widerlegen.
Gruß!
H.

Hallo Babzy,
wenn es um die Frage der Möglichkeit einer „friedlichen Einigung“ geht, dann ist der Blick auf den Deutsch-Französischen Krieg völlig verfehlt. Dieser Krieg war nur der konkrete Anlass, das zu vollziehen, was längst vorbereitet war. Die Reichsgründung wäre auch ohne den Deutsch-Französischen Krieg erfolgt - nur später. Das Reich hätte ohne Elsass-Lothringen nicht viel anders ausgesehen - nur wäre es nicht mit der Hypothek der Deutsch-Französischen Erbfeindschaft belastet gewesen.

Die Voraussetzungen für das, was bei der Reichsgründung institutionell umgesetzt wurde, wurden 1866 geschaffen. Damit wurde die kleindeutsche Lösung der deutschen Frage endgültig durchgesetzt - und genau darum ging es in diesem Krieg auch. Die ‚friedliche‘ Alternative wäre die großdeutsche gewesen - die hätte aber nicht zu einem Reich geführt, das nur dem Namen nach noch ein Bundesstaat war, sondern es bei einem lockeren Staatenbund mit schwachen gemeinsamen Institutionen belassen. Es wäre die Fortsetzung des preußisch-österreichischen Dualismus gewesen und deswegen instabil und außenpolitisch schwach. Ohne die Lösung dieses Dualismus war kein Deutsches Reich möglich und auch kein Großösterreichisches Reich (das wäre wohl die Folge eines österreichischen Sieges im Deutschen Krieg gewesen). Preußische und österreichische Interessen standen in einem zu starken Gegensatz zueinander und die Bereitschaft, diese Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen war den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend zu selbstverständlich, als dass eine Reichsgründung auf Grundlage einer friedlichen Auflösung dieses Gegensatzes möglich gewesen wäre.

Tip: schau Dir zum Einstieg bei Wikipedia die Artikel ‚Detsche Frage‘, ‚Deutscher Bund‘, ‚Kleindeutsche Lösung‘, ‚Großdeutsche Lösung‘ und ‚Großösterreich‘ an.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Ralf

Das Reich
hätte ohne Elsass-Lothringen nicht viel anders ausgesehen -
nur wäre es nicht mit der Hypothek der Deutsch-Französischen
Erbfeindschaft belastet gewesen.

Das halte ich für eine gewagte Hypothese, da ja die deutsch-französische Erbfeindschaft nicht durch den von Frankreich begonnenen und dann verlorenen Krieg 1870/71 gestiftet wurde, sondern bereits viel früher, durch die zahllosen unprovozierten militärischen Aggressionen Frankreichs in den Jahrhunderten zuvor, begründet worden war. Das Elsass (unter anderem) war ja nicht ganz zufällig vor 1870 Teil Frankreichs, sondern weil es sich die Franzosen im 17. Jahrhundert mit militärischer Nachhilfe unter den Nagel gerissen haben. Es war eine großzügige Geste der deutschen Sieger, nicht weit größere Gebiete als Puffer gegen neuerliche französische Angriffe zu annektieren.

Die Voraussetzungen für das, was bei der Reichsgründung
institutionell umgesetzt wurde, wurden 1866 geschaffen. Damit
wurde die kleindeutsche Lösung der deutschen Frage endgültig
durchgesetzt - und genau darum ging es in diesem Krieg auch.
Die ‚friedliche‘ Alternative wäre die großdeutsche gewesen -
die hätte aber nicht zu einem Reich geführt, das nur dem Namen
nach noch ein Bundesstaat war, sondern es bei einem lockeren
Staatenbund mit schwachen gemeinsamen Institutionen belassen.
Es wäre die Fortsetzung des preußisch-österreichischen
Dualismus gewesen und deswegen instabil und außenpolitisch
schwach. Ohne die Lösung dieses Dualismus war kein Deutsches
Reich möglich und auch kein Großösterreichisches Reich (das
wäre wohl die Folge eines österreichischen Sieges im Deutschen
Krieg gewesen). Preußische und österreichische Interessen
standen in einem zu starken Gegensatz zueinander und die
Bereitschaft, diese Interessen mit militärischen Mitteln
durchzusetzen war den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend zu
selbstverständlich, als dass eine Reichsgründung auf Grundlage
einer friedlichen Auflösung dieses Gegensatzes möglich gewesen
wäre.

