Geblitzt in Österreich -in Deutschland eintreiben?

Hi,

erst mal vorweg: Keine Sorge, es geht nicht um einen realen Fall, dass jemand (womöglich ich) in Österreich geblitzt worden wäre und nun überlegt wird, wie man da raus kommt. Vielmehr bin ich kürzlich zufällig auf diese Thematik gestoßen und habe nun die kontroversen Meinungen auf mich wirken lassen.

Es geht um folgende Situation: In Österreich wird häufig nur das Nummernschild „geblitzt“, was bedeutet, dass der Fahrzeugführer im Regelfall nicht identifizierbar ist. Laut einer EU-Verordnung werden seit geraumer Zeit Bußgelder aus EU-Staaten grenzübergreifend eingetrieben - hierzulande im Regelfall ab einem Bußgeldwert von 70 Euro. Soviel dazu.

Viele deutsche Fahrer fühlen sich aber in Sicherheit, wenn sie in Österreich geblitzt werden, da sie bei reinen Nummernschild-Fotos nicht zweifelsfrei identifiziert werden können und somit die Bußgeldforderung somit der Unschuldsvermutung entgegen steht, welche aufgrund dessen zurückzutreten hat.

Soweit, so gut. Ich sehe bei der ganzen Thematik jedoch aber ein anderes Problem, das die ganze Thematik eigentlich (meiner Ansicht nach) grundlegend über den Haufen wirft und zwar gilt meines Wissens nach in Österreich die Halterhaftung (anders als bei uns in Deutschland). Sprich, es ist den Österreichern grundlegend egal wer letztendlich am Steuer gesessen hat - belangt wird in erster Instanz immer der Fahrzeughalter. Exakt dieser Fahrzeughalter ist nun anhand der KFZ-Behörde zweifelsfrei durch das Foto des Nummernschilds zu ermitteln.

Prinzipiell ist der Gedankengang der „Sünder“ mit der Unschuldsvermutung ja in Ordnung, jedoch meiner Ansicht nach in dieser Thematik nicht zielführend, da sie nur greift, wenn der Fahrzeigführer ermittelt werden muss - dieser ist den Österreichern aber eigentlich egal.

Da hierzulande Bußgelder eingetrieben werden können, die in einem anderen Land rechtskräftig wurden, dürfte einer Forderung gegenüber einem Raser bzw. dem Fahrzeughalter des „Tatwerkzeugs“, dessen Nummernschild lediglich fotografiert wurde, dennoch durchsetzbar sein oder sehe ich das falsch ?

Dass hierzulande eine andere Vorgehensweise angewandt wird (Fahrzeigführer statt Fahrzeughalter) ist in dieser Angelegenheit ja unwichtig, es zählen ja in diesem Fall vorrangig die Gesetze und Verordnungen des Tatortes. Beispielsweise könnte sich ja auch kein Deutscher Autofahrer darauf berufen, wenn in Österreich die Höchtsgeschwindigkeit innerorts 30 km/h betragen würde und mit 40 km/h geblitzt wurde, dass in Deutschland das Tempolimit innerorts bei 50 km/h liegt. Ebenso kann sich ein Fahrzeughalter nicht aus der „Verantwortung stehlen“, wenn mit seinem Fahrzeug ein Geschwindigkeitsverstoß begangen wurde - ausgenommen, er hätte dies nicht zu vertreten in Form eines Diebstahls oder dergleichen. Andernfalls ist er ja zur Sorgfalt verpflichtet, was bedeutet, dass er, sofern kein unmittelbarer Fahrzeugführer ermittelt werden kann, direkter „Ansprechpartner“ der Behörden und somit auch Adressat des Bußgeldbescheides ist.

