Galeeren in Frankreich

Hallo Wissende,

was ich zunächst als schiffstechniche Frage anhört ist in men Augen eher von Geschichtskundigen zu beantworten. iie hoffe ich hier zu finden!

Ich las gerade in einem Roman (Célin, Reise ans Ende der Nacht), wie der Romanheld in Afrika an eine französische Galeere verkauft wurde, und das in der Zeit nach dem 1. WK. Gab es tatsächlich Anfang des 20. Jahrhundert in Frankreich noch Galeeren? Aus wirtschftlichen und militärischen Gründen bestimmt nicht, aber möglicherweis noch im Strafvollzug. Wicki meldet aber die Ablösung der Galeerenstrafe durch das Bagno in 1748 - vielleicht hat in diesem Roman der Autor doch zuviel Fantasie walten lasen, oder?

Danke für Eure Meinungen!

Wolfgang D.

Servus,

1748 war das Ende der Galeerenkorps in Frankreich; die letzten Galeeren im Kriegseinsatz waren die russischen in 1808.

Je nach Kontext könnte es sich um einen Übersetzungs- oder Recherchefehler handeln, weil Französisch „la galère“ abgeleitet von der Galeerenstrafe (enger) jede Art von Zwangsarbeit und (weiter) jede Art von dauerhafter Zwangssituation, verbunden mit Armut und Entwürdigung ist.

Bei Schlecker an der Kasse sitzen und dazu ergänzendes ALG II bekommen ist im Frz. heute noch, wenn man eine Quelle Wort für Wort übersetzt, „eine Galerenarbeit“. Umgangssprachlich gibts dazu auch das Verb „galérer“.

Wenn in dem literarischen Text unmißverständlich und konkret vom Verkauf auf eine französische Galere die Rede ist, kann das der Autor aus Quellen aus den 1920ern mißverstanden haben, die etwa eine verhängnisvolle, aber unumgängliche Heuer wie in B. Travens Totenschiff als „être vendu en galère“ beschreiben.

Schöne Grüße

MM

Schöne Grüße

MM

Hi,
laut Wiki waren in Türkei Galeeren/ -Sträflinge bis Anfang 20. Jhdt. gebräuchlich (fast unglaublich).
lg O

http://de.wikipedia.org/wiki/Galeerenstrafe
Zitat:
In Rom wurde die Galeerenstrafe 1471 eingeführt, in Spanien ab 1502 und im Kirchenstaat ab 1511 und 1516. In den Habsburgischen Erblanden wurde sie von 1556 bis 1768 verwendet. Später führte man dort das Schiffziehen als Strafe ein, welches oft mit einer Galeerenstrafe verglichen wird.

Im Jahr 1585 erließ der Rat der Schweizer Stadt Bern ein Täufermandat, das die Schweizer Täufer u.a. mit der meist tödlich endenden Galeerenstrafe bestrafte [3]. Die Schweizer Mennoniten mussten vor allem auf venetianischen und französischen Galeeren arbeiten. Ihre Schicksale sind im 1660 erstmals erschienenen Märtyrerspiegel aufgenommen.

In der Türkei fand die Strafe bis ins 20. Jahrhundert Anwendung.

Moin Wolfgang,

um zu des Rätsels Lösung beizutragen, habe ich mir ein paar frz. Inhaltsangaben des Romans angeschaut. Meine freie, interpretierende Übersetzung steht in Klammern:

„Bardamu tombe malade et est embarqué à demi conscient dans un bateau à direction des Amériques.“
(B. wird krank; bei nur halbem Bewusstsein wird er auf ein Schiff Richtung Amerika verfrachtet)
http://louisferdinandceline.mes-biographies.com/Voya…

„Il quitte l’Afrique à demi-mort à bord d’un bâtiment espagnol qui a tout d’une galère.“
(Halb tot verlässt er Afrika an Bord eines Schiffes, das man mit einer Galeere vergleichen könnte)
http://www.alalettre.com/celine-oeuvres-voyage.php

„(…) et est embarqué à bord d’un bâtiment espagnol qui lui paraît être une galère.“
(er wird an Bord eines spanischen Schiffs gebracht, das ihm wie eine Galeere vorkommt/das er für eine Galeere hält)
http://louisferdinandceline.free.fr/romans/voyage/vo…

Wie Martin May schon sagte, könnte es sich um einen Übersetzungsfehler handeln, oder zumindest um übersetzerisches Ungeschick. An einen Recherchefehler glaube ich nicht, da Céline (Jg. 1894) hätte wissen müssen, dass es zur Zeit der Handlung keine spanischen Galeeren mehr gab:
„En 1748, le corps des galères disparaît en France et en Espagne.“ (Galeeren verschwinden 1748 auch in Spanien) http://fr.wikipedia.org/wiki/Gal%C3%A8re_%28navire%2…

Andererseits sagt die frz. wiki über Céline, dass er ziemlich ungebildet war …

Am hilfreichsten zur Beantwortung Deiner Frage wäre es, wenn jemand die entsprechende Textpassage des frz. Originals zitieren könnte.
Zwei zweithilfreichste Wege:

  • lässt der Fortgang des Texts auf eine „echte“ Galeere schließen?
  • lass uns die Formulierung der deutschen Übersetzung wissen; dann kann vllt. jemand durch Rückübersetzung zur Klärung beitragen.

Grüße von der galeerenfreien Nordseeküste

Pit