Funktioniert Evolution beim Menschen noch?

Es macht keinen Sinn Evolution in gut oder schlecht einzuteilen. Evolution ist i m m e r Anpassung an die gegebene Umwelt. Ändert sich die Umwelt können Anpassungen die vorher von Nutzen waren nutzlos werden oder sogar plötzlich von Nachteil sein. Ob eine Art aufgrund von Umweltänderungen ausstirbt oder ob sie sich evolutiv anpassen kann hängt davon ab wie hoch ihre genetische Varianz (Anzahl unterschiedlicher Genotypen) und phenotypische Plastizität (Fähigkeit eines Organismus sich auf veränderte Bedingungen einzustellen) ist.

Es stimmt wahrscheinlich, dass heutzutage in vielen Kulturen der Selektionsdruck auf den Menschen im Vergleich zu früheren Zeiten deutlich niedriger ist. Dies hat zur Folge, dass Genotypen, die früher schnell ausselektiert wurden sich heutzutage gleichberechtigt neben anderen vermehren können. (Es ist aber nicht so, dass sich dadurch der Anteil bestimmter Erbkrankheiten in der menschlichen Population erhöhen würde. Dazu wäre es ja notwendig, dass mit dieser Erbkrankheit ein Selektionsvorteil verbunden wäre, was aber nicht der Fall ist.) Ein geringer Selektionsdruck führt über einen langen Zeitraum stets zu einer Erhöhung der genetischen Varianz. Im Gegensatz zu eurer Hypothese eines baldigen Aussterben der Menschheit aufgrund mangelnder Evolution führt die gegenwärtige Situation eines geringen Selektionsdruckes zusammen mit der vermehrten Durchmischung verschiedener Genotypen aus aller Welt dazu, dass die Menschheit auf zukünftige Umweltveränderungen zumindest genetisch hervorragend vorbereitet ist.

Es ist ein Irrtum, dass sich immer die Genotypen evolutiv durchsetzten, die am meisten Nachkommen produzieren. Wer viele Nachkommen hat kann oftmals weniger Ressourcen für den Einzelnen aufwenden. Das bedeutet weniger Nahrung oder weniger gute Nahrung für jeden, weniger Zeit um Erfahrungen weiterzugeben, weniger Zeit für Streicheleinheiten, weniger gute Kleidung, schlechtere medizinische Versorgung ect. Dies kann dazu führen, dass unter widrigen Bedingungen kein Nachkomme der Familie mit den vielen Kindern überlebt (z. B. Epidemien) oder sich fortpflanzen kann während die wenigen Kinder der anderen Familie aufgrund ihrer besseren Konstitution erwachsen werden und sich weiter fortpflanzen können. Ob es evolutiv von Vorteil ist viele oder wenige Kinder zu haben hängt auch immer von den Umweltbedingungen ab. Oftmals findet man auch beide Strategien gleich erfolgreich innerhalb einer Population. Definitiv schlecht für die eigenen Gene ist es nur gar keine Kinder zu haben. Allerdings kann es auch evolutiv von Vorteil sein auf eigene Kinder zu verzichten und dafür sich an der Aufzucht der Kinder der nächsten Verwandten (Eltern, Geschwister), zu beteiligen (Stichwort: Altruismus), da diese ja zumindest zum Teil die gleichen Gene tragen wie man selbst.

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Hallo Olaf,

Es ist aber nicht so, dass sich dadurch der Anteil bestimmter
Erbkrankheiten in der menschlichen Population erhöhen würde.
Dazu wäre es ja notwendig, dass mit dieser Erbkrankheit ein
Selektionsvorteil verbunden wäre, was aber nicht der Fall ist.

Das mangelnde Selektion den Anteil der Erbkrankheiten nicht erhöht, leuchtet mir nicht ein.
Nehmen wir an es gibt 10 Menschen, die an Jugenddiabetes erkrankt sind und die sich aufgrund mangelnder Selektion vererben können und die Krankheit zu 20% weitergeben, dann sind es in der nächsten Generation schon 12 kranke Exemplare, die die Krankheit weitertragen.
Ist das keine erhöhung der Krankheitsrate?

Gruß Steffi

Hallo!

Nein, so würde ich das nicht sehen. Zu einem übergroßen Teil
„nimmt“ sich eine Frau einen größeren Mann. Was soll im
statistischen Mittel dabei rauskommen? Noch kleineres Kind?
Wohl eher nicht. Dann könnte man sogar soweit gehen: sehr
kleine Frauen sind relativ häufig mit sehr großen Männern
zusammen.

Hast Du Belege dafür? Ich meine mich an eine Humangenetik-Vorlesung zu erinnern, in der statistisch belegt wurde, dass Menschen dazu neigen, ähnliche Partner zu wählen.

Michael

Hallo Steffi!

Das mangelnde Selektion den Anteil der Erbkrankheiten nicht
erhöht, leuchtet mir nicht ein.
Nehmen wir an es gibt 10 Menschen, die an Jugenddiabetes
erkrankt sind und die sich aufgrund mangelnder Selektion
vererben können und die Krankheit zu 20% weitergeben, dann
sind es in der nächsten Generation schon 12 kranke Exemplare,
die die Krankheit weitertragen.
Ist das keine erhöhung der Krankheitsrate?

Ich kann Dir nicht folgen. Kannst Du mal vorrechnen, wie Du auf die 12 kranken Exemplare in der F1-Generation kommst?

Michael

Hallo!

Nein, sie funktioniert nicht: Das Kniegelenk des Menschen ist
eine absolute Fehlkonstruktion.

Die Evolution fördert nicht Entwicklungen, die der Lebensqualität eines Individuum dienen, sondern seiner Fitness.

Man kann sich leicht vorstellen, dass die optimale Lebensdauer eines Individuums zwei Generationen dauert: Erst muss man geschlechtsreif werden, dann pflanzt man sich fort und schließlich kümmert man sich um den Nachwuchs, bis der geschlechtsreif geworden ist. Die meisten Altersgebrechen treten nur auf, weil wir durch die verbesserten Lebensumstände die Lebenserwartung erheblich über diese 40 - 50 Jahre hinaus gesteigert haben. Rein biologisch betrachtet ist ein 80 Jahre alter Mensch nichts weiter als ein Bürde für seine Nachkommen.

Ein Kniegelenk oder eine Wirbelsäule, die ihm hohen Alter ihren Dienst versagen, sind also nicht unbedingt eine „Fehlkonstruktion“ (wie Du es nennst), sondern vielleicht auch eine Art „Sollbruchstelle“ zur Verjüngung der Population.

Ich gebe Dir jedoch insofern Recht, dass der Status Quo des Menschen (oder jedes andern Lebewesens) nicht das absolute Optimum sein muss. Entweder ist die Evolution noch im Fluss, oder es wurde ein „lokales Optimum“ erreicht, das eine weitere Entwicklung einstweilen unmöglich macht.

Michael

Hallo Steffi,
ich habe hier den prozentualen Anteil der Erbkranken in einer Population gemeint. Der bleibt solange gleich wie die Anzahl der Nachkommen von Kranken und Gesunden in einer Population gleich bleibt.

Olaf

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Michael,

Ich kann Dir nicht folgen. Kannst Du mal vorrechnen, wie Du
auf die 12 kranken Exemplare in der F1-Generation kommst?

Rein mathematisch!
Ausgehend davon daß sich alle 10 fortpflanzen und die Krankheit an 20% der Nachkommen weitergeben.
20% von 10 = 2
und
10 + 2 = 12
Dann sind es nicht mehr 10 sondern 12 vererbungsfähige Kranke.

Wie rechnet man in der Vererbungslehre?

Gruß Steffi

Hallo Olaf,

ich habe hier den prozentualen Anteil der Erbkranken in einer
Population gemeint. Der bleibt solange gleich wie die Anzahl
der Nachkommen von Kranken und Gesunden in einer Population
gleich bleibt.

Wenn kranke 20% der Gesamtpopulation sich wiederum um 20% krank vererben, dann stimmt das. Aber das entspricht nicht dem rezessiven Erbgang, den man wohl bei Erbkrankheiten ansetzen muß.

Gruß Steffi

Hallo Steffi!

Wir brauchen den Punkt nicht unendlich weiter diskutieren, denn er ist einigermaßen off-topic, aber ich habe immer noch nicht begriffen, was Du da tust.

Also: Wir haben 10 Kranke Individuen. Die pflanzen sich fort. Dazu brauchen sie Sexualpartner. (Es ist beim Menschen nur ein einziger Fall von Parthenogenese bekannt, und auch der ist umstritten, weil Jesus männlich war :wink: ).

Um zu ermitteln, wieviele Nachkommen Merkmalsträger oder nur Überträger sind, muss man daher den Genotyp von allen Eltern kennen. Wenn man nur statistische Aussagen machen möchte, muss man wenigstens die Genfrequenz der Mutation kennen.

Ausgehend davon daß sich alle 10 fortpflanzen und die
Krankheit an 20% der Nachkommen weitergeben.
20% von 10 = 2
und
10 + 2 = 12
Dann sind es nicht mehr 10 sondern 12 vererbungsfähige Kranke.

Selbst wenn man (ungerechtfertigterweise) diese Überlegungen alle außer Acht lässt und nur um des Beispiels Willen nach Deinen Annahmen rechnet, kommt man zu folgendem Ergebnis:

10 Individuen erzeugen 10 Nachkommen. Davon sind 20% krank. Das sind 2. 8 sind gesund. Oder habe ich jetzt irgendwo einen fatalen Denkfehler begangen?

Michael

Hallo Michael,

10 Individuen erzeugen 10 Nachkommen. Davon sind 20% krank.
Das sind 2. 8 sind gesund.

Ja, 8 sind gesund, aber 2 krank, und die beiden kranken vergrößern die Menge der kranken von 10 auf 12.
Aber lassen wir das. Rechnen gehört nicht hier hin.

Gruß Steffi

[MOD] seh ich auch so
Hallo Ihr Beiden,

seh ich genauso: Wenns wichtig ist, macht im Mathebrett weiter!

Gruß
Cess

Hallo Steffi,

In der evolutiven Betrachtung geht es um den Anteil eines Gens (genauer: des Allels) im Genpool der Population, und der bleibt ohne das Wirken einer Selektion eben konstant:

Sei a der Anteil des „kranken“ Allels A und b = (1-a) der Anteil des „gesunden“ Allels B im Genpool. Ohne Selektion hat jedes A und jedes B die selbe Chance für die Kombination mit jedem anderen A und B. Die Gesamtzahl (Anteil) der Kombinationen von A und B hängt also nur von den Anteilen a und b der Allels ab. Das Verhältnis der Allele ist a:b

Es gilt bei freier Kombination:

(aA+bB)*(aA+bB) = a²AA + 2abAB + b²BB

Insgesamt sind die Anteile der Allele A und B dann:

A: 2a² + 2ab = 2a² + 2a(1-a)
B: 2b² + 2ab = 2(1-a)² + 2a(1-a)

Das Verhältnis beider Allele (A:B) ist

 (2a² + 2a(1-a))/(2(1-a)² + 2a(1-a))
= ( a² + a(1-a))/( (1-a)² + a(1-a))
= ( a² + a - a² )/(1-2a+a² + a - a²)
= a / (1-a)

Nun ist (1-a) aber b, also ist das Verhältnis der Allele gleich a:b.
q.e.d.

Beim Rezessiven Erbgang hast du (egal mit was du anfängst!) nach einigen freien Rekombinationen folgende Verteilung der Genotypen:

a²AA + 2abAB + b²BB

Diese Verteilung bleibt konstant, weil bei freier Kombination und ohne Selektion wieder eine Population rauskommt, die die selbe Verteilung von Genotypen hat. Genau das ist ja das Ergebnis obiger Rechnung.

Wenn nun die homozygot „kranken“ (AA) sich nicht genausogut fortpflanzen wie die heterozygoten oder die hohozygot „gesunden“, dann gilt die Beziehung (aA+bB)*(aA+bB) nicht mehr. Man müßte dann den relativen Fortpflanzungserfolg mit einbeziehen. Auch das läßt sich hereiten, dazu fehlt mir jetzt aber die Zeit. Es wäre interessant zu prüfen, ob dann der Anteil an A in der Population wirklich abnimmt, oder ob sich das Verhältnis der Genotypen nur ändert…

LG
Jochen

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Hallo Jochen,

Danke für die Herleitung. Das muß ich mir erstmal verinnerlichen.

Gruß Steffi

die evolution ist wie das wetter
sie kann nicht aufhören.

Die Steinzeit ist ja noch nicht lange her (lächerliche paar
1000 Jahre), aber wie schaut es in der Zukunft aus? Kann sich
der Mensch noch verbessern?

was meinst du mit verbessern?
technologisch ja…biologisch nicht…biologisch vielleicht in ner mio jahre

Scheinbar ist es im Moment ja so,
das nicht die schönsten/intelligentesten/erfolgreichsten/am
besten an die „Natur“ angepassten Menschen die meisten Kinder
zeugen…?

am besten an die natur angepasst??? global gesehen ist es absolut nicht intelligent, keine nachkommen zu zeugen.

Tatsache ist eher so:

  • Alles überlebt und wird alt (dank guter Medizin)
  • Wer arm und verzweifelt ist hat viele Kinder
  • Wer intelligent ist hat eher wenig Kinder
  • Wer unanttraktiv ist kann sich operieren lassen
  • Wer keine Kinder bekommen kann adoptiert welche aus Afrika.

also „funktioniert“ Evolution noch (oder wo führt sie hin)?
oder wird es irgendwann ein Muss, künstlich in die Gene des
Menschen einzugreifen?

natürlich, aber wir denken in 100-jahres-abständen. in 100 jahren oder in 1000 oder 10.000 jahren macht die evolution nicht viel. sie macht die leute mal großer oder kleiner, aber mehr nicht.

da barucht es schon ein paar 100.000 jahre.

mfg:smile:
rené

in 100
jahren oder in 1000 oder 10.000 jahren macht die evolution
nicht viel. sie macht die leute mal großer oder kleiner, aber
mehr nicht.

Hallo rené
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Grüße
Ulf

in 100
jahren oder in 1000 oder 10.000 jahren macht die evolution
nicht viel. sie macht die leute mal großer oder kleiner, aber
mehr nicht.

Hallo rené
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…?
special=id&ArtikelID=4186837

danke. dann hat die evolution nix mit bekannten schwankungen der größe zu tun.