Frivolous lawsuit - leichtfertige Klage

Hallo,

ich weiß nicht, ob ein „frivolous lawsuit“ tatsächlich im Deutschen als „leichtfertig“ bezeichnet wird. Meine Frage richtet sich auch darauf, ob es ein vergleichbares Konzept im deutschen Recht gibt.
Hier ist das amerikanische Konzept für Laien verständlich erklärt: https://www.legalmatch.com/law-library/article/what-is-a-frivolous-lawsuit.html

Konkret (nicht im Sinne der hier verbotenen Rechtsberatung, sondern ich stelle einen öffentlichen Fall zur Diskussion) geht es um Fridi Miller. Diese Dame tritt bei unzähligen Oberbürgermeisterwahlen (hauptsächlich im Südwesten Deutschlands) an, um dann den ganzen Prozess ad absurdum zu führen.

Sie hat die OB-Wahl in Sindelfingen verloren und danach Klage gegen die Rechtmäßigkeit der Wahl eingereicht. Seit Mai 2017 hat sie somit die Amtseinführung des gewählten Oberbürgermeister dort verhindert. Nun spielt sie das gleiche Spiel in Weinheim an der Bergstraße: der OB wurde mit fast 70% gewählt (übrigens nicht von mir, aber das ist ja egal), ein tolles Ergebnis für einen neuen Kandidaten, Frau Miller erhielt unter 1%. Sie ficht nun die Wahl an. Der bisherige OB geht in Rente, steht nicht zur Amtsverwesung zur Verfügung. Der neugewählte OB steht nicht zur Amtsverwesung zur Verfügung (Hauptgrund betrifft sein OB-Amt, was wer bislang innehatte und natürlich noch hat). Der technische Bürgermeister wird die Geschäftsführung übernehmen, aber natürlich ist die Politik in der Stadt erstmal lahmgelegt, das kann bis zu zwei Jahre dauern.

Frau Miller (kann man ergoogeln) ist gerichtlich bekannt, durch andere Wahlanfechtungen, durch verschiedene Privatklagen, durch Beleidigungsklagen (gegen sie), wobei ihr „Schuldunfähigkeit“ wegen „psychischer Störungen“ bestätigt wurden. Eine Schwarzwaldgemeinde hat gerade ihre Kandidatur verhindert, weil sie keine 50 Unterstützerunterschriften zusammenbekommen hat. Allerdings finden sich wahrscheinlich jeder Stadt mit mehreren zehntausend Einwohner 50 Idioten oder einfach Unwissende, die ihr eine Kandidatur ermöglichen.

Gibt es im deutschen System wirklich keine Möglichkeit diese Frau zu stoppen? Sie legt Gemeinderäte lahm, bindet Kräfte an Gericht, kostet den Staat ein Vermögen.

Anmerkung: Ich finde es gut, dass es bei uns jedem möglich ist, eine Wahl anzufechten. Ich finde es gut, dass man nicht jede unangepasste Person wegsperrt. Aber ich finde dennoch, dass es hier eine Möglichkeit geben müsste, solche Gerichtsprozesse, die nur dazugedacht sind, funktionierende Verwaltung und Politik zu verhindern, zumindest zu verkürzen, wenn nicht gar zu verhindern.

Grüße
Siboniwe

Es gibt im deutschen Recht den Rechtsmissbrauch.

Hallo,

dann wäre meine nächste Frage - warum wird das hier nicht angewendet? Das ist , zumindest an dich, eine mehr oder weniger rhetorische Frage. Aber wenn jemand diese Vorgänge um diese Frau irgendwie erhellen könnte, wäre ich dankbar.

Grüße
Siboniwe

Ich nehme an, jede denkbare Lex Miller, würde einfach das Recht an und für sich für zu viele andere Leute langfristig negativ beeinflussen, insofern kann man da nicht mal eben einen Riegel vorschieben. Geht hier ja auch um eine Frage des öffentlichen Rechtes - bei anderen Themen wäre man da sicher auch leichtfertiger. Die einzige für mich da relevante Frage wäre erst einmal, wieso Öeute, die eben „schuldunfähig“ sind, davon nicht vielleicht ausgeschlossen werden könnten.

Hallo,

weil auch der „Rechtsmißbrauch“ erst gerichtlich festgestellt werden muß.

Diese Vorschrift dient nicht der schnellen Abweisung von Klagen, sondern der nachträglichen Geltendmachung von evtl. Ersatzansprüchen.

Ich habe diese unsägliche Dame auch schon erlebt, bin aber der Meinung, daß eine Demokratie sowas im Zweifelsfall aushalten muß.
Die Kommune ist auch nicht „lahmgelegt“, der Gemeinderat ist weiterhin voll handlungsfähig. Lediglich der Amtsverweser hat einige Einschränkungen in seiner Amtsführung. So hat er zB in Ba-Wü kein eigenständiges Stimmrecht im Gemeinderat.