Würde mich sehr freuen, wenn jemand, der sich eventuell mit dieser Thematik etwas auskennt, sich hier zu Wort melden würde, da ich das Thema doch sehr interessant finde. Sollte ich in irgend einer Form einen Denkfehler haben, würde ich mich freuen, wenn man mich darauf hinweist :smile:

Beste Grüße

Soweit, so gut. Ich sehe bei der ganzen Thematik jedoch aber
ein anderes Problem, das die ganze Thematik eigentlich (meiner
Ansicht nach) grundlegend über den Haufen wirft und zwar gilt
meines Wissens nach in Österreich die Halterhaftung (anders
als bei uns in Deutschland). Sprich, es ist den Österreichern
grundlegend egal wer letztendlich am Steuer gesessen hat -
belangt wird in erster Instanz immer der Fahrzeughalter. Exakt
dieser Fahrzeughalter ist nun anhand der KFZ-Behörde
zweifelsfrei durch das Foto des Nummernschilds zu ermitteln.

Ich kenne das etwa anders.
Es gibt erst die Anonymverfügung an den Halter. Nach dem Motto:
Egal wer zahlt, Hauptsache es wird gezahlt.

Wenn der Halter der Anonymverfügung widerspricht, dann wird die „Lenkerermittlung“ eingeleitet.
Nach Ösi-Recht MUSS der Halter bei der Lenkerermittlung aussagen - auch gegen sich selber.
Mit deutschem Recht unvereinbar.
Daher werden sich deutsche Behörden auch weigern, eine Vollstreckung wegen Verstoß gegen den §103 Abs.2 des Ösi-Kraftfahrergesetzes durchzuführen.

_Bei österreichischen Verwaltungsverfahren wegen Verkehrverstößen wird vom Finanzamt in der Regel davon ausgegangen, dass diese Verfahren auch mit deutschen Verfassungsgrundsätzen vereinbar sind.

Eine Ausnahme ist dann gegeben, wenn eine rechtskräftige Verwaltungsstrafverfügung wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft nach § 103 Abs. 2 des österreichischen Kraftfahrgesetzes (KFG) erlassen worden ist und deren Vollstreckung beantragt wird (siehe hierzu Hinweise)._

_Ist ein Vollstreckungsersuchen einer österreichischen Behörde in Bezug auf § 103 Abs. 2 des österreichischen Kraftfahrgesetzes zu erwarten, empfiehlt es sofort beim Finanzamt vorzusprechen. Die Vollstreckung durch das Finanzamt unterbleibt nämlich nur dann, wenn der Betroffene dem Finanzamt von sich aus nachweist, dass eine Vollstreckungsabsicht wegen der Nichtbeachtung des § 103 Abs. 2 des österreichischen Kraftfahrtgesetzes vorliegt.

Es ist davon auszugehen, dass das Finanzamt in der Regel österreichische Vollstreckungsersuchen nicht im Hinblick auf die o.a. österreichische Bestimmung von sich aus überprüft und die Vollstreckung ablehnt._

Quelle:
http://www.ropf.bayern.de/leistungen/ausland/info/am…

Prinzipiell ist der Gedankengang der „Sünder“ mit der
Unschuldsvermutung ja in Ordnung, jedoch meiner Ansicht nach
in dieser Thematik nicht zielführend, da sie nur greift, wenn
der Fahrzeigführer ermittelt werden muss - dieser ist den
Österreichern aber eigentlich egal.

Bei Anonymverfügungen. Bei gravierenden Verstößen wird aber keine solche verschickt, sondern man möchte dann schon ganz gerne den „Lenker“ ermitteln.

Man sollte, wenn man jemals wieder österreichischen Boden betreten will, aber versuchen, dass man kein Verfahren wegen Missachtung des §103 Abs.2 des Kraftfahrergesetzes am Hals hat. Dass in D nicht vollstreckbar ist, ändert nichts daran, dass man in AT damit ein Problem haben kann.

Wenn ich die vielen Texte dazu richtig verstanden habe, dann empfehle ich Folgendes:
Zu nachvollziehbaren Forderungen von Verkehrsverstößen, die ICH begangen habe, stehe ich auch.
In allen anderen Fällen möge man die Anonymverfügung nicht bezahlen.
Man möge zumindest vorgeblich bei der Lenkerermittlung nach besten Kräften miktwirken, um nicht gegen diese in Deutschland verfassungwidrige Regelung zu verstoßen und beim nächsten Österreich-Urlaub ein Problem zu bekommen.

Hallo!

erst mal vorweg: Keine Sorge, es geht nicht um einen realen
Fall, dass jemand (womöglich ich) in Österreich geblitzt
worden wäre und nun überlegt wird, wie man da raus kommt.
Vielmehr bin ich kürzlich zufällig auf diese Thematik gestoßen
und habe nun die kontroversen Meinungen auf mich wirken
lassen.

Es geht um folgende Situation: In Österreich wird häufig nur
das Nummernschild „geblitzt“, was bedeutet, dass der
Fahrzeugführer im Regelfall nicht identifizierbar ist.

Das ist auslaufend, die Radargeräte werden ausgetauscht und dann wird von vorne geblitzt.

Soweit, so gut. Ich sehe bei der ganzen Thematik jedoch aber
ein anderes Problem, das die ganze Thematik eigentlich (meiner
Ansicht nach) grundlegend über den Haufen wirft und zwar gilt
meines Wissens nach in Österreich die Halterhaftung (anders
als bei uns in Deutschland).

Nein, die gilt nicht. Es gibt nur den Verstoß gegen die Lenkerauskunft als eigenes Delikt.

Prinzipiell ist der Gedankengang der „Sünder“ mit der
Unschuldsvermutung ja in Ordnung, jedoch meiner Ansicht nach
in dieser Thematik nicht zielführend, da sie nur greift, wenn
der Fahrzeigführer ermittelt werden muss - dieser ist den
Österreichern aber eigentlich egal.

Wie gesagt, ein Irrtum.

Da hierzulande Bußgelder eingetrieben werden können, die in
einem anderen Land rechtskräftig wurden, dürfte einer
Forderung gegenüber einem Raser bzw. dem Fahrzeughalter des
„Tatwerkzeugs“, dessen Nummernschild lediglich fotografiert
wurde, dennoch durchsetzbar sein oder sehe ich das falsch ?

Naja, das wurde andernorts schon geschrieben, dass die Deutschen die Vollstreckung verweigern. Aus diesem Grund muss die österreichische Polizei deutsche Lenker stets möglichst sofort anhalten, wenn der Verdacht einer Verkehrsübertretung besteht. Sonst ist die effektive Verfolgung nicht möglich.

Beispielsweise könnte sich ja auch kein Deutscher Autofahrer
darauf berufen, wenn in Österreich die Höchtsgeschwindigkeit
innerorts 30 km/h betragen würde und mit 40 km/h geblitzt
wurde, dass in Deutschland das Tempolimit innerorts bei 50
km/h liegt.

Richtig, wobei man dazu sagen muss, dass es leider häufig vorkommt, dass sich deutsche Lenker beschweren, wenn sie auf der Autobahn geblitzt werden, mit der Begründung, dass es das in Deutschland nicht gebe und deshalb überall anders auch so zu sein habe, widrigenfalls sie sich wahnsinnig diskriminiert fühlen… diesen Blödsinn liest man jedes Jahr in Leserbriefen deutscher Touristen in östererichischen Zeitungen.

Würde mich sehr freuen, wenn jemand, der sich eventuell mit
dieser Thematik etwas auskennt, sich hier zu Wort melden
würde, da ich das Thema doch sehr interessant finde. Sollte
ich in irgend einer Form einen Denkfehler haben, würde ich
mich freuen, wenn man mich darauf hinweist :smile:

In Österreich ist die Regelung im Übrigen nur deswegen nicht verfassungswidrig, weil sie im Verfassungsrang steht. Der VfGH hat sie nämlich schon einmal aufgehoben.

Allerdings sieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keinen Verstoß gegen das Selbstbelastungsverbot, wenn man zur Angabe des Lenkers verpflichtet ist.

Gruß
Tom

Hi,

vielen Dank für deine Ausführungen. Damit sind meine Zweifel beseitigt.
Dann hatte ich falsche Informationen bzw. Vorstellungen bzgl. der Reglungen in Österreich.

Wieder etwas schlauer :smile:

Beste Grüße