Hi,
wo sind eigentlich die Milchmänner hin, die morgens immer die frische Milch gebracht haben? Lohnt sich das Geschäft nicht mehr? Gibt es noch irgendwo einen solchen Service?
sentimental,
Klaus
Hi,
wo sind eigentlich die Milchmänner hin, die morgens immer die frische Milch gebracht haben? Lohnt sich das Geschäft nicht mehr? Gibt es noch irgendwo einen solchen Service?
sentimental,
Klaus
Servus Klaus,
die Milchmänner (- Milchleute ??) sind zusammen mit den dezentralen Molkereien verschwunden.
Während der 1960er und in der ersten Hälfte der 1970er Jahre wuchs der Einzugsbereich einer Molkerei von 5-10 auf heute (wenn man die Spezialisierungen der Molkereien mit berücksichtigt) über 100 km.
Der Milchmann gehört als Absatzweg zu einer Molkerei, in der die Milch vor Ort gesammelt, abgerahmt, pasteurisiert und dann auf den Tank gefüllt wird, den er in seinem VW Bulli (oder Borgward oder Ford Transit oder Hanomag) hat: In diesem System kostet das Ausliefern und literweise in Kannen messen zwar Zeit, aber auf der anderen Seite hat die Molkerei eine relativ höhere Marge und weniger Aufwand mit der Weiterleitung ihrer überschüssigen Milch in die zentrale Weiterverarbeitung.
Heute müsste der vergleichsweise hoch spezialisierte Trinkmilchhersteller zusätzlich zu seiner Abfüllanlage (bei der es fast egal ist, ob fünfhundert Liter mehr durchfließen oder nicht, wenn die Anlage mal steht) eine separate Straße zum Betanken der Milchmannautos einrichten, und die Milchmänner müssten stundenlang fahren, um die Milch vom Hersteller zum Konsumenten zu kriegen. Das fällt bei einer größeren Tonnage nicht so ins Gewicht.
Ich meine, in den 1990er Jahren nochmal bei „gehobenen“ Einzelhandelsketten wie Tengelmann Versuche gesehen zu haben, Milch zum „Selbstzapfen“ in sowas wie Fünfziglitertanks hinzustellen. Ist dann aber bald wieder verschwunden.
Ob sich „Milch an die Haustür“ mit niedrigen Löhnen Marke Ich-AG wieder realisieren ließe, wäre ein Rechenexempel. Wieviel mehr dürfte die kosten? Wenn ich großzügig zehn Cent am Liter ansetze und davon ausgehe, dass der Milchmann die Milch am Trinkmilchwerk vielleicht fünf Cent billiger kriegt, als sie den Handel frei Regal kostet, muss der Milchmann, wenn ich überschlägig halbwegs richtig rechne, rund tausend Liter Milch täglich an die Haustüren und Gartenzäune hängen. Wenn er pro Liter ziemlich schnelle zwei Minuten braucht, schafft er das mal grade in einem Arbeitstag - der hat dann, wenn man die Milchfabrik eine Wegstunde weg sein lässt, und noch eine halbe Stunde für die Reinigung seiner Anlage auf dem Auto und Administrativkram ansetzt, immerhin gut zwölf Stunden.
Voraussetzung, der Milchmann findet regelmäßige Abnehmer für seinen Tausendlitertank.
Schöne Grüße
MM
Hallo,
also bei uns gibt es wieder einen entsprechenden Anbieter, der im Nachbarort eine gar nicht so kleine Molkerei nach hohen Standards betreibt und seine Milch an kleine Einzelhändler, und auch direkt an die Verbraucher in der Nachbarschaft liefert (allerdings hochpreisiges Segment)
Mal schauen, ob er sich halten kann. Bislang sieht es ganz gut aus, es gibt ihn sicher schon zwei oder drei Jahre.
Gruß vom Wiz
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Hi,
wo sind eigentlich die Milchmänner hin, die morgens immer die
frische Milch gebracht haben? Lohnt sich das Geschäft nicht
mehr? Gibt es noch irgendwo einen solchen Service?
Von den Preisen, die Du bereit bist zu zahlen, könnte er nicht mehr existieren!
Günstige Milch kostet weniger, als das tägliche Futter für die Kühe.
mfgConrad
Moin Klaus,
auch bei uns in der Nähe gibt es das wieder:
http://www.hemme-milch.de/hemmesp/Home.htm
Da die ja meist wissen, wo sich Konkurrenz befindet, können die Dir vielleicht Adressen in Deiner Nähe nennen.
Viele Grüße
Esta
Hallo Conrad,
darf ich diese These
Günstige Milch kostet weniger, als das tägliche Futter für die
Kühe.
ein wenig relativieren?
Die Gestehungskosten für einen Liter Milch - ohne Berücksichtigung von kalkulatorischen Kosten der Arbeitserledigung und „Unternehmerlohn“ - liegen derzeit in D in einer Spanne von etwa 22 bis etwa 27 Cent. Es gibt sicherlich Betriebe, die noch ein…zwei Cent drunter liegen, und auch genug, die deutlich drüber liegen.
Sehr überschlägig macht dabei bei einer normalen Jahresleistung von etwa 6.200 Liter das Grundfutter etwa 4 Cent und das Leistungsfutter etwa 6 Cent aus - die Fütterung selber entspricht also weniger als der Hälfte der zurechenbaren Kosten.
Das ist übrigens auch das Geheimnis der vielen Betriebe, die noch existieren, obwohl sie keine Preise erzielen, die alle zurechenbaren Kosten der Milchproduktion decken würden: Sie verfrühstücken die Abschreibungen. Was übrigens dann, wenn mit den vorhandenen Gebäuden und Maschinen nicht gut etwas anderes anzufangen ist, auf die kurze und mittlere Sicht durchaus vernünftig sein kann.
Im Süden mit seiner ungünstigen Betriebsgrößenstruktur und relativ hohen Erzeugerpreisen treffen sich Erzeugerpreise und Gestehungskosten derzeit in der Gegend von 25 Cent. Ein Bauer in der Wesermarsch mit einer ordentlichen Größe von vielleicht 120 Milchkühen und einer angemessenen Flächenausstattung würde über einen solchen Erzeugerpreis schon fast jubeln, weil er damit schon einen sichtbaren Gewinn erwirtschaften könnte - er produziert eher für 23 Cent.
In Sachsen und Mecklenburg mit noch größeren Betrieben, weniger teurer Fremdarbeit (von Instandhaltung bis Tierarzt) und vor allem einer vernünftigen Flächenausstattung, die einen hohen Grundfutteranteil erlaubt, kommt man noch deutlich drunter - das hilft aber den Betroffenen relativ wenig, weil die dortigen Molkereien in großem Umfang für Eigenmarken der Discounter produzieren, also von Auszahlungen oberhalb 20 Cent bloß träumen können.
Kurz: Was die Produktion eines Liters Milch per Hofeinfahrt kostet, ist wesentlich von der Größe des Bestandes und von der Flächenausstattung abhängig. Es klingt ein wenig zynisch, aber die Konkurrenzfähigkeit einer relativ kleinen Zahl schlagkräftiger Betriebe würde wesentlich gefördert, wenn sich mehr Milchbauern aus der Landwirtschaft abmelden würden. Das ist allerdings viel leichter dahingesagt als getan, weil es selbst für einen Bauern, der bereit ist, sich vom Stolz der letzten vier bis zehn Generationen zu verabschieden, kaum alternative Beschäftigungsmöglichkeiten gibt.
Schöne Grüße
MM
Servus Esta,
man sieht bei Hemme ein Beispiel für eine konkurrenzfähige Betriebsgröße. Der Milchviehbestand liegt beim Vierfachen eines „normalen“ süddeutschen Betriebes und beim Doppelten eines „normalen“ niedersächsischen Betriebes. Die Flächenausstattung ist mit 0,8 ha / Milchkuh annähernd ideal, so dass der Betrieb mit sehr wenig Zukauf von Leistungsfutter arbeiten kann.
Man muss bei der Betrachtung eines solchen Beispiels allerdings berücksichtigen, dass in der öffentlichen Diskussion ein solcher Betrieb gerne mal mit dem diffusen Begriff der „Agrarfabrik“ bezeichnet wird. Wenn von „bäuerlicher Landwirtschaft“ die Rede ist (was immer das auch sein mag), sind Betriebe mit einem Bruchteil dieser Größe gemeint, deren Flächenausstattung oft genug so schlecht ist, dass die Kühe am La Plata weiden müssen.
Schöne Grüße
MM
Hallo, das wohl wichtigste ist nicht zur Sprache gekommen: Es gab bei den Milchmännern und auch in den speziellen Milchgeschäften nämlich nicht pasteurisierte und nicht entrahmte Milch. Das ist jedenfalls für mich der KasusKnacktuss. Ein dreifach Hoch den Hygienegesetzen. Ich jedenfalls hab das Glück auf dem lande zu wohnen und mir in der Gegend gelegentlich direkt beim Bauern die Frischmilch aus dem Tank zu zapfen. Gruß, Onno
Moin Onno,
gestattest Du hier eine Widerrede?
Seit spätestens Februar 1951 gabs auch beim Milchmann bloß pasteurisierte Milch. Wie das in der Zeit zwischen dem Vorgängergesetz von 1930 und 1951 war, weiß ich nicht zu sagen.
Man muss hier unterscheiden zwischen dem technisch sehr einfachen Verfahren der Pasteurisierung, das in jeder noch so kleinen Dorfmolkerei vor der Abgabe der Milch durchgeführt wurde, und weiteren Verarbeitungsschritten wie Rahmhomogenisierung etc.
Der Kochgeschmack, der nicht jedermanns Sache ist, tritt beim Pasteurisieren nicht auf.
Ökologisch hinterlassen viele Rohmilch- und Vorzugsmilchherkünfte wegen des hohen Einsatzes von Detergenzien und Desinfektionsmitteln durchaus sichtbare Fußstapfen.
Ich weiß, wovon Du sprichst, und ich erinnere mich mit einiger Lust an Biestmilchpfannekuchen (ohne Eier - Biestmilch kann man direkt so in die Pfanne „hauen“). Getrunken hab ich Milch mit Fettgehalt von der Kuh - etwa 4,2 % - ganz und gar ungern, umso lieber für Sonntagskuchenzwecke handgebuttert.
Ich weiß aber auch, dass es mich nicht geben würde, wenn mein Vater nicht 1947 dadurch eine TBC-Infektion überlebt hätte, dass seine damalige Verlobte mit verbissenem Einsatz dafür gekämpft hat, dass er an einer Versuchsreihe für die damals sehr frische Streptomycin-Therapie teilnehmen konnte.
Ich selber bin bei allen TBC-Reihenuntersuchungen (zuletzt in den 1980er Jahren an der Uni) rausgewunken worden, die Einschläge liegen sozusagen dicht neben mir.
Was das wert ist, kann man meines Erachtens im heute TBC-freien Deutschland nicht ohne weiteres schätzen.
Bei aller sinnlichen Lust an einfachen, guten, bodenständigen Nahrungsmitteln - die eher vernunftgeprägte Freude am Überlebthaben überwiegt.
In diesem Sinne:
Vivat, vivat, vivat Louis Pasteur!
MM
Hi Klaus
in und um Giessen gibt es auch wieder einen Milchmann.
Ich hatte diesen Service einige Zeit genutzt, aber habe gemerkt, dass mein Milchkonsum einfach zu sehr variiert.
Wenn ich aber mal mit Kind und Kegel „sesshaft“ geworden bin, würde ich mich bestimmt über einen Milchmann in der Gegend freuen…
hier noch ein Zeitungsartikel aus dem Giessener Anzeiger:
http://www.giessener-anzeiger.de/sixcms/detail.php?i…
grüßle
no
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