&Tschüß
Wolfgang

Hallo Wolfgang,

was du schreibst, stimmt. Danke für die Aufklärung bezüglich des Rechtsmissbrauchs.
Mir ist schon klar, dass das nicht benutzt werden kann (und auch nicht soll!) , um Klagen im Vorfeld abzuweisen. Allerdings - da die Frau das ja schon mehrmals gemacht und auch Pläne hat, das weiterzumachen - frage ich mich, ob nicht eine Gemeinde klagen sollte, um eventuell damit zu verhindern, dass sie das immer wieder macht. Fraglich ist natürlich, welche Gemeinde das auf sich nehmen würde.

Was du über die Handlungsfähigkeit schreibst, ist den Fakten nach richtig. Allerdings ist der Amtsverweser immer nur ein Verwalter. In der Stadt Weinheim stehen etliche Themen an, die aktiv angegangen werden müssen (nur ein Beispiel: es geht um die Erschließung eines neues Gewerbegebiets, mit Gegnern und Befürwortern etwa hälftig auf den Gemeinderat und auf die Bürgerschaft verteilt). Ein Verweser (und in diesem Fall wird eben nicht der gewählte Kandidat Verweser, sondern der 1. Bürgermeister, eine nichtgewählte Position) ist nicht der Lage, der Gemeindepolitik neue Impulse zu geben und Themen zu beeinflussen und zur Entscheidung zu drängen. Für den notorisch als zerstritten und unkooperativ verschrieene Gemeinderat ist hier aber eine Chance endlich mal zu beweisen, dass man konstruktiv arbeiten kann.

Die zweite Gemeinde, dort wo der gewählte Kandidat bis jetzt Oberbürgermeister ist, ist ähnlich betroffen. Anstatt sich zur eigenen Wahl zu rüsten, hat man einen OB, dem Mißtrauen und mangelnde Kooperation entgegengebracht werden wird, weil man weiß, dass er auf Abruf steht und sich eigentlich schon innerlich verabschiedet hat, während man der Ortschaft die Chance auf einen Neuanfang verweigert. – Aber natürlich, das sind spezifische Sachlagen, die so oder so in vielen Verwaltungen zu finden sein werden.

Wichtig finde ich, dass dieses Demokratieverständnis (dass Demokratie das aushalten muss), den Bürgern auch entsprechend vermittelt wird. Wenn das nicht der Fall ist, steigt die Politikverdrossenheit.

Im Falle von Weinheim wurde lokal über die niedrige Wahlbeteiligung gejammert (etwa 50%). Kein tolles Ergebnis, stimmt, allerdings: eine kurze Recherche zeigt, dass die Stadt damit nicht aus dem Rahmen der Wahlbeteiligungen bei OB-Wahlen in anderen Gemeinden herausfällt. Ein Jammern finde ich also nicht angebracht, aber auch keine Gleichgültigkeit oder gar Wohlgefälligkeit mit der existierenden Situation.

Jedenfalls danke für deinen Input. Es hilft, die eigenen Gedanken zu sortieren und zu prüfen.

Grüße
Siboniwe

Hallo,

auch für deine Gedanken ein Dankeschön.

Ich habe oben schon angesprochen, dass ich es eigentlich für gut halte, dass nicht jeder unangepasste Mensch eingesperrt gehört (logischerweise gibt es diese Stammtischniveauforderungen zur Zeit). Denoch ist deine Überlegung durchaus berechtigt. Die Schuldunfähigkeit (wegen Wahnvorstellungen) wurde ihr im Zusammenhang mit Richterbeleidigung attestiert: https://www.schwaebische.de/landkreis/ostalbkreis/ellwangen_artikel,-fridi-miller-wegen-schuldunfähigkeit-freigesprochen-_arid,10831644.html

Eine andere Möglichkeit wäre eventuell die Anzahl der nötigen Unterstützerstimmen (derzeit 50) zu erhöhen. Aber wo sich 50 finden lassen, lassen sich sicher auch 100 finden und es gibt einen Grund, warum die Zahl tief angesetzt wurde.

Es bleibt die Frustration, aber wie Albarracin schreibt: die Demokratie muss das aushalten können (wie auch manches andere).

Grüße
Siboniwe

PS: Bis jetzt war ich davon ausgegangen, dass die Frau 1 Mio. bei dem Fernsehquiz gewonnen hat (ich sah nur „Gewinnerin bei Wer-wird-Millionär“ und habe das nicht weiterhinterfragt). Da ich jetzt sehe, dass sie nur 32.000 Euro gewonnen hat und ihre Eskapaden ja doch Geld kosten, hoffe ich einfach mal, dass ihr bald das Geld für ihr Hobby ausgeht.

Es gibt durchaus Möglichkeiten. Diese sind aber sehr begrenzt und aus gutem Grund an hohe Hürden gekoppelt. Denn unsere Geschichte zeigt die Gefahren einer vorschnellen „Psychiatrisierung“ von Menschen, die in der Obrigkeit missliebiger Art und Weise Klage erheben.

Wenn hier - ich habe das nicht nachgelesen - offenbar schon eine Schuldunfähigkeit im strafrechtlichen Sinne im Raume steht, dann ist der Weg nicht mehr gar so weit, auch im zivilrechtlichen Sinne über 51, 52, 56 ZPO und im verwaltungsgerichtlichen Sinne über 62 VWGO dahin zu kommen, jemandem die Partei- bzw. Prozessfähigkeit abzusprechen. Hierbei kann auch das Betreuungsrecht hilfreich sein. Gelegentlich wird auch versucht über die Feststellung der Unzulässigkeit einer Klage zur Verweigerung eines gerichtlichen Verfahrens zu kommen. Eine weitere Möglichkeit ist eine Entscheidung im Wege eines Gerichtsbescheids (84 VWGO), über den man bei offensichtlich unbegründeten Anträgen das Gericht zumindest von einem aufwändigeren Verfahren entlasten kann, indem man nur einen kurzen schriftlichen Bescheid formuliert, aus welchen Gründen das Gericht die Sache als hinreichend aufgeklärt und (negativ) entscheidungsreif betrachtet.

Hat ein Gericht ausreichend häufig von entsprechenden Maßnahmen Gebrauch gemacht, und waren auch Rechtsmittel hiergegen nicht erfolgreich, kann ein Gericht durchaus auch mitteilen, dass es sich mit weiteren ähnlich gelagerten Dingen nicht mehr beschäftigen wird.

In deinem Fall hat die Sache allerdings wohl den Haken, dass die Dame „Wanderarbeiterin“ ist, und es somit wohl noch nicht zu einer entsprechenden Verfahrenshäufung vor einem einzelnen Gericht gekommen ist. Aber der Weg über das Betreuungsrecht würde natürlich ggf. auch in diesem Fall hilfreich sein können. Dann könnte sie selbst eben keine Klagen mehr betreiben, sondern nur noch der Betreuer (der sich dem dann verweigern wird).

Gar nicht so einfach wäre hingegen die Wählbarkeit an sich bereits auszuschließen. Das würde nur bei einer Betreuung „für alle Aufgabenkreise“ möglich sein, die eher selten, und hier wohl kaum in Frage käme. Strafrechtlich ist die Dame ja bislang nicht einschlägig in Erscheinung getreten.

Hallo,

die Baden-Württembergische Gemeindeordnung gibt dem GR alle Möglichkeiten in die Hand, seinen Aufgaben auch unter einem Amtsverweser nachzukommen.
Wenn der GR diese Möglichkeiten aber nicht nutzt (ich kenne ein ehemaliges Weinheimer GR-Mitglied), dann ist das seine eigene Schuld und nicht die Schuld der GemO oder von Frau Miller.
Und wenn das Wahlvolk dann immer wieder dieselben Prozesshansel, Streithähne, Selbstdarsteller und Maulhelden wählt, dann ist es auch Schuld des Wahlvolkes.

&Tschüß
Wolfgang

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Ich hab kein Problem mit deiner Aussage über den Weinheimer GR. :frowning:
Aber - das hat nun nichts mehr mit meiner Frage zu tun - du musst doch zugegeben, dass ein OB etwas mehr ist (oder mehr sein sollte) als nur ein Verwalter, sondern im besten Falle ein Visionär, der einer Stadt Impulse gibt, die auch über seine Amtszeit hinaus wirken. Und das kann ein Verweser nicht, wenn er sein Amt ehrlich versieht (bzw. man würde ihn auch nicht lassen).
Im konkreten Fall: die Entscheidung für oder gegen ein neues Gewerbegebiet kann nicht auf die allzulange Bank geschoben werden, da die interessierten Firmen sich bei zu langer Entscheidungsfindung andere Standorte wählen werden, d.h. eine Nicht-Entscheidung ist eine Entscheidung für diejenigen, die sich dagegen aussprechen (mir geht es nicht darum, ob jemand dafür oder dagegen ist, sondern dass Entscheidungsmangel nicht neutral ist, sondern eine Seite bevorzugt). Aber wie gesagt, das hat mit der ursprünglichen Fragen nur bedingt zu tun.

Dennoch ist die Causa Miller etwas, was ich nicht einfach mit „muss ausgehalten werden“ abtun möchte. Meine Probleme damit (z.B. Politikverdrossenheit) habe ich aufgezeigt, die ganzen unsäglichen Stammtischparolen, die im Zusammenhang gegen die Frau aufkommen, ist auch etwas, auf dass ich verzichten könnte. Und es ist ja auch eine Geldfrage und eine Frage der Bindung von Resourcen. Wie viele Juristen beschäftigen sich jetzt ein Jahr lang mit einer Sache, die offensichtlch nur mit der Absicht angestrengt wurde, Schwierigkeiten zu bereiten?

Wiz hat da einige andere Möglichkeiten aufgezeigt, die zumindest mir „food for thought“ geben. Ob die Verantwortlichen die Sache einfach aussitzen werden (es gibt einige Gründe, warum man denken könnte, dass das für sie persönlich nicht die schlechteste Idee wäre) oder ob jemand dagegen angeht (auch zum SChutz von anderen Gemeinden) - wird die Zeit zeigen.

Grüße
Siboniwe

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