Frühneuhochdeutsch: beschwaerl

Hallo!

Willi Winker zitiert in seinem Buch „Luther. Ein deutscher Rebell“ das Protokoll des Reichstags zu Worms wie folgt:

„Es sey dann das ich durch gezeugnus der geschrifft oder aber durch schynlich vrsach (dann ich glaub weder dem Bapst / noch dem Concilio allein / wyl es am tag ligt / das die selben zů mermalen geirret vnd wider sich selbs geredt haben) überwunden würd. Ich bin überwunden durch schrifft / so von mir gefürt vnnd gefangen im gewissen / in dem wort gottes / derhalben ich nit mag noch will widerrůffen / dwyl wider gewissen beschwaerl ich zů handeln vnheilsam vnnd vnfridlich ist.“

Den Kampf gegen die automatische Fehlerkorrektur beim Abtippen habe ich hoffentlich gewonnen.

Ich als absoluter Laie würde den Text grundsätzlich so übersetzen:

„Es sei denn, dass ich durch das Zeugnis der Schrift oder durch einleuchtende Gründe (denn ich glaube weder dem Papst noch dem Konzil allein, weil es offensichtlich ist, dass dieselben sich mehrmals geirrt und wider sich selbst gesprochen haben) überwunden werde, bin ich überwunden durch die Schrift, wie ich sie angeführt habe, gefangen in meinem Gewissen und Gottes Wort. Deshalb will und werde ich nicht widerrufen, weil wider das Gewissen [???] zu handeln unheilsam und unfriedlich ist.“

Mir ist klar, dass man das an einigen Stellen auch anders machen könnte (zum Beispiel Konzil im Plural oder „selbst widersprochen“ statt „wider sich selbst gesprochen“) und würde mich über Verbesserungsvorschläge freuen.

Vor allem aber habe ich eine Frage: Was zum Teufel soll „beschwaerl“ heißen?

Vielen Dank,
Irbis

Da steht beschwaerlich. Zu beschwerlichGDW

Gruß
Metapher

Hallo,
ich vermute einen Fehler des Setzers - statt „beschwaerl ich“ „beschwaerlich“, nhd „beschwerlich“. In Deiner Übertragung fehlt ja auch das „ich“, das an dieser Stelle auch keinen Sinn macht. Statt einfach „wider das Gewissen zu handeln“ also „wider das Gewissen beschwerlich zu handeln“ bzw. „beschwerlich wider das Gewissen zu handeln“. Die Schreibweise „beschwärlich“ (vergl. auch nhd „Schwere“ / mhd „swaere“) ist durchaus nicht unüblich und findet sich noch in Druckwerken des 18. Jahrhunderts sehr häufig.

Freundliche Grüße,
Ralf

ups - da war Metapher schneller …

Hallo ihr beiden!

Na, darauf hätte ich selbst kommen müssen. Das scheinbar überflüssige „ich“ hatte ich als sprachhistorisches Geheimnis beiseitegelegt, und da ich so viel Sorgfalt auf das Abtippen verwendet hatte, fühlte ich mich sicher in dem Gefühl, dass alles stimmt. Auf die Idee, dass ich einen Fehler korrekt abgeschrieben hatte, bin ich nicht gekommen. Es bedurfte eines schlampig arbeitenden Setzers und meiner Beschränktheit, um Verwirrung zu stiften, und eurer Hilfe, um den Knoten in meinem Kopf zu zerschlagen. Dafür danke ich recht herzlich!

Beste Grüße,
Irbis

Ergänzungsfrage:

Ich habe „mag“ mit „will“ und „will“ mit „werde“ übersetzt. Ist das so richtig?

Moin,

[ot] mir scheint, diese Schreibweise werden wir bald wieder im Duden sehen. Horch mal drauf, wie die jungen Leute sprechen! Die „schwären Zeiten“ haben es bereits in die Tagesschau geschafft,

Gruß
Ralf