Das ist richtig.

Gruß
smalbop

Hiho,

neugierhalber: Kannst Du über diese Erbfeindschaft bitte weiteres ausführen? Insbesondere, inwiefern sie etwas ist, was gleich einer immerwährenden Institution „gestiftet“ wurde, und was es damit heute auf sich hat?

Schöne Grüße

MM

Hallo,

was es damit heute auf sich hat?

Die dt.-frz. „Erbfeindschaft“ existiert erfreulicherweise heute nicht mehr, wie allgemein bekannt sein dürfte, sondern ist zur dt.-frz. Freundschaft geworden. Bemühungen beider Seiten zur Annhäherung nach dem zweiten Weltkrieg sind ja hinlänglich bekannt: Elysee-Vertrag 1963, Prozeß der europ. Einigung (De Gaulle, Adenauer, Schuman, Monnet usw.). Die Programme zum Jugendaustausch und Städtepartnerschaften haben ihren Ursprung in dieser Zeit.

neugierhalber: Kannst Du über diese Erbfeindschaft bitte
weiteres ausführen? Insbesondere, inwiefern sie etwas ist, was
gleich einer immerwährenden Institution „gestiftet“ wurde, und

Genau verstehe ich nicht worauf du hinauswillst.
Der Begriff „immerwährende Institution“ passt nun aus heutiger Sicht nicht (siehe oben). Die gegenseitigen Ressentiments sollen meiner Erinnerung nach in der Konkurrenz Habsburg-Frankreich im 17. Jh. entstanden sein. Verstärkt wurden sie sicher durch Franzoseneinfälle im Pfälz. Erbfolgekrieg (obwohl zu dieser Zeit die frz. Kultur DAS Vorbild war und im 18. Jh. auch blieb) und vor allem durch Napoleons Expansion. Mit diesem Begriff wurde in der Propaganda beider Seiten immer wieder gearbeitet, vor allem während der Rheinkrise und natürlich ganz extrem ab 1870, indem man die Konkurrenz/Gegnerschaft zu einem „immerwährenden“, aufgrund der angeblichen Charaktereigenschaften beider Völker unauflösbaren Konflikt überhöhte. Hier ein paar Beispiele: http://www.dfi.de/de/projekte_ausstellung.shtml
Ein echter Fachmann kommt z.B. hier zu Wort:
http://www.europa.clio-online.de/2007/Article=109
Grüße
mitzisch

Servus,

meine Frage zielte eigentlich mehr darauf ab, wie genau smalbop in diesem Zusammenhang auf diesen Begriff kommt und was er genau dabei impliziert. Mir selber ist der Begriff aus einem Zusammenhang, den ich hier zunächst nicht näher beschreiben will, wohl bekannt.

Meine eigenen, teils sehr persönlichen Gedankensplitter dazu, möglicherweise Schuldzuweisungen an Ludwig den Frommen oder Karl den Großen, möglicherweise auch Berichte über kleinste Weinberge im Württembergischen, die bei einer Fläche von vielleicht fünfhundert m² sechsunddreißig Eigentümer haben, möglicherweise auch einen Bericht über den Zinnkanister von 1759 und seinen krumm und schief angeschnittenen Deckel, der neben mir steht etc., werde ich dann vielleicht in Abhängigkeit von smalbops Auskunft wiedergeben.

Schöne Grüße

MM

Ahoi

neugierhalber: Kannst Du über diese Erbfeindschaft bitte
weiteres ausführen? Insbesondere, inwiefern sie etwas ist, was
gleich einer immerwährenden Institution „gestiftet“ wurde, und
was es damit heute auf sich hat?

