Für Buchprojekt (Psychothriller): Schizophrenie oder mutiple Persönlichkeitsstörung?

Mein Protagonist bringt immer wieder im Zustand geistiger Umnachtung (Wut, Kontrollverlust) Menschen um, u.a.  seine Frau und deren Affäre. Er selbst kann sich an diese Taten nicht erinnern. Es ist, wenn es passiert, eine vollkommen Person, die diese Taten vollzieht.

Wie ist dies psychologisch / fachmännisch  in etwa definier - und erklärbar?

Eine weitere Frage, um authentisch zu bleiben: Ist es möglich, dass bei einer mutiplen Persönlichkeitsstörung der oder die Charaktere miteinander kumunizieren? Sprich: Kann die andere Persönlichkeit der wahren Person beispielsweise von den Taten berichten?

Ich bedanke mich für die Hilfe.

Hallo!
Multiple Persönlichkeitsstörung passt schon ganz gut. Schau mal in den klassifikationen icd10 und DSM IV nach. Auf dimdi.de kann man das gut nachlesen. Ich glaube F44.8 ist das was du meinst. Lies ein bisschen bei F44 nach, da steht das Wichtigste dabei. 
Das Auftreten von multiple Persönlichkeiten ist extrem selten und es handelt sich dabei um eine ganz massiv ausgeprägte dissoziative Störung, meist beruhend auf schweren Traumata in der Kindheit. Durch diverse Filme und Bücher hat man den Eindruck, dass diese Störung oft auftritt, das ist aber tatsächlich nicht so. Dass die verschiedenen Persönlichkeiten miteinander kommunizieren können halte ich für sehr unwahrscheinlich. Eher wahrscheinlich ist, dass dem Betroffenen in wirren Erinnerungsfetzen klar wird was passiert ist. Möglich ist, dass er die eigenen Handlungen als Taten einer anderen Person wahrnimmt.
Alles Gute für deinen Roman!

Hallo Unserwort,

bei einer multiplen Persönlichkeitsstörung spaltet sich die Persönlichkeit, da die erlebte Wirklichkeit für denjenigen unerträglich ist. Dieser Mensch erträgt also die Wirklichkeit nur, wenn er sich in einem Teil seiner Personlichkeit befindet und einen anderen Teil aussen vor lässt. Ich will das mal vereinfacht ausdrücken: Wenn jemand z.B. als Kind immer wieder vergewaltigt oder auf andere Art und Weise misshandelt wurde und Schmerz, Angst und Machtlosigkeit bis zum Nicht-mehr-Aushalten erlebt hat, kann er geistig - anstatt ohnmächtig zu werden -, in eine andere Persönlichkeit schlüpfen. (Wichtig: auch kleine Jungen werden vergewaltigt) Er wünscht sich vielleicht er wäre Tarzan und würde keinen Schmerz spüren. Dann stellt er sich vor, er wäre Tarzan und er merkt, dass die Schmerzen, die ihm zugefügt werden, dann besser auszuhalten sind. Dann benutzt er diese Hilfe immer mehr, stellt sich also in immer mehr Situationen mal eben vor, er wäre Tarzan, geht in die Tarzan-Rolle. Schliesslich existieren beide Rollen nebeneinander: das brave Kind, das seinen Eltern gehorcht und Tarzan, der keinen Schmerz und keine Angst kennt. 

Wenn man solchen Menschen therapeutisch helfen möchte, kann man sie die beiden Persönlichkeiten mit einander kommunizieren lassen, einfach, um die Seele wieder zu einer Seele zusammenschmelzen zu lassen. Dadurch soll der Patient dann den Schrecken und die Machtlosigkeit vor den Rollen verlieren und Verständnis für beide Gefühlszustände finden, bis er versteht, dass beide nur zwei Seiten einer Münze sind. Wir sagen ja auch manchmal zu uns selbst „Komm, jetzt reiss Dich am Riemen und erledige das.“ Dann spricht die verantwortungsvolle Seite in uns zur verantwortungslosen, ohne dass wir uns für schizophren halten. Bei psychisch gestörten Menschen geht die Schere nur weiter auseinander, und sie wissen nicht, wie sie mit ihren beiden Persönlichkeiten umgehen sollen.

