Gauß'scher Integralsatz

Hallo

Ich hätte mal eine Frage zur Anwendung des gauß’schen Integralsatzes. Er besagt ja, dass der Fluss durch die geschlossene Oberfläche eines Volumens gleich dem Integral über die Divergenz in diesem Volumen ist.

Ich betrachte als Beispiel mal ein zweidimensionales Vektorfeld:

F® = r / |r|^2

Die Divergenz des Vektorfeldes ist div F = -2 / |r|^2

Ich betrachte als Volumen eine Kugelschale als Differenzmenge zweier verschiedener konzentrischer Kugeln um den Koordinatenursprung.

Da die Divergenz an jemdem Punk negative Werte annimmt ist auch die Gesamtdivergenz negativ und ungleich Null.

Es lässt sich jedoch zeigen, dass der Fluss in die Kugelschale gleich dem Fluss aus der Kugelschale ist. Dadurch ist der Gesamtfluss aber Null und verschieden von der Gesamtdivergenz.

Irgendwo muss doch ein Fehler sein, oder?
Danke für Antworten!
MfG IGnow

Kleine Berichtigung:
Da ich ja ein zweidmensionales Feld betrachte spreche ich natürlich von Kreisen stat Kugeln und Kreisringen stat Kugelschalen.
Das ganze klappt auch in 3D dann aber mit F®=r/|r|^3 und dann meineich wirklich Kugeln! :wink:

Hallo

Ich hätte mal eine Frage zur Anwendung des gauß’schen
Integralsatzes. Er besagt ja, dass der Fluss durch die
geschlossene Oberfläche eines Volumens gleich dem Integral
über die Divergenz in diesem Volumen ist.

Ich betrachte als Beispiel mal ein zweidimensionales
Vektorfeld:

F® = r / |r|^2

Die Divergenz des Vektorfeldes ist div F = -2 / |r|^2

Das hier ist schonmal falsch. Es muss eher sowas wie eine Dirac-Funktion sein.
Die Divergenz ist überall null ausser in der Singularität im Ursprung.

Ich betrachte als Volumen eine Kugelschale als Differenzmenge
zweier verschiedener konzentrischer Kugeln um den
Koordinatenursprung.

Da die Divergenz an jemdem Punk negative Werte annimmt ist
auch die Gesamtdivergenz negativ und ungleich Null.

Folgefehler + Singularität nicht berücksichtigt.

Es lässt sich jedoch zeigen, dass der Fluss in die Kugelschale
gleich dem Fluss aus der Kugelschale ist.

Ja, weil die Divergenz überall im Volumen null ist.

Dadurch ist der
Gesamtfluss aber Null und verschieden von der Gesamtdivergenz.

Stimmt (aber nur wenn man die innere und die äussere Oberfläche richtigrum orientiert, da man je das Skalarprodukt aus den Flächenelementnormalen und den Feldvektoren bilden muss und man für die Flächennormalen im Prinzip zwei mögliche Orientierungen hat). Zumindest sind aber die Beträge immer gleich.

Nur die Sigularität des Feldes im Ursprung liefert einen Beitrag. Sie ist die einzige Quelle in diesem „Coulombfeld“.

Das gilt genauso im 2D wie im 3D Beispiel.

Gruß
r

Hallo

Okay dann liegt mein Fehler offensichtlich beim Bilden der Divergenz.
Aber was wäre denn da richtig?

Es gilt in Kartesischen Koordinaten div F = dFx/dx + dFy/dy.

Ich habe das Vektorfeld F® = r/|r|^2.
Wenn ich mich nicht täusche wäre das in Komponentenschreibweise
Fx(xr,yr) = xr / (xr^2 + yr^2)
Fy(xr,yr) = yr / (xr^2 + yr^2)

dFx/dx = - xr * (-2) * xr / (xr^2 + yr^2)^2
dFy/dy = - yr * (-2) * yr / (xr^2 + yr^2)^2

div F = dFx/dx + dFy/dy = -2 / (xr^2 + yr^2) = -2/|r|^2

Das ist Falsch, wie du mir gesagt hat. Also wie bildet man die Divergenz wirklich?

MfG IGnow

Hossa :smile:

Die Divergenz eines Verktorfeldes wird gebildet, indem du die x-Komponente partiell nach x, die y-Komponente partiell nach y und die z-Komponente partiell nach z ableitest und alle 3 Ergebnisse addierst. In deinem Fall ist das Vektorfeld

\vec F(\vec r)=\frac{\vec r}{r^2}=\frac{1}{x^2+y^2+z^2}\left(x,y,z\right)

Die partielle Ableitung der ersten Komponente nach x kriegst du mit der Quotientenregel schnell raus:

\frac{\partial}{\partial x}\left(\frac{x}{x^2+y^2+z^2}\right)=\frac{1\cdot\left(x^2+y^2+z^2\right)-x\cdot 2x}{\left(x^2+y^2+z^2\right)^2}=\frac{r^2-2x^2}{r^4}=\frac{1}{r^2}-\frac{2x^2}{r^4}

Für die y- und die z-Komponente funktioniert das analog:

\frac{\partial}{\partial y}\left(\frac{y}{x^2+y^2+z^2}\right)=\cdots=\frac{1}{r^2}-\frac{2y^2}{r^4}

\frac{\partial}{\partial z}\left(\frac{z}{x^2+y^2+z^2}\right)=\cdots=\frac{1}{r^2}-\frac{2z^2}{r^4}

Alle 3 Ableitungen addiert ergeben die Divergenz des Vektorfeldes:

\nabla\vec F(\vec r)=\frac{3}{r^2}-\frac{2x^2}{r^4}-\frac{2y^2}{r^4}-\frac{2z^2}{r^4}=\frac{3}{r^2}-\frac{2r^2}{r^4}=\frac{3}{r^2}-\frac{2}{r^2}=\frac{1}{r^2}

Rein formal bedeutet der Gauß’sche Satz:

d\vec f=dV\cdot\nabla

Wenn du nun also den Fluss des Vektorfeldes F durch eine geschlossene Kugeloberfläche (df) berechnen musst, kannst du das mit Hilfe des Gauß’schen Satzes zu einem Volumenintegral (dV) vereinfachen.

\Phi=\oint_{O(V)}\vec F(\vec r),d\vec f=\oint_{O(V)}d\vec f\cdot\vec F(\vec r)=\int_V \left(dV\cdot\nabla\right)\cdot\vec F(\vec r)=\int_V dV,\nabla\vec F(\vec r)

Die Divergenz von oben eingesetzt liefert dann in Kugelkoordinaten:

\Phi=\int_V \frac{1}{r^2},dV=\int_{r=0}^Rdr\int_{\varphi=0}^{2\pi}d\varphi\int_{\theta=0}^{\pi}\sin\theta,d\theta=4\pi R

Viele Grüße

Hasenfuß

Hallo

Okay dann liegt mein Fehler offensichtlich beim Bilden der
Divergenz.
Aber was wäre denn da richtig?

Es gilt in Kartesischen Koordinaten div F = dFx/dx + dFy/dy.

Ich habe das Vektorfeld F® = r/|r|^2.
Wenn ich mich nicht täusche wäre das in
Komponentenschreibweise
Fx(xr,yr) = xr / (xr^2 + yr^2)
Fy(xr,yr) = yr / (xr^2 + yr^2)

dFx/dx = - xr * (-2) * xr / (xr^2 + yr^2)^2

falsch (Kettenregel/Produktregel beachten)!
richtig wäre:

= (1 - 2 xr^2)/r^2

dFy/dy = - yr * (-2) * yr / (xr^2 + yr^2)^2

richtig wäre analog:
= (1 - 2 yr^)/r^2

div F = dFx/dx + dFy/dy = -2 / (xr^2 + yr^2) = -2/|r|^2

jetz musst du nur noch summieren, und beachten, dass du bei r=0 nicht ohne weiteres die Ableitungen bilden darfst.

Das ist Falsch, wie du mir gesagt hat. Also wie bildet man die
Divergenz wirklich?

g
r

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Wow! Hast recht. Das ist ja fast peinlich wie falsch das ist :smiley:

Danke für die Hilfe
MfG IGnow

Hallo

Danke das ist sehr ausführlich und auch schonmal sehr hilfreich! :smile:
Wenn ich das richtig verstanden habe dann berechnest du dir das Integral über die Divergenz im Volumen einer Kugel um den Koordinatenursprung.
Wie sieht das Ganze für eine Kugelschale aus? Die Divergenz \frac{1}{r^2} ist ja bei dir auch immer positiv dürfte sich also nicht zu 0 ergänzen. Der Fluss durch die Oberfläche der Kugelschale sollte aber Null sein, oder stimmt das auch nicht?

MfG IGnow

Hossa :smile:

Weil Flächenintegrale unangenehm zu handhaben sind, können zwei komplexe mathematische Sätze sehr nützlich sein. Der Satz von Gauß stellt einen Zusammenhang zwischen dem Integral über eine geschlossene(!) Oberfläche (df) und dem Integral über das darin enhaltene Volumen (dV) her:

d\vec f=dV,\nabla

Der Satz von Stokes stellt einen Zusammenhang zwischen dem Integral entlang eines geschlossenen(!) Weges (dr) und dem Integral über die davon eingeschlossene Fläche (df) her:

d\vec r=d\vec f\times\nabla

Der Nabla-Operator muss dabei immer auf eine Funktion „wirken“, weil er aus den 3 partiellen Raumableitungen besteht:

\nabla=\left(\frac{\partial}{\partial x},\frac{\partial}{\partial y},\frac{\partial}{\partial z}\right)

Daher ist der Satz von Stokes in der Anwendung manchmal etwas schwieriger als der Satz von Gauß. Bei den von dir genannten 2-dimensionalen Problemen wäre er aber die richtige Wahl. Allgemein kann man sich mit diesen beiden Sätzen sehr viel Rechenarbeit sparen.

Zum Fluss durch eine geschlossene Fläche:

Der Fluss durch eine geschlossene Fläche verschwindet mit Sicherheit dann, wenn die Divergenz des Vektorfeldes verschwindet. Eine der Maxwell’schen Gleichungen besagt:

\nabla\vec B=0

In Sprache: „Magnetische Felder haben keine Quellen“ oder „Es existieren keine magneitschen Monopole“. Und daher ist der magnetische Fluss durch eine geschlossene Oberfläche stets gleich Null.

Anders sieht das beim elektrischen Feld aus. Die korrespondierende Maxwell’sche Gleichung lautet (im cgs-Einheitensystem):

\nabla\vec E=4\pi\cdot\rho(\vec r)

Elektrische Felder haben also eine Quelle, nämlich die Ladungsdichte rho, und daher verschwindet auch der elektrische Fluss durch eine geschlossne Oberfläche nur in Sonderfällen.

Viele Grüße

Hasenfuß

Hallo nochmal… :smile:

Elektrische Felder haben also eine Quelle, nämlich die
Ladungsdichte rho, und daher verschwindet auch der elektrische
Fluss durch eine geschlossne Oberfläche nur in Sonderfällen.

Ja da dachte ich mir eigentlich auch. Aber bei der Betrachtung der Kugelschale aus konzentrischen Kugeln um den Koordinatenursprung stoße ich da auf ein Problem das ich nicht verstehe.

Sagen wir der Radius innen sei R_i und der Radius außen R_a. Die Funktion sei nach wie vor F® = r/|r|^3.

Jeder Vektor des betrachteten Feldes steht senkrecht auf dem inneren und äußeren Rand der Kugelschale, und dessen Länge hängt auch nur vom Abstand zum Koordinatenursprung ab.
Der Betrag im Abstand r von (0,0,0) wäre 1/r^2. Die durchflossene Kugeloberfläche wäre 4 pi r^2. Das ergibt einen Fluss von
4 pi r^2 * 1/r^2 = 4 pi. Er ist also unabhängig vom Radius der Kugeloberfläche. Da sich nun der innere und der äußere Rand vom Vorzeichen der Flächennormalen unterscheiden hebt sich der Fluss durch den äußeren und inneren Rand genau auf und es kommt 0 heraus.

Die Divergenz hast du vorhin selbst hergeleitet und beträgt für jeden Punkt 1/r^2 wobei r der Abstand vom Koordinatenursprung ist.

Ich komme dazu, dass in der Kugelschale die Divergenz über
integral_(R_i)^(R_a) 4*pi dr = 4pi * (R_a - R_i) berechnet wird. Das ist offensichtlich nicht Null. Also unterscheidet sich hier der Fluss durch die Oberfläche und die Divergenz im Inneren oder mache ich einen schweren Fehler?

Ich will um Gottes Willen nicht die Richtigkeit des Gaußschen Integralsatzen in Frage stellen aber ich verstehe nicht was an meinen Überlagungen falsch ist.

Wie interessant und bedeutend der Satz für Mathemartik und Physik ist ist mir geläufig und ich verstehe eigentlich auch die Hitnergründe. Ich hoffe nur jemand kann mir erklären wieso ich auf etwas komme was diesem Satz widerspricht.

MfG IGnow

Hossa :smile:

Moment, du wirfst hier etwas durcheinander. Ich habe weiter oben im Therad die Divergenz der Funktion r/|r|^2 ausgerechnet. Hier verwendest du die Divergenz von r/|r|^3. Rechnen wir diese mal durch.

\vec F(\vec r)=\frac{1}{r^3}\vec r=\frac{1}{\left(x^2+y^2+z^2\right)^{3/2}}\left(x,y,z\right)

Die partielle Ableitung der ersten Komponenten nach x lautet:

\frac{\partial F_x}{\partial x}=\frac{\partial}{\partial x}\left(\frac{x}{\left(x^2+y^2+z^2\right)^{3/2}}\right)=\frac{\left(x^2+y^2+z^2\right)^{3/2}-x\cdot\frac{3}{2}\left(x^2+y^2+z^2\right)^{1/2}\cdot2x}{\left(x^2+y^2+z^2\right)^{3}}

\frac{\partial F_x}{\partial x}=\frac{r^3-3x^2r}{r^6}=\frac{1}{r^3}-\frac{3x^2}{r^5}

Analog folgt für die anderen benötigten Ableitungen:

\frac{\partial F_y}{\partial y}=\frac{1}{r^3}-\frac{3y^2}{r^5}

\frac{\partial F_z}{\partial z}=\frac{1}{r^3}-\frac{3z^2}{r^5}

Die Divergenz ist die Summe aller 3 Einzelableitungen:

\nabla\vec F=\frac{\partial F_x}{\partial x}+\frac{\partial F_y}{\partial y}+\frac{\partial F_z}{\partial z}=\left(\frac{1}{r^3}-\frac{3x^2}{r^5}\right)+\left(\frac{1}{r^3}-\frac{3y^2}{r^5}\right)+\left(\frac{1}{r^3}-\frac{3z^2}{r^5}\right)

\nabla\vec F=\frac{3}{r^3}-\frac{3x^2+3y^2+3z^2}{r^5}=\frac{3}{r^3}-\frac{3r^2}{r^5}=\frac{3}{r^3}-\frac{3}{r^3}=0

Dein Problem war also nur ein Missverständnis bzw. Rechenfehler…

Viele Grüße

Hasenfuß

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Danke :smile:

So viele Rechenfehler meinerseits, kein Wunder das ich es nicht verstanden hab! Danke für die wirklich super Erklärungen.

MfG IGnow