Ich gehe mal davon aus, dass dieser Begriff, den es so nur im Deutschen und nur in Bezug auf das Verhältnis zu Frankreich gab und gibt, den Umstand beschreibt, dass über viele Generationen hinweg ein friedliches Zusammenleben mit dem französischen Nachbarn nicht möglich schien. Weniger für die zur wirksamen Organisation einer Landesverteidigung unfähigen deutschen Duodezfürsten, die unverdrossen weiter französisch parlierten, als für die einfachen Leute, die aus leidvoller Erfahrung (sofern sie diese überlebt hatten) französische Laute lieber von weitem hörten.

So zog sich das im Mittel so alle zehn Jahre immer wiederkehrende Erlebnis der Feindschaft eben durch die Jahrhunderte und wurde sozusagen „vererbt“. Gleich von Generation zu Generation mit vererbt wurden dabei natürlich auch die Greuelgeschichten aus dem dreißigjährigen Krieg, den diversen Erbfolge- und Reunionskriegen, den Revolutions- und den napoleonischen Kriegen, die ihren Grund wohl darin hatten, dass es in Frankreich eben nicht „Erbfeindschaft“ hieß, sondern haine héréditaire, also „Erbhass“.

Es kommt damit ein grundsätzlich unterschiedliches Bewusstsein beider Völker über die wechselseitigen Beziehungen zum Vorschein: Eine Feindschaft kann ich irgendwann wieder begraben. Wenn ich aber, warum auch immer, jemanden hasse, der mir nie etwas getan hat, dann will ich immer wieder kommen und ihn immer wieder schlagen.

Die Möglichkeit einer deutsch-französischen Versöhnung war denn auch vor allem die Folge der Heilung der französischen Volkspsyche von einem Überlegenheitsdünkel und latenter Gewaltbereitschaft, jedenfalls gegenüber einem Nachbarland. (Ob das in der Wahrnehmung in Deutschland aus genereller Geschichtsunkenntnis oder nur wegen der Fokussierung auf das 20. Jahrhundert überwiegend genau umgekehrt gesehen wird, ist mir eigentlich gleichgültig. Ich habe in meinem Leben genug Franzosen kennengelernt, um zu wissen, wie sehr anders die ticken.)

smalbop

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Hi smalbop,

nach dieser Einlassung von Dir kann ich grosso modo auch ohne den Umweg über den Weißen Berg den Fehdehandschuh wieder einstecken - über das Detail „haîne“ vs. „Feindschaft“ wäre ggf. im Sprachbrett weiter zu diskutieren; ich halte sie für weniger bedeutungsträchtig. Zu den (wie ich meine) romantisierenden Details, wer wen aus der Nähe oder Ferne hören mag, seien hier - obwohl fachfremd - noch ein paar andre persönliche Episoden angefügt:

Zuerst eine zur Feindschaft der „einfachen Leute“, hinterbracht von einem meiner Schullehrer, der als Kindersoldat mit siebzehn Jahren das Reich in Holland verteidigen musste - ein wenig älterer Engländer hatte ihn in dem Moment angeschaut, als er ihm (alle Munition war verschossen) den Klappspaten in den Hals gehauen hat - und viele Monate später auf einem der damals noch sehr kleinen und entsprechend munter rollenden und stampfenden Kanalboote noch mit dem weißen „P.W.“ auf der Feldjacke auf dem Heimweg war. Fast alle Passagiere hingen leeseits über der Reling, zwischen zwei Kotzgängen grüßte ihn der neben ihm hängende Engländer „Hello Fritzie!“. Er zurück „Hello Tommy!“, und nach einem weiteren Kotzgang meinte der Engländer: „Hey, we are not ennemies any more!“

Zur Erb-Feindschaft der „einfachen Leute“ eine Kleinigkeit vom achtzigsten Geburtstag meines Vaters, den wir bei diesem Anlass fragten, welche Dinge denn in seinem zum größten Teil hinter ihm liegenden Leben für ihn am wichtigsten gewesen seien. Unter den top five rangierte: „Daß ich selber noch in der Schule habe lernen müssen, daß die Franzosen unsere Erbfeinde sind, aber daß alle meine Söhne sich mehr oder weniger fließend mit Franzosen verständigen können“.

Achja, und dann gabs noch den LKW-Fahrer, der mich 1976 irgendwo zwischen Dijon und Nevers, als ich meinen viel zu schwer gepackten Rucksack nach oben in seine Kabine hievte, mit den Worten begrüßte „S’isch a Mordsglump, gell?“ - Deutsch sprach er kein Wort, aber im Gefangenenlager in Leonberg hatte er fließend Schwäbisch gelernt.

Kurz: Feindschaften sind objektiv nicht erblich.

Schöne Grüße

MM

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Hi,

wie genau smalbop in diesem Zusammenhang auf diesen Begriff kommt und
was er genau dabei impliziert. Mir selber ist der Begriff aus
einem Zusammenhang, den ich hier zunächst nicht näher
beschreiben will, wohl bekannt.

Das scheint ja zwischen euch geklärt zu sein. Aber nicht smalbop hat den Begriff aufgebracht. Außerdem ist er ja in diesem Zusammenhang mit 1870/71 nicht gerade ungewöhnlich.

Meine eigenen, teils sehr persönlichen Gedankensplitter dazu,
möglicherweise Schuldzuweisungen an Ludwig den Frommen oder
Karl den Großen, möglicherweise auch Berichte über kleinste
Weinberge im Württembergischen, die bei einer Fläche von
vielleicht fünfhundert m² sechsunddreißig Eigentümer haben,
möglicherweise auch einen Bericht über den Zinnkanister von
1759 und seinen krumm und schief angeschnittenen Deckel, der
neben mir steht etc., werde ich dann vielleicht in
Abhängigkeit von smalbops Auskunft wiedergeben.

Nun, hier kann ich geistig nicht folgen (mal abgesehen davon, dass man zur Zeit Karls des Großen bzw. Ludwigs des Frommen von „deutsch“ versus „französisch“ ohnehin noch nicht reden kann), auch wenn ich neugierig bin, welcher Zusammenhang zwischen Weinbergen und Reichseinigung wohl bestehen mag :wink:.
Viele Grüße
mitzisch

Servus,

Das scheint ja zwischen euch geklärt zu sein. Aber nicht
smalbop hat den Begriff aufgebracht.

Das sicher nicht. Aber exzessiv verwendet wurde er von dem radikaleren Teil der Revanchisten nach 1918, die ab 1933 die Lufthoheit über den Kathedern hatten, und da wollte ich halt ein bissel auf den Busch klopfen. Sicher ist die ab Adenauer/De Gaulle zum gängigen Begriff erhobene „Deutsch-Französische Freundschaft“ ebenfalls propagandistisch geprägt, eben ein „handlicher“ Begriff, um den sich der ökonomische und politische Kern des heutigen Europa aufbauen ließ; eine Tradition in dieser Freundschaft gab es sicherlich nicht, und die Erinnerung an 1946, als die Reparationslieferungen der französischen Zone nicht einmal genug Holz für die Särge der Verhungerten ließen, war durchaus noch frisch. Aber immerhin war es im allseits ziemlich riskant hochgerüsteten Europa des XX. Jahrhunderts eine wichtige Tat, diese Freundschaft zu erfinden und zu fördern, auch wenn man dafür ein paar Korrekturen an der Historie vornehmen musste: Letztlich ist der, der heute lebt, weder den Sym- noch den Antipathien seiner Vorväter verpflichtet.

mal abgesehen davon, dass man zur Zeit Karls des Großen bzw. Ludwigs des Frommen von „deutsch“ versus „französisch“ ohnehin noch nicht reden
kann),

Nun, das ist nicht gar so weit hergeholt, deucht mir: Die Reichsteilung legte immerhin einen Grund für den späteren deutsch-französischen Antagonismus, einschließlich der Kabbeleien um das von Anfang an schwächelnde Lothringen.

auch wenn ich neugierig bin, welcher Zusammenhang
zwischen Weinbergen und Reichseinigung wohl bestehen mag :wink:.

Einerseits die greifbaren Folgen der im Altwürttembergischen bis heute üblichen Erbteilung, die zu einer extremen Zersplitterung der Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden führt und auf diese Weise illustriert, was in freilich weniger Teilen dem Frankenreich passierte.

Andererseits, auch eher anekdotisch, ein Erinnerungsstück an die deutsche Einigung, das die Expansionsbestrebungen Louis XIV. ein paar hundert Jahre vorher ein wenig relativiert, weil es illustriert, daß es bis zum ersten Weltkrieg mit seiner neuen Qualität als Krieg durchaus normal war, Händel um Territorien und Machtausübung mit Waffengewalt auszutragen: Der Zinnkanister, von dem ich sprach, wurde verwendet, um bei der Arbeit im Weinberg zu Trinken mitzunehmen. Er hat einen Schraubdeckel, der am Rand ziemlich unregelmäßig und offenbar mit Gewalt abgeschnitten ist. Das ist die Spur davon, dass der Deckel verlötet war, als man den Kanister verwendete, um alle Wertsachen der Familie draußen im Feld zu vergraben, als 1866 Manteuffel zum Zweck der deutschen Einigung anrückte und seine Mannen sich dabei keineswegs besonders brüderlich aufführten.

Kurz: Wenn man sich betreffend Erbfeindschaften nicht zum „L’histoire, c’est passé“ durchringt, kann man nie in Ruhe seinen Acker bestellen, und es ist kaum möglich, sich dann nicht in einem Dickicht von „offenen Rechnungen“ zu verheddern.

Schöne Grüße

MM

Hi,

Nun, das ist nicht gar so weit hergeholt, deucht mir: Die
Reichsteilung legte immerhin einen Grund für den späteren
deutsch-französischen Antagonismus, einschließlich der
Kabbeleien um das von Anfang an schwächelnde Lothringen.

Das ist wohl wahr.

Einerseits die greifbaren Folgen der im Altwürttembergischen
bis heute üblichen Erbteilung, die zu einer extremen
Zersplitterung der Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden
führt und auf diese Weise illustriert, was in freilich weniger
Teilen dem Frankenreich passierte.

Jetzt kapier ich’s =)

Deckel verlötet war, als man den Kanister verwendete, um alle
Wertsachen der Familie draußen im Feld zu vergraben, als 1866
Manteuffel zum Zweck der deutschen Einigung anrückte und seine
Mannen sich dabei keineswegs besonders brüderlich aufführten.

Mein Gott, was Familienerbstücke so an Geschichte erlebt haben!!!
Ja, Smalbop hat sich ja recht negativ über die Franzosen ausgelassen. Als ob die die Deutschen immer so zurückhaltend waren…

Kurz: Wenn man sich betreffend Erbfeindschaften nicht zum
„L’histoire, c’est passé“ durchringt, kann man nie in Ruhe
seinen Acker bestellen, und es ist kaum möglich, sich dann
nicht in einem Dickicht von „offenen Rechnungen“ zu
verheddern.

Das unterschreibe ich sofort! Ich finde, die Verbesserung der dt.-frz. Beziehungen in den letzten Jahrzehnten zeigen genau das.
Gruß + danke für die erhellenden Ausführungen
mitzisch

Hallo mitzisch

Ja, Smalbop hat sich ja recht negativ über die Franzosen
ausgelassen. Als ob die die Deutschen immer so zurückhaltend
waren…

„Wir Deutschen“ haben dann nur immerhin irgendwann mal unsere Geschichte aufgearbeitet, auch wenn wir dazu in unterschiedlichem Maße Anlass hatten.

Im übrigen möchte ich betonen, weil gerade noch von Preußeneinfällen 1866 die Rede war: 1848-49 war’s schlimmer und 1933 auch.

Man sah (und sieht) in Südwestdeutschland aus historischen Gründen die Preußen fast ebensogerne von hinten wie die Franzosen. Die Kritik an Frankreich (zumindest meine) entspringt also keineswegs deutschem Nationalismus. Wer als Preuße durchaus möchte, wird von mir ebenso abgebürstet wie der Chauvin.

Gruß
smalbop

Hallo,
danke für deine Ergänzungen. Ob die Franzosen die negativen Aspekte ihrer Geschichte aufgearbeitet haben, wage ich nicht zu beurteilen (obwohl ich meine, mitbekommen zu haben, dass man sich dort erst in den letzten Jahren bewußt wird, dass nicht alle in der Resistance waren.)

Im übrigen möchte ich betonen, weil gerade noch von
Preußeneinfällen 1866 die Rede war: 1848-49 war’s schlimmer
und 1933 auch.

Beim Schreiben hab ich auch an sofort 1849 gedacht, war aber zu faul, das zu ergänzen…

Man sah (und sieht) in Südwestdeutschland aus historischen
Gründen die Preußen fast ebensogerne von hinten wie die
Franzosen.
Die Kritik an Frankreich (zumindest meine)
entspringt also keineswegs deutschem Nationalismus. Wer als
Preuße durchaus möchte, wird von mir ebenso abgebürstet wie
der Chauvin.

=)
beruhigte Grüße (badischer Nationalismus ist was gaaaanz anderes!)
mitzisch

Hallo,

danke für deine Ergänzungen. Ob die Franzosen die negativen
Aspekte ihrer Geschichte aufgearbeitet haben, wage ich nicht
zu beurteilen (obwohl ich meine, mitbekommen zu haben, dass
man sich dort erst in den letzten Jahren bewußt wird, dass
nicht alle in der Resistance waren.)

Naja, bewusst war man sich dessen schon, aber keiner hat’s ausgesprochen, jedenfall dort nicht. Aber verhgessen wir nicht: Die französische Geschichte ist tausend Jahre alt. Die hätten sehr wenig zu tun, wenn es nur der 2. Weltkrieg wäre, den Frankreich aufzuarbeiten hätte (und dazu gehört dann nicht nur die Kollaboration, sondern auch die unschönen Begleitumstände des Einmarschs in Deutschland 1945, und damit meine ich nicht den Osten).

Die Franzosen haben ohnehin eine einzigartige Begabung für die selektive Wahrnehmung geschichtlicher Realität.

Im übrigen möchte ich betonen, weil gerade noch von
Preußeneinfällen 1866 die Rede war: 1848-49 war’s schlimmer
und 1933 auch.

Beim Schreiben hab ich auch an sofort 1849 gedacht, war aber
zu faul, das zu ergänzen…

Man sah (und sieht) in Südwestdeutschland aus historischen
Gründen die Preußen fast ebensogerne von hinten wie die
Franzosen.
Die Kritik an Frankreich (zumindest meine)
entspringt also keineswegs deutschem Nationalismus. Wer als
Preuße durchaus möchte, wird von mir ebenso abgebürstet wie
der Chauvin.

beruhigte Grüße (badischer Nationalismus ist was gaaaanz
anderes!)

Eher alemannischer Separatismus, was mich angeht. (Daher meine fortbestehende Abneigung gegen die Franzosen im Elsass.)

Gruß
smalbop

Hallo smalbop,

Das Reich
hätte ohne Elsass-Lothringen nicht viel anders ausgesehen -
nur wäre es nicht mit der Hypothek der Deutsch-Französischen
Erbfeindschaft belastet gewesen.