Wenn schizophrene Menschen z.B. ihren Partner attackieren, misshandeln oder gar töten, ist das oft der verzweifelte Versuch, Kontrolle über den Partner zu erlangen, da der eigene Kontrollverlust während der Kindheit und den Misshandlungen so schmerzhaft und tief sitzt. Solche Menschen können dann aggressiv werden, weil sie einfach diesen Kontrollverlust (über sich und ihren eigenen Körper) nie, nie, nie wieder erleben wollen. Daher rührt auch das Besinnungslose bei ihrem Verhalten. Wenn sie anderen Schmerzen zufügen, gibt ihnen das gleichzeitig das Gefühl, die Kontrolle (über den Schmerz) zu haben. Endlich.

So, ich hoffe, das hilft Ihnen ein wenig. Eigentlich gefällt es mir nicht, dass sie jemand psychisch Kranken als Monster darstellen wollen. Es wäre gut, wenn sich im Laufe des Buches zeigen würde, von welchen Misshandlungen die Schizophrenie bei Ihrem Protagonisten gekommen ist, und wie er geheilt wird.

Freundliche Grüsse
von der Turnerin

Hallo,

es gibt sehr wenig Menschen mit einer multiplen Persönlichkeit, dahingegen recht viele mit einer Schizophrenie - komischerweise wird letzteres oft falsch verstanden / interpretiert.
Das liegt sicher sowohl am allgemeinen Sprachgebrauch „der ist schiziphren“ (wenn sich jemand mal so mal so verhält) aber auch an Filmen, wie z.B. Dr. Jekyl & Mr. Hyde - beides haben aber wenig mit Schizophrenie zu tun.

Wenn schizophrene Menschen z.B. ihren Partner attackieren,
misshandeln oder gar töten, ist das oft der verzweifelte
Versuch, Kontrolle über den Partner zu erlangen, da der eigene
Kontrollverlust während der Kindheit und den Misshandlungen so
schmerzhaft und tief sitzt. Solche Menschen können dann
aggressiv werden, weil sie einfach diesen Kontrollverlust
(über sich und ihren eigenen Körper) nie, nie, nie wieder
erleben wollen. Daher rührt auch das Besinnungslose bei ihrem
Verhalten. Wenn sie anderen Schmerzen zufügen, gibt ihnen das
gleichzeitig das Gefühl, die Kontrolle (über den Schmerz) zu
haben. Endlich.

Die Rolle von Aggression und auch Straffälligkeit bei Schizophrenen ist nicht zu leugnen, aber die Ursachen der Erkrankung sind überwiegend in anderen Bereichen zu suchen als Kindheitserfahrungen oder Misshandlungen - Stress, Vererbung / biologische Faktoren oder Rauschmittel wären hier häuger zu nennen.
Schlagwörter, die die Störung treffender Beschreiben sind Verfolgungswahn, Halluzinazionen, aber auch Schlafstörungen, Depressionen, Nervosität und Unkonzentriertheit sind Symptome, die weitaus häufiger anfallen als Aggressionen gegenüber andere.

Viele Grüße

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leicht oT
Hallo,

um Einsichten in das Gefühlsleben eines an Schizophrenie erkrankten Patienten zu erhalten, finde ich das Buch „Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen“ sehr empfehlenswert.

Grüße
Liete

Michaela Huber --> Fachfrau für Multis
Hallo!

Wir haben im Freundeskreis eine Frau, die ein Multi ist, und kennen sie ziemlich gut.

Sie hat insgesamt über 100 Personen-Anteile in sich, und einige von denen kommunizieren sehr wohl miteinander.

So gibt es einen „Chef“, der sozusagen versucht das Alltagsleben zu organisieren. Das geht aber nur so lange gut, bis irgendeine SItuation einen anderen Persönlichkeitsanteil triggert, sodass dann z.B. ein Kleinkind „vorne“ ist.

Michaela Huber hat sich mit Multis sehr intensiv auseinandergesetzt, ich habe einige ihrer Bücher gelesen. Manches ist so unvorstellbar, dass es kaum auszuhalten ist.

http://www.michaela-huber.com/

Angelika

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Schizophrenie ungleich multiple Persönlichkeitsstörung
Hallo Unserwort,

es scheint ein bisschen, als hättest du dich bezüglich der von dir angesprochenen Krankheiten noch gar nicht weiter belesen. Wenn dein Roman gut recherchiert sein und authentisch das Erleben eines psychisch Kranken darstellen soll, dann ist dir dringend zu empfehlen, mehr als nur ein Forum zu Rate zu ziehen. Beide Krankheiten die du ansprichst sind sehr vielschichtig, haben sehr unterschiedliche Ausprägungsformen und -stärken. Mitnichten ist „der Schizophrene“ immer so oder handelt immer so, dasselbe gilt für Menschen mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung.

Für’s authentische Erzählen ist es dann (mit dem entsprechenden Hintergrundwissen) sicher ganz interessant, Betroffene oder Angehörige von Betroffenen nach persönlichen Eindrücken zu befragen - aber die Basics stehen erstmal in jedem guten Lehrbuch der Psychiatrie und die hier aufzuschreiben würde auch deutlich den Rahmen sprengen.

Ganz allgemein sei aber angemerkt, dass Schizophrenie und eine multiple Persönlichkeitsstörung zwei völlig unterschiedliche Krankheiten sind und miteinander nicht zu tun haben, wurde hier ja auch schon gesagt.

Literatur zum Thema Schizophrenie kann man sich bei entsprechender Suche übers Internet relativ umfassend besorgen. Einen ersten Eindruck kann man sich ja z.B. bei Wikipedia besorgen, und dann z.B. die dort empfohlene Literatur zu Rate ziehen. Gute Basics stehen wie gesagt aber auch in jedem Lehrbuch der Psychiatrie. Solche Bücher sind teuer, meist kann man aber bei Universitätsbibliotheken eine Gastleserschaft beantragen und dort in die vorhandenen Bücher reingucken.

Literatur zum Thema Multiple Persönlichkeitsstörung findest du sowohl unter diesem Stichwort als auch unter der Bezeichnung dissoziative Identitätsstörung, ansonsten würde ich da auch da den gleichen Weg gehen. Kann sein, dass du hierzu nicht in allen Lehrbüchern der Psychiatrie was findest - die Störung ist erstens extrem selten und zweitens wissenschaftlich noch nicht so gut abgegrenzt und erforscht. Vielleicht empfiehlt es sich hier tatsächlich, mal noch den einen oder anderen Experten aus der Praxis (wie zum Beispiel die bereits empfohlene Michaela Huber) zu Rate zu ziehen.

Sorry, aber es widerstrebte mir, hier ein, zwei Infos hinzuklatschen und dich glauben zu machen, damit hättest du ein gutes Verständnis davon, wie diese Krankheiten funktionieren. Es ist eben nicht so einfach…

Lieben Gruß,
Inka

Hallo,

da stimme ich zu! Und ich lege dazu: Matt Ruff, „Ich und die anderen“ zu multiplen Persönlichkeitsstörungen. Ein Roman, aber meines Wissens gründlich recherchiert.

Viele Grüße,

Jule

Bruder Narr
Servus,

Für’s authentische Erzählen ist es dann (mit dem
entsprechenden Hintergrundwissen) sicher ganz interessant,
Betroffene oder Angehörige von Betroffenen nach persönlichen
Eindrücken zu befragen - aber die Basics stehen erstmal in
jedem guten Lehrbuch der Psychiatrie und die hier
aufzuschreiben würde auch deutlich den Rahmen sprengen.

für literarische Annäherungen an das Thema sind begleitend auch geeignet:

  • Heinar Kipphardt, „März“
  • Friedrich Deich, „Windarzt und Apfelsinenpfarrer“

und last, but not least, verschiedene Veröffentlichungen zur Vita des weniger bekannten „Ikarus vom Lautertal“ Gustav Mesmer.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder