Fritzl und unsere Moral

Hallo!

Was mich ins Philosophie-Brett treibt … keine Ahnung, aber ich habe keinen besseren Ort gefunden.

Durch Zufall stieß ich auf die Meinungsbeiträge, die auf der Internetseite von Web.de zum Urteil für Josef Fritzl stehen. Ein Ausflug dorthin lohnt sich!

http://meinungen.web.de/forum-webde/post/4920791?sp=42

Da wird ganz unverblümt die Todesstrafe für diesen Menschen … nein, sorry, dass wäre meine Wortwahl … die Todesstrafe für „dieses Monster, diesen Unmenschen, diesen Abschaum, diese Drecksau“ gefordert - und jedem halbwegs gebildeten Menschen muss es kalt den Rücken runter laufen.

Die Mehrheit unserer Bevölkerung hat anscheinend ein Rechtsempfinden, das ziemlich weit von dem einer intellektuellen Minderheit entfernt ist.

Mir fällt es jetzt schwer, eine Frage dazu zu formulieren, aber ich würde gerne ein paar Meinungen dazu hören.

Eine Frage ginge zum Beispiel in dieser Richtung: In der Demokratie gilt das Mehrheitsprinzip. Aber was fange ich mit einer Bevölkerung an, die mehrheitlich nicht versteht, was mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde gemeint ist - was ja dem Grundgesetz zufolge der Ausgangspunkt der Bundesrepublik ist? Früher gab es nicht nur in rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Fragen eine Autorität, sondern auch in moralischen Fragen: Das war die Kirche. Kann man an die Stelle einer moralischen Autorität das Mehrheitsprinzip setzen? Und wenn nein: Wer kann dann die Rolle der moralischen Autorität übernehmen?

(Das ist aber nur ein Aspekt. Ihr dürft Euch gerne auch noch zu anderen Gesichtspunkten im Zusammenhang Fritzl/Todesstrafe/Rechtsempfinden… äußern). Ich bin gespannt!

Michael

Nachtrag…
Wald vor lauter Bäumen…

Eine weitere zentrale Frage ist natürlich: Ist Lebenslang eine gerechte Strafe für Fritzls Tat? Wenn nein, wie sollte sie dann aussehen?

Hallo Michael!

Die Mehrheit unserer Bevölkerung hat anscheinend ein
Rechtsempfinden, das ziemlich weit von dem einer
intellektuellen Minderheit entfernt ist.

Mir erschließt sich nicht ganz, wie Du auf diese Behauptung kommst.

Eine Frage ginge zum Beispiel in dieser Richtung: In der
Demokratie gilt das Mehrheitsprinzip.

Das ist doch viel „einfacher“: Kann ein Volk demokratisch beschließen, nicht mehr demokratisch zu regieren? Ich befürchte ja. Und genau deshalb wurde eine Verfassung mit unverletzlichen Rechten und einem ausgefeilten Kontroll- und Korrekturmechanismus u.a. durch die Unabhängigkeit der drei Gewalten geschaffen. Sie kann sicher nicht verhindern, dass ein Volk einen Verführer wählt. Sie kann es aber erschweren. (Du erinnerst Dich, dass Weimar auch eine Form der Demokratie war?)

Aber was fange ich mit
einer Bevölkerung an, die mehrheitlich nicht versteht, was mit
der Unantastbarkeit der Menschenwürde gemeint ist - was ja dem
Grundgesetz zufolge der Ausgangspunkt der Bundesrepublik ist?

Wie oben bereits angedeutet, bin ich deutlich optimistischer mit den Deutschen. Ich glaube nicht daran, dass es eine Mehrheit gibt, die die Grundlage der Verfassung unseres Staates anzweifelt. Ich halte die Meinungsäußerungen im Internet aus div. Gründen nicht für repräsentativ und verallgemeinerungsfähig.

Grüße
Jürgen

Hallo Michael,

Die Mehrheit unserer Bevölkerung hat anscheinend ein
Rechtsempfinden, das ziemlich weit von dem einer
intellektuellen Minderheit entfernt ist.

wie kommst Du darauf?
Zum einen muß man natürlich unterscheiden zwischen einer langfristigen Meinung und einer Äußerung, die im Zusatand emotionaler Erregung stattfindet.

Ich hab nun keine Quelle mehr und weiß nicht, wo ich es gelesn habe, es war aber etwas seriöses.
Dort stand, daß über 80 % der deutschen Bevölkerung gegen die Todesstrafe war, wenn man die Menschen zu emotional neutralen Zeiten frug. Das änderte sich schlagartig, wenn Vorkommnisse wie Fritzl & Co stattfanden, ebte aber fast genauso schnell wieder ab.
Eine deutliche Mehrheit für die Todesstrafe gabs aber nie.

Gandalf

Hallo!

Gottseidank! Ich meinte auch nicht explizit die Einstellung zur Todesstrafe, sondern vielmehr die moralische Basis, auf der ein Mensch sich entscheidet, ob er für oder gegen die Todesstrafe, für oder gegen Abtreibung, für oder gegen Abschiebung von Asylanten, für oder gegen … irgenwas ist.

Gruß, Michael

Hallo,

wahrscheinlich sind die heftigen Äußerungen eher spontane Äußerungen empörter Leute? Über deren Bildungsstand kann ich nichts sagen.

Menschen, die sich erheben, über andere Menschen zu bestimmen, sie jahrzehntelang in menschen-unwürdigsten Bedingungen zu halten, mit dem Ziel, ihnen Gewalt anzutun… nun, bei solchen Menschen ergibt sich (immer wieder) die Frage, ob denn sie die moralischen Maßstäbe/ Rechte in Anspruch nehmen dürfen, die sie selbst mit Füßen treten?!

Täter sind Täter, und sie sollten nicht zu Opfern gemacht werden.
Dieser Mann ist kein Opfer - auch keines einer vermeintlich ungebildeten Masse, die ihm die Pest oder sogar den Tod wünscht.

Was wünscht du ihm? Licht und Liebe?

Gruß - iceage

Ihr dürft Euch gerne auch noch zu anderen Gesichtspunkten im Zusammenhang Fritzl/Todesstrafe/Rechtsempfinden… äußern).

Das ist wirklich großzügug von Dir!

Uli

Ihr dürft Euch gerne auch noch zu anderen Gesichtspunkten im
Zusammenhang Fritzl/Todesstrafe/Rechtsempfinden… äußern).

Das ist wirklich großzügug von Dir!

Ach je, warum muss auch immer alles missverstanden werden?

„Ich lese Eure Antworten mit großem Interesse - auch wenn sich nicht direkt mit der Fragestellung zu tun haben.“

Ist’s so besser?

Michael

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Eine weitere zentrale Frage ist natürlich: Ist Lebenslang eine
gerechte Strafe für Fritzls Tat? Wenn nein, wie sollte sie
dann aussehen?

Hallo, Michael,
angesichts des hohen Alters von F. dürfte sich das auf biologischem Weg erledigen.
Das Strafgesetz sieht für diese Taten lebenslange Freiheitsstrafe, ggf. ergänzt durch anschließende Sicherheitsverwahrung vor, da eine Resozialisierung in diesem Fall unwahrscheinlich sein dürfte.

Der Gerechtigkeit ist damit Genüge getan.

Eine andere Sache ist da das Lechzen der „Volksseele“ nach Rache. Wobei jedoch zu bedenken ist, dass keine Rache je den Zustand quo ante wiederherstellen kann. Was geschehen ist, kann nicht wieder gut gemacht werden und das dürfte wohl die schlimmste Strafe für den Täter sein, wenn er nur einen Funken Gewissen hat.

Gruß
Eckard

1 Like

Hallo,
vollkommene Gerechtigkeit gibt es eben oft nicht.

Gruß
Werner

Bären und Löwen
‚‚Fritzl‘‘ … da hab’ ich grad’ drauf gewartet, daß hier der ‚Chor der Blöden‘ [Zit.:Westernhagen] seine ‚Erschütterung‘ (über das Wesen des Manschen an sich?) ausläßt.

Auch Bären- und Löwenväter fressen ihre eigenee Brut.
*Schock*
Und auch wir sind letzlich Tiere, Affen bzw deren Nachkommen und der Neanderthaler in uns ist zu - geschätzt - 90% immer noch präsent.

Vor diesem Hintergrund ist die Frage nicht nach der ‚richtigen‘ Strafe, sondern nach dem Umgang mit den dunklen Seiten in jedem von uns (zB unserem Verhalten in Extremsituationen … Man sagt ja auch: gib einem Menschen ein bißchen Macht und Du siehst, wer bzw wie er ‚wirklich‘ ist … oder ‚‚In der Not zeigt sich, wer die wahren Freunde sind‘‘ und ähnliche Sprüche, die unsere Rolle im Alltag drastisch relativieren.

Es geht hier nicht um Fritzl, sondern darum, wie die Gesellschaft mit den ‚dunklen Seiten in jedem von uns‘ - die jederzeit in Extremsituationen zutage treten können - umgeht.

Im Prinzip stimme ich Dir zu. Wenn dieses Monster Mumm hat, erkennt er seine Schuld und zieht welche Konsequenzen auch immer.

Aber es als Einzelfall mißzuverstehen, der mit gebührender Strafe aus der Welt geschafft werden kann, verkennt unsere gesellschaftliche Realität.

Disziplin, brauchbare Erziehung, halten diese, unsere bestialische Seite im Zaum.
Unsere Natur als Tier zu begreifen bzw unser tierisches Erbe zu erkennen und dagegen wissentlich anzugehen erst macht uns zu zivilisierten Organismen.

Dann … ''Todesstrafe.
Als moralischer ‚Jüngling‘ war ich natürlich dagegen.
Als Erwachsener bin ich gegen gesetzliche Todesstrafe.
Kein Staat kann sich dieses Recht anmaßen, letztlich.
Aber ich bin dafür, Rache von Angehörigen für solche bestialischen Taten - sofern alles von den Medien richtig überliefert wurde und die Beweislage eindeutig und unzweifelhaft ist- straffrei oder als Tat im Affekt gelinde zu bestrafen, ausgehen zu lassen.

Mit Demokratie hat das nichts zu tun.
Auch Demokratie hat vielerlei Grenzen.

bestialischer als Tiere?
Und, daß wir Menschen bestialischer zuwerke gehen, als irgendein Tier ist ja wohl bekannt, oder?
Also: Bitte nicht 'rumwundern, sondern begreifen!

Mehrheit und Bildzeitung.

Die Mehrheit unserer Bevölkerung hat anscheinend ein
Rechtsempfinden, das ziemlich weit von dem einer
intellektuellen Minderheit entfernt ist.

Mir erschließt sich nicht ganz, wie Du auf diese Behauptung kommst.

Doch! Mir wohl. Die Mehrheit Deiner Bevölkerung bezieht ihre ‚Meinung‘ aus der Bildzeitung.
Und das ist nicht nur ‚fern einer intellektuellen Minderheit‘. Es ist
auch kriminell.
So seh’ ich das.

Daß Du das nicht siehst, erschüttert mich erneut.
Glaubst Du denn, Du kannst von Dir auf die Mehrheit schließen?

Hallo,
ich kann deine Argumentation verstehen. Und im Gegensatz zu viele andere Menschen, spreche ich Menschen die aus niedrige Beweggruende einem Mitmenschen sein Leben nimmt so zu sagen bei weiter lebendem Leibe, so einen Menschen spreche ich das Recht auf ein Weiterleben ab. Nicht mal aus Rache, sondern als sicheren Schutz. Denn wenn ein Mensch seine dunklen Seite aus Egoismus ( Lustgewinn) nicht behersschen will/kann, so gleicht er einem tollwuetigen Tier. Das laesst man auch nicht am Leben.
Gruss Ge-es