Das halte ich für eine gewagte Hypothese,

sagen wir mal überpointiert - so viel räume ich gerne ein.

da ja die
deutsch-französische Erbfeindschaft nicht durch den von
Frankreich begonnenen und dann verlorenen Krieg 1870/71
gestiftet wurde, sondern bereits viel früher, durch die
zahllosen unprovozierten militärischen Aggressionen
Frankreichs in den Jahrhunderten zuvor, begründet worden war.

Ob die „Erbfeindschaft“ ím eigentlichen Sinne - als Phänomen der politischen Grundhaltung einer Nation - da schon entstanden ist, kann man mangels der Existenz einer solchen Nation durchaus bezweifeln. Die Wurzeln von beidem - Nationalbewusstsein und Erbfeindschaft als dessen (vom Antisemitismus abgesehen) hässlichstem Charakterzug - würde ich eher in den Befreiungskriegen verorten, wo dann natürlich in der historischen Rückschau beispielsweise die Reunionspolitik eine Neubewertung im nationalen Sinne fand. Fakt ist sicherlich, dass an der Entstehung der deutsch-französischen Erbfeindschaft der aggressive Drang zur Rheingrenze als jahrhundertelange Konstante französischer Ostpolitik einen entscheidenden Anteil hatte. Als jemand, der im ehemaligen Département Mont Tonnerre wohnt und ausreichend Gelegenheit hatte, das reiche kulturelle Erbe verschiedener französischer Regionen mit den traurigen Hinterlassenschaften von Melacs Mordbrennern im deutschen Südwesten zu vergleichen, ist mir das durchaus bewusst.

Jedenfalls finde ich Bismarcks berühmtes Statement vom 25.08.1870 („die Neigung Frankreichs, sich zu rächen, wird ganz dieselbe bleiben, es mag Provinzen verlieren oder nicht“) überzogen. Die „Neigung, sich zu rächen“ war eben nicht in beiden Fällen dieselbe - sie war durch die Annexionen historisch zementiert und unüberwindbar geworden, eine sehr viel schwerwiegendere und verhängnisvollere Konstante in den deutsch-französischen Beziehungen als der Drang Frankreichs zur ‚natürlichen‘ Rheingrenze. Ein Ausgleich, wie er sich mit der Habsburgermonarchie entwickeln konnte (und von Bismarck bewusst durch Verzicht auf umfangreichere Annexionen befördert worden war), war so mit Frankreich absolut undenkbar. Der Revanchekrieg war unvermeidlich.

Das Argument, Bismarck habe mit seiner Einschätzung, das sei er so oder so, recht gehabt, ist genauso Spekulation wie die Annahme, er wäre bei einem (teilweisen) Verzicht auf Annexionen vermeidbar gewesen. Dabei sollte man jedoch eines nicht übersehen: der durch die Annexion unvermeidliche Revanchekrieg war für die neu entstandene deutsche Nation eine Hypothek, die irgendwann bezahlt werden musste. Bismarck war Realpolitiker genug um zu wissen, dass diese Hypothek zum für das Deutsche Reich ungünstigsten Zeitpunkt fällig werden würde - wenn nicht in einer Lage militärischer Schwäche, so doch zumindest in einer nachteiligen außenpolitischen Konstellation. Genau so geschah es dann ja auch. Bismarck war freilich auch Realpolitiker genug um zu wissen, dass ihm der Druck der öffentlichen Meinung gar keine andere Alternative offen ließ als die Annexion.

Darum ging es mir bei meiner Bemerkung zur Erbfeindschaft, die ich als ‚Hypothek‘ bezeichnet habe. Nicht um deren historische Wurzeln und schon gar nicht um die Behauptung, sie sei nur durch die Annexion entstanden, sondern um ihren Charakter einer schon im Augenblick der Gründung sehenden Auges (zumindest was Bismarck angeht) hingenommenen Erblast für das Deutsche Reich. Die Bezahlung dieser Hypothek trieb dann auch das Deutsche Reich in den Bankrott.

Freundliche Grüße,
Ralf