Gedankenexperiment: Aussprache entschlüsseln

Hallo,
Hier ein – wie ich finde – extrem interessantes Gedankenexperiment.

Neulich haben ein paar verrückte Linguistenfreunde und ich auf einer langen Zugfahrt überlegt, wie einfach es ist, die Aussprache der Buchstaben eines unbekannten Alphabetes zu entschlüsseln.

Dabei haben wir folgende fiktive/dystopische Situation konstruiert:
In einigen Jahren geht die Menschheit an einer Epidemie oder ähnlichen Katastrophe zugrunde, verdummt völlig oder ähnliches. Jahrhunderte bis Jahrtausende später entwickelt sich aus einigen Menschen wieder eine neue Zivilisation und entdeckt alte Schriftdenkmäler z.B. auf Grabsteinen, in alten noch vorhandenen Büchern, auf Plastiktafeln oder Metallschildern. Es ist jedenfalls noch genug da.
Aber es gibt folgende Voraussetzungen:

  • die Sprache der neuen Menschen ist völlig neu und unverwandt mit den heutigen Sprachen auf der Erde, unterliegt aber noch den Sprachuniversalien (hat Vokale und Konsonanten, ist eine Lautsprache, etc.)
  • die Zivilisation ist ähnlich fortgeschritten wie wir, besitzt Kenntnisse über Linguistik und Sprachen, aber eben nicht über eine der heutigen Sprachen
  • Werke über Linguistik, sowie Tonaufnahmen oder Beschreibungen, wie man die einzelnen Buchstaben auszusprechen hat oder Bilder mit Mundform & Zungenstellung zu den einzelnen Lauten existieren nicht mehr

Ist es dann noch möglich für das Neue Volk, die Aussprache einer heutigen Sprache zu rekonstruieren?
Dabei muss man sagen, die grobe, ungefähre Aussprache. Vielleicht bei einer Sprache wie Spanisch oder Finnisch, wo Aussprache und Schreibweise nah zusammenliegen. Englisch, Dänisch oder Irisch wär dann nochmal ein Zacken schwerer, da können die Leute sich später noch die Zähne ausbeißen. Der Einfachheit halber konzentrieren die Leute bzw. wir uns erstmal nur aufs lateinische Alphabet!


Hier unsere Vorüberlegungen:

Wir dachten uns, egal was für eine Schrift das Neue Volk benutzt, sie werden recht schnell rausfinden, dass wir (wir haben erstmal nur über die Europäer nachgedacht) eine Alphabetschrift benutzen, selbst wenn sie selbst so etwas nicht kennen. Die Anzahl der Zeichen macht das deutlich.
Durch Vergleiche von Texten finden die Leute dann auch raus, dass die meisten Sprachen am Satzanfang das erste Zeichen etwas anders schreiben und auch im Satz einige Wörter mit diesen Sonderformen beginnen. Eine 1:1-Entsprechung zwischen den meist kleineren und den meist größeren Zeichen wird sehr schnell gefunden werden. Die Vermutung liegt nahe, dass im Satz die „großgeschriebenen“ Wörter Namen von Personen, Plätzen oder Göttern sein könnten. Die Linguisten von später werden auch leicht die einzelnen Sprachen unterscheiden können und Quellen sammeln und feststellen, im Deutschen schreibt man noch viel mehr groß, evtl. also eine bestimmte Wortart…

Durch Vergleiche von vielen vielen Texten zu der Referenzobjekten oder zu Piktogrammen kann über längere Zeit hinweg auch die Bedeutung vieler Wörter in einigen der Sprachen herausgefunden werden, erstmal so „Ausgang“, „Eingang“, „Rauchen verboten!“ und so weiter, später über den Kontext vielleicht auch mehr. Schließlich sogar fast alle Wörter.

Aber kann man herausfinden, dass das „A“ bzw. das „a“ in „Ausgang“ für jenen Vokal steht, den wir benutzen? Oder dass das „s“ eben einen Zischlaut bezeichnet?

Ich denke, gute Linguisten können über mehrere Theorien hinweg die Idee entwickeln, dass aeiou für Vokale und der Rest für Konsonanten stehen muss. Die allermeisten Sprachen (alle?) haben heute viel mehr Konsonanten als Vokale. Die Annahme dürfte auch für spätere Sprachen gelten. Findige Neuvolk-Linguisten können also z.B. bei der Analyse des Italienischen herausfinden, das praktisch jedes Wort mit einem der 5 Zeichen aeiou endet, aber mit beinahe jedem Zeichen anfangen kann. Statistisch gesehen (und weil es phonotaktisch sinnvoller erscheinen wird) werden sie also schlussfolgern, dass aeiou unsere Vokale und der Rest Konsonanten sind. Ein großer Schritt! Silbentrennung und ähnliches könnte dabei helfen, Silben voneinander zu unterscheiden, das kann auch hilfreich sein.

Aber können sie auch herausfinden, wie welcher Vokal und welcher Konsonant ausgesprochen wurde? Da sind wir nämlich nicht weitergekommen…

  • Mit Buchstabenhäufigkeit kommt man nicht weiter. Im Deutschen ist „e“ zwar der häufigste Vokal, in anderen Sprachen aber nicht.
  • Eventuell helfen übersetzte Texte, wo z.B. das K der einen Sprache dem C der anderen entspricht. Diese Laute *könnten* also gleich sein. Auch das, was in der einen Sprache SH geschrieben wird, ist in der anderen Sprache SCH und in einer dritten Ŝ oder sowas. Dadurch kann man schließen, dass S und SH/SCH/Ŝ vielleicht ähnliche Laute darstellen, vllt. ist letzteres also die palatalisierte, labialisierte Variante oder sowas…
  • Leider haben wir kaum Wörter, die so onomatopoetisch sind, dass man sofort auf einen Laut kommen könnte. Mit größtem Bedenken kamen wir maximal auf auf „miau“ und „muh“, die laute der Katze und der Kuh, die wohl in sehr vielen Sprachen mit „m“ beginnen, eventuell auch beim Neuen Volk. „Miau“ fängt in einigen Sprachen aber auch mit „n“ an; wenigstens können die Linguisten aber davon ausgehen, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Nasal handelt. Aber andere Tierlaute („wau“ vs. „gaf“; „mäh“ vs. „baa“) helfen kaum.
  • Es gibt die sogenannte Sonoritätshierarchie, die erklärt warum z.B. Silben gerne mal mit „-nt“ aufhören können, aber seltenst mit „-tn“. Das trifft auf viele Sprachen zu, aber nicht auf alle, und auch innersprachlich gibt’s da Ausnahmen. Aber so eine Skala könnte eine kleine Hilfe bieten, einige Laute voneinander zu unterscheiden… aber reicht das? Ich denke fast nicht…
  • Über Gedichte können Reime gefunden werden (ich denke, dieses Konzept ist leicht ersichtlich und existiert womöglich auch beim Neuen Volk)… man sieht dort z.B. welche Laute gleich klingen, z.B. „“

Ich möchte euch daher um Ideen bitten, selbst wenn sie nur „laut gedacht“ sind. Ich suche keine ultimative Lösung, nur eine Idee, wie man einige Laute herausfinden kann. Wir sind uns nämlich nicht sicher, ob das überhaupt möglich ist. Ich will mich aber nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass das unmöglich sein soll…

Das Neue Volk ist jetzt also soweit, dass es die Bedeutung der meisten Wörter kennt, sowie die Endungen (z.B. Plural, 1. Person Singular, Imperativ, Genitiv usw.) in vielen der europäischen Sprachen erkannt hat. Übersetzungen sind daher (sicher mit Abstrichen) möglich. Aber es existiert noch keine Aussprache für die Schriftzeichen… Vokale und Konsonanten sind identifiziert, ebenso die typischen Silbenstrukturen. Einige Lautentsprechungen existieren, z.B. K=C (in einigen Sprachen bzw. zwischen einigen Sprachen). In manchen Sprachen (z.B. Deutsch) tritt C nur vor H oder K auf… kleine Hinweise.
Lassen die sich irgendwie zu einem großen Ganzen zusammenpuzzeln? Wer hat noch Ideen?

Vielen Dank im Voraus für Eingebungen!
Wie gesagt, es ist nur ein spannendes Gedankenexperiment, keine Hausaufgabe oder sonstwas. Die Sache bereitet mir schlaflose Nächte. :wink:

Liebe Grüße,

  • André

Hi,

interessante Sache das!

Gegenfrage:
Wissen wir, wie Altägyptisch gesprochen wurde?
Oder Linear A?

Die sind doch einigermaßen bekannt.

So meine Gedanken als Nichtlinguist.

Gandalf

Gegenfrage:
Wissen wir, wie Altägyptisch gesprochen wurde?
Oder Linear A?

Die sind doch einigermaßen bekannt.

Naja, nicht wirklich. Beim Altägyptischen bzw. Mittelägyptischen kennen wir nur grob die Aussprache der Konsonanten, nicht aber der Vokale, so heißt „schön“ zum Beispiel in der Transliteration nfr, wir wissen aber nicht, ob es „nafir“, „enfer“, „niffir“, „nofre“ oder sonstwie gesprochen wurde, da Vokale nicht mitgeschrieben wurden. Übers heutige Koptische und ein wenig über die rekonstruierte Aussprache alter (entfernt) verwandter Sprachen wie dem Akkadischen oder dem Hebräischen, Aramäischen oder Arabischen kann man etwas auf die Vokale schließen, aber das ist extrem schwer.

Und wir kennen die Konsonanten auch nur, weil es einige mehrsprachige Platten gab, so konnten die griechischen Namen von Ptolemäus und Kleopatra in Texten identifiziert und über Vergleiche die ersten paar Konsonanten entschlüsselt werden.
Aber das ist mir noch zu einfach. Ich würde gerne wissen, ob man es auch ohne Übersetzungen in bekannte Sprachen schafft.

Über Linear A musste ich mich grad noch mal belesen. Also mit Linear B wurde ein griechischer Dialekt transkribiert, den man ganz gut kannte. Linear A scheint noch ein Rätsel zu sein. Benutzt man die Zeichen, die man aus Linear B kennt, erscheint’s wie eine uns noch völlig unbekannte Sprache (Minoisch), was gut sein kann.

Ich habe vorhin noch mit einem Freund geredet, der mich an Vokalharmonie (z.B. im Finnischen, Ungarischen und Türkischen) erinnerte. So könnte man sehen, welche Vokale eine natürliche Klasse bilden, weil z.B. im Türkischen „e“ und „a“ sehr selten in einem Wort vorkommen, und gerade bei Endungen einige Laute miteinander korrespondieren (-lar/-ler). Da wären wir wieder ein Stück näher. Eventuell ließe sich rausfinden, welche der natürlichen Klassen (z.B. aou - ie) die vorderen und welches die hinteren Vokale sind. Vielleicht über den Vergleich von Umlauten und verwandten Sprachen…

So weit ist mein fiktives Volk also erstmal. :wink:

  • André

Hallo André,

also ich weiß ja nicht. Wo soll die Menschheit denn leben während dieser Phase, in der sie „völlig verdummt“ ist (durch die Krankheit)? Auf einer zweiten Erde? Denn auf dieser hier folgen einem Schrift und Sprache wirklich auf Schritt und Tritt. Sogar mitten im Wald findet man noch weggeworfene Bonbonpapiere, Schilder wie „Tegernsee“, „Hier ist kein Hundeklo!“ oder „Wildtollwut - Gefährdeter Bezirk“.

Einen sprachfreien Raum gibt es also praktisch nicht mehr.

Aber nur mal angenommen, es funktioniert tatsächlich, dass irgendwo Menschen überleben, ohne mit Schrift und Sprache in Berührung zu kommen. Vielleicht kommen ja die Yanomami mitten im Urwald besser mit der Krankheit klar, werden nur dumm während alle anderen aussterben.

Und da stellt sich schon die erste Frage: Warum sollten die Menschen, die überlebt haben, ihren Lebensraum verlassen und eine „neue Zivilisation“ aufbauen. Oder anders gesagt: Warum verlassen die Yanomami plötzlich ihren Urwald?

Aber ok, sie tun das. Und finden alles mögliche an schriftlichem Material, nur keine Bücher über Linguistik. Warum finden sie diese nicht? Zumindest einfache Wörterbücher und Sprachlehrbücher sind so weit verbreitet, dass ich es für sehr unwahrscheinlich halte, dass sie so etwas nicht finden. In dem Flughafen oder Bahnhof, wo sie deine Schilder „Eingang“, „Ausgang“, „Rauchen verboten!“ finden, gibt es aicher auch eine Buchhandlung, die unter anderem Wörterbücher und Sprachführer hat.

Und da ist noch ein zweiter Punkt. Ok, man soll Kassetten/Videos/DVDs/Filme nicht so lange lagern. Man KANN das aber tun. Dann funktioniert halt von hundert DVDs vielleicht nur noch eine. Und schon kann man sich einen Film mit Untertiteln ansehen. … Richtige Filme (also so auf Zelluloid) sind noch langlebiger. Ich habe da letztes Jahr etliche Wochenschauen aus den 1930er/40er Jahren ohne jeden Qualitätsverlust gesehen. Ein entsprechendes Abspielgerät vorausgesetzt, sollten sich einige Filmfragmente auch noch in 1000 Jahren abspielen lassen. Die Tonspur ist direkt im Bildinhalt integriert (und daher im Prinzip unzerstörbar), siehe hier unter „Lichtton“: http://de.wikipedia.org/wiki/Tonfilm

Also kurz gesagt: Durch die enorme Menge an verbreitetem Sprachmaterial (Bücher, Videos, DVDs, Filme, Aufschriften) wird auch relativ viel erhalten bleiben. … Bei den alten Ägyptern war das noch anders, da hatte sicher nicht jeder Haushalt eine Ansammlung von Hieroglyphenschriften zu Hause.

Schöne Grüße

Petra

Ich könnte mir vorstellen, dass Gedichte/Reime eine Hilfe wären.

Gruß

Ff.

Hallo André,

Hallo Petra,
Es ist ja auch ein linguistisches Gedankenexperiment. Kein anthropologisches und ich möchte auch keinen Science-Fiction-Roman über die Sache schreiben. Was nun genau passiert, damit die Ausgangssituation geschaffen wird, ist eigentlich völlig irrelevant. Ich hätte auch schreiben können, Aliens kommen auf die Erde und die Menschheit ist schon tot, aber dann käme (und kam bereits) das Argument, die Außerirdischen haben vielleicht eine völlig andere Physiologie und Kultur. Das würde die Sache mit der Aussprache erheblich erschweren. Deshalb bin ich von einem Menschenvolk mit ähnlicher Zivilisation und zwangsläufig menschenmöglicher Sprache ausgegangen, die trotzdem linguistisch nicht mit unseren heutigen Sprachen verwandt sind.
Daher musste ich eine Vorgeschichte erspinnen, die diese Präsuppositionen erzeugt. Dass das nicht ganz plausibel ist, ist mir klar, aber es ist für meine eigentliche Fragestellung nicht wichtig.

Aber ok, sie tun das. Und finden alles mögliche an
schriftlichem Material, nur keine Bücher über Linguistik.
Warum finden sie diese nicht? Zumindest einfache Wörterbücher
und Sprachlehrbücher sind so weit verbreitet, dass ich es für
sehr unwahrscheinlich halte, dass sie so etwas nicht finden.
In dem Flughafen oder Bahnhof, wo sie deine Schilder
„Eingang“, „Ausgang“, „Rauchen verboten!“ finden, gibt es
aicher auch eine Buchhandlung, die unter anderem Wörterbücher
und Sprachführer hat.

Klar. Gäbe es. Aber dann wäre die ganze Frage ziemlich sinnlos, denn dann kann man sie einfach beantworten mit: „Sie finden eine IPA-Tabelle, ein Phonetik-Buch und einige Wörterbücher mit Lautschrift drin.“
Deswegen ist es auch ein Gedankenexperiment, keine realistische Geschichte. Ich (bzw. wir) versetze(n) mich/uns quasi in die Lage, als Linguist(en) mehrere völlig unbekannte Sprachen unserer Spezies zu erforschen, in der es keine metalinguistischen Hilfen gibt, ich/wir aber trotzdem herausfinden muss/müssen, wie diese Sprachen (oder wenigstens ein paar davon) ausgesprochen wurden.

Und da ist noch ein zweiter Punkt. Ok, man soll
Kassetten/Videos/DVDs/Filme nicht so lange lagern. Man KANN
das aber tun.

Du denkst zu realistisch. :wink:
Du kannst auch damit kommen, dass sich eine Zivilisation doch über Jahrtausende entwickelt und es dann kaum noch Bücher gibt, die man sich angucken kann und all sowas. Aber wie gesagt… es ist eine linguistische Frage und es geht mir nur darum, ob es von der Methodik möglich ist, die Aussprache ohne metalinguistische Funde zu entschlüsseln.

Die Voraussetzungen sind einfach:

  • es sind Menschen
  • sie sprechen eine menschenmögliche Sprache (oder auch mehrere), die es auf der Erde aber nicht gibt
  • sie haben eine moderne Linguist entwickelt
  • es gibt genügend Textdokumente
  • es gibt aber keine Text über die Sprache selbst

Das ist die Situation. Wie es dazu kam, ist ganz egal. Können die Linguisten jenes neuen Zeitalters die Aussprache also entschlüsseln? Ein bisschen sind wir schon darauf gekommen, dass Vokale und Konsonanten unterschieden werden können. Die Entdeckung von Umlauten in den germanischen Sprachen und Vokalharmonie bei Finnisch, Ungarisch und Türkisch könnte dabei helfen, die Vokal in vordere und hintere einzuteilen…
Ich frage mich halt, wie die weiteren Schritte wären und wie man vorgehen könnte, das gesamte Alphabet und seine Aussprache zu entziffern. Das ist bei Englisch und Dänisch und Irisch und evtl. auch Französisch vielleicht unmöglich aufgrund der haarsträubenden Orthographie, aber es geht mir nur ums Allgemeine. Können die Leute irgendwann rausfinden, dass A ein /a/-Laut darstellte, R irgendeinen /r/-Laut usw.?

Gruß,

  • André

P.S.: Ein Freund von mir hat gestern gemeint, die Leute sehen die Sprachen Europas, sehen dass wir etwa 30 Buchstaben haben und schließen, dass wir etwa 30 Phoneme besitzen (eine ganz plausible Zahl). Dann sehen sie Kyrillisch und Griechisch und merken, auch dort könnte die Zahl ähnlich sein. Danach kommen sie weiter nach Osten und sehen die chinesische Schrift und wundern sich, ob das vielleicht eine komplett andere Spezies war, die tausende von Phonemen besaß! :smiley:

Ich könnte mir vorstellen, dass Gedichte/Reime eine Hilfe
wären.

Danke!
Ja, die Idee hatten wir auch. Das hat bei der Rekonstruktion der klassischen chinesischen Aussprache damals sehr geholfen. Ich schrieb im Eingangstext z.B. auch:

  • Über Gedichte können Reime gefunden werden (ich denke, dieses Konzept ist leicht ersichtlich und existiert womöglich auch beim Neuen Volk)… man sieht dort z.B. welche Laute gleich klingen, z.B. „“

Irgendwie schien ich da übernächtigt, verwirrt oder einfach nur mit was anderem beschäftigt gewesen zu sein, es fehlt das Beispiel und der Satz ist auch unvollständig, hehe…

Aber ja, man kann dort im Deutschen die Auslautverhärtung vermuten, weil z.B. sich „Tod“ auf „rot“ reimt. Da weiß man, gut, T und D sind ähnliche Laute, die sich womöglich in ihrer Stimmhaftigkeit unterscheiden und am Silben- oder Wortende klingen diese gleich. Da weiß man leider aber noch nicht, dass beides dentale/alveolare Plosive sind und welches der beiden stimmlos bzw. stimmhaft ist.

Da fällt mir Türkisch ein, wo die Auslautverhärtung am Wortende tatsächlich mitgeschrieben wird. Darüber kann man vielleicht herausfinden, welche Konsonanten bei solchen Paaren stimmhaft und welche stimmlos sind. Hm, wieder ein Schritt weiter.

Liebe Grüße,

  • André

Hallo André,

Reime als Schlüssel sind vielleicht eine Möglichkeit, awwa do kamma aach an e verbochene Schlissel gerade, wie dem Goethe sei hessisch Babbelreim

Ach neige,
Du Schmerzensreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Not!

Ach ja, die Jugend,
Nach Reimen suchend
Sitzt manchmal halt im falschen Boot!

Grüße
Pit

P.S.: Eine schöne Frage übrigens. So lange Fragen lese ich nie, aber Deine habe ich mir ganz reingezogen. Eine Idee, oder gar ein Geistesfunke, ist bisher nicht aufgeblitzt.

Hallo André,

was für eine interessante Frage! Damit hast Du mir jetzt einen Flo ins Ohr gesetzt :wink:

Ich bin leider nicht vom Fach und kann daher nichts Schlaues zur Entwicklung der Antwort beitragen. Aber Dein/Euer Experiment beschäftigt mich, da ich mich auch schon gefragt hatte ob wir z.B. die Aussprache der lateinischen Sprache überhaupt richtig nachvollziehen können (obwohl wir ja in dem Fall viel mehr Faktoren einbeziehen können als in dem Gedankenspiel).

Als Laie kam mir spontan folgendes in den Sinn:
was wäre, wenn diese heutige Zivilisation Notenblätter fände, die Liedtexte unterhalb der Noten beinhalten? Wie z.B. Gesangsbücher.
Die Notenschrift ist ja schließlich auch nur eine Schrift und es dürfte sich relativ schnell herausstellen, daß sie eine Art Universalsprache darstellt. Liegen nun vielleicht mehrere solcher Gesangsbücher vor in unterschiedlichen Liedtext-Sprachen, könnte dann nicht die Notenschrift als eine Art Lautübersetzer fungieren?
Wie gesagt, das ist nur die Idee eines Laien: ich kann gerade mal so die einfachsten Noten lesen und habe keien Ahnung von Linguistik! Ich dachte nur, wenn man darauf käme, daß Noten Klangfolgen darstellen, dann könnte man eine bestimmte Notenabfolge bestimmt mit der dazugehörigen Textstelle bzw. Wort oder Buchstaben „synchronisieren“ und bestimmte Laute ausschließen oder eben verifizieren. Zu bestimmten Tonabfolgen passen gewisse Laute eben manchmal nicht! Und da Du von Deinem Gedankenexperiment von einer menschlichen Zivilisation ausgehst ist davon auszugehen, daß diese „neuen“ Menschen die Anzahl der von Menschen erzeugbaren Laute mit der „alten“ Zivilisatzion gemeinsam haben.

Sorry für den langen Text, war nur eine Idee (hoffentlich einigermaßen verständlich, was ich meinte)…

Hallo André,

was für eine interessante Frage! Damit hast Du mir jetzt einen
Flo ins Ohr gesetzt :wink:

Ich bin leider nicht vom Fach und kann daher nichts Schlaues
zur Entwicklung der Antwort beitragen. Aber Dein/Euer
Experiment beschäftigt mich, da ich mich auch schon gefragt
hatte ob wir z.B. die Aussprache der lateinischen Sprache
überhaupt richtig nachvollziehen können (obwohl wir ja in dem
Fall viel mehr Faktoren einbeziehen können als in dem
Gedankenspiel).

Hallo!
Danke für den Einfall. An Musik und Noten habe ich wirklich noch nicht gedacht.
Aber wenn die Leute aus der Zeit dann alte Lieder finden mit Noten und Texten, naja… ich weiß nicht, so viel lässt sich da an Sprachlichem nicht herausfinden, die Noten geben ja nur irgendwie die Länge und Tonhöhe der Melodie an, sagen aber an sich nichts über die Aussprache des Textes aus.

Aber das bringt mich zumindest auf den Gedanken, dass man so vielleicht irgendwie darauf kommen könnte, was die jeweils betonten Silben der Wörter sind. Da bin ich mir nicht ganz sicher, ob das geht, aber ich stell es mir vor.)

Die Notenschrift ist ja schließlich auch nur eine Schrift und
es dürfte sich relativ schnell herausstellen, daß sie eine Art
Universalsprache darstellt. Liegen nun vielleicht mehrere
solcher Gesangsbücher vor in unterschiedlichen
Liedtext-Sprachen, könnte dann nicht die Notenschrift als eine
Art Lautübersetzer fungieren?

Naja, Musik ist keine Sprache, sie enthält keine Informationen im engeren Sinne. Und leider auch keine Informationen über die Aussprache. Daher kann man ja auf eine beliebige Melodie mehrere Texte singen (in mehreren Sprachen auch). Z.B. kann man die Melodien und Texte der BRD-Hymne, der DDR-Hymne und der Ode „An die Freude“ beliebig austauschen. Aber die Melodie kann etwas über den Takt/Rhythmus des Liedtextes aussagen, woraus sich evtl. auf die Betonung der Silben schließen lässt. Wage ich mal zu vermuten…

Und da Du von Deinem
Gedankenexperiment von einer menschlichen Zivilisation
ausgehst ist davon auszugehen, daß diese „neuen“ Menschen die
Anzahl der von Menschen erzeugbaren Laute mit der „alten“
Zivilisatzion gemeinsam haben.

Das ist auf alle Fälle ein wichtiger Punkt, weswegen ich keine „Aliens“ einbezogen habe. Die möglichen Sprachlaute der neuen Menschen sind mit den unsrigen identisch und auch die Gehirne sind gleich aufgebaut.

Sorry für den langen Text, war nur eine Idee (hoffentlich
einigermaßen verständlich, was ich meinte)…

Kein Problem, mein Text war viiieeel länger. Wenn dir noch was einfällt, nur zu! :smile:

Gruß,

  • André

Hallo André,

… die Noten geben ja nur
irgendwie die Länge und Tonhöhe der Melodie an, sagen aber an
sich nichts über die Aussprache des Textes aus.

Aber das bringt mich zumindest auf den Gedanken, dass man so
vielleicht irgendwie darauf kommen könnte, was die jeweils
betonten Silben der Wörter sind. Da bin ich mir nicht ganz
sicher, ob das geht, aber ich stell es mir vor.)

Ich denke schon, daß man Noten quasi als eine „Weltsprache“ bezeichnen könnte, länderunabhängig ist diese Schrift verständlich und sprachenunabhängig reproduzierbar und verständlich. Wenn es gelingt, das zu erkennen und das es sich um Klangfolgen handelt, hat man mit Gesangsbüchern ein „Instrument“ (haha, wie passend) in der Hand, als hätte man quasi ein und dasselbe Buch mehrsprachig zur Verfügung. Das wäre der Ausgangspunkt.

Naja, Musik ist keine Sprache, sie enthält keine Informationen
im engeren Sinne. Und leider auch keine Informationen über die
Aussprache. Daher kann man ja auf eine beliebige Melodie
mehrere Texte singen (in mehreren Sprachen auch). Z.B. kann
man die Melodien und Texte der BRD-Hymne, der DDR-Hymne und
der Ode „An die Freude“ beliebig austauschen. Aber die Melodie
kann etwas über den Takt/Rhythmus des Liedtextes aussagen,
woraus sich evtl. auf die Betonung der Silben schließen lässt.

Genau! Aber Einspruch bei der Beliebigkeit und Austauschbarkeit der Textinhalte. Nehmen wir mal ein einfaches Kirchenlied, z.B. das Halleluja - ich glaube, daß man anhand solcher Stellen auf jedem Fall darauf stoßen müßte, welche Buchstaben nur Vokale sein können, wenn man sie entlang der zugehörigen Klangharmonie probiert. So kann einem langgezogenen Endton niemals ein „harter“ Buchstabenklang bzw. Sprachlaut wie ein „R“ oder ein „K“ zugeordnet werden, das ist aussprachetechnisch nicht möglich.

Wie es von da aus weitergeht weiß ich auch nicht?! Ich bin aber sicher daß es nur so überhaupt möglich ist, wenn die „Forscher“ (wie bei einer Decodierung etwa) mehrere extrem unterschiedliche Sprachen in Schriftform nach physiognomisch erzeugbaren Lautabfolgen gegeneinander abgleichen.

Als Ungarisch-Sprecher sehe ich auch große Probleme in der Tatsache, daß z.B. die ungarische Sprache mehrere Buchstaben zu einem Laut zusammenfasst. Diese Kombinationen existieren z.B. im Deutschen nicht natürlicherweise… (z.B. gy, ny, zs usw.)

Aber auf jeden Fall glaube ich, daß es kein Problem sein dürfte, Vokale den richtigen Lauten zuzuordnen. Und sei es am Ende sogar durch die simple Comicsprache; Stichwort illustration der Mundstellung + zugehöriger Lautäußerung in der zugehörigen Sprechblase.

Ich denke schon, daß man Noten quasi als eine „Weltsprache“
bezeichnen könnte, länderunabhängig ist diese Schrift
verständlich und sprachenunabhängig reproduzierbar und
verständlich.

Hmm, jein. :smile:
Also ich kenn mich nicht mit der Geschichte unserer Noten aus, aber es gibt auch andere Darstellungsformen, z.B. wird in China meist mit einfachen Ziffern gearbeitet, z.B. halt 3-2-1-2-355 und so, weiß nicht wie genau das ist (vermutlich muss man die Melodie kennen, dazu). Früher hat man in China für ein bestimmtes Instrument (guqin, eine Art Zither) eigene Zeichen kreiert, die wie die chinesische Schrift aussehen, aber anzeigen, mit welchem Finger man auf welche Weise welche Saite „bespielen“ soll. Es gab früher ja auch ganz andere Noten noch… inzwischen dürften „unsere“ Noten doch über den gesamten Erdball verbreitet sein und auch die meisten Nichtmusiker wissen, wie man die Noten lesen muss, ohne dass sie sie spielen können. Ich muss auch immer die Zeilen zählen um rauszufinden, dass eine Note z.B. ein F ist.
Aber… damit hat man ja nur ein Mittel um Melodie für jeden verständlich darzustellen. Insofern kann man unsere heutigen Noten als „Weltsprache“ für Melodien bezeichnen. Aber leider ist Musik eben keine Sprache, mit Musik (und damit meine ich gesangslose Melodie) kann man keine Informationen vermitteln. Du kannst mit Musik zwar Emotionen zu vermitteln versuchen, aber das klappt nicht bei jedem, und noch nicht mal für alle Gefühle. Zudem kann noch nicht einmal ein einfacher Satz wie „Ich möchte dieses Buch kaufen.“ mit Musik darstellen. Daher ist Musik leider keine Sprache…

Wenn es gelingt, das zu erkennen und das es sich
um Klangfolgen handelt, hat man mit Gesangsbüchern ein
„Instrument“ (haha, wie passend) in der Hand, als hätte man
quasi ein und dasselbe Buch mehrsprachig zur Verfügung. Das
wäre der Ausgangspunkt.

Naja. Was hätte man damit erreicht? Ich denke, es wäre für das fiktive Volk durchaus möglich, unsere Notenschrift zu entschlüsseln und unsere Lieder nachzuspielen. Das wäre eine tolle Leistung. Aber in Bezug auf die Aussprache unserer Sprache(n) wären sie keinen Schritt weiter. Melodie ist von Text leider ziemlich unabhängig. Ich kann auf einem Fis jede beliebige Silbe singen. Die Höhe der Note sagt leider nichts über die Qualität der Vokale und Konsonanten aus, die dann unter der Notenzeile geschrieben stehen.
Was man dort gut sieht, ist die Silbentrennung, das ist auch schon mal hilfreich. Und wenn man einzelne Takte mit den Texten vergleicht, kann das möglicherweise Aufschluss auf die betonten Silben geben. Und das kann auch sehr hilfreich sein für die Aussprache. Im Deutschen gibt es den Laut [ə] (wie das „e“ in „Bitte“) nämlich nur in unbetonten Silben. Leider muss man aber erstmal rausfinden, wie man dieses seltsame Schriftzeichen „e“ bzw. „E“ ausspricht. :confused:

Naja, Musik ist keine Sprache, sie enthält keine Informationen
im engeren Sinne. Und leider auch keine Informationen über die
Aussprache. Daher kann man ja auf eine beliebige Melodie
mehrere Texte singen (in mehreren Sprachen auch). Z.B. kann
man die Melodien und Texte der BRD-Hymne, der DDR-Hymne und
der Ode „An die Freude“ beliebig austauschen. Aber die Melodie
kann etwas über den Takt/Rhythmus des Liedtextes aussagen,
woraus sich evtl. auf die Betonung der Silben schließen lässt.

Genau! Aber Einspruch bei der Beliebigkeit und
Austauschbarkeit der Textinhalte. Nehmen wir mal ein einfaches
Kirchenlied, z.B. das Halleluja - ich glaube, daß man anhand
solcher Stellen auf jedem Fall darauf stoßen müßte, welche
Buchstaben nur Vokale sein können, wenn man sie entlang der
zugehörigen Klangharmonie probiert.

Achsooo! Eventuell habe ich dich missverstanden. Ja, ich denke, Lieder mit Texten können noch einmal zeigen, wo die Vokale im Text sind. Und *vielleicht* (da bin ich mir unsicher) können solche Vergleiche zeigen, wo welche Vokale lang und welche kurz sind.

Aber statt „Halleluja“ (die Leute sehen ja nur ihnen unbekannte Zeichen unter den Noten) könnte man genauso auch „Pittutaki“ singen, oder „Rommemito“ oder jede beliebige Folge von Konsonanten und Vokalen mit dem gleichen Muster.

So kann einem
langgezogenen Endton niemals ein „harter“ Buchstabenklang bzw.
Sprachlaut wie ein „R“ oder ein „K“ zugeordnet werden, das ist
aussprachetechnisch nicht möglich.

Ja, darauf könnte man kommen. Es könnte auch kein kurzer unbetonter Vokal sein, glaube ich… eventuell sieht man so, dass in irgendeinem Lied ein langer Ton am Zeilenende nicht (oder vermutlich nur sehr selten) mit diesem kurzen [ə] endet, also „Bittääääää“ wäre unwahrscheinlich. Da kann man annehmen, das in solchen Fällen die entsprechenden Vokale auch lang sind.
Und ja, da hast du sicher auch recht, ein langer Notenton wird auch keiner Silbe wie „Dreck“ (kurz und mit einem harten, abrupten Konsonanten) entsprechen. Das ist echt keine schlechte Idee. Aber auch hier muss man aufpassen: eine lange Note kann auf einen harten Buchstaben/Laut wie „K“, „T“ oder „P“ enden, wenn der Vokal davor lang ist, dann kann man diesen Vokal beliebig strecken und am Ende den Konsonanten anfügen, das klappt mit dem Wort „Tag“ (in Lautschrift: [ta:k]) ganz gut. Hier sähe man nicht, ob das Zeichen „K“ nun einen harten Konsonanten [k,t,p] oder einen weichen Konsonanten [m,n,l] darstellt.
Bei „Hal-le-lu-ja“ wird man sehen (man kennt ja schon die Vokale), dass am Ende das „A“ wohl lang ist. Aber das heißt nicht, dass ein „A“ immer ein langer Vokal sein muss…

Hmm… ich finde den Ansatz interessant und muss mal drüber nachdenken, ob man aus Notenblättern mit Text eventuell mehr als „nur“ lange Silben erkennen kann.

Wie es von da aus weitergeht weiß ich auch nicht?! Ich bin
aber sicher daß es nur so überhaupt möglich ist, wenn die
„Forscher“ (wie bei einer Decodierung etwa) mehrere extrem
unterschiedliche Sprachen in Schriftform nach physiognomisch
erzeugbaren Lautabfolgen gegeneinander abgleichen.

Als Ungarisch-Sprecher sehe ich auch große Probleme in der
Tatsache, daß z.B. die ungarische Sprache mehrere Buchstaben
zu einem Laut zusammenfasst. Diese Kombinationen existieren
z.B. im Deutschen nicht natürlicherweise… (z.B. gy, ny, zs
usw.)

Das stimmt. Oder auch das deutsche „sch“ oder „eu“ (letzteres wird ja nicht wie e+u, sondern eher wie o+i oder o+ü gesprochen). Und stell dir mal Englisch vor… ich halte es für fast unmöglich, darauf zu kommen, dass man das „gh“ in „night“ überhaupt gar nicht ausspricht. Deswegen dachte ich, wär’s erstmal einfacher, bei relativ phonetischen Schriften zu bleiben, wie etwa Spanisch, Finnisch…

Aber auf jeden Fall glaube ich, daß es kein Problem sein
dürfte, Vokale den richtigen Lauten zuzuordnen. Und sei es am
Ende sogar durch die simple Comicsprache; Stichwort
illustration der Mundstellung + zugehöriger Lautäußerung in
der zugehörigen Sprechblase.

An Comics haben wir auch schon gedacht. Ja… wenn man da Sachen wie „Aaaaaaaah!“ und „Oh?“ oder so erkennt, hat man schon mal ein paar Vokale. So kommt man dann vielleicht auch auf die anderen. Ich war ob der Methode nur ein wenig skeptisch, aber vllt. ist das möglich.

Liebe Grüße,